TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/8 99/04/0190

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Veröffentlicht am 08.11.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §367 Z14;
GewO 1994 §50 Abs2;
VStG §1 Abs1;
VStG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der SD in S, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 29. Juni 1999, Zl. UVS-4/10.065/5-1999, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit erstbehördlichem Bescheid vom 3. Februar 1999 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe es als die gemäß § 370 der Gewerbeordnung verantwortliche gewerberechtliche Geschäftsführerin des Vereins "L" zu verantworten, dass von diesem Verein von zumindest 14. September 1998 bis 23. September 1998 auf eigene Rechnung und Gefahr gegen Entgelt zu Erwerbszwecken von einem näher bezeichneten Standort aus der Versandhandel mit Verzehrprodukten (laut Produktkatalog unter anderem 100 Kapseln Marine-Beta-Carotin-Kapseln zum Preis von S 385,--, 100 Kapseln Kieselerde-Calzium-Kapseln zum Preis von S 215,--, 100 Kapseln Austernschalen Extrakt-Kapseln zum Preis von S 451,--) betrieben worden sei (so seien an eine Kundin in Wien mit Rechnung vom 14. September 1998 Magnesium 500-Kapseln zum Preis von S 242,-- + S 42,-- Verpackungs- und Versandkosten per Nachnahme verschickt worden), obwohl der Versandhandel mit Verzehrprodukten an Letztverbraucher unzulässig sei.

