TE UVS Steiermark 2013/05/16 20.3-2/2013

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Veröffentlicht am 16.05.2013
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Kundegraber über die Beschwerde des M P, geb. am, vertreten durch Dr. F K, Rechtsanwalt in G wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:

 

Die Abnahme von 53 Schlangen in G, St, am 28. November 2012 durch den Amtstierarzt der Stadt Graz war rechtswidrig.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 67 a Z 2, 67 c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) §§ 30, 33, 34, 35, 36 und 37 Tierschutzgesetz (TSchG)

 

Die Kosten des beigezogenen gerichtlich beeideten Sachverständigen für Veterinärmedizin hat die Stadt Graz gemäß § 76 Abs 1 AVG zu tragen, wobei die genaue Höhe in einem gesonderten Bescheid festgelegt wird.

Text

I.1. In der mit Mängelbehebungsauftrag verbesserten Beschwerde vom 02. Jänner 2013 wird im Wesentlichen begehrt, dass die Amtshandlung des Amtstierarztes der Stadt Graz am 28. November 2012, in G, St, rechtswidrig zu erklären sei. Gegenstand der Abnahme seien Schlangen gewesen und habe der Amtstierarzt die medizinisch versorgten Tiere als Fundgegenstände bezeichnet. Vielmehr waren die Schlangen im alleinigen Eigentum der Dr. J Gr und wurden vom Beschwerdeführer gehalten. Es wurde begehrt, die zwangsläufig ungerechtfertigte Beschlagnahme der Schlangen durch Dr. H, Amtstierarzt der Stadt Graz, für rechtswidrig zu erklären.

 

2. Mit Schreiben vom 17. Jänner 2013 wurde die mutwillige Verlängerung der rechtswidrigen Beschlagnahme der abgenommenen Tiere gerügt. Auch wird eine weitere Begründung für die Maßnahmenbeschwerde abgegeben. Es wird auch angeregt die Vorgangsweise von Dr. Fü, Leiter des Veterinärreferates der Stadt Graz, für rechtswidrig zu erklären, insbesondere auf Grund der Fortführung der rechtswidrigen Beschlagnahme.

 

3. Ein weiterer Schriftsatz von Seiten des Beschwerdeführers erfolgte am 28. Jänner 2013 und ist betitelt mit Maßnahmenbeschwerde / Kranke Schlangenbabys / Verweigerung der Hilfestellung während der Beschlagnahme. Soweit man dem Schreiben folgen kann, bringt der Beschwerdeführer vor, dass die abgenommenen Schlangen bei dem Tierhändler, dem sie übergeben wurden, nicht ausreichend versorgt würden. Die von ihm eingebrachten Anträge auf die Feststellung des aktuellen Zustandes der beschlagnahmten Exemplare wurden nicht beachtet. Im Übrigen sei die Abmessung der Terrarien im Fall der Schlangenbabys bedeutungslos, weil die Jungschlangen fressen, sich danach verstecken und verdauen würden und sich dieser Vorgang immer wieder wiederhole.

 

4. Ein Schreiben vom 05. Jänner 2013 wurde am 07. Februar 2013 zur Maßnahmenbeschwerde eingebracht und wird darin ausgeführt, dass die wahrheitswidrige Darstellung von Dr. H von Seiten des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark als Amtsmissbrauch zu qualifizieren wäre und mit der dafür vorgesehen Strafe zu belegen.

 

