TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/23 95/08/0132

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Veröffentlicht am 23.06.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §17 Abs1;
AlVG 1977 §24 Abs2;
AlVG 1977 §25;
AlVG 1977 §44 Abs1 idF 1994/314;
AlVG 1977 §44 Abs1;
AlVG 1977 §44 Abs2 idF 1994/314;
AlVG 1977 §46 Abs1 idF 1994/314;
AlVG 1977 §46 Abs1;
AlVG 1977 §47 Abs1;
AlVG 1977 §58 idF 1994/314;
AVG §1;
AVG §3;
AVG §66 Abs4;

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Serie (erledigt im gleichen Sinn): 96/08/0107 E 15. November 2000

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des DV, vertreten durch Dr. Herbert Grass, Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, Hauptplatz 42/I, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 31. März 1995, Zl. LA 2/7022/B-Dr.Puy/Fe, betreffend Widerruf der Zuerkennung von Arbeitslosengeld und Zurückweisung eines Antrages auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 23. Dezember 1994 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leibnitz Arbeitslosengeld. Als ordentlichen Wohnsitz gab er eine Adresse in Oberhaag an. Am 2. Jänner 1995 stellte die regionale Geschäftsstelle eine Mitteilung über den Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 23. Dezember 1994 bis voraussichtlich 11. Mai 1995 aus.

Mit Bescheid vom 9. Februar 1995 sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leibnitz aus, das dem Beschwerdeführer ab 23. Dezember 1994 zuerkannte Arbeitslosengeld (gemeint: dessen Zuerkennung) werde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG widerrufen und der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes werde gemäß § 44 AlVG zurückgewiesen. Begründend wurde der Inhalt der im Spruch zitierten Gesetzesstellen (der Inhalt des § 44 AlVG nur auszugsweise) wiedergegeben und hinzugefügt, die "durchgeführte Erhebung" habe ergeben, daß der Beschwerdeführer "an der angeführten Adresse, welche durch die Wohnsitzgemeinde bestätigt" worden sei, nicht wohnhaft sei.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer geltend, er sei entgegen der Behauptung des Arbeitsmarktservice Leibnitz an der von ihm angegebenen Adresse in Oberhaag wohnhaft und bei der Wohnsitzkontrolle auch angetroffen worden. Da er slowenischer Staatsbürger sei und seine Familie in Slowenien wohne, nutze er natürlich seine Freizeit, um seine Familie des öfteren zu besuchen. Seine Frau habe am 17. Dezember 1995 (gemeint: 1994) ein Kind zur Welt gebracht, weshalb er ihr im Haushalt helfen und sie zum Arzt bringen müsse, weil sie in schlechtem Zustand sei. Außerdem habe er einen Autokredit zurückzuzahlen, weshalb er auf das Arbeitslosengeld angewiesen sei.