Sie habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z. 14 in Verbindung mit § 50 Abs. 2 GewO 1994 begangen, weshalb über sie gemäß § 367 Z. 14 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von S 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt wurde.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg mit dem Bescheid vom 29. Juni 1999 keine Folge und bestätigte das erstbehördliche Straferkenntnis mit der Maßgabe, dass die "angewendete Strafbestimmung § 367 Einleitungssatz GewO 1994 zu lauten" habe. Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei gewerberechtliche Geschäftsführerin des Vereins "L". Dieser Verein sei Inhaber eines Handelsgewerbes gemäß § 124 Z. 11 GewO 1994, wobei der Verein auch Verzehrprodukte nach dem Lebensmittelgesetz verkaufe. Am 15. September 1998 habe eine Mitarbeiterin der Österreichischen Apothekerkammer mittels Bestellkarte per Post bei dem genannten Verein eine Packung des Verzehrproduktes Magnesium 500-Kapseln bestellt. Sie habe diesen Kauf als Testkauf über Auftrag ihres Arbeitgebers durchgeführt. Ihr Arbeitgeber sei durch einen Kunden einer Wiener Apotheke, der sich über die in der Preisliste des Vereins enthaltenen Produkte erkundigen wollte, in den Besitz der Preisliste samt Bestellformularen gelangt. Auf den angeführten Bestellkarten bzw. in der Preisliste würden sich keinerlei Hinweise finden, dass die Verzehrprodukte nur an Ärzte oder Therapeuten, die diese zu ihrer weiteren Berufsausübung benötigten, verkauft würden. Der von der Mitarbeiterin der Österreichischen Apothekerkammer am 15. September 1998 per Post abgegebenen schriftlichen Bestellung sei am 23. September 1998 durch Zustellung des bestellten Produktes per Post an ihre Privatadresse entsprochen worden. Der für die Bestellung in Rechnung gestellte Kaufpreis sei per Nachnahme entrichtet worden. Der festgestellte Sachverhalt stütze sich auf die glaubwürdige Aussage der Mitarbeiterin der Apothekerkammer, deren Angaben von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden seien, sowie auf die im Akt aufliegende Preisliste und die Bestellformulare, welche ebenfalls unbestritten geblieben seien. Gemäß § 50 Abs. 2 GewO 1994 sei der Versandhandel mit Giften, Arzneimitteln, Heilbehelfen, Verzehrprodukten, Waffen und Munition sowie pyrotechnischen Artikeln an Letztverbraucher unzulässig. Dieses Verbot gelte auch für den Absatz von aus eigener Erzeugung stammender Waren oder von zugekauften Waren in der Art des Versandhandels an Letztverbraucher. Die Beschwerdeführerin bestreite, im vorliegenden Fall einen Versandhandel an Letztverbraucher durchgeführt zu haben. Vielmehr habe sie ihre Produkte nur Ärzten und Therapeuten mittels schriftlichen Katalogen angeboten und diesen die bestellten Waren im Postweg zugestellt. Sie habe ihre Produkte keinesfalls mit Inseraten in Medien beworben, sondern sei die Werbung nur durch Mundpropaganda von Ärzten und Therapeuten erfolgt. Dazu sei zunächst festzuhalten, dass es beim so genannten Versandhandel nicht darauf ankomme, dass die Waren in Inseraten in Zeitungen oder Zeitschriften beworben würden. Wesentlich sei, dass das Anbieten nicht in offenen Ladengeschäften, sondern schriftlich mittels Katalogen oder Prospekten erfolge und die schriftlich bestellten Waren den Käufern im Versandwege zugestellt würden. Es sei daher für die vorgeworfene Übertretung des § 50 Abs. 2 GewO 1994 unbedeutend, ob die vom Gewerbeinhaber angebotenen Verzehrprodukte in Zeitungsinseraten beworben worden seien oder nicht. Der Rechtfertigung der Beschwerdeführerin, dass ein Versandhandel an Letztverbraucher ausgeschlossen sei und die Waren nur von Ärzten oder Therapeuten bestellt werden könnten, stehe entgegen, dass in den vom Gewerbeinhaber verwendeten Bestellformularen bzw. auch in der Preisliste keine Hinweise darauf enthalten seien, dass diese Verzehrprodukte nur von Ärzten oder Therapeuten, die sie für ihre Berufsausübung benötigten, erworben werden könnten. Die zur Verfügung gestellten Bestellkarten seien nach ihrem Erscheinungsbild auch an Letztverbraucher gerichtet. Es sei für einen Letztverbraucher aus der Preisliste und den Bestellformularen in keiner Weise erkennbar, dass er als Käufer ausgeschlossen sei. Die Mitarbeiterin der Apothekerkammer, die als Testkäuferin fungiert habe, habe auch tatsächlich ohne jegliche Beanstandung ein Verzehrprodukt mittels dieser Bestellkarte bestellen können und dieses erhalten, ohne dass bei ihr von der Verkäuferin rückgefragt worden sei, ob sie die Verzehrprodukte als Ärztin oder Therapeutin für ihre Berufsausübung benötige. In Anbetracht ihres Vorbringens hätte die Beschwerdeführerin jedenfalls die Verpflichtung gehabt, zu ermitteln, ob die neue Kundin eine Letztverbraucherin sei. Mit ihrem Vorbringen, dass sie vertrauen hätte können, dass nur Ärzte oder Therapeuten die von ihr angebotenen Verzehrprodukte erwerben könnten, vermöge sie in Anbetracht der allgemein gehaltenen Bestellunterlagen für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen. Es sei ihr jedenfalls fahrlässiges Verschulden anzulasten. Dem Vorbringen, dass die Bestimmung des § 50 Abs. 2 GewO 1994 zu einer sachlich ungerechtfertigten Ungleichbehandlung der inländischen Anbieter und zu einer Inländerdiskriminierung führe, werde entgegengehalten, dass es sich beim § 50 Abs. 2 GewO 1994 um eine in der Gewerbeordnung verankerte Konsumentenschutzbestimmung handle, die gleichermaßen für inländische wie auch für ausländische Gewerbeinhaber, die in Österreich Waren verkaufen, gelte. Es sei daher auch einem ausländischen Handelsgewerbetreibenden, der von seinem ausländischen Standort das Handelsgewerbe in Form des Versandhandels betreibe, verboten, die in § 50 Abs. 2 GewO 1994 näher angeführten Waren im Wege des Versandhandels in Österreich an Letztverbraucher zu verkaufen. Der Vorwurf einer Inländerdiskriminierung durch § 50 Abs. 2 GewO 1994 gehe somit ins Leere. Das Vorbringen, wonach § 50 Abs. 2 GewO 1994 gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Art. 30 EG-V entgegenstehe, sei von der Berufungsbehörde nicht zu prüfen. Da es sich vorliegend um einen rein inlandsbezogenen Sachverhalt handle, komme eine Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nicht in Betracht. Es werde sohin die vorgeworfene Übertretung sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht als erwiesen angenommen.

Die Behandlung der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 28. September 1999, B 1464/99-3, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht verletzt, "ohne Vorliegen eines entsprechenden Tatbildes nicht wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 367 Z. 14 iVm § 50 Abs. 2 GewO 1994 bestraft zu werden". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes bringt sie vor, es könne den Feststellungen der belangten Behörde sowie dem Akteninhalt lediglich ein einziger Versendungskauf entnommen werden, der von der Apothekerkammer durch einen agent provocateur initiiert worden sei. Unrichtigerweise sehe die belangte Behörde das Tatbildmerkmal des Versandhandels bereits bei einem einzelnen, singulären Versendungskauf als erfüllt an. Es sei zwar richtig, dass unter Versandhandel eine Betriebsform des Einzelhandels, also eine Form des Verkaufes von Waren an Letztverbraucher, verstanden werde, bei der das Anbieten nicht in offenen Ladengeschäften, sondern schriftlich mittels Katalogen, Prospekten oder durch Vertreter erfolge und die bestellten Waren den Käufern im Versandwege zugestellt würden. Die belangte Behörde verkenne jedoch, dass diese Tätigkeit nach außen hin erkennbar auf eine Vielzahl von Geschäften als organisatorische Einheit gerichtet und somit notwendigerweise für eine längere Zeitspanne geplant sein und vom Unternehmer initiativ ausgehen müsse. Der Begriff des Handels setze die Durchführung einer Mehrzahl von Geschäften voraus. Gerade diese Mehrzahl von Geschäften an Letztverbraucher habe von der belangten Behörde nicht festgestellt werden können.

Gemäß § 50 Abs. 2 GewO 1994 ist der Versandhandel mit Giften, Arzneimitteln, Heilbehelfen, Verzehrprodukten, Waffen und Munition sowie pyrotechnischen Artikeln an Letztverbraucher unzulässig. Dieses Verbot gilt auch für den Absatz von aus eigener Erzeugung stammenden Waren oder von zugekauften Waren (§ 33 Z. 6) in der Art des Versandhandels an Letztverbraucher.

Nach § 367 Z. 14 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer mit den im § 50 Abs. 2 genannten oder durch auf Grund des § 50 Abs. 3 erlassene Verordnungen bezeichneten Waren entgegen diesen Bestimmungen den Versandhandel ausübt oder solche aus eigener Erzeugung stammende Waren oder zugekaufte Waren (§ 33 Z. 6) in der Art des Versandhandels an Letztverbraucher absetzt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet mit ihrem Vorbringen nicht, dass es sich bei dem von ihr an die Mitarbeiterin der Apothekerkammer gelieferten Produkt um ein Verzehrprodukt im Sinne des § 50 Abs. 2 GewO 1994 handelte. Sie bringt jedoch vor, dass das Tatbestandsmerkmal des Versandhandels nicht erfüllt sei, weil nur ein einzelnes Rechtsgeschäft mit einem Letztverbraucher zu Stande gekommen sei. Außerdem müsse die Tätigkeit des Versandhandels auf eine längere Zeit geplant sein und vom Unternehmer initiativ ausgehen, was im vorliegenden Fall nicht gegeben sei.

Unter dem Begriff des Versandhandels im Sinne des § 50 Abs. 2 GewO 1994 ist eine Betriebsform des Einzelhandels zu verstehen, also eine Form des Verkaufens von Waren an Letztverbraucher, bei der das Anbieten der Waren nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenstern), sondern schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolgt und die bestellten Waren den Käufern im Versandwege (meist Postversand) zugestellt werden (vgl. AB 1973 zur GewO 1973, 941 Blg NR 13.GP). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich jedoch der dargestellten Rechtslage nicht entnehmen, das Tatbestandsmerkmal des Versandhandels würde erst dann vorliegen, wenn mehrere Rechtsgeschäfte mit Letztverbrauchern zustande gekommen seien, deren Abschluss vom Unternehmer initiativ ausgegangen sei. Dafür spricht auch, dass die gegenständliche Regelung dem öffentlichen Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bzw. der Volksgesundheit dienen soll (vgl. den genannten AB 1973). Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Interessen erst bei mehreren Versandgeschäften - oder wie die Beschwerdeführein auch meint, bei einer auf eine Vielzahl von Geschäften gerichteten organisatorischen Einheit - als schützenswert erachtete. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde die Lieferung des von der Mitarbeiterin der Apothekerkammer bestellten Produktes an diese durch die Beschwerdeführerin dem Tatbestandsmerkmal des Versandhandels subsumierte.

Insoweit die Beschwerdeführer vorbringt, das Rechtsgeschäft mit einem Letztverbraucher sei nur deswegen zu Stande gekommen, weil es von einem agent provocateur initiiert worden sei, ist sie darauf zu verweisen, dass eine Verwaltungsübertretung auch dann strafbar ist, wenn sie durch einen agent provocateur verursacht wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1993, Zl. 92/10/0029).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 8. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999040190.X00

Im RIS seit

23.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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