TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/12 D18 411834-1/2010

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Veröffentlicht am 12.07.2013
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Spruch

D18 411834-1/2010/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin MMag. Dr. SCHNEIDER als Vorsitzende und den Richter Dr. KUZMINSKI als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15. Februar 2010, FZ 09 12.906-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12. April 2013 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

I.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Nigeria, reiste laut eigenen Angaben am 18.10.2009 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, die im Spruch genannte Identität zu führen.

 

I.2. In seiner Erstbefragung nach Asylgesetz am 18.10.2009 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen EASt gab er zusammengefasst als Fluchtgrund an, XXXX liege im Niger-Delta und dort kämpfe die Armee gegen militante Aufständische. Seine XXXX sei von der Armee niedergebrannt worden. Aufgrund dieses Problems sei er geflüchtet. Bei seiner Rückkehr fürchte er von Angehörigen der militanten Truppen getötet zu werden.

 

Hinsichtlich der Ausreise gab der Beschwerdeführer an, diese habe von 02.09.2009 bis 18.10.2009 gedauert und er habe dafür nichts bezahlt, sondern sogar Geld von dem "weißen Mann" erhalten, der ihn im Hafen von XXXX an Bord eines Schiffes gebracht und dort versteckt habe. Ihm sei nur bekannt, dass das Schiff zunächst nach XXXX gefahren sei, wo er einem anderen weißen Mann übergeben worden sei, dieser habe ihn an Bord eines anderen Schiffes in ein unbekanntes Land gebracht, wo das Schiff am Tag vor der Einvernahme angekommen sei. Weiter sei er auf der Ladefläche eines LKWs in die Umgebung des nunmehrigen Einvernahmeortes gelangt. Die Fahrt habe von 2:00 Uhr nachts bis 6:00 Uhr morgens gedauert. Als Berufstätigkeit gab er an, dass er von 1991 bis 2009 in XXXX als XXXX selbstständig tätig gewesen sei.

 

I.3. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 09.02.2010 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesasylamtes einvernommen. Er könne keine identitätsbezeugenden Unterlagen vorlegen, seine Verlobte habe jedoch seinen Führerschein jemandem mitgegeben, der nach Deutschland hätte reisen wollen.

 

Der Beschwerdeführer brachte einen Zeitungsartikel der Zeitung XXXX, datiert mit 31. August 2009 in Vorlage. Der Beschwerdeführer gab an, diese Zeitung am 29. August oder am 1. September 2009 in XXXX gekauft zu haben. Der Artikel beschreibt das Schicksal eines Mannes namens XXXX samt einem Foto, auf dem jedoch die abgebildete Person kaum erkennbar ist. Laut Zeitungsartikel sei die XXXX dieser Person im Kampf zwischen Militär und militanten Gruppen niedergebrannt worden. In der XXXX waren laut Artikel Autos von Ölarbeitern und Mitgliedern der militanten Gruppen untergestellt, weshalb beide Seiten ein Interesse an der Zerstörung der Autos gehabt hätten. Die Kunden hätten vom XXXX ihr Auto oder Geld gefordert, andernfalls wäre sein Leben in Gefahr. Das Schicksal des Inhabers der XXXX würde niemanden interessieren und er sei, weil er kein entsprechend großes Vermögen habe, untergetaucht.

 

Der Beschwerdeführer schilderte, er habe sich an die Polizei gewandt, die Polizisten seien jedoch nicht einmal mit zu seiner XXXX gekommen, wo sich der Vorfall ereignet habe.

 

Gemeinsam mit einem Freund beim Militär seien sie zu einem Verantwortlichen des Militärs gegangen und dem Beschwerdeführer sei erklärt worden, dass die XXXX nicht absichtlich vom Militär niedergebrannt worden wäre, sondern sie hätten die Militanten angreifen wollen. Der Beschwerdeführer habe die Verantwortlichen beim Militär dazu zu bewegen versucht, mit ihm zur Polizei zu kommen, sie hätten ihm jedoch erklärt, dass es eine Sache zwischen Regierung und den Militanten wäre und das Militär nicht dazwischen gehen könne. Der Beschwerdeführer gab an, er habe von der Polizei und dem Militär nichts zu befürchten, weil er sich an beide gewandt habe.

 

Ein Mitglied der militanten Gruppe, der von allen XXXX genannt wurde, habe sein Auto zum gegebenen Zeitpunkt auch in der XXXX des Beschwerdeführers gehabt, sei zwei Mal zum Beschwerdeführer, als dieser nicht daheim gewesen wäre, nach Hause gekommen und habe nach dem Beschwerdeführer gesucht. Als XXXX zum dritten Mal bei ihm zu Hause gewesen wäre, hätte dieser den Vater des Beschwerdeführers die Treppe hinuntergestoßen, weshalb er drei Tage später aufgrund der erlittenen Verletzungen gestorben wäre. Der Beschwerdeführer habe sich währenddessen auf dem Hafengelände des nigerianischen Hafenamtes und in der Folge auf einem Schiff versteckt. Bereits zu diesem Zeitpunkt habe ihn ein Mann, der am Hafen gearbeitet habe und der ihm später geholfen hätte auszureisen, mit Nahrung versorgt. Vermutlich sechs Tage nach dem Tod seines Vaters hätte ihn der Mann vom Hafen an Bord eines Schiffes zunächst in die Republik Benin gebracht.

 

Befragt gab er an, dass sich seine Verlobte und seine vier Kinder in seinem Elternhaus in XXXX befinden würden. Die durch das Feuer zerstörte XXXX sei nur eine von zwei gewesen, das Land habe er lediglich gepachtet. XXXX sei die Person, vor der sich der Beschwerdeführer am meisten fürchte. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre der Beschwerdeführer nicht geflüchtet, sondern er hätte mit seinen Kunden gesprochen und ihnen erklärt, was geschehen sei.

 

Der Beschwerdeführer verneinte die Frage, ob ihm im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen würde.

 

Der Beschwerdeführer verneinte auch das Vorhandensein von Gründen, welche gegen seine Ausweisung sprechen.

 

I.4. Mit Bescheid vom 15. Februar 2010, FZ 09 12.906-BAG, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF., ab (Spruchpunkt I.), erklärte, dass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen werde (Spruchpunkt II.), und wies den Beschwerdeführer unter einem gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus (Spruchpunkt III.).

