TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/9 2000/16/0619

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.2000
beobachten
merken

Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

ABGB §1347;
ABGB §1404;
ABGB §1406;
GebG 1957 §17 Abs1;
GebG 1957 §33 TP7 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/16/0620 2000/16/0621

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden der B AG in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Linz, Kudlichstraße 41-43, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 3. August 2000, Zlen. 1.) RV/166-09/00,

2.) RV/167-09/00 und 3.) RV/165-09/00, je betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus den Beschwerdeschriften, den damit vorgelegten Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide und den ebenfalls vorgelegten Kopien dreier Lieferungsübereinkommen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin schloss mit der Caner GmbH & Co KEG in St. Pölten, weiters mit der Millenium Gastronomie GmbH in Krems und schließlich mit der Norbert Karl Nachfolge KEG in Krems, jeweils im Wesentlichen gleich lautende Lieferungsübereinkommen betreffend Bierbezug ab, in denen die Beschwerdeführerin als "Brauerei" und die genannten Bierabnehmer jeweils als "Vertragspartner" bezeichnet werden.

In den drei Verträgen verpflichtete sich die Beschwerdeführerin jeweils zur Lieferung von Bier und übernahmen die Vertragspartner jeweils die Verpflichtung zur Abnahme bestimmter Mindestmengen, wobei den Vertragspartnern jeweils Darlehen (und zwar S 310.000,-- bzw. S 147.700,-- bzw. S 2,500.000,--) zur Ausgestaltung ihrer Absatzstätten zugesagt wurden.

Am Ende der Vertragstexte, und zwar nach den Unterschriften der Beschwerdeführerin und ihrer Vertragspartner findet (finden) sich jeweils folgende(r) Text(e):

"Ich (wir) trete(n) diesem Vertrag auf Seiten des (der) Vertragspartner(s) bei", wobei dieser Text betreffend den Vertrag mit der Caner GmbH & Co KEG von Nülbur Caner, betreffend den Vertrag mit der Millinium Gastronomie GmbH von Christian Gschwandtner und Othmar Gschwandtner und betreffend den Vertrag mit der Norbert Karl Nachfolge KEG von Norbert Karl und Susanne Rihs unterfertigt wurde.

Die Punkte 5 und 12.6 der Vertragstexte lauten wie folgt:

"5. Rechtsnachfolge und Verpachtung:

Bei Veräußerung, Vermietung, Verpachtung oder einer sonstigen Überlassung der Absatzstätte an Dritte hat der Vertragspartner unter Fortdauer seiner eigenen Haftung alle seine Verpflichtungen aus diesem Lieferungsübereinkommen Rechtsnachfolgern bzw. Rechtsnehmern oder Geschäftsnachfolgern schriftlich so zu überbinden, dass die Betreffenden sie als ihre eigene Verpflichtung gegenüber der Brauerei schriftlich anerkennen, sodass die Brauerei von diesen auch unmittelbar Erfüllung verlangen kann.

Die Brauerei ist über eine beabsichtigte oder bevorstehende Veräußerung, Vermietung, Verpachtung oder sonstige Überlassung oder Veränderung schriftlich zu informieren. Die Brauerei ist jedoch berechtigt, die Vertragsfortsetzung mit dem Rechtsnachfolger bzw. Rechtsnehmer oder Geschäftsnachfolger des bisherigen Vertragspartners abzulehnen und nach Punkt 6. vorzugehen. ...

...

12. Sonstiges

...

12.6. Mehrere Vertragspartner und Personen, die den Vertrag auf Seiten des Vertragspartners unterfertigen, haften jeweils als Gesamtschuldner zur ungeteilten Hand."

Für diese Verträge setzte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien ausgehend jeweils von den genannten Darlehenssummen einerseits Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 8 GebG und andererseits Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 7 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. fest.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin jeweils mit dem Argument Berufung, es liege weder eine Bürgschaft noch ein Schuldbeitritt vor.