Dieser Berufung gab die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides keine Folge. Zur Begründung dieser Entscheidung wurde nach der Wiedergabe von Inhalten der schon von der Behörde erster Instanz herangezogenen Bestimmungen der §§ 24 Abs. 2 und 44 Abs. 1 AlVG im wesentlichen ausgeführt, bei der Wohnsitzerhebung am 18. Jänner 1995 sei der Beschwerdeführer an der von ihm angegebenen Adresse angetroffen worden. Das Zimmer, das er über Wunsch gezeigt habe, habe einem Wohnzimmer geähnelt. In den beiden Kästen habe sich nur Damenbekleidung befunden. Eigene Kleidung habe der Beschwerdeführer keine vorweisen können. Bei Befragung über die Miete hätten er und seine Unterkunftgeberin zuerst unterschiedliche Angaben gemacht. Die Unterkunftgeberin habe angegeben, sie erhalte monatlich S 500,--. Der Beschwerdeführer habe zuerst angegeben, nichts zu zahlen. Nach einer Diskussion habe er dann niederschriftlich angegeben, S 500,-- zu zahlen. Weiters habe er in der mit ihm am 18. Jänner 1995 aufgenommenen Niederschrift angegeben, daß er sich im Gasthaus verpflege. Er frühstücke nicht. Er hätte auch derzeit keine Kleidung und keine Wäsche dort, weil er keine brauche. Er würde jeden Freitag nach Hause fahren und jeden Montag zurückkehren. Auch Toilettesachen hätte er keine dort. Eine Rückfrage der regionalen Geschäftsstelle Leibnitz beim zuständigen Briefträger habe ergeben, daß dieser den Beschwerdeführer jedesmal erst nach Verständigung sehe. Wenn er den Beschwerdeführer für eine Zustellung persönlich benötige, so hinterlasse er bei der Unterkunftgeberin eine Benachrichtigung, und der Beschwerdeführer sei dann am nächsten Tag immer pünktlich anwesend. Eine Meldung über seinen Auslandsaufenthalt jeweils vier Tage in der Woche habe der Beschwerdeführer nicht gemacht. Da er aufgrund der Ermittlungen an der angegebenen Adresse nicht habe wohnen können, sei die regionale Geschäftsstelle Leibnitz für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes nicht zuständig gewesen, sodaß sie den Bezug zu widerrufen und den Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen gehabt habe.

Dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers sei entgegenzuhalten, der Zustand des von ihm vorgezeigten Zimmers und der Umstand, daß sich dort keinerlei Gegenstände für seinen täglichen Bedarf befunden hätten (keine Kleidung, keine Wäsche, keine Schuhe, keine Toiletteartikel, keine persönlichen Dinge, keine Essensvorräte etc.), lasse darauf schließen, daß er sich dort nicht ständig aufhalte. Dies sei auch aus den vorerst differierenden Angaben, ob eine Mietenzahlung stattfände oder nicht, zu entnehmen, und nicht zuletzt aus den Angaben des Briefträgers, der öfter mit dem Beschwerdeführer zu tun habe. Die Berufungseinwendungen gingen ins Leere. Wenngleich es verständlich sei, daß der Beschwerdeführer bei seiner Familie sein wolle und seiner Gattin nach der Geburt des Kindes helfen müsse, so könne doch seine ständige Anwesenheit im Ausland nicht akzeptiert werden. Der Gesetzgeber verlange nämlich, daß jemand, der Arbeitslosengeld beansprucht, in Österreich den Anknüpfungspunkt seiner Lebensinteressen habe, was beim Beschwerdeführer nicht der Fall gewesen sei. Es sei somit die Entscheidung der regionalen Geschäftsstelle Leibnitz zu Recht ergangen, weshalb der Berufung des Beschwerdeführers der Erfolg zu versagen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen gewesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist "die Zuerkennung zu widerrufen oder die Bemessung rückwirkend zu berichtigen", wenn sich "die Zuerkennung oder die Bemessung des Arbeitslosengeldes nachträglich als gesetzlich nicht begründet herausstellt".

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die (gemäß § 47 Abs. 1 AlVG in der Regel, wenn sie in erster Instanz erfolgt, bescheidlose) Zuerkennung des Arbeitslosengeldes u.a. dann gesetzlich nicht begründet, wenn sich der Arbeitslose mit seinem Antrag an eine andere als die örtlich zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice gewandt hat. Der Ausgangspunkt dieser Rechtsprechung war ein Erkenntnis, in dem für den Fall einer Antragstellung beim zuständigen Arbeitsamt ausgesprochen wurde, dieser Antrag könne nicht auf den Zeitpunkt zurückwirken, zu dem die Partei bei einem unzuständigen Arbeitsamt einen von diesem in der Folge rechtskräftig zurückgewiesenen Antrag gestellt habe. Aufgrund der Verweisung in § 17 Abs. 1 AlVG sei die Erfüllung der Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 AlVG "ungeachtet der systematischen Stellung dieser Gesetzesstelle ... ein Teil der materiell-rechtlichen Bestimmungen über den Arbeitslosengeldbezug, nämlich den Beginn dieses Bezuges" (Erkenntnis vom 27. Oktober 1983, Zl. 08/1196/80, Slg. Nr. 11.206/A (nur Leitsatz)).