 

Zusammengefasst wurde ausgeführt, dass nicht verifiziert werden könne, wie und auf welchem Weg der Beschwerdeführer tatsächlich nach Österreich gelangt sei. Seine Identität stehe nicht fest. Es könne nicht festgestellt werden, dass er bei einer Rückkehr nach Nigeria zu befürchten hätte, von einem Rebellenangehörigen verfolgt zu werden. Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt wurde den Feststellungen nicht zu Grunde gelegt, weil sein Vorbringen bezüglich einer aktuellen Bedrohungssituation für den Beschwerdeführer in Nigeria nicht glaubhaft sei. Festgehalten wurde, dass die XXXX eines XXXX während eines Kampfes zwischen einer militanten Gruppe und dem Militär niedergebrannt sei. Da der Beschwerdeführer im Verfahren keine amtlichen Dokumente vorgelegt habe, stehe seine Identität nicht fest. Aufgrund des schlechten Bildes in der vorgelegten Zeitung vom 31.08.2009 könne seine Identität nicht geklärt werden. Das Vorbringen zu seinen Fluchtgründen sei vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten und nicht als glaubhaft zu bezeichnen. Somit sei laut Bundesasylamt nicht plausibel, dass dem Beschwerdeführer in Nigeria Verfolgung im Sinne der GFK drohe. Festgestellt wurde weiters, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass er im Falle einer Rückkehr einer Gefährdung im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt wäre. Zudem konnten keine schützenswerten privaten/sozialen Anknüpfungspunkte bzw. Integrationen in Österreich festgestellt werden. Es hätten daher keine Umstände festgestellt werden können, welche seiner Ausweisung aus dem Bundesgebiet nach Nigeria entgegenstehen bzw. diese als unverhältnismäßig erscheinen lassen würden.

 

I.5. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein und bekämpfte den gegenständlichen Bescheid des Bundesasylamtes wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge wesentlicher Verfahrensmängel und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Auch im Asylverfahren würden die AVG-Prinzipien der Grundsätze der amtswegigen Erforschung des maßgeblichen Sacherhalts und Bewahrung des Parteiengehörs gelten, welchen nicht entsprochen worden wäre, weshalb das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet wäre. Die Behörde stütze sich bei der Begründung auch auf seine getätigten Aussagen zum Reiseweg, hierbei sei jedoch darauf hinzuweisen, dass durch die Angaben zum Fluchtweg nicht das ganze Vorbringen als unglaubwürdig eingestuft werden könne. Allein unwahre oder widersprüchliche Angaben über die Einreise des Antragstellers nach Österreich würden nicht den Schluss zulassen, dass auch die sonstigen Angaben des Beschwerdeführers unglaubwürdig seien. Die Behörde habe es unterlassen, sich mit dem Vorbringen auseinanderzusetzen und stütze sich lediglich auf allgemeine Argumente. Hinsichtlich der Beweiswürdigung, wonach das Vorbringen - neben den vorgeworfenen Widersprüchen - von unglaubwürdigen und vagen Angaben geprägt sei, stelle dies ein Indiz dar, dass auf sein Vorbringen nicht auf befriedigende Art und Weise eingegangen worden sei, weshalb um die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshofs ersucht werde. Er halte seine Angaben aufrecht und sei nunmehr im Besitz seines nigerianischen Führerscheines. Zusammen mit der Beschwerde wurde die Kopie eines nigerianischen Führerscheines betreffend den Beschwerdeführer, ausgestellt im XXXX im Delta State, übermittelt. Seinen ursprünglichen Führerschein habe er im Zuge der Gefechte verloren. Sofort bei Bemerken des Verlustes habe er die Ausstellung eines neuen Führerscheins beantragt, der ihm jedoch erst im XXXX ausgestellt worden sei, als er bereits auf der Flucht gewesen wäre. Seine Verlobte sei jedoch dazu berechtigt gewesen, seinen neu ausgestellten Führerschein entgegenzunehmen. Die Kämpfe hätten im Mai 2009 begonnen, als Soldaten von Militanten getötet worden wären. Im Juli oder August hätten dann die Schießereien und Bombenanschläge begonnen, im Zuge dessen auch Häuser zerstört und Zivilisten getötet worden wären. Zu einem ihm nicht mehr bekannten Datum im August wäre er von den Presseleuten interviewt worden und XXXX hätte angefangen, nach dem Beschwerdeführer zu suchen; dieser sei ein bis zwei Tag vor dem zweiten Beginn der Kämpfe in den Abendstunden zur XXXX des Beschwerdeführers gekommen. Der Beschwerdeführer hätte gleich nach Abschluss des Auftrages der Ölfirma mit der XXXX von XXXX XXXX beginnen wollen, jedoch sei es dann nicht mehr dazu gekommen, weil zum zweiten Mal die Kämpfe begonnen hätten. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative stehe ihm angesichts der katastrophalen Sicherheits-, Wirtschafts- und Soziallage und seiner eignen, individuellen Entwurzelung derzeit nicht zur Verfügung. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde werde mit einer Ausweisung massiv in sein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben eingegriffen. Ebenso wolle er vorbringen, dass entgegen der Ansicht der Bescheid erlassenden Behörde sein Aufenthalt und weiterer Verbleib in Österreich weder die öffentliche Ruhe und Ordnung, noch die nationale Sicherheit und das wirtschaftliche Wohl gefährdet, und stehe auch öffentlichen Interessen nicht entgegen. In Anbetracht der konkreten Umstände seines Falles hätte die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Interessenabwägung nicht zu seinem Nachteil ausfallen dürfen, der von der Bescheid erlassenden Behörde vorgenommene Eingriff in das Privatleben sei unter den gegebenen Umständen keineswegs zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Abänderung des Bescheides, sodass ihm der Status des Asylberechtigten in eventu des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde. In eventu wurde beantragt den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen, in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass der Bescheid im Spruchpunkt betreffend die Ausweisung ersatzlos behoben werde oder zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen werde.

 

I.6. Aufgrund der Geschäftsverteilung 2013 wurde diese Rechtssache abgenommen und der nunmehr entscheidenden Gerichtsabteilung mit 02.01.2013 neu zugeteilt.