Nach dem Ergehen abweislicher Berufungsvorentscheidungen stellte die Beschwerdeführerin jeweils Anträge auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, worin sie die Auffassung vertrat, es liege jeweils ein von einem Schuldbeitritt verschiedener Vertragsbeitritt vor, womit der jeweils Beitretende Gesamthandgläubiger aller Forderungen und Gesamthandschuldner aller Verpflichtungen aus dem Vertrag geworden sei.

Die belangte Behörde wies die Berufungen als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, es sei jeweils ein Schuldbeitritt erfolgt.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerden je wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich jeweils in ihrem Recht darauf verletzt, dass keine Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 7 GebG vorgeschrieben wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Gemäß § 33 TP 7 (1) GebG steht die Erklärung, durch die jemand einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beitritt (§ 1347 ABGB) der Bürgschaftserklärung gleich und unterliegt nach Z. 1 dieser Gesetzesstelle nach dem Werte der verbürgten Verbindlichkeit einer Rechtsgebühr von 1 v.H.

§ 1347 ABGB bestimmt:

"Wenn jemand, ohne die den Bürgen zustatten kommende Bedingung, einer Verbindlichkeit als Mitschuldner beitritt, so entsteht eine Gemeinschaft mehrerer Mitschuldner, deren rechtliche Folgen nach den in dem Hauptstücke von Verträgen überhaupt gegebenen Vorschriften zu beurteilen sind (§§ 888 bis 896)."

Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.

Kern der Beschwerdeausführungen ist jeweils das Argument, in den vorliegenden Fällen seien nicht Schuldbeitritte gemäß § 1347 ABGB erfolgt, sondern Vertragsbeitritte. Ausdrücklich verweist die Beschwerdeführerin jeweils darauf, dass die Vertragsbeitritte zeitgleich mit der Unterfertigung der Vereinbarung durch die eigentlichen Vertragspartner erfolgt seien und deshalb ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliege.

Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Bei dem im Gesetz selbst nicht geregelten, aber von Lehre und Rechtsprechung anerkannten Institut der Vertragsübernahme (siehe z. B. Ertl in Rummel, ABGB II2 Rz 1 zu § 1404 und Rz 2 zu § 1406 ABGB; ebenso Koziol/Welser, Bürgerliches Recht I10 303) handelt es sich um eine den Konsens aller Beteiligen erfordernde Vereinbarung, dass die Gesamtheit der einer Vertragspartei zustehenden Rechte und Pflichten einschließlich der über die einzelnen Leistungsansprüche und Verhaltenspflichten hinausgehenden rechtlichen Rahmenbeziehung auf eine andere, neue Vertragspartei übergeht. Mit einer Vertragsübernahme werden somit auch jene Rechtsbeziehungen übertragen, die als solche nicht der Abtretung oder einer Schuldübernahme unterliegen (Ertl, a.a.O., Rz 1 zu § 1404 ABGB). Insbesondere werden im Wege einer Vertragsübernahme auch alle Gestaltungsrechte des bisherigen Vertragspartners auf den neuen Partner übertragen (Koziol/Welser, a.a.O). Die Vertragsübernahme ist mehr als eine Kombination von Forderungsabtretung und Schuldübernahme (Ertl, a.a.O. Rz 2 zu § 1406 ABGB).

Scheidet der bisherige Partner aus dem Vertragsverhältnis nicht aus, sondern tritt nach dem allseitigen Parteiwillen ein neuer Vertragspartner hinzu, so spricht man von einem Vertragsbeitritt, durch den die neue Vertragspartei neben einem der bisherigen Partner in alle Rechte und Pflichten des Vertragsverhältnisses eintritt (Ertl, a.a.O., Rz 1 zu § 1404 und Rz 3 zu § 1406 ABGB). Bei einem Vertragsbeitritt übernimmt der Hinzutretende kumulativ alle Rechte und Pflichten aus einem Vertrag (Koziol/Welser, a.a.O. 304). Eine Kombination von Zession und Schuldbeitritt reicht für einen Vertragsbeitritt nicht aus (Ertl, a. a.O., Rz. 3 zu § 1406 ABGB unter Hinweis auf OGH 6 Ob 702/88).