Hieran anknüpfend gelangte der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 8. März 1984, Zl. 82/08/0243, Slg. Nr. 11.351/A, zu dem Ergebnis, die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes durch ein unzuständiges Arbeitsamt sei gesetzlich nicht begründet und rechtfertige den Widerruf gemäß § 24 Abs. 2 AlVG. Dieser Fall betraf einen Arbeitslosen, von dem die Behörden meinten, sein "Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt" befinde sich in Jugoslawien und er habe sich nur zum Schein im Sprengel des Arbeitsamtes, bei dem er die Leistung beantragt hatte, polizeilich gemeldet. Der angefochtene Berufungsbescheid wurde wegen unzureichend berücksichtigter Widersprüche in den Aussagen eines Zeugen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Dem strengen Verständnis des § 46 Abs. 1 AlVG trug der Gesetzgeber mit Art. I Z. 17 des Gesetzes BGBl. Nr. 615/1987 Rechnung, indem er zur Vermeidung nicht gewollter sozialer Härten (so die Regierungsvorlage, 282 BlgNR 17. GP, 10) in § 46 Abs. 3 AlVG u.a. Voraussetzungen vorsah, unter denen der Tag einer der Antragstellung beim zuständigen Arbeitsamt vorausgegangenen Vorsprache bei einem unzuständigen Arbeitsamt als Tag der Geltendmachung des Anspruches anzusehen sei (§ 46 Abs. 3 Z. 1 AlVG) und die Geltendmachung des Anspruches bei einem erst nach dem Eintritt der Arbeitslosigkeit örtlich zuständig gewordenen Arbeitsamt auf den Beginn der Arbeitslosigkeit zurückwirken könne (§ 46 Abs. 3 Z. 3 AlVG).

Der Verwaltungsgerichtshof hielt in zwei weiteren Erkenntnissen vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0155, und vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0303, an der im Erkenntnis vom 8. März 1984, Slg. Nr. 11.351/A, formulierten Rechtsansicht fest. Im ersten dieser Fälle war - dem vorliegenden Fall vergleichbar - die Zuerkennung ab November 1994 gewährten Arbeitslosengeldes im Februar 1995 widerrufen und der Antrag auf Zuerkennung gemäß § 44 AlVG zurückgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer nicht an der von ihm angegebenen Adresse, sondern in Kroatien wohnhaft gewesen sei. Der dies bestätigende Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil nicht hinreichend geklärt worden war, ob die Voraussetzungen für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes im Sprengel der regionalen Geschäftsstelle, bei der der Antrag gestellt worden war, im Zeitpunkt der Antragstellung gefehlt hatten.

Im zweiten der genannten Fälle war - ähnlich dem mit dem Erkenntnis vom 8. März 1984, Slg. Nr. 11.351/A, entschiedenen Fall - die Zuerkennung ab Dezember 1995 gewährten und auch ausbezahlten Arbeitslosengeldes im Juli 1996 widerrufen und der Empfänger zur Rückzahlung verpflichtet worden, ohne daß dies - soweit ersichtlich - mit einer förmlichen Zurückweisung des Antrages verbunden worden war. Die Unzuständigkeit für die Gewährung des Arbeitslosengeldes war darauf gestützt worden, daß der Empfänger seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt nicht an der von ihm angegebenen Adresse, sondern im Ausland (in diesem Fall in Rumänien) gehabt habe. Der dies bestätigende Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil die belangte Behörde nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes u.a. nicht erkannt hatte, daß es auf den Zeitpunkt der Antragstellung ankomme.

In keinem der erwähnten drei Erkenntnisse mit Auslandsbezug wurde die Frage angeschnitten, welche regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (früher: welches Arbeitsamt) für die Erledigung eines Antrages auf Arbeitslosengeld zuständig ist, wenn der Arbeitslose keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat (und, nach dem Erkenntnis vom 12. Dezember 1995, Zl. 95/08/0155, die Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 AlVG nicht erfüllt sind). Ausdrückliche Aussagen darüber, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dies bei fehlerfreier Verneinung eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Sprengel der in Anspruch genommenen Behörde im Antragszeitpunkt dennoch diese Behörde sein könne, sind in den Erkenntnissen daher nicht enthalten.

In dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/08/0115, hatte sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem Fall einer in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Grenzgängerin zu befassen, die aufgrund ihrer in Bregenz ausgeübten Beschäftigung im Anschluß an den Bezug des Wochengeldes von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz Karenzurlaubsgeld beantragte und deren Antrag mangels örtlicher Zuständigkeit dieser regionalen Geschäftsstelle wegen Fehlens eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes in deren Sprengel zurückgewiesen worden war. Den dies bestätigenden Berufungsbescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit der Begründung auf, die Verneinung jedweder inländischen Zuständigkeit sei in einem solchen Fall nicht rechtmäßig, und der mangels Bestimmbarkeit der örtlich zuständigen Geschäftsstelle anhand des AlVG erforderliche Rückgriff auf die subsidiäre Vorschrift des § 3 AVG führe bei Bedachtnahme auf die (im entschiedenen Fall freilich gemäß § 58 AlVG ohnehin anzuwendende) Regelung des § 44 Abs. 2 AlVG zur Maßgeblichkeit nicht des letzten inländischen Wohnsitzes gemäß § 3 Z. 3 AVG (und damit bei Fehlen eines solchen zur Zuständigkeit der obersten sachlich in Betracht kommenden Behörde), sondern des (letzten) Beschäftigungsortes gemäß § 3 Z. 2 AVG. Zur näheren Begründung dieser Ansicht wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Der Ausspruch eines auf den Beginn des Zeitraumes eines formlos anerkannten Leistungsanspruches zurückwirkenden Widerrufes gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist nichts anderes als die nachträgliche Erledigung des Antrages in einem anderen Sinne als durch Anerkennung des Anspruches. Eine solche Erledigung kann - sofern dem Antrag nun rückwirkend auch nicht teilweise stattgegeben wird - sowohl in seiner gänzlichen Ab- als auch in seiner gänzlichen Zurückweisung bestehen, wobei im Falle eines in dieser Hinsicht auslegungsbedürftigen Spruches die Entscheidungsgründe darüber Aufschluß zu geben haben, ob der Antrag nur formell oder inhaltlich erledigt wird. Besteht die Erledigung - wie im vorliegenden Fall ausdrücklich ausgesprochen wurde - in einer Zurückweisung des Antrages wegen Unzuständigkeit, so ist auch nur diese die "Sache" des Berufungsverfahrens über den Widerruf (vgl. dazu allgemein die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 566 f, Entscheidung 70 bis 73 zu § 66 Abs. 4 AVG, wiedergegebene Rechtsprechung). Erfolgte die Zurückweisung des Antrages zu Unrecht, so ist der Widerruf (und gegebenenfalls auch ein damit verbundener Ausspruch der Verpflichtung zum Rückersatz) ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, daß die Behörde erster Instanz den Antrag zwar nicht neuerlich wegen Unzuständigkeit zurückweisen darf, an einem (gänzlichen oder teilweisen) Widerruf etwa wegen (gänzlicher oder teilweiser) Verneinung des Anspruches (und einem damit allenfalls zu verbindenden Ausspruch der Verpflichtung zum Rückersatz) aber nicht gehindert ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde der Berufung gegen den Widerruf der Zuerkennung im Sinne einer nachträglichen Zurückweisung des Antrages wegen Unzuständigkeit gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und damit ihrerseits entschieden, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leibnitz sei zur Erledigung des Antrages auf Arbeitslosengeld nicht zuständig gewesen.

