TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/05 D4 251178-3/2013

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Veröffentlicht am 05.07.2013
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Spruch

D4 251178-3/2013/3E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und die Richterin Mag. STARK als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 21.03.2013, FZ. 13 01.239-BAI, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005, idF BGBl. I Nr. 38/2011, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

I. Verfahrensgang

 

1. (Erstverfahren):

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und reiste am 27.03.2004 unter Vorlage eines tschechischen Visums illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag, wozu er vorbrachte, im Herkunftsstaat schon zweimal festgenommen und geschlagen worden zu sein. Er selbst habe im Krieg nicht gekämpft. Im Herkunftsstaat würden alle jungen Männer verfolgt und manche nie wieder freigelassen. Aus Angst ebenfalls verschleppt zu werden sei er geflüchtet.

 

Bei der Einvernahme am 26.05.2004 beim Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen zu seinen Fluchtgründen an, er sei im Jahr 2001 für zwei Jahre zu seinem Onkel nach XXXX gezogen und habe dort Religionsunterricht erhalten. Die Leute, welche ihn unterrichtet hätten, seien im Land herumgereist. Diese seien festgenommen worden und verschwunden. Einer seiner beiden Schulkollegen sei von maskierten Männern zusammengeschlagen worden. Sie würden von den Russen als Terroristen betrachtet werden. Er selbst sei etwa im Jahr 2002 bei einer Kontrollstation des OMON in Grosny festgenommen und geschlagen worden. Er sei immer wieder angehalten worden und habe seinen Pass vorzeigen müssen. Der unmittelbare Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass sein Schulkollege XXXX im September/Oktober 2003 von Unbekannten zusammengeschlagen worden sei. Er hätte befürchtet, dass auch er wegen des Besuchs des islamischen Religionsunterrichtes zusammengeschlagen werde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative habe er nicht. Er wisse nicht was ihn im Fall der Rückkehr erwarte.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Eisenstadt, vom 21.06.2004, Zl. 04 05.849-BAE, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27.03.2004 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig beschieden und dieser gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Darin wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass sein Vorbringen zu seinen Fluchtgründen wegen seiner Allgemeinheit und der mangelnden Nachvollziehbarkeit nicht als glaubwürdig erachtet werde. Auch habe er einen konkreten Grund, warum er einer Bedrohung ausgesetzt sei, nicht nennen können. Seinen Angaben nach sei sein Freund grundlos zusammengeschlagen worden. Auch bezüglich der ihn betreffenden Festnahmen habe sich herausgestellt, dass es sich dabei um Kontrollen bei Kontrollposten gehandelt habe, welchen sich jede Person zu unterziehen hätte. Eine konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung habe nicht erkannt werden können. Weiters wurden Länderfeststellungen zu Tschetschenien getroffen. Mangels dargelegter relevanter Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK habe Asyl nicht gewährt werden können, die Voraussetzungen für Refoulementschutz seien nicht vorgelegen und die Ausweisung stelle keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 07.12.2006, Zl. 251.178/0-XVIII/59/04, wurde die dagegen erhobene Berufung gemäß §§ 7 und 8 AsylG 1997, als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen dass der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen werde, da nicht hätte festgestellt werden können, dass der beschwerdeführenden Partei im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung oder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Es wurden Feststellungen zur Russischen Föderation und zur Teilrepublik Tschetschenien getroffen.

 

Beweiswürdigend wurde grob zusammengefasst ausgeführt, dass der Berufungswerber eine asylrelevante Verfolgung zu keinem Zeitpunkt des Asylverfahrens glaubhaft hätte darlegen können. Auch sei die Rückkehr seines Bruders Islam ein Indiz für das Nichtvorliegen einer aktuellen Gefährdung. Überdies habe sich der Beschwerdeführer im Zuge der Berufungsverhandlung in Widersprüche verwickelt und sei es ihm nicht gelungen, diese aufzulösen. Alles in Allem habe er die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens individueller und aktueller Fluchtgründe nicht glaubhaft machen können. Da sich weder aus den Gründen, die für die Ausreise maßgeblich gewesen seien, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens im konkreten Fall gemäß der Judikatur geforderte exzeptionelle Umstände ergeben hätten, seien auch die Voraussetzungen für Refoulementschutz nicht gegeben gewesen. Durch die Ausweisung ergebe sich keine Verletzung von Art. 8 EMRK.

 

Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 14.12.2006 durch Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

 

Auch die an den Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde nach Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schließlich mit Beschluss vom 11.11.2010, Zl. 2007/20/0475-10, abgelehnt.

 

Am 26.04.2011 erklärte der Beschwerdeführer freiwillig zurückkehren zu wollen. Nach Mitteilung der Caritas vom 08.06.2011 ist die Familie jedoch nicht zum Flugtermin erschienen und war nicht mehr erreichbar.

 

2. (Folgeverfahren):

 

Am 20.09.2011 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er sich zuvor mit seiner Familie drei Monate in Frankreich aufgehalten hatte, wo er ebenfalls Asyl beantragt hatte und hierauf nach Österreich zurücküberstellt wurde. Als Grund für seine neuerliche Antragstellung gab er an, er habe Angst, in Tschetschenien umgebracht zu werden. Er sei in Österreich der Nachbar von XXXX gewesen, welcher Umar Israilov getötet habe. Dieser sei nach Tschetschenien geflüchtet und habe dort eine höhere Position inne. Da er viel über diesen wisse, werde dieser versuchen, ihn im Fall der Rückkehr zu töten, da ihm dieser schon in Österreich gedroht habe. Aus Angst sei er auch nach Frankreich geflüchtet.

 

Anlässlich der Einvernahme am 11.10.2011 durch das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, gab er zusammengefasst an, seit etwa drei oder vier Jahren nach moslemischer Tradition mit XXXX verheiratet zu sein und einen gemeinsamen Sohn, XXXXzu haben. Er gab an, sich seit seiner ersten Antragstellung bis etwa Juni 2011 in Österreich, danach bis 20.09.2011 mit seiner Frau und seinem Kind in Frankreich und seither wieder in Österreich aufgehalten zu haben. Während seines Aufenthaltes in XXXX habe XXXX mit seiner Frau und vier Kindern im selben Haus in der Nachbarwohnung bis ungefähr 2009 gewohnt und sei dann zur Fahndung ausgeschrieben, jedoch nicht gefasst worden. Von diesem sei der Beschwerdeführer im Rahmen eines politischen Gespräches bedroht worden. Niemand hätte gewusst, dass dieser ein Killer des Kadyrov sei. Inzwischen sei dieser Mann nach Tschetschenien zurückgekehrt und sei nun die rechte Hand Kadyrovs. Er habe große Angst vor diesem, in Tschetschenien sei er ihm ausgeliefert. Wegen der Streitereien mit XXXX habe er vor zwei Jahren um eine andere Wohnung in dem Haus gebeten und auch erhalten. An die Polizei habe er sich deswegen nicht gewendet, weil dies bei Tschetschenen nicht üblich sei. Vor ca. eineinhalb Jahren habe er erfahren, dass dieser wieder im Herkunftsstaat sei, und richtig Angst bekommen. Zum Vorhalt, dass dann nicht verständlich sei, dass er bis zum 20.09.2011 mit der neuerlichen Asylantragstellung zugewartet hätte, gab er an, er habe noch auf eine Einvernahme im anhängigen Verfahren gewartet. Befragt, wieso er dann am 26.04.2011 die freiwillige Rückkehr erklärt habe, brachte er vor, er sei dazu gezwungen worden. Die Fremdenpolizei habe ihm gesagt, dass er sonst abgeschoben werden würde, er habe Zeit gewinnen wollen. Er spreche ein bisschen Deutsch, er habe einen Deutschkurs absolviert, sonstige Kurse oder Ausbildungen habe er in Österreich nicht gemacht. Berufstätig sei er ebenfalls nicht gewesen und auch nicht Mitglied von Vereinen oder Organisationen. Im Jahr 2006 sei er zwei Monate lang unentgeltlich Mitglied in einem Judoclub gewesen, dann habe er sich das nicht mehr leisten können. Zu seiner Verurteilung am 28.05.2009 brachte er vor, dass er nur zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Er wolle in Österreich arbeiten und Geld verdienen. Wenn er sich es leisten könne, telefoniere er mit seiner Mutter im Herkunftsstaat. Er sei gesund.

 

Im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, am 19.10.2011 zur Wahrung des Parteiengehörs betreffend die beabsichtigte Zurückweisung seines Antrages gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache brachte er vor, es gebe aber Veränderungen. Der Mörder des Israilov habe eine Zeit lang in derselben Pension wie er gelebt. Die ihm zur Kenntnis gebrachten Länderberichte würden zur Hälfte stimmen. In Tschetschenien gebe es keine medizinische Versorgung und die Leute würden keine Löhne ausbezahlt bekommen. Sein an Schizophrenie erkrankter Bruder sei in einer Pension für Kranke in Grosny untergebracht, werde aber nicht behandelt, er wisse es nicht genau.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Erstaufnahmestelle Ost, vom 09.11.2011 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 20.09.2011 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers keinen glaubhaften Kern beinhalte und damit die Rechtskraft des Erstverfahrens einer neuerlichen inhaltlichen Entscheidung entgegenstehe. Auch die den Beschwerdeführer treffende allgemeine Lage in der Russischen Föderation habe sich seit Rechtskraft des letzten Asylverfahrens nicht geändert. Die nunmehrige Behauptung, während des bisherigen Aufenthaltes in Österreich vom benachbarten späteren Mörder Israilovs im Zuge von Streitigkeiten bedroht worden zu sein, wurde als nicht glaubwürdig erachtet, vor allem weil er am 26.04.2011 schriftlich erklärte, freiwillig nach Hause zurückreisen zu wollen, was seinem nunmehrigen Vorbringen diametral widerspreche. Es sei vielmehr zu erwarten gewesen, dass er im Fall von weiteren Befürchtungen anstatt dessen schon (wesentlich früher) einen weiteren Asylantrag gestellt hätte. Auch sein Vorbringen dazu, er habe auf eine weitere Einvernahme im Asylverfahren gewartet, wurde als unglaubwürdig erachtet, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bereits mit Beschluss vom 11.11.2010 abgeschlossen worden ist. Schließlich habe er auch anlässlich der Einvernahme am 07.02.2011 bei der Fremdenpolizei erklärt, dass er freiwillig zurückreisen werde und eine Gefährdung im Heimatland mit keinem Wort erwähnt. Er habe auch keinerlei Beweismittel für sein nunmehriges Vorbringen beibringen können. Weiters wurde angemerkt, dass sich die refoulementrelevanten und gemäß § 8 AsylG 2005 berücksichtigungswürdigen Aspekte betreffend kein Hinweis auf einen seit Rechtskraft des Erstverfahrens entscheidungsrelevant geänderten Sachverhalt ergeben habe, weder im Hinblick auf seine persönliche Situation noch auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat.

 

Im Rahmen der Ausweisungsentscheidung wurde festgehalten, dass seine Familie ebenfalls von einer Ausweisungsentscheidung betroffen sei, wodurch kein Eingriff in das Familienleben iSd Art. 8 EMRK erfolge. Betreffend sein Privatleben wurde ausgeführt, dass sich die Dauer seines bisherigen Aufenthaltes auf ihm zurechenbare Handlungen, d.h. letztlich unbegründete Asylanträge beschränke und er daher nicht davon habe ausgehen können, dass ihm ein anderes Aufenthaltsrecht zukomme. Bereits ab der Erlassung dem ersten negativen Bescheid vom 21.06.2004 habe er nicht mehr darauf vertrauen können, ein dauerndes Aufenthaltsrecht in Österreich zu erlangen und sei eine fortgeschrittene familiäre, gesellschaftliche oder berufliche Integration in Österreich zudem nicht ersichtlich. Er habe den überwiegenden Teil seines bisherigen Lebens nicht in Österreich verbracht und sei nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen. Er sei in Österreich nicht berufstätig und mehr als nur einmal strafgerichtlich verurteilt worden. Er habe nicht die Möglichkeit, seinen Aufenthalt vom Inland her zu legalisieren, die erstmalige Einreise nach Österreich sei illegal erfolgt, eine Aufenthaltsverfestigung in Österreich sei nicht gegeben, der bisherige Aufenthalt sei nicht auf Grund den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet. Dem stehe der Wunsch des Beschwerdeführers auf Verbleib im Bundesgebiet und die bisherige Dauer seines Aufenthalts gegenüber. Weiters sei davon auszugehen, dass er auch die Möglichkeit habe, in seinem Herkunftsstaat ein relevantes Familien- und/oder Privatleben zu führen, nachdem er sich in einem anpassungsfähigen Alter befinde, die Sprache beherrsche und die Lebensgewohnheiten kenne sowie über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge. Es bestünden keine schwerwiegenden Erkrankungen. Nach einer Gesamtabwägung sei festzustellen, dass seine Ausweisung zulässig sei, Gründe für einen Ausweisungsaufschub seien nicht hervorgekommen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 16.11.2011 durch seinen Vertreter fristgerecht Beschwerde, in welcher er ausführte, dass entgegen der Auffassung im angefochtenen Bescheid richtig sei, dass er die Erklärung über die freiwillige Rückkehr am 26.04.2011 nur unterschrieben habe, um Zeit vor der befürchteten Abschiebung zu gewinnen, danach eben nicht in die Heimat zurückgekehrt sei, sondern verzweifelt versucht hätte, in einem anderen Mitgliedsstaat der EU Asyl zu erhalten. Ein solches Verhalten ergebe nur dann einen Sinn, wenn tatsächlich eine tiefgreifende Furcht vor einer Verfolgung im Heimatland vorliege. Vor der Fremdenpolizei habe er die Furcht vor der Rückkehr nicht angegeben, weil ihm von Beratern unrichtigerweise die Auskunft erteilt worden sei, dass diese neue Verfolgung für die Behörden keine Relevanz mehr habe und zum anderen bei der Einvernahme bei der Polizei der Eindruck entstanden sei, dass kein Interesse an seinen Problemen bestehe. Hinzu komme der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Unkenntnis der Rechtslage davon ausgegangen sei, dass es noch zu einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt oder vor einem Gericht kommen werde, was angesichts der langen Dauer des ersten Verfahrens nicht überrasche. Es sei daher verständlich, dass der Beschwerdeführer die neu hervorgekommenen Umstände am 07.02.2011 nicht angegeben habe. Die Vorlage von Beweismitteln sei auch gar nicht erforderlich, es genüge eine Glaubhaftmachung des asylrelevanten Sachverhalts und eine Verfolgungsgefahr müsse nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Außerdem sei auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer und seine Lebensgefährtin fast zwei Jahre lang am selben Wohnort wie Herr XXXX ansässig gewesen seien, in der Beweiswürdigung nicht näher eingegangen worden, was aber die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers deutlich unterstreiche. In Österreich sei bekannt, dass Herr XXXX für die Ermordung von Umar ISRAILOV verantwortlich ist. XXXX sei 2005 nach Österreich gekommen, habe Asyl beantragt und sei am 17.01.2009 geflüchtet und sei seither in Tschetschenien aufhältig. Die Anklageschrift gegen Herrn XXXX wurde auszugweise wiedergegeben und dessen Skrupellosigkeit hervorgestrichen sowie auf verschiedene Quellen verwiesen, wonach dieser nach Tschetschenien zurückgekehrt ist (Bericht vom 26.11.2010) und von der Russischen Föderation geschützt werde (Artikel vom 02.06.2011). In der Beweiswürdigung hätte der Umstand einer Bekanntschaft der Beschwerdeführer zu Herrn XXXX, welcher in Verbindung zur tschetschenischen Regierung stehe, jedenfalls berücksichtigt werden müssen. Wegen der kritischen Einstellung der Beschwerdeführer zur Regierung Kadyrovs und der erwiesenen Verbindung XXXX zu diesem, sei es mehr als plausibel, dass die Beschwerdeführer mit diesem in Streit geraten seien und dieser seinen Worten Taten folgen lassen werde. Es könne nicht davon gesprochen werden, dass dem Vorbringen ein glaubwürdiger Kern fehle. Seit dem rechtskräftigen Abschluss seines Verfahrens sei XXXX wieder in der Russischen Föderation aufhältig. Dies sei ein Sachverhalt, welcher geeignet sei, eine anders lautende Entscheidung herbeizuführen. Die Beschwerdeführer hätten bei einer Rückkehr mit Verfolgungshandlungen seitens des Regimes Kadyrovs zu rechnen, das gegen politische Gegner nicht zimperlich vorgehe.