5. Am 18. Februar 2013 legte der Bürgermeister der Stadt Graz eine Gegenschrift vor. Hiebei wird im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits bei der Kontrolle des Veterinärreferates am 15. November 2012 erhebliche Mängel der Haltungsbedingungen festgestellt wurden. Am 28. November 2012 habe der Beschwerdeführer die Fundtiere dem Amtstierarzt übergeben, wobei der Beschwerdeführer bei der erfolgten Übergabe erstmals darauf hinwies, dass er für die Tiere etwas bezahlt hätte. Im Zuge der Kontrolle wurde auch festgestellt, dass diese Neutiere keinesfalls in Übereinstimmung mit dem Tierschutzgesetz gehalten wurden (einfache Einwegkunststoffboxen, Kunststoffmülltonnen ohne ausreichenden Bodensubstrat, Raumstruktur und Wasserbehälter waren nicht vorhanden; Behältnisse teilweise von Fäkalien verunreinigt; keine Temperaturgradienten). Dem Beschwerdeführer musste daher gemäß § 37 Abs 2 iVm § 5 Abs 2 Z 10 TSchG auf Grund der quantitativ und qualitativ mangelnden Haltungsrichtungen die in der Bestätigung angeführten Tiere abgenommen werden. Auch als Halter der Tiere kam eine Übergabe der Tiere an den Beschwerdeführer im Sinne des § 30 Abs 1 TSchG nicht in Betracht, da die Haltungsbedingungen in keiner Weise erfüllt waren.

Die für die Rückgabe erfolgte Überprüfung der Haltungsbedingungen am 28. Dezember 2012 verlief für den Beschwerdeführer negativ.

Da der Amtstierarzt Dr. H die ihm zukommende Befugnisse nicht überschritten habe, wurde der Antrag gestellt die Beschwerde abzuweisen und den Kostenersatz vorzuschreiben.

Als Beilage wurde ein Aktenkonvolut vorgelegt (Aktenvermerk vom 28. November 2012, 16:00 Uhr, Mag. R, GZ.: ABT13-78Pe-2/2012-1, über die Abnahme von Schlagen vom 28. November 2012; weiterer Aktenvermerk vom 28. November 2012, GZ.: A7-56660/2012-3, vom einschreitenden Amtstierarzt Dr. H, in der dieser ausführt, dass er vom Beschwerdeführer die aufgefundenen Schlangen und eine Vogelspinne übernommen habe. Es sei auch vom Beschwerdeführer ein Geldbetrag bezahlt worden; Bestätigung des Amtstierarztes vom 28. November 2012 über die Abnahme von 53 Schlangen, wobei die jeweilige Anzahl und die Art angeführt ist; Schreiben des Beschwerdeführers an das Veterinärreferat vom 12. Dezember 2012, in dem er angibt, dass die Schlagen im alleinigen Eigentum von Dr. J Gr stehen; Aktenvermerk vom 19. November 2012 vom Amtstierarzt Mag. Dr. Kl H, GZ.: A7-806/2012-62, betreffend eines durchgeführten Lokalaugenscheines beim Beschwerdeführer; ein Gutachten vom 21. Dezember 2012 über die Haltungsbedingungen der Reptilienhaltung beim Beschwerdeführer von Amtstierarzt Mag. Dr. Kl H, wobei die Wahrnehmungen bei den Erhebungen am 24. Jänner 2012, 15. Mai 2012, 15. November 2012 und 28. November 2012 in dem Gutachten verwertet wurden; eine tierärztliche Bescheinigung vom 04. Jänner 2013 von der Kleintierpraxis Mag. med. vet. A S, wonach mehrere Schlangen auf Grund der schlechten Haltungsbedingungen beim Beschwerdeführer verendet sind; Schreiben des Beschwerdeführers an das Veterinärreferat der Stadt Graz vom 19. November 2012, 17. November 2012, betreffend Meldung gemäß § 25 TSchG; ein Schreiben der Dr. J Gr vom 18. Dezember 2012, betreffend der Haltungseinrichtungen für die beschlagnahmten Schlangen; eine Niederschrift vom 28. November 2012 mit Mi Ga über die Übergabe gefundener Tiere sowie weitere Schreiben des Beschwerdeführers an das Veterinärreferat der Stadt Graz vom 26. November 2012 und 18. Dezember 2012).