Der Beschwerdeführer tritt dem mit Argumenten entgegen, die sich ausschließlich darauf beziehen, ob die Behörden des Verwaltungsverfahrens zu Recht davon ausgegangen sind, er habe im Sprengel dieser regionalen Geschäftsstelle keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt.

Von Bedeutung ist dies nur, wenn die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leibnitz für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer behaupteten Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht auch dann zuständig war, wenn der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Antragstellung weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Zur Prüfung dieser Frage ist § 44 Abs. 2 AlVG im vorliegenden Fall - anders als gemäß § 58 AlVG in dem mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/08/0115, entschiedenen Fall - dem Wortlaut nach nicht anwendbar, weil der Anspruch des Beschwerdeführers sich nicht darauf stützt, daß der Bezug von Arbeitslosengeld für ihn aufgrund internationaler Verträge auch bei einem Wohnsitz im Ausland "zulässig" sei.

Die Verneinung jedweder inländischen Zuständigkeit für die Entscheidung über den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch wäre dessen ungeachtet nicht rechtmäßig. Für Fälle wie den vorliegenden wäre vielmehr bei Fehlen eines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnliches Aufenthaltes auf § 3 AVG zurückzugreifen, wobei vor allem zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen gegenüber § 44 Abs. 2 AlVG aus den schon im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/08/0115, dargestellten Gründen gemäß § 3 Z. 2 AVG die Zuständigkeit derjenigen regionalen Geschäftsstelle zu bejahen wäre, in deren Sprengel der Antragsteller zuletzt beschäftigt war.

Daß dies im vorliegenden Fall die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Leibnitz wäre, ist anhand der vorgelegten Akten (insbesondere der Arbeitsbescheinigung vom 22. Dezember 1994) und aufgrund der damit übereinstimmenden Behauptungen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer auch selbst geltend macht, er sei zuletzt in Deutschlandsberg beschäftigt gewesen, allerdings zu verneinen. Die örtliche Zuständigkeit der regionalen Geschäftsstelle Leibnitz wurde von den Behörden des Verwaltungsverfahrens daher zu Recht verneint, wenn der Beschwerdeführer im Sprengel dieser regionalen Geschäftsstelle im Zeitpunkt der Antragstellung weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde hält der Beschwerdeführer unter dem Gesichtspunkt der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften zunächst entgegen, "die Behörde" habe ihn "nicht hinreichend angehalten, Beweisanträge zu stellen, die geeignet gewesen wären, die Richtigkeit seines Vorbringens zu beweisen". Diesen Standpunkt führt der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 13a AVG dahingehend näher aus, die Behörde erster Instanz hätte ihn zur Namhaftmachung geeigneter Zeugen für die Richtigkeit der Behauptung, er halte sich "unter der Woche stets" in Oberhaag auf, auffordern müssen. Da "diese Rechtsbelehrung im Sinne des § 13a AVG" unterblieben sei, sei der Beschwerdeführer an entsprechenden Beweisanboten "von vornherein verhindert" gewesen.

Der Beschwerdeführer meint weiters, es sei auch sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden, weil ihm keine ausreichende Gelegenheit dazu gegeben worden sei, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Der Kontrollor des Arbeitsamtes Leibnitz habe am 18. Jänner 1995 seine Erhebungen durchgeführt und eine Niederschrift aufgenommen. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens seien dem Beschwerdeführer aber nicht unterbreitet und er sei nicht aufgefordert worden, eine abschließende Stellungnahme abzugeben. Damit seien Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt worden, deren Beachtung ein faires Verfahren gebiete, und es seien wesentliche Parteienrechte mißachtet worden.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat ihre Entscheidung ausschließlich auf die Ermittlungsergebnisse des erstinstanzlichen Verfahrens gestützt, denen der Beschwerdeführer schon in der Berufung zumindest insoweit entgegentreten konnte, als er durch den erstinstanzlichen Bescheid über ihren Inhalt unterrichtet wurde. Dies war im vorliegenden Fall insoweit der Fall, als die Behörde erster Instanz ihre Entscheidung ausschließlich darauf gestützt hatte, daß der Beschwerdeführer nach dem Ergebnis der "durchgeführten Erhebung" an der von ihm angegebenen Adresse "nicht wohnhaft" sei. Glaubte der Beschwerdeführer, das Gegenteil beweisen zu können, so hätte er die ihm hiefür allenfalls zur Verfügung stehenden Beweismittel daher in der Berufung anbieten können. Das im erstinstanzlichen Bescheid nicht näher beschriebene und erst im Bescheid der belangten Behörde im einzelnen dargestellte Erhebungsergebnis, auf das sich schon die Behörde erster Instanz gestützt hatte, bestand zunächst in der mit dem Beschwerdeführer selbst aufgenommenen Niederschrift, nach deren Inhalt er - u.a. - angegeben hatte, an der von ihm angegebenen Wohnadresse keine Kleidung, keine Wäsche und auch keine Toilettesachen zu haben und sich ausschließlich im Gasthaus zu verpflegen. Zu diesen von ihm selbst gelieferten Sachverhaltselementen brauchte der Beschwerdeführer nicht nochmals gehört zu werden (vgl. dazu die in Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 335, zitierten Entscheidungen). Insoweit die belangte Behörde in ihrer Entscheidung über diese Niederschrift hinaus auch auf den Bericht des Kontrollors und dessen Aktenvermerk vom darauf folgenden Tag über ein Gespräch mit dem Briefträger Bezug nahm, fehlt es in der Beschwerde an konkreten Ausführungen darüber, was der Beschwerdeführer diesen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides nicht im einzelnen dargestellten Ermittlungsergebnissen bei deren Vorhalt vor Erlassung des angefochtenen Bescheides entgegengehalten hätte. Eine nachträgliche Auseinandersetzung mit diesen Erhebungsergebnissen kann im besonderen nicht darin gesehen werden, daß der Beschwerdeführer - nicht im Zusammenhang mit der Behauptung einer Verletzung des Parteiengehörs, sondern im Zusammenhang mit der Behauptung, er habe keine Gelegenheit zu Beweisanboten gehabt - in der Beschwerde ausführt, er hätte Zeugen, und zwar "so den Postboten, die Nachbarn in Oberhaag und im besonderen seine Arbeitskollegen" dafür anbieten können, daß er "stets angetroffen wird". Diese Ausführungen setzen sich über die im angefochtenen Bescheid zitierte Auskunft des Briefträgers vielmehr stillschweigend hinweg. Daß die belangte Behörde bei einer Vermeidung des in der Beschwerde gerügten Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, wird in der Beschwerde daher nicht aufgezeigt.

Der Beschwerdeführer meint weiters, der angefochtene Bescheid enthalte nur eine Scheinbegründung, weil nicht festgestellt worden sei, für welche Dauer sich der Beschwerdeführer jeweils im Ausland aufhalte. In diesem Zusammenhang macht er geltend, die Gemeinde Oberhaag habe "dem Landesarbeitsamt" (richtig: dem Arbeitsmarktservice Leibnitz) mitgeteilt, der Beschwerdeführer sei seit 10. Dezember 1993 "mit ordentlichem Wohnsitz" an der von ihm angegebenen Adresse in Oberhaag "gemeldet". Davon ausgehend hätte die belangte Behörde nach Ansicht des Beschwerdeführers feststellen müssen, wie lange er jeweils "von seinem Wohnsitz in Oberhaag fern bleibt" und sich "bei seinen Besuchen in Slowenien jeweils dort aufhält".