 

I.7. Zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden im Rahmen des Parteiengehörs vom 11.03.2013 dem Beschwerdeführer aktuelle Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat unter Einräumung einer 14tägigen Frist zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt.

 

I.8. Mittels Telefax wurde hinsichtlich des Beschwerdeführers das Urteil vom BG XXXX vom XXXX wegen § 223 Abs. 2 StGB übermittelt, weil der Beschwerdeführer am XXXX in XXXX eine falsche Urkunde, nämlich die Totalfälschung eines nigerianischen Führerscheins, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnissees oder einer Tatsache gebraucht hat, indem er diese zur Erlangung einer österreichischen Lenkerberechtigung der Führerscheinstelle bei einer österreichischen Bundespolizeidirektion vorgelegt hat.

 

I.9. Am 12.04.2013 führte der zuständige Senat des Asylgerichtshofes im Beisein des Beschwerdeführers eine öffentlich mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein eines Dolmetschers für die englische Sprache durch, welcher ein Vertreter des Bundesasylamtes fernblieb. Diese öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof gestaltete sich in den wesentlichen, hier wiedergegebenen Teilen wie folgt:

 

"VR: Sind Sie aktuell in medizinischer Behandlung?

 

BF: Ja, ich habe Probleme mit der Galle. Ich stehe in Behandlung und nehme Medikamente.

 

VR: Haben Sie die Medikamente auch schon in der Heimat bekommen?

 

BF: Nein, erst hier.

 

VR: Wie häufig sind Sie diesbezüglich beim Arzt?

 

BF: Solange ich afrikanisches Essen zu mir nehme, habe ich diese Probleme nicht, nur wenn ich etwas Süßes esse, kommen diese Probleme hoch, darum habe ich für mich entscheiden, kein Coca Cola zu trinken und nichts Süßes zu mir zu nehmen.

 

BR: Haben Sie irgendwelche Befunde von einem Arzt? Die Medikamente wird Ihnen wahrscheinlich ein Arzt verschrieben haben, wenn Sie Medikamente nehmen.

 

BF: Ich habe so etwas, aber nicht mit.

 

VR: Wie heißen Sie denn wirklich und wann sind Sie geboren?

 

BF: Ich heiße XXXX, und ich bin am XXXX geboren.

 

VR: Können Sie heute Identitätsdokumente vorlegen?

 

BF: Das einzige Dokument, das ich besorgen konnte, war der Führerschein. Diesen habe ich im Zuge der Berufung vorgelegt. Man hat mir damals gesagt, dass ich entweder Führerschein, Geburtsurkunde oder Reisepass besorgen soll. Ich konnte nur den Führerschein bekommen.

 

Vorhalt: Der Führerschein ist eine Totalfälschung gewesen. Daher müssen wir davon ausgehen, dass Sie nicht wie angegeben heißen. Sie wurden deshalb auch strafrechtlich verurteilt.

 

BF: Ja, das stimmt, dass ich verurteilt wurde, aber der Führerschein war in Wahrheit keine Fälschung. Ich konnte bloß nichts tun, um das zu beweisen.

 

VR: Wie haben Sie damals den Führerschein bekommen?

 

BF: Meine Verlobte hat mir diesen Führerschein über einen Importhändler in Deutschland zukommen lassen. Sie hat den Führerschein dem Geschäftsmann in Nigeria übergeben.

 

VR: Woher hat Ihre Verlobte den Führerschein?

 

BF: Vor meiner Ausreise habe ich bei der Polizei diesen Brandvorfall bei mir angezeigt, bei dem alle meine Dokumente verbrannt sind. Meine Verlobte ist dann mit einer Kopie des Führerscheins zum Führerscheinamt gegangen und jenes Führerscheinamt, das mir meinen ersten Führerschein ausgestellt hat, hat ihr dann auch diesen zweiten Führerschein für mich gegeben.

 

VR: Welche Dokumente sind verbrannt?

 

BF: Viele Dokumente sind bei diesem Brand vernichtet worden, zum Beispiel die Geburtsurkunden meiner Kinder, Geschäftsunterlagen über den Einkauf von Ersatzteilen.

 

VR: Irgendwelche persönlichen Dokumente?

 

BF: Ja, mein Führerschein lag auch auf dem Tisch, Grundstückpapiere. Es waren so viele Papiere.

 

VR: Was meinen Sie mit Grundstückspapieren? Hatten Sie Grundstücke als Eigentum?

 

BF: Das Grundstück, auf dem ich arbeitete, war an mich vermietet. Ich meine damit, den Mietvertrag oder Pachtvertrag.

 

BR: Wer hat Ihnen den Führerschein übergeben?

 

BF: Das war eine Dame.

 

BR: War das eine Afrikanerin oder eine Österreicherin?

 

BF: Ich wusste nicht genau, woher sie ist, aber ich vermutete, dass sie aus der Dominikanischen Republik kam.

 

BR: Beim Strafgericht haben Sie gesagt, dass Ihnen eine türkische Frau den Führerschein übergeben hat.

 

BF: Das sage ich ja.

 

BR: Zwischen der Türkei und der Dominikanischen Republik ist schon ein Unterschied, und die Leute schauen normalerweise auch unterschiedlich aus.

 

BF: Ich kenne diese Unterschiede nicht, aber nach ihrem Aussehen nach war sie jedenfalls keine Österreicherin.

 

VR: Weshalb haben Sie vor Gericht angegeben, Sie selber hätten in Nigeria noch die Ausstellung des neuen Führerscheins beantragt und diesen jedoch nicht mehr rechtzeitig vor der Ausreise bekommen, und jetzt sagen Sie, Ihre Verlobte hätte den Führerschein beantragt.

 

BF: Wie gesagt, ich habe den Vorfall sowohl bei der Armee angezeigt als auch bei der Polizei und sogar bei der Verkehrssicherheit.

 

BR: Viele nigerianische Asylwerber lassen sich nachträglich aus Nigeria eine Geburtsbestätigung ausstellen oder einen Reisepass durch die Botschaft. Warum haben Sie das nicht gemacht?

 

BF: Ich habe mich darum bemüht, als die Leute von der Botschaft damals nach G. kamen.

 

VR Haben Sie irgendwelche Nachweise, irgendwelche Bestätigungen, dass Sie bei der Botschaft waren, dass Sie die Anzeigen gemacht haben oder Kopien der Dokumente? Sie erwähnten ja vorhin die Kopie des Originalführerscheines, der verbrannt sein soll.

 

BF: Ich habe damals eine Empfangsquittung für einen Reisepass von der nigerianischen Botschaft bekommen. Diese habe ich aber nicht mit, diese habe ich Zuhause. Aber einen Reisepass haben sie mir nicht ausgestellt.

 

BR: Warum sind Mitarbeiter der Botschaft damals nach G. gekommen? Es ist eher ungewöhnlich. Normalerweise muss man selbst in die Botschaft nach Wien kommen.

 

BF: Damals hatte die nigerianische Botschaft Kundmachungen an afrikanische Geschäfte, Kirchen und dergleichen ausgeschickt, dass sie kommen werden, damit die Landsleute weniger Kosten haben. Damals waren sehr viele Landsleute zu diesen Treffen gekommen. Es war eine große Menge Leute dort. Das war Mitte letzten Jahres.

 

VR: Sie haben in Ihren Verfahren gegenüber österreichischen Behörden teilweise angegeben, ledig zu sein, dann wiederum verheiratet zu sein bzw. lediglich verlobt zu sein. Wie konkret ist Ihr Familienstand?

 

BF: Jetzt bin ich nicht verheiratet, aber ich habe mit dieser Frau zusammengelebt. Ihre Eltern kennen mich und meine Eltern kennen sie.

 

VR: Sie haben Sie immer Verlobte genannt, ist das korrekt?

 

BF: Ja.

 

VR: Wo wohnt Ihre Verlobte?

 

BF: Sie wohnt im Haus meines Vaters.

 

Der BF wird ersucht, die Adresse niederzuschreiben.

 

BF: Ich bin mir nicht sicher, ob die Schreibweise stimmt. XXXX in Imo State (Beilage 4). Es gibt keine Hausnummer und keine Straßenbezeichnung. U. ist das Dorf und E. ist die Stadt.

 

VR: Wo konkret war Ihre XXXX?

 

BF: Ich hatte zwei XXXX, beide in Delta State, eine in der XXXX in XXXX und eine in XXXX ebenfalls in W.

 

VR: Wo haben Sie, wenn Sie gearbeitet haben, gelebt?

 

BF: Gearbeitet habe ich hauptsächlich in G., gewohnt habe ich aber hauptsächlich in der Stadt in W.

 

VR: Wie weit war Ihr Elternhaus entfernt?

 

BF: In Meilen kann ich es nicht angeben, aber es waren ca. 40 Fahrtminuten.

 

VR: Vorhalt: Ihr Elternhaus liegt über 200 Kilometer von W. entfernt. Ein Routenplaner gibt an, dass Sie 2 Stunden 45 brauchen würden.

 

BF: Nein.

 

VR: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

 

BF: Ibo.

 

VR: Sagt Ihnen Mbaise was?

 

BF: Ja.

 

VR: Was ist das?

 

BF: Das ist meine Gemeindeverwaltung, Local Government.

 

VR: Ich habe einen Artikel ausgedruckt, in dem steht, das XXXX und nicht in XXXX liegt.

 

BF: Nein, das stimmt nicht.

 

VR: Wie geht es Ihrer Verlobten?

 

BF: Naja, sie lebt von kleineren Verkäufen. Sie verkauft zum Beispiel Schuhe, Kleider und dergleichen.

 

VR: Wie häufig haben Sie Kontakt?

 

BF: Ganz oft, ich rufe sie an.

 

VR: Wie viele Kinder haben Sie?

 

BF: Vier Kinder, alle mit meiner Verlobten. Meine Kinder leben alle bei meiner Verlobten.

 

VR: Wer lebt noch in Ihrem Elternhaus?

 

BF: Meine Mutter und mein Bruder und meine Schwester leben mit meiner Verlobten und den Kindern im Elternhaus.

 

VR: Arbeiten Ihre Geschwister und Ihre Mutter?

 

BF: Mein Bruder arbeitet als Autoelektriker.

 

VR: Wo arbeitet Ihr Bruder? Hat er Ihre XXXX übernommen?

 

BF: Mein Bruder arbeitet zuhause. Die eine XXXX von mir, welche nicht abgebrannt ist, wird von einem Freund von mir an verschiedene Leute vermietet und alle drei Monate bringt er den Mieterlös meiner Verlobten.

 

VR: Wie hoch ist dieser Mieterlös?

 

BF: Für drei Monate sind es 12.000,-- Naira.

 

VR: Wie viel und wie häufig zahlen Sie Unterhalt für Ihre Kinder?

 

BF: Ich zahle kein Geld, aber ich gehe am Samstag meistens auf Flohmärkte und bekomme dort alte Sachen, vor allem Kleider, die ich dann über Leute nach Nigeria schicke, die Container verschiffen.

 

BR: Was geschieht dann weiter mit diesen Sachen?

 

BF: Sie geht dann eben zu diesem Containerinhaber und wenn das vier, fünf Kartons sind, holt sie sie selbst ab und verkauft den Inhalt weiter. Sie fährt nach Lagos, um die Kartons abzuholen.

 

VR: Wo haben Sie während Ihres Lebens in Nigeria überall genau gewohnt?

 

BF: Wir haben in W. gelebt, in der XXXX. Damals wohnten ich selbst, meine Kinder, meine Verlobte und ihr jüngster Bruder dort.

 

VR: Wie lange haben Sie alle gemeinsam dort gewohnt?

 

BF: Ich verstehe die Frage nicht. Nach Wiederholung: Ca. 6 Monate.

 

VR: Und bis wann?

 

BF: Teilweise habe ich auch bei meinem Vater und meiner Mutter in W. gelebt, aber dann wollte ich ein bisschen mehr Privatsphäre mit meiner Verlobten und da haben wir diese Unterkunft an der W.R. für ca. 6 Monate gehabt.

 

VR: Wie lange haben Sie dann dort gewohnt, bis zu Ihrer Ausreise?

 

BF: Um ganz ehrlich zu sein, im Grunde genommen habe ich selbst bei meinen Eltern gewohnt, habe aber diese andere Wohnung für meine Verlobte und meine Familie angemietet.

 

VR: Sie haben bei Ihren Eltern in W. gelebt, an welcher Adresse?

 

BF (denkt nach): Ja, die nennen die Adresse XXXX, aber der richtige Name ist eigentlich, ich weiß jetzt nicht, wie man das ausspricht, aber man nennt das gemeinhin wie angegeben.

 

VR: Wie lange hat Ihre Verlobte an dieser Adresse in der W.R. gelebt?

 

BF: Gerade mal fünf oder sechs Monate bevor dieses Problem nach W. kam.

 

VR: Wann genau war das?

 

BF: Das war 2009, glaube ich.

 

VR: Ich verstehe jetzt nicht, Sie erzählen die ganze Zeit, dass Sie und die Eltern in W. gelebt haben und Sie sprechen davon, dass das Elternhaus in U. steht.

 

BF: In U. ist das Haus meines Vaters.

 

BR: Haben Sie dort auch gewohnt?

 

BF: Nein, wir haben in W. gewohnt, haben unsere Stadt aber nur während Weihnachten, Ostern oder dergleichen besucht.

 

VR: Welche Ausbildung haben Sie erhalten? Wo sind Sie in die Schule gegangen und wie lange?

 

BF: In XXXX, ca. 11 Jahre.

 

VR: Vor dem BAA haben Sie lediglich die Grundschule von 1980-1986 in U. angegeben.

 

BF (denkt nach): Vielleicht habe ich mich da jetzt verrechnet, aber ich weiß, dass ich vom KG in die Grundschule gegangen bin.

 

VR: Haben Sie eine Ausbildung als XXXX gemacht?

 

BF: Ja, in der Nordregion habe ich die Lehre gemacht.

 

VR: Wann bzw. wie lange?

 

BF: Normalerweise drei bis vier Jahre, aber ich glaube, ich habe mehr als vier Jahre gebraucht.

 

VR: Wie kamen Sie zu diesen XXXX?

 

BF: Die erste XXXX war beim Haus meiner Mutter bzw. sie hat den Grundstücksbesitzer ersucht, uns ein Grundstück zu vermieten. Das hat dieser dann auch für ca. zwei Jahre lang getan.

 

BR: Was war nach diesen zwei Jahren?

 

BF: Wir haben immer für zwei Jahre die Miete bezahlt und nach Ablauf der zwei Jahre die nächsten zwei Jahren wiederum. Diese XXXX hatte ich sehr lange, ich glaube, das waren insgesamt, mehr als 11 Jahre.

 

VR: Seit wann hatten Sie die zweite XXXX?

 

BF: Ich weiß jetzt nicht mehr genau, wann ich die zweite XXXX eröffnet habe, aber es ging da vor allem um Ersatzteile. Ich habe gemerkt, dass ich einen Ersatzteilverkauf brauche, damit ich selber dann auch alle Ersatzteile zur Hand habe. Die zweite XXXX war für Ersatzteilverkauf und Reparatur.

 

VR: Wer hat dort alles gearbeitet?

 

BF: Vier Personen in beiden XXXX zusammen.

 

VR: Hatten Sie ein gut gehendes Unternehmen?

 

BF: Ja, das lief gut.

 

VR: Weshalb mussten Sie die Heimat verlassen?

 

BF: Wegen dieses Brandanschlags, als diese Leute kamen und die ganze Gegend niederbrannten.

 

VR: Was war Ihr persönliches Problem?

 

BF: Als die XXXX niederbrannte, befanden sich dort zahlreiche Autos. Ich selbst spürte, dass ich in schlimmen Problemen war und da gab es dann diesen militanten Bandenchef, der sehr schlimm oder böse zu mir war.

 

VR: Was heißt das?

 

BF: Nach diesem Brand habe ich gespürt, dass ich in Problemen stecke, denn jemand hat mir gesagt, dass dieser Mann geschworen hätte, mich, meine Familie und meine Kinder umzubringen, wenn sein Auto bei diesem Brand abgebrannt wäre.

 

VR: Wer hat Ihnen das gesagt?

 

BF: Ein Nachbar meiner Eltern in W.

 

BR: Ist das Auto von diesem Bandenchef abgebrannt?

 

BF: Ja.

 

VR: Was für ein Auto war das?

 

BF: XXXX.

 

BR: Welche Marke?

 

BF: XXXX.

 

VR: Ist das ein großes Auto?

 

BF: Ja, sehr groß.

 

VR: Welches Baujahr war das?

 

BF: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

 

VR: Welche Farbe hatte das Auto?

 

BF: Rot.

 

VR: Welches Rot?

 

BF: Orange-Rot.

 

VR: Was war es konkret für ein Auto?

 

BR: War das ein Geländewagen, eine Limousine, oder ein Kombi?

 

BF: Ein Geländewagen.

 

VR: Können Sie das genauer sagen?

 

BF: Es war ein Geländewagen mit Vierradantrieb. Genauer kann ich das nicht spezifizieren. Wir beschäftigen uns in Afrika nicht mit Fragen nach Baujahr oder Motorstärke. Es war ein Benziner, mit einem 6-Zylinder V-Motor.

 

BR: Hatte dieser Bandenchef mit dem Brandanschlag auf Ihre XXXX irgendetwas zu tun?

 

BF: Ich weiß, dass das die Armee verursacht hat.

 

VR: Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt als der Brand stattfand?

 

BF: An diesem Tag gab es überall Massenbrände. Die Leute sind davongelaufen. Ich bin auch geflohen aus XXXX nach XXXX, nicht direkt nach S. sondern Richtung S. In der XXXX hatte ich die zweite

XXXX.

 

VR: Waren Ihre Kinder und Ihre Lebensgefährtin mit Ihnen?

 

BF: Nein. Das kam so überraschend. Sie war nicht bei mir.

 

VR: Wo waren sie?

 

BF: Die sind auch zusammen mit Nachbarn geflohen. Ich glaube dort, irgendwo in der Nähe der Armeekaserne, aber auch bei der S-R.

 

BR: An welchem Tag fand dieser Vorfall statt, bei dem Ihre XXXX niedergebrannt wurde?

 

BF: Das muss im Mai irgendwann gewesen sein.

 

VR: Bisher haben Sie immer angegeben, Sie hätten sich während der Brände Zuhause aufgehalten (AS 47).

 

BF: Ja, ich selbst war auch zuhause, aber wir mussten dann fliehen, als diese Probleme kamen.

 

BR: Was war die Ursache dieser Brandanschläge?

 

BF: Militante Kräfte hatten damals Ölarbeiter entführt und Ölpipelines zerstört. Was den gegenständlichen Vorfall konkret ausgelöst hat, war dann die Tötung mehrerer Angehöriger der Armee, der Marine und der Polizei.

 

VR: Bisher haben Sie angegeben, Sie mussten fliehen, weil Sie gespürt haben, dass Sie Probleme kriegen könnten. Haben Sie diesen Bandenchef irgendwann selbst getroffen oder nicht?

 

BF: Nein, den habe ich nicht getroffen.

 

VR: Jemand von der Familie, der ihn getroffen hat?

 

BF: Er kam zum Haus meines Vaters.

 

VR: Einmal, mehrmals?

 

BF: Er ist mehrmals gekommen.

 

VR: Wie oft war er dort, und wer hat Ihnen das erzählt?

 

BF: Ich habe da einen Freund, der wohnt in derselben Gegend wie wir und dieser steht auch diesem Mann irgendwie nahe. Das erste Mal erzählte man mir, dass XXXX mit seinen Burschen gekommen sei. Dann sagte man mir, dass B. erneut gekommen sei und das letzte Mal erzählte man mir, dass es ein Problem gegeben hätte. Da hat B. meinen Vater von der Treppe gestoßen. Insgesamt müssen es also drei Mal gewesen sein. Ja, ich glaube, drei Mal ist er gekommen.

 

VR: Musste Ihr Vater wegen des Sturzes ins Krankenhaus?

 

BF: Ja, sie brachten ihn ins Spital.

 

VR: Wie lange war er dort?

 

BF: Ich glaube, es war etwas länger, an die drei Monate.

 

VR: Haben Sie ihn im Spital besucht?

 

BF: Nein.

 

VR: Wo waren Sie zu diesem Zeitpunkt?

 

BF: Während dieser Zeit hielt ich mich im Hafen von W. versteckt.

 

VR: Wie lange haben Sie sich dort versteckt?

 

BF: Fast genau während derselben Zeit, als mein Vater im Spital war, an die drei Monate.

 

BR: Ist Ihr Vater nach dieser Zeit aus dem Spital entlassen worden?

 

BF: Er ist im Spital gestorben, aber es waren keine ganzen drei Monate.

 

VR: Warum haben Sie vor dem BAA angegeben, dass Ihr Vater bereits nach drei Tagen an den Verletzungen gestorben sei (AS 45).

 

BF: Dann habe ich das wohl nicht richtig verstanden. Ich weiß nur, dass nach dem Tod meines Vaters ich dann drei Tage später ausgereist bin.

 

VR: Wann sind Sie ausgereist?

 

BF: Um Mitte September herum, ja ich glaube, das war September.

 

VR: Wann konkret ist Ihr Vater gestorben?

 

BF: Im selben Monat.

 

VR: Man weiß doch, wann der Vater gestorben ist.

 

BF: Ja, wissen Sie, ehrlich gesagt, bin ich dann später, als ich hier schon einige Zeit war und auch schon arbeitete, draufgekommen, dass mich die ganze Sache psychisch beeinträchtigt hat und ich auch Erinnerungsvermögen verloren habe.

 

VR: Sind Sie diesbezüglich in Behandlung?

 

BF: Nein.

 

VF: Warum sind Sie nicht in Ihr Elternhaus gegangen, das doch einige hunderte Kilometer liegt?

 

BF: Ich hätte dort keine Woche überlebt.

 

VR: Hatten Sie Probleme mit dem Militär oder der Polizei?

 

BF: Nein, ich selbst hatte keine Probleme.

 

VR: Wie hätte XXXX Sie in U. finden können? Er wusste nur von Ihrem Haus in W. und Ihre Familie lebt auch ohne Probleme dort.

 

BF: Wie gefährlich dieser Mann ist, zeigt der Vorfall vom XXXX. Da kam er mit seinen Leuten in Militäruniform zu meiner zweiten XXXX in der S-R., nachdem er erfahren hat, dass Geld von dieser XXXX an meine Familie geht. Die Sicherheitskräfte des Marktes in S. haben ihn zwar gestoppt, aber er hat an diesem Tag Leute umgebracht und auch meine zweite XXXX abgebrannt.

 

VR: Haben Sie irgendwelche Nachweise dafür?

 

BF: Ich habe keine Beweise dafür, aber nachdem diese Leute Militäruniformen getragen haben, konnte der Verband der Markthändler nicht beweisen, dass das in Wahrheit diese militanten Kräfte waren. Würde der Marktverband sagen, dass Militante dafür verantwortlich sind, würden diese den ganzen Markt abbrennen. Deswegen hieß es offiziell, dass Angehörige der Armee für diesen Anschlag verantwortlich sind, aber die Armee bestreitet weiterhin jede Verwicklung.

 

VR: Sie haben schon vor dem BAA zum Vorfall von Mai 2009 einen Zeitungsartikel von Ende August 2009 vorgelegt, was darauf hindeutet, dass die Vorfälle nicht, wie von Ihnen geschildert, stattgefunden haben. Sie machen auch sonst, was zeitliche und örtliche Angaben anbelangt, sehr widersprüchliche Angaben und sollten diese Vorfälle von 2012 stimmen, dann wären Sie durchaus in der Lage, diese durch Zeitungsartikel etc. zu belegen. Zudem geben Sie an, dass dieser B. sehr wohl gestoppt wurde und folglich festgenommen wurde und vermutlich verurteilt werden wird.

 

BF: Nicht, dass man ihn aufgehalten hätte, es war so, dass jener Bursche, der der Verwaltungsleiter dieser Einsatzgruppe war XXXX, B. gefragt hat, wer er sei und was er auf dem Markt mache. Ich weiß das, wie gesagt, nur aus den Erzählungen und den Nachrichten, die ich erhalten habe. Dieser Bursche hieß XXXX und war der Verwaltungsleiter der Markteinsatzgruppe. B. hat ihm gesagt, er soll nichts mehr sagen, sonst ist sein Leben zu Ende. Der Bursche wollte dann aber weiter wissen, warum B. mit den Leuten in den Markt will. Da hat man den Burschen dann erschossen und jene Seite des Markts angezündet, wo auch meine XXXX war. Alle Leute sind damals davongelaufen.

 

VR: Das heißt es war nur Zufall, dass genau diese Seite und Ihre XXXX angezündet worden ist?

 

BF: Ja, vielleicht, ich weiß es nicht. Aber man hat mir ganz klar gesagt, dass er davon erfahren hat, dass Geld von der XXXX an meine Familie fließt und er deswegen gekommen sei, um den ganzen Platz zu zerstören.

 

BR: Sie haben doch heute gesagt, dass Ihre Familie bis jetzt eine Pacht von dieser XXXX bezieht und diese verpachtet ist und jetzt sagen Sie mir, Ihre XXXX ist verbrannt?

 

BF: Ja, das stimmt auch. Meine Familie hat seit meiner Ausreise bis zu diesem Vorfall Mietzahlungen aus dieser XXXX erhalten und zwar bis zum XXXX, als dieser Vorfall geschah, das war ein Samstag.

 

VR: Wenn Sie so genau wissen, dass der XXXX ein Samstag war, dann müssen Sie auch konkret den Todestag Ihres Vaters wissen.

 

BF: Ich muss ehrlich Ihnen gegenüber sein. Als das geschah, habe ich irgendwie meine Sinne verloren.

 

VR: Wenn Sie zurückdenken und versuchen, sich zu erinnern, wann das war.

 

BF: Ich weiß nur noch, dass ich drei Tage nach seinem Tod ausgereist bin. Damals ging es darum, dass die Familie zu seinem Begräbnis erscheint. Aber ich bin nach drei Tagen ausgereist.

 

VR: Was hat die Polizei aufgrund Ihrer Anzeigen gegen B. unternommen?

 

BF: Sie haben nichts unternommen.

 

VR: Haben Sie B. bei der Polizei angezeigt?

 

BF: Nein, ich habe nicht B. angezeigt.

 

VR: Sie gehen zur Polizei und zeigen den Brand Ihrer XXXX an, aber nicht wegen des Vorfalls mit Ihrem Vater?

 

BF: Nein, ich habe B. nicht angezeigt.

 

VR: Was würden Sie im Falle einer Rückkehr befürchten?

 

BF: Einerseits weiß ich, dass sehr viele Autos dort waren, wie das passiert ist. Aber das wahre Problem sind die Militanten. Sie sind zu mächtig. Nicht einmal die Polizei kann etwas gegen sie ausrichten.

 

Vorhalt: Sie gaben an, dass B. auch Ihrer Familie gedroht habe, die Familie lebt aber offensichtlich ohne Probleme in Ihrem Elternhaus. Sie könnten sich auch problemlos in Lagos aufhalten. Durch Ihre Lieferungen aus Österreich gibt es zudem Kontakte nach Lagos.

 

BF: Als dieses Problem geschah, hielt sich meine Familie versteckt. Erst nach einiger Zeit hat sich meine Familie dann wieder hinausgewagt und es ist richtig, er hat ihnen seither nichts angetan, aber ich höre davon, dass ständig Militante kommen und nach mir fragen. Sie wollen wissen, wie weit entfernt ich bin und wo genau ich mich aufhalte.

 

VR: Wollen Sie zu Ihrem Fluchtgrund noch etwas sagen?

 

BF: Der Hauptfluchtgrund ist, dass ich Angst von den Militanten habe.

 

VR: Wovon leben Sie hier in Österreich?

 

BF: Ich habe erstmals offiziell bei der XXXX gearbeitet. Davon kann ich leben und meine Miete bezahlen und mein Essen.

 

VR: Haben Sie hier in Österreich außer den Sprachkursen andere Ausbildungen gemacht?

 

BF: Die einzige zusätzliche Tätigung bzw. Einschulung bezieht sich auf meine Kirchentätigkeit. Wann immer die Kirche irgendwelche Programme organisiert, bin ich einer der Organisatoren.

 

VR: Bitte schildern Sie, welchen Nationalitäten Ihre Freunde in Österreich angehören. In welcher Sprache unterhalten Sie sich mit diesen?

 

BF: Meine Freunde sind zum Teil Afrikaner und zum Teil Österreicher. Ich habe gemischte Freunde. Ich spreche Deutsch, aber nicht perfekt.

 

VR: Engagieren Sie sich außer in der Kirche noch in Vereinen oder machen Sie gemeinnützige Arbeiten?

 

BF: Ja, ein weiterer Verein wäre die XXXX, gemeinnützige Arbeiten verrichte ich in der Kirche.

 

VR: Haben Sie Familie hier in Österreich? Haben Sie eine Lebensgefährtin?

 

BF: Nein.

 

VR: Wollen Sie noch irgendetwas angeben, was wir Sie noch nicht gefragt haben?

 

BF: Nein, aber ich möchte an die Richter plädieren, mir zu helfen und mich nicht nach Hause zurückschicken."

 

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der Beschwerdeverhandlung insbesondere eine Bestätigung über einen Alphabetisierungskurs, einen Deutsch-Vorkurs, eine Bestätigung über einen Förderkurs A1.1, eine Bestätigung über einen Elementarkurs A1/1, eine Empfehlungsbestätigung sowie Bestätigungen betreffend von ihm durchgeführte XXXX im Rahmen eines Werkvertrages im Zeitraum Juli 2011 bis April 2012 vor.

 

Des Weiteren wurde hinsichtlich des Beschwerdeführers übermittelt:

 

die mit 17.07.2012 datierte beidseitige Auflösung des Rahmenwerkvertrages mit Wirkung vom 30.04.2012

 

eine Vereinbarung, wonach ein näher bezeichneter Mann einen Teil seines Arbeitsgebietes als XXXX an den Beschwerdeführer übergibt (jedoch ohne vorherige Aufkündigung vom Beschwerdeführer zurückfordern kann), und der Zusage, den Beschwerdeführer am Ende jeden Monats den entsprechenden Lohn zu überweisen,

 

Bestätigungen, wonach der Beschwerdeführer ab September 2012 bis März 2013 monatlich Lohn als XXXX aufgrund seiner Vereinbarung erhalten hat.

 

I.10. Laut aktuellem Strafregisterauszug vom 09.07.2013 wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des BG XXXX vom XXXX gemäß § 223 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 4,- verurteilt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in die dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakte des Beschwerdeführers bzw. in die seitens des Asylgerichtshofes getätigten Auskünfte in diverse öffentliche Register und in die vorgelegten Dokumente sowie durch persönliche Einvernahme des Beschwerdeführers in der durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 12.04.2013 sowie durch Erörterung der mit der Ladung übermittelten Länderdokumente.

 

II.2. Der Asylgerichtshof geht in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

 

Zur Person und den Fluchtgründen:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria. Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels identitätsbezeugender Dokumente (mit Lichtbild) nicht fest. Durch die Vorlage eines totalgefälschten Führerscheines muss jedoch davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Angaben des Beschwerdeführers nicht um seine wahre Identität handelt.

 

Der Beschwerdeführer reiste laut eigenen Angaben am 18.10.2009 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Die Art und Gründe für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat des Beschwerdeführers konnten mangels Glaubwürdigkeit nicht festgestellt werden. Die behauptete Verfolgung kann nicht festgestellt werden, wonach der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr im Herkunftsstaat von einem Mitglied bzw. Bandenchef einer militanten Bewegung verfolgt werde, der bereits den Vater des Beschwerdeführers ermordet habe, weil dessen Auto bei einem durch Kämpfe zwischen Militär und militanten Gruppen entfachten Brand in der XXXX des Beschwerdeführers zerstört worden sei. Geglaubt wird dem Beschwerdeführer jedoch, dass er im Herkunftsstaat seinen Lebensunterhalt für sich und seine Familie bestreiten konnte und seine Verlobte zusammen mit den vier gemeinsamen Kindern im Haus der Familie des Beschwerdeführers lebt und auch weitere Verwandte unbehelligt im Herkunftsstaat leben und arbeiten.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Nicht festgestellt werden kann darüber hinaus, dass der Beschwerdeführer, für den keine wesentlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen durch ärztliche Befunde glaubhaft dargelegt wurden, an dermaßen schweren physischen oder psychischen, akut lebensbedrohlichen und zudem im Herkunftsstaat nicht behandelbaren Erkrankungen leiden würde, dass diese eine Rückkehr nach Nigeria unzulässig machen würden.

 

Durch die Ausweisung des Beschwerdeführers aus Österreich in den Herkunftsstaat hat sich kein unzulässiger Eingriff in sein Privat- oder Familienleben ergeben. Dem Beschwerdeführer kam zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylverfahren gestütztes Aufenthaltsrecht zu, noch konnte ein außergewöhnliches Maß an Integration festgestellt werden. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Oktober 2009 im Bundesgebiet, hat an Deutschkursen teilgenommen (Förderkurs A1.1, Elementarkurs A1/1), betätigt sich in einer Kirche und verrichtet auch als Mitglied der XXXX gemeinnützige Arbeiten in der Kirche. Es kann derzeit ein gewisser Grad an Selbsterhaltungsfähigkeit festgestellt werden, da der Beschwerdeführer seit März 2010 keine Leistungen aus der GVS bezieht und als XXXX (zunächst im Rahmen eines Werkvertrages im Zeitraum Juli 2011 bis April 2012, in der Folge aufgrund einer Vereinbarung, nachweislich von September 2012 bis März 2013, aufgrund derer er Arbeitsgebiete eines anderen XXXX übernimmt) ein regelmäßiges Einkommen bezieht. Laut aktuellem Strafregisterauszug vom 09.07.2013 wurde der Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil des BG im Februar 2012 gemäß § 223 Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je EUR 4,- verurteilt, weil er im März 2010 eine falsche Urkunde, nämlich die Totalfälschung eines nigerianischen Führerscheins, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnissees oder einer Tatsache gebraucht hat, indem er diese zur Erlangung einer österreichischen Lenkerberechtigung der Führerscheinstelle bei der Bundespolizeidirektion vorgelegt hat. Diesen Führerschein hatte er auch im Rahmen des gegenständlichen Asylverfahrens zum Beweis seiner Identität in Vorlage gebracht.

 

Zur relevanten Situation in Nigeria:

 

Hinsichtlich der aktuellen Situation in Nigeria, insbesondere die Situation von Rückkehrern betreffend, wird auf die Feststellungen in nachstehenden vorgelegten und dem Beschwerdeführer im Rahmen der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Berichten verwiesen, wobei auszugsweise wesentliche Punkte angeführt werden.

 

Feststellungen zur Lage in Nigeria (Stand Oktober 2012):

 

Die Situation in Nigeria ist trotz momentaner Staatskrise grundsätzlich ruhig und von gegenseitiger Dialogbereitschaft geprägt. Die Staatsgewalt (Polizei und Justiz) ist funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. Im Norden Nigerias kam es immer häufiger zu gewaltsamen Unruhen zwischen den verschiedenen Volks- und Religionsgruppen. Diese sind das Ergebnis mehrerer komplexer und miteinander verknüpfter Faktoren, verschärft durch historische Missstande, politische Manipulation und ethnische und religiöse Rivalitäten. Gegengesteuert wird durch Bemühungen zur Friedenskonsolidierung auf kommunaler Ebene und Anstrengungen für eine verbesserte Verwaltung der öffentlichen Finanzen. Daneben sind militante islamistische Sekten, welche den Staat offen ablehnen, zunehmend aktiv. Ziele von Anschlägen sind Organwalter, moderate Muslime und zuletzt

 

immer häufiger christliche Einrichtungen, wodurch viele ChristInnen den Norden des Landes verlassen haben.Abgesehen von diesen lokal und zeitlich begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig.

 

Die Präsidentschaftswahlen im April 2011 zeichneten sich als die freisten und fairsten Wahlen in der Geschichte Nigerias aus. Während des Wahlkampfes und nach Bekanntgabe der Ergebnisse kam es in vielen Städten des Nordens zu schweren Ausschreitungen, bei welchen mindestens 800 Personen ums Leben kamen.

 

Das gewählte Staatsoberhaupt Goodluck Jonathan, ein Christ aus dem Niger Delta, führte sein bisheriges Programm des Ausgleichs zwischen Norden und Süden und der Reintegration ehemaliger Kämpfer in der Niger-Delta-Region fort. Während das Niger-Delta-Programm gut läuft, kam es aufgrund der ungleichen Lage des Südens und des Nordens immer wieder zu gewalttätigen Angriffen von extremistischen Kräften.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Diese Migrationsbewegungen finden auch statt. Die nigerianische Gesell

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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