 

6. Mit Schriftsatz vom 23. April 2013 gibt Dr. F K seine Rechtsvertretung bekannt und spricht sich gegen die Beiziehung eines Sachverständigen aus. Zusätzlich gibt er in einem weiteren Schriftsatz bekannt, dass es sich bei den abgenommenen Schlangen um keine Fundgegenstände gehandelt habe, sondern die Tiere vom Beschwerdeführer tatsächlich bezahlt wurden. Dies würde auch in der vom Amtstierarzt ausgestellten Bestätigung vom 28. November 2012 hervorgehen, da dort der Beschwerdeführer handschriftlich die bezahlten Beträge von ? 1.600,00 und ? 2.800,00 vermerkte. Daher würde § 30 TSchG nicht zur Anwendung gelangen. Es wurde nochmals darauf hingewiesen, dass die Tiere somit zu Unrecht abgenommen wurden und hätte sich - falls es sich um eine Kontrolle gehandelt hätte - diese angekündigt und in der Folge tatsächlich durchgeführt werden müssen.

 

II.1. Nach Durchführung einer Verhandlung am 03. Mai 2013, wobei der Beschwerdeführer und Mag. Dr. Kl H, Amtstierarzt, als Zeuge einvernommen wurden sowie unter Heranziehung des Akteninhaltes als auch unter Einbeziehung des Gutachtens, erstellt vom gerichtlich beeideten Sachverständigen für Veterinärmedizin Mag. Gerald Benyr, geht der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark von nachfolgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Beschwerdeführer hält zahlreiche Schlangen in einer Wohnung in G, St. Die Wohnung hat ein Gesamtausmaß von 50 m2 und werden in zwei Zimmern, die mit einer Sicherheitstür verbunden sind, Schlangen gehalten. Der übrige Teil der Wohnung steht dem Beschwerdeführer für Wohnzwecke zur Verfügung und wird dort auch Futter gelagert bzw. Reinigungsarbeiten der Futterbehälter durchgeführt.

Mit Schreiben vom 17. November 2012, 19. November 2012 und 26. November 2012, wurde das Veterinärreferat der Stadt Graz vom Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt, dass dieser vor seiner Wohnungstüre mehrere Schlangen vorgefunden habe. Der Beschwerdeführer bezog sich hiebei auf die Meldung gemäß § 25 TSchG (Anzeige der Wildtierhaltung bei der Behörde). Der Beschwerdeführer hat zwischen 15. November 2012 und 28. November 2012 53 Schlangen auf dem Wege erhalten. Zudem führte er in den Räumlichkeiten, wo er Schlangen hielt, während der gesamten Zeit bauliche Arbeiten durch.

Der Amtstierarzt Dr. H erhielt vom Referatsleiter des Veterinäramtes der Stadt Graz den Auftrag bei den aufgefundenen Schlangen für eine artgerechte, ordnungsgemäße Unterbringung zu sorgen. Zuvor hatte Dr. H, der den Beschwerdeführer bereits aus früheren Amtshandlungen kannte, am 15. November 2012 eine Begehung der Räumlichkeiten durchgeführt und die dortigen Feststellungen in einem Aktenvermerk vom 19. November 2012, GZ.: A7-806/2012-62, festgehalten.

Am 28. November 2012, um ca. 08:00 Uhr, führte Dr. H die Überprüfung im Beisein dreier Polizisten und Herrn Ga (Zoofachhändler, der für eventuelle Unterbringung der abgenommenen Tiere zu sorgen hätte) durch. Auf Grund der Kenntnis von abgegebenen Schlangen hatte der Amtstierarzt bereits eine Bestätigung maschinschriftlich vorbereitet, in der die einzelnen Arten und Anzahl der Schlangen, datiert mit 28. November 2012, festgehalten wurden. Während der Amtshandlung setzte der Beschwerdeführer den Amtstierarzt in Kenntnis, dass er noch eine zweite Lieferung von Schlangen bekommen habe. Die Anzahl und Art der Schlangen, die vom Beschwerdeführer dem Amtstierarzt laut Computerauszug gezeigt wurden, hat dieser sodann handschriftlich der Bestätigung beigefügt. Ebenso erwähnte im Zuge der Amtshandlung der Beschwerdeführer, dass er für die Schlangen bezahlt hätte und fügte handschriftlich auf die Bestätigung die Worte bezahlt ? 1.600,00 und bezahlt ? 2.800,00, wobei er die damit gemeinten Schlangen mit Klammerausdruck versah. Auf Grund des kooperativen Verhaltens des Beschwerdeführers, blieben die Polizeibeamten im Stiegenhaus. Der Amtstierarzt, der in den ersten Terrarienraum ging, fand ähnlich chaotische Zustände wie bei der Begehung am 15. November 2012 (siehe Aktenvermerk). Für den Amtstierarzt bot sich der Terrarienraum wie eine Baustelle dar. Den zweiten Terrarienraum hat der Amtstierarzt während der Amtshandlung nie betreten. Es waren auch dort von der Abnahme betroffene Schlangen untergebracht, wie viele es waren, konnte nicht eruiert werden. Die Raumtemperatur war sicherlich nicht über 30 Grad, sondern bei ca. 25 Grad, wie auch bei der Kontrolle am 15. November 2012. Eine Schlange war in einem Mülleimer am Boden untergebracht. Der Amtstierarzt entschloss sich auf Grund der vorgefundenen Zustände im Terrarienraum 1 die Schlangen abzunehmen. Die Gründe waren die Temperatur, die Lichtverhältnisse, teilweise kein Bodengrund, einige Behälter mit Papierschnitzel, größtenteils feuchte Papierschnitzel, Verschmutzung mit Kot und Harn und keine Versteckmöglichkeiten der Tiere. Die Schlangen befanden sich in kleinen Kunststoffboxen und hat der Beschwerdeführer diese Boxen für den Abtransport zur Verfügung gestellt. Die kleinen Kunststoffboxen wurden sodann in zwei bis drei großen Styroporboxen, die vom Tierhändler mitgebracht wurden, eingeschlichtet und zuvor die Schlangen vom Amtstierarzt gezählt. Hiebei wurden vom Beschwerdeführer Boxen mit Schlangen vom Terrarienraum 2 geholt, wobei der Amtstierarzt nur teilweise Sicht auf die Abstellörtlichkeit der Boxen hatte. Ein Tageslicht war weder im Terrarienraum 1 noch 2. Die Schlangen wurden nicht auf den Ernährungszustand hin überprüft.

Für den Amtstierarzt war der Anlass der Amtshandlung die Mitteilung, dass Schlangen vor der Wohnungstür des Beschwerdeführers aufgefunden wurden. Auf Grund der dort vorgefundenen Situation wurde eine Abnahme der Schlangen wegen der Haltungsbedingungen vorgenommen. Zum Zeitpunkt der Abnahme war der Beschwerdeführer Halter der Schlangen und erwähnte auch, dass für die Schlangen bezahlt wurde. Bei der Abnahme wurde keine Bilddokumentation durchgeführt, noch wurde das Formular nach § 37 TSchG verwendet, da der Amtstierarzt anfänglich von einer anderen Sachlage ausging. Die daraufhin ergangene Bestätigung, datiert mit 28. November 2012 und unterschrieben vom Amtstierarzt, geht von abgegebenen Tieren aus und wurde auch die handschriftlich aufgenommene Niederschrift am 28. November 2012 an Ort und Stelle unter der Rubrik Gegenstand der Amtshandlung mit Übergabe gefundener Tiere ausgefüllt. In der Niederschrift wird die Bezahlung von Seiten des Beschwerdeführers angeführt. Der Amtstierarzt hat sich bei der Amtshandlung jedoch nur auf die abgegebenen Schlangen konzentriert, nicht auf die übrig gehaltenen Schlangen, obwohl nach Auffassung des Amtstierarztes ein Abnahmetatbestand vorgelegen wäre.

Die abgenommenen Schlangen wurden sodann von Herrn Ga übernommen und tierärztlich untersucht, wobei ein absoluter schlechter Allgemeinzustand am 04. Jänner 2013 festgestellt wurde (siehe tierärztliche Bescheinigung von Mag. med. vet. S vom 04. Jänner 2013).

 

2. Der beigezogene gerichtlich beeidete Sachverständige für Veterinärmedizin, Mag. Gerald Benyr, gab in der Verhandlung zur Frage, ob die Schlangen am 28.11.2012 in einem derartigen Zustand vorgefunden wurden, der erwarten lässt, dass das Tier ohne unverzügliche Abhilfe Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst erleiden wird ein Gutachten ab. Hiebei hatte der Sachverständige von der vorgefundenen Situation nach Schilderung des Amtstierarztes auszugehen, wobei jedoch der Umstand, ob für sämtliche abgenommene Schlangen ein in § 37 TSchG vorgefundener Zustand nachvollziehbar gegeben war, zu beurteilen war. Das Gutachten hatte nachfolgenden Inhalt:

 

Befund und Gutachten:

 

Die Schilderung der Haltungsbedingungen durch den Tierarzt weisen auf eine nicht dem TSchG entsprechende Haltung hin. Es liegen aber weder Schilderungen, Fotos, noch sonstige Beweise vor, die genaue Rückschlüsse darauf ermöglichen, welche Haltungsmängel bei welcher Tierart konkret festgestellt wurden.

 

Den Ausführungen des Beschwerdeführers entsprechend wurden die Tiere zum Zeitpunkt der Beschlagnahme in Quarantäne gehalten, um die Ausbreitung eines Milbenbefalles zu verhindern. Eine solche Maßnahme ist prinzipiell gerechtfertigt, aber wäre in räumlich weniger beengten Verhältnissen sicher zielführender durchführbar.

 

Der Amtstierarzt ist bei der Beschlagnahme laut seiner Aussage davon ausgegangen, dass es sich um dauerhafte Haltungsbedingungen handelte. Die von ihm aufgelisteten Mängel (Temperierung der Terrarien, fehlende Lichtquellen und fehlender, verschmutzter bzw. nasser Bodengrund sowie das Fehlen von Versteckmöglichkeiten und Wasserbecken) beschreiben Haltungsbedingungen, die auf Dauer zu einer Schädigung der Tiere führen würden. Ob die Haltung zum Zeitpunkt der Abnahme für die Tiere unzumutbar schlecht war, hängt daher davon ab, ob man der Aussage des Beschwerdeführers folgt, dass es sich um eine kurzfristige und zu medizinischen Zwecken notwendige Maßnahme handelte. Der einzige Fall, in dem ein Missstand explizit belegt ist, besteht in der Unterbringung einer Python regius in einem Wasserbad für drei Tage ohne Unterbrechung. Für einen Savannenbewohner ist dies ein potenziell erheblicher Stressfaktor, auch wenn gut eingewöhnte Tiere dies oft problemlos verkraften. Auch in diesem Fall wäre es aber höchstwahrscheinlich möglich gewesen, den Missstand ohne Beschlagnahme augenblicklich abzustellen.

 

Es wäre dringend empfehlenswert, in zukünftigen, ähnlich gelagerten Fällen über die Haltungsbedingungen jedes einzelnen Tieres zum Zeitpunkt der Abnahme ein Protokoll und Bilder anzufertigen. Des Weiteren wäre es erforderlich gewesen, 14 Tage nach Auffinden einer Quarantänehaltung eine erneute Kontrolle durchzuführen, um sicherzustellen, dass diese nur die unbedingt nötige Zeit andauert.

 

Die Behälter von 15 x 7 cm Bodenfläche (nach Angabe des Beschwerdeführers) sind aus Gründen der Arbeitsersparnis kleiner, als das unbedingt für eine Quarantäne notwendig wäre. Es besteht, abgesehen vom Arbeits- und Platzaufwand, keine medizinische Notwendigkeit, die Tiere während der Quarantäne in so kleinen Behältern zu pflegen. Für die Dauer von 14 Tagen (nach Angabe des Beschwerdeführers) ist eine solche Haltung aber mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mit Schäden, Schmerzen oder Angst verbunden.

 

Stressauslösend könnte allerdings die Aufstellung der Behälter am Boden gewesen sein, was bei empfindlichen Tieren auch zur Nahrungsverweigerung und daraus folgenden Schäden führen kann. Da aber keine genaueren Angaben über das Abwehrverhalten der Schlangen vorliegen, kann dies nicht beurteilt werden.

 

Zusammenfassend würden die vom Amtstierarzt geschilderten Haltungsbedingungen eine Abnahme der Tiere aufgrund von mit größerer Wahrscheinlichkeit eintretenden Schäden rechtfertigen, wenn sie artspezifisch belegt wären, d.h. es hätten die Missstände für jede einzelne abgenommene Schlange dokumentiert werden müssen. Dazu wäre es notwendig gewesen, den Raum der Unterbringung zu betreten. Ein solcher Beweis liegt jedoch nicht vor. Demgegenüber steht die Aussage des Beschwerdeführers, dass es sich nur um eine kurzfristige (14-tägige) Quarantänemaßnahme gehandelt hat. Für einen solchen Zeitraum kann davon ausgegangen werden, dass die Tiere keine Schäden aus den Haltungsbedingungen davontragen. Leiden sind bei Schlangen prinzipiell nicht nachweisbar. Schmerzen sind aufgrund der vom Tierarzt beschriebenen schlechten Haltungsbedingungen nicht anzunehmen. Wenn die festgestellten Haltungsbedingungen längerfristig andauern, ist davon auszugehen, dass die Tiere ernsthafte Schäden davontragen. Schwere Angst ist bei Reptilien kaum zu diagnostizieren.

 

3. Die getroffenen Feststellungen gründen sich im Wesentlichen auf die Aussage des Amtstierarztes Dr. H. Hiebei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich dabei um die Schilderung der Zustandsbedingungen bei Haltung der Schlangen handelt. Bei den daraus gezogenen Schlüssen im Sinne des § 37 Abs 1 Z 2 TSchG wird den nachvollziehbaren und logischen Angaben des beigezogenen gerichtlich beeideten Sachverständigen gefolgt. Letztendlich ist die Schilderung des Beschwerdeführers in relevanten Punkten nicht abweichend vom wahrgenommenen Sachverhalt des Zeugen. Ob der Amtstierarzt zum Beschwerdeführer am Beginn der Amtshandlung sagte, dass er Tiere als Fundgegenstände ansehe die auszuschreiben seien bis sich der Besitzer meldet, ist für die Entscheidung ohne Relevanz. Ebenso ist es ohne Belang, wenn der Amtstierarzt dem Beschwerdeführer nicht mitteilte, dass er die Haltungsbedingungen überprüfen werde.

 

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:

 

1. Gemäß § 67 a Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Die Beschwerde langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 03. Jänner 2013 (wahrscheinlich persönlich eingebracht) ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die vom Organ des Bürgermeisters der Stadt Graz vorgenommene Handlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde.

 

2. Gemäß § 30 Abs 1 TSchG hat die Behörde - soweit eine Übergabe an den Halter nicht in Betracht kommt - Vorsorge zu treffen, dass entlaufene, ausgesetzte, zurückgelassene sowie von der Behörde beschlagnahmte oder abgenommene Tiere an Personen, Institutionen und Vereinigungen übergeben werden, die eine Tierhaltung im Sinne dieses Bundesgesetzes gewährleisten können. Diese Personen, Vereinigungen oder Institutionen (im Folgenden: Verwahrer) haben die Pflichten eines Halters.

Der Bürgermeisters der Stadt Graz als Behörde (§ 33 TSchG) hatte somit auf Grund des Schreibens des Beschwerdeführers anzunehmen, dass es sich um ausgesetzte Tiere handelt. Die Beiziehung der drei Polizeibeamten findet ihre Deckung in § 34 Abs 2 TSchG, wobei sich die Polizeibeamten ausschließlich im Stiegenhaus aufhielten und die Wohnung des Beschwerdeführers nicht betraten.

Gemäß § 35 Abs 1 TSchG obliegt der Behörde die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes und die darauf gegründeten Verwaltungsakte.

Gemäß Abs 4 leg cit ist die Behörde berechtigt, die Haltungen sowie die Einhaltung von Tierhaltungsverboten unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit jederzeit zu kontrollieren. Unbeschadet der Abs 2 und 3 hat die Behörde die Haltung von Tieren zu kontrollieren, wenn im Hinblick auf Verstöße gegen Tierschutzrechtsvorschriften, deretwegen eine gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Strafe verhängt worden ist, die Besorgnis weiterer Verstöße gegen Tierschutzrechtsvorschriften besteht. Ebenso hat die Behörde eine Kontrolle durchzuführen, wenn der Verdacht eines solchen Verstoßes besteht.

Gemäß Abs 5 leg cit hat sich die Behörde bei der Kontrolle solcher Personen zu bedienen, die über eine ausreichende fachliche Qualifikation verfügen. Das Nähere ist durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit festzulegen.

Der Bürgermeister der Stadt Graz hat sich in der Person des Amtstierarztes Mag. Dr. H bei der Kontrolle am 28. November 2012 einer ausreichend qualifizierten Person bedient. Mag. Dr. H hat in der beruflichen Laufbahn mit Wildtieren, insbesondere Schlagen zu tun gehabt. Er habe zahlreiche Vorträge über Schlangenhaltung besucht um sich weiterzubilden. Die von Dr. H durchgeführte Kontrolle am 28. November 2012, bei denen die Haltungsbedingungen der neu hinzugekommenen Schlangen kontrolliert wurden, ist jedenfalls zu Recht - ohne Vorankündigung - möglich gewesen. Dies schon deshalb, da der Beschwerdeführer von anderen Amtshandlungen bekannt war und die Besorgnis weiterer Verstöße gegen Tierschutzrechtsvorschriften bestand. In Anbetracht, dass der Beschwerdeführer 53 Schlangen seit 15. November 2012 neu hinzubekam, war die durchgeführte Kontrolle 13 Tage später sicherlich als verhältnismäßig einzustufen.

 

Gemäß § 37 Abs 1 TSchG sind die Organe der Behörde verpflichtet,

1.

wahrgenommene Verstöße gegen §§ 5 bis 7 durch unmittelbare behördliche Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden;

2.

ein Tier, dass in einem Zustand vorgefunden wird, der erwarten lässt, dass das Tier ohne unverzügliche Abhilfe Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst erleiden wird, dem Halter abzunehmen, wenn dieser nicht willens oder in der Lage ist, Abhilfe zu schaffen.

Gemäß § 37 Abs 2 leg cit können Organe der Behörde Personen, wenn dies für das Wohlbefinden des Tieres erforderlich ist, die gegen §§ 5 bis 7 verstoßen, das betreffende Tier abnehmen. Die Organe der Behörde sind berechtigt, bei Tieren, für die das Weiterleben mit nicht behebbaren Qualen verbunden ist, für eine schmerzlose Tötung zu sorgen.

Gemäß Abs 3 gilt für abgenommene Tiere der § 30. Sind innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme im Sinne des Abs 2 die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung des Tieres aller Voraussicht nach geschaffen, so ist es zurückzustellen. Andernfalls ist das Tier als verfallen anzusehen.

Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass die Abnahme der Tiere sich nicht auf § 30 Abs 1 TSchG gründet, da während der Amtshandlung der Amtstierarzt darauf hingewiesen wurde, dass der Beschwerdeführer für die Tiere bezahlt hätte. Die Haltereigenschaft des Beschwerdeführers steht jedenfalls fest, da der Beschwerdeführer für die Unterbringung bzw. Verpflegung der Tiere verantwortlich war.

Auch wenn kein Formular nach § 37 TSchG verwendet wurde, sondern die Bestätigung beim Beschwerdeführer von abgegebenen Tieren ausgeht, ist wohl von einer Abnahme nach § 37 Abs 1 Z 2 bzw. Abs 2 TSchG auszugehen.

Laut dem eingeholten Gutachten sind jedoch Schmerzen bei den beschriebenen schlechten Haltungsbedingungen nicht anzunehmen, ebenso sind Leiden bei Schlangen prinzipiell nicht nachweisbar, und erst länger andauernde Haltungsbedingungen würden ernsthafte Schäden bei den Tieren verursachen. Schwere Angst ist ohnedies bei den Reptilien kaum zu diagnostizieren. Somit scheidet § 37 Abs 1 Z 2 TSchG a priori als Abnahmegrund aus. Für eine derartige Vorgangsweise wäre - wie das Gutachten zutreffend ausführt - es notwendig gewesen 14 Tage nach Auffinden der Quarantänehaltung eine Kontrolle durchzuführen.

Aber auch § 37 Abs 2 TSchG führt nicht zur Legitimation der Abnahme, da dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark keinesfalls die Missstände für jede einzelne abgenommene Schlange dokumentiert wurde. Es wäre dazu notwendig gewesen jeden Raum der Unterbringung zu betreten, wobei selbst der Amtstierarzt einräumt den Terrarienraum 2 nicht betreten zu haben, obwohl sich dort abgenommene Schlangen befanden. Bei einem derartig pauschalen Abnahmeprotokoll ist keinesfalls die Voraussetzung gegeben, dass es mit größter Wahrscheinlichkeit zu eintretenden Schäden der Tiere gekommen ist, da hiezu eine artspezifische Begründung notwendig gewesen wäre. Ausdrücklich wird in dem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Abnahmevoraussetzung bei jeder einzelnen Schlange dokumentiert sein muss, da es sich bei der Abnahme von 53 Schlangen um eine Amtshandlung handelt. Es ist ohne Relevanz in welcher Anzahl von Behältern die Schlangen untergebracht waren. Vielmehr kommt hier der Umstand zum Tragen, dass ein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang bei der Tierabnahme gegeben war. Die Tiere wurden bei der Amtshandlung am 28. November 2012 in der Wohnung des Beschwerdeführers abgenommen. Nach ständiger Rechtsprechung der Höchstgerichte ist eine Amtshandlung als rechtswidrig zu erklären, wenn auch nur ein Teil der Amtshandlung rechtswidrig ist und war somit trotz möglicher gerechtfertigter Abnahme einiger Tiere auf Grund der mangelnden Nachweisbarkeit bei den übrigen Tieren, die gesamte Amtshandlung für rechtswidrig zu erklären. Sehr wohl wird sich die belangte Behörde der Aufgabe stellen müssen, auch auf die Haltungsbedingungen der übrigen beim Beschwerdeführer vorgefundenen Schlangen zu reagieren. Hiebei wird ein Vorgehen in der im Gutachten aufgezeigten Art und Weise gewählt werden müssen, wobei auf Grund der bisherigen Wahrnehmung von einer Verpflichtung der Behördenorgane auszugehen ist.

 

Da bei der Abnahme der 53 Schlangen zum einen die eingetretenen Schäden je Tier nicht artspezifisch belegt war, zum anderen die Haltungsbedingungen nicht in ausreichender Weise erhoben wurden, da z.B. der Terrarienraum 2 nicht betreten wurde, war unter dem Aspekt, dass es sich hier nur um eine kurzfristige (14-tägige) Quarantänemaßnahme gehandelt habe, der Beschwerde stattzugeben und die Abnahme der 53 Schlangen für rechtswidrig zu erklären. Auf Grund der rechtswidrigen Abnahme erübrigt sich daher über den Antrag der mutwilligen Verlängerung der Beschlagnahme abzusprechen.

 

IV. Im Sinne des § 76 Abs 1 AVG hat die Stadt Graz die als Barauslagen geltend gemachten Gebühren des veterinärmedizinischen Sachverständigen zu bezahlen. Über die konkrete Höhe ergeht ein gesonderter Bescheid.

Schlagworte
Tierabnahme; Voraussetzungen; Schlangen; Leiden; Einheitlichkeit; artspezifisch
Zuletzt aktualisiert am
23.09.2013
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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