Mit diesen Ausführungen übergeht der Beschwerdeführer den von der belangten Behörde ihrer Entscheidung aufgrund der Ermittlungsergebnisse zugrunde gelegten Standpunkt, der Beschwerdeführer sei an der von ihm angegebenen Adresse, da sich dort keinerlei Gegenstände für seinen täglichen Bedarf befänden, überhaupt nicht wohnhaft. Mit der Tatsache seiner Anmeldung an dieser Adresse, mag dieselbe auch schon vor Jahren erfolgt sein, zeigt der Beschwerdeführer keinen Umstand auf, der einem solchen Ermittlungsergebnis entgegenstünde.

Schließlich macht der Beschwerdeführer auch geltend, die belangte Behörde habe den von ihr festgestellten Sachverhalt einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterzogen. Die Ausführungen, mit denen der Beschwerdeführer dies darzulegen versucht, betreffen aber nur zum Teil die den Gegenstand des Verfahrens bildende Zuständigkeitsfrage und erschöpfen sich insoweit im wesentlichen in Wiederholungen schon im Rahmen der Verfahrensrügen vorgebrachter Gesichtspunkte.

Wenn der Beschwerdeführer ergänzend ausführt, es fehle die Feststellung, daß ihn der Kontrollor "in seinem Zimmer angetroffen" habe, und daß "die Poststücke ihm jedesmal ordentlich zugestellt werden konnten", so ist er mit diesen Ausführungen darauf zu verweisen, daß es gerade das Zimmer, in dem der Beschwerdeführer angetroffen wurde, und die vom Briefträger beschriebenen Umstände, unter denen ihm von ihm selbst zu übernehmende Poststücke zustellbar seien, betreffende Wahrnehmungen waren, aufgrund derer die belangte Behörde zu der Ansicht gelangte, der Beschwerdeführer sei an der von ihm angegebenen Adresse nicht wohnhaft.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der vorliegende Fall gibt aber auch Anlaß zu einer weiteren Klarstellung: Kommt es in Verbindung mit dem Widerruf der Gewährung einer Leistung wegen nachträglicher Wahrnehmung der Unzuständigkeit der in Anspruch genommenen Geschäftsstelle zur Rückforderung von Leistungen nach § 25 AlVG, so wird diese Rückforderung in der Regel von derjenigen Behörde ausgesprochen, die sich im nachhinein für unzuständig erklärt (vgl. hiezu etwa die mit den schon zitierten Erkenntnissen vom 8. März 1984, Slg. Nr. 11.351/A, und vom 11. Februar 1997, Zl. 96/08/0303, entschiedenen Fälle; anders etwa - in einem Fall ohne Auslandsbezug - das Vorgehen der Behörden sowohl hinsichtlich des Widerrufes als auch der Rückforderung in dem dem Erkenntnis vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0211, zugrundeliegenden Fall; in diesem Fall ging es freilich nicht um einen Widerruf, der auf den Beginn des Leistungsbezuges zurückwirken sollte).

Im vorliegenden Erkenntnis wird davon ausgegangen, daß für einen Widerruf im Sinne einer nachträglichen Zurückweisung des Antrages wegen Unzuständigkeit nur die vom Antragsteller in Anspruch genommene Behörde (und nicht diejenige, an die er sich richtigerweise zu wenden gehabt hätte) zuständig sein kann. Auf die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen ließe sich dies - da die Verfahrensgegenstände nicht identisch sind - angesichts der mit der grundsätzlichen Anknüpfung der Zuständigkeit an den jeweiligen Wohnsitz der Partei verfolgten Zwecke nicht ausdehnen, woraus sich in diesen Fällen die verfahrensrechtliche Besonderheit ergibt, daß die für einen derartigen Widerruf zuständige (in der Sache unzuständige) Behörde den Widerruf mangels örtlicher Zuständigkeit nicht mit der Rückforderung verbinden darf, sondern letztere im Anschluß an den Widerruf bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 AlVG von der nach § 44 AlVG zuständigen Behörde auszusprechen wäre.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme örtliche Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995080132.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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