In der einen Bierbezugsvertrag betreffenden Entscheidung vom 10. Mai 1988, 5 Ob 541/88 JBl 1988, 720 = HS 18.966 hat der OGH ausgesprochen, dass in der in einem solchen Vertrag vereinbarten Überbindungsverpflichtung bereits vorweg die Zustimmung zum Austausch des Vertragspartners erteilt wird, das heißt die Zustimmung zur Übertragung des Schuldverhältnisses als Gesamtheit wechselseitiger Rechte und Pflichten.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage zeigt der gemäß § 17 Abs. 1 GebG maßgebliche Vertragstext in den vorliegenden Fällen folgendes Bild:

Die Vereinbarung unterscheidet einerseits zwischen den "Vertragspartnern" der Beschwerdeführerin (das sind die jeweiligen Bierbezieher und Darlehensnehmer) und Personen, die dem Vertrag auf Seiten des Vertragspartners "beitreten". Andererseits unterscheidet der Text gemäß Punkt 5. zwischen dem Vertragspartner und "Dritten", denen Vertragspflichten bei einer Veräußerung, Vermietung, Verpachtung oder sonstigen Überlassung der Absatzstätte zu überbinden sind, wobei sich die Beschwerdeführerin ausdrücklich vorbehält, die Vertragsfortsetzung mit dem "Rechtsnachfolger, Rechtsübernehmer oder Geschäftsnachfolger" des bisherigen Vertragspartners abzulehnen.

Bereits daraus folgt aber ohne jeden Zweifel, dass jene Person(en) die jeweils durch Unterfertigung der am Ende des Vertragstextes stehenden Klausel "beitreten", eine andere Rechtsposition hat (haben) als diejenigen Dritten, denen allenfalls unter dem Regime des Vertragspunktes 5. als Rechtsnachfolger der Vertragspartner Verpflichtungen überbunden werden bzw. die mit Zustimmung der Beschwerdeführerin den Vertrag im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des OGH fortzusetzen berechtigt sind.

Wären die durch Unterfertigung der jeweils am Ende der Vertragstexte stehenden Klauseln beigetretenen Personen als Vertragsübernehmer oder Vertragsbeitretende anzusehen, so wäre die Differenzierung zwischen den Rechtsnachfolgern iS des Vertragspunktes 5 und den Beitretenden im Sinne der jeweils letzten Vertragsklauseln sinnlos.

Dazu kommt, dass auch der Vertragspunkt 12.6. zwischen "mehreren Vertragspartnern" und denjenigen Personen differenziert, "die den Vertrag auf Seiten eines Vertragspartners unterfertigen". Auch diese unübersehbare Unterscheidung wäre sinnlos, wenn die "beitretende" Person - so wie es die Beschwerdeführerin jeweils anstrebt - als Vertragsbeitretende und damit als Vertragspartner anzusehen wäre.

Für diese Sicht spricht insbesondere auch das von der Beschwerdeführerin selbst gebrauchte Argument der zeitgleichen Unterfertigung der Beitrittsklausel, weil gerade angesichts der mit der Unterschrift des Vertragspartners zeitgleichen Unterfertigung der Beitrittsklausel die Unterscheidung zwischen einem Vertragsbeitretenden (der Vertragspartnerstellung erlangt) und jemandem, der auf Seiten eines Vertragspartners den Vertrag unterfertigt, einen Sinn macht.

Somit folgt bereits aus dem Beschwerdevorbringen in Verbindung mit dem Inhalt der vorgelegten Urkunden, dass die in Rede stehenden Beitrittsklauseln als jeweils als Schuldbeitritt gemäß § 1347 ABGB anzusehen sind und dass daher den angefochtenen Bescheiden die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 9. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000160619.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten