TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/15 96/08/0189

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Veröffentlicht am 15.11.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. Christian Kleinszig und Dr. Christian Puswald, Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, Unterer Platz 11, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 14. Mai 1996, Zl. LGS600/LA1/1218(7022)1996-He/S, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 15. Dezember 1995 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg Arbeitslosengeld und gab an, er sei slowenischer Staatsbürger mit ordentlichem Wohnsitz an einer näher genannten Adresse in Wettmannstätten, wo er zuletzt auch bei einer näher bezeichneten Baufirma beschäftigt gewesen sei.

Mit Mitteilung vom 29. Dezember 1995 wurde dem Beschwerdeführer bis voraussichtlich 11. Juli 1996 Arbeitslosengeld zuerkannt.

Am 15. März 1996 erstattete ein Grenzüberwachungsposten der Bundesgendarmerie an die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg eine schriftliche Anzeige wegen des "Verdachts der Übertretung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz". Darin wurde u. a. ausgeführt, der Beschwerdeführer sei am 12. März 1996 nicht an der von ihm angegebenen Adresse, an der er auch aufrecht gemeldet sei, angetroffen worden. Sein Unterkunftgeber und früherer Dienstgeber habe angegeben, der Beschwerdeführer und andere Dienstnehmer hielten sich während ihrer Arbeitslosigkeit vorwiegend in ihrer Heimat Slowenien auf.

Mit Bescheid vom 11. April 1996 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg aus, hinsichtlich des Zeitraumes vom 15. Dezember 1995 bis zum 29. Februar 1996 werde der Bezug (gemeint: die Zuerkennung) des dem Beschwerdeführer gewährten Arbeitslosengeldes "widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt" und der Beschwerdeführer zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes im Gesamtbetrag von S 26.134,-- verpflichtet. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer die Leistung zu Unrecht bezogen habe, weil er "nicht in Österreich wohnhaft" gewesen sei.

In seiner Berufung gegen diese Entscheidung machte der Beschwerdeführer geltend, er sei "immer nur zu Besuchszwecken nach Hause gefahren" und habe Zeugen, die dies beweisen könnten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung - nach Studium des Reisepasses des Beschwerdeführers - keine Folge. Die belangte Behörde stützte diese Entscheidung auf die in der Bescheidbegründung wiedergegebenen Bestimmungen einerseits der §§ 24 Abs. 2 und 25 Abs. 1 und andererseits der §§ 44 Abs. 1 Z. 1 und 46 Abs. 1 AlVG und erklärte den Widerruf der Zuerkennung der Leistung - mit Rücksicht auf die zahlreichen Einreisestempel im Reisepass des Beschwerdeführers - deshalb als berechtigt, weil der Beschwerdeführer danach an der im Antrag angegebenen Adresse "keinesfalls" seinen Wohnsitz gehabt habe. Somit habe sich "für die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg keinerlei Zuständigkeit in Ihrer Angelegenheit" ergeben. Eine nähere Begründung der Rückforderung enthält die angefochtene Entscheidung nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Zum systematischen Verständnis eines auf die Annahme der örtlichen Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz für die Entscheidung über das Leistungsbegehren gestützten Widerrufes, der darin liegenden (zumindest impliziten) Zurückweisung des Antrages auf Gewährung der Leistung und einer damit - wie im vorliegenden Fall - verbundenen Rückforderung ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 95/08/0132, zu verweisen. Im vorliegenden Fall ist der angefochtene Bescheid dahingehend zu deuten, dass die belangte Behörde dem erstinstanzlichen Bescheid die Bedeutung eines auf die Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde zur Leistungsgewährung gestützten Widerrufes und einer darauf gestützten Rückforderung beigemessen und ihn in diesem Sinne bestätigt hat.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist zunächst darauf einzugehen, dass die belangte Behörde gemeint hat, dem Beschwerdeführer entgegenhalten zu sollen, für die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg habe sich "keinerlei Zuständigkeit" in seiner "Angelegenheit" ergeben. Diese Ansicht steht im Widerspruch dazu, dass Inhalt der Entscheidung der belangten Behörde die Bestätigung einer von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg in der "Angelegenheit" des Beschwerdeführers gefällten Entscheidung ist. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt - wie dem zitierten Erkenntnis näher zu entnehmen ist - die Ansicht, dass im Falle der tatsächlich gegebenen örtlichen Unzuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle, die den Antrag auf Gewährung der Leistung (im Sinne des § 47 Abs. 1 AlVG formlos) stattgebend erledigt hat, aufgrund örtlicher Zuständigkeit einer anderen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zwar eine Zuständigkeit der vom Antragsteller in Anspruch genommenen Behörde zum Widerruf der Zuerkennung der Leistung gegeben wäre, sich dies auf die Rückforderung aber nicht übertragen ließe.

Im vorliegenden Fall gründet sich die Entscheidung der belangten Behörde aber auf die Annahme, für die Entscheidung über den Leistungsanspruch des Beschwerdeführers sei nicht etwa eine andere regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, sondern - mangels inländischen Wohnsitzes des Beschwerdeführers - keine regionale Geschäftsstelle örtlich zuständig gewesen. Auch zur Auseinandersetzung mit dieser Rechtsansicht kann - mit der Maßgabe, dass der im Antrag behauptete Wohnort im vorliegenden Fall mit dem Ort der letzten Beschäftigung identisch war - gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das schon erwähnte Erkenntnis vom 23. Juni 1998, Zl. 95/08/0132, verwiesen werden. Aus den dort dargestellten Gründen hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall die Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Deutschlandsberg zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers zu Unrecht verneint.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren ist zu bemerken, dass die Auseinandersetzung mit den Auslandsaufenthalten des Beschwerdeführers nicht unter dem Gesichtspunkt eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland, sondern unter dem des Ruhensgrundes nach § 16 Abs. 1 lit. g AlVG stattzufinden haben wird.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anspruch auf gesonderten Ersatz von Umsatzsteuer aus dem Schriftsatzaufwand steht dem Beschwerdeführer danach nicht zu.

Wien, am 15. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996080189.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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