 

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 30.11.2011, D4 251178-3/2013/2E wurde die erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass im Erstverfahren rechtskräftig festgestellt worden sei, dass der beschwerdeführenden Partei in der Russischen Föderation keine Verfolgung im Sinne der GFK drohe und dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in die Russische Föderation keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK bedeute und ihre Ausweisung in die Russische Föderation ausgesprochen.

 

Am 07.02.2011 hätte er vor der Fremdenpolizei die freiwillige Rückkehr erklärt und am 26.04.2011 eine entsprechende schriftliche Erklärung abgegeben, wäre jedoch zum Flugtermin am 08.06.2011 weder anwesend noch erreichbar gewesen. Am 20.09.2011 sei er gemeinsam mit seiner Familie im Rahmen der Dublin II-Verordnung aus Frankreich nach Österreich rücküberstellt worden.

 

Der Beschwerdeführer hätte nach illegaler Einreise am 27.03.2004 in Österreich gelebt, nunmehr mit seiner Lebensgefährtin und seinem minderjährigen Sohn im gemeinsamen Haushalt, welche ebenfalls von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen seien. Er gehe in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, bestreite den Lebensunterhalt aus der Grundversorgung, bisher hätte er einen Deutschkurs besucht und sei bereits wiederholt straffällig geworden. Er verfüge in der Russischen Föderation in Tschetschenien über Verwandte (Eltern, vier Brüder und eine Schwester), beherrsche die Landessprache und Gepflogenheiten. Die Dauer seines bisherigen Aufenthalts resultiere nicht nur aus den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen, sondern ergebe sich auch aus den vom Beschwerdeführer ergriffenen Rechtsmitteln und sei er außerdem vom 12.11.2010 bis zum 20.09.2011, also nahezu ein Jahr lang, illegal im Bundesgebiet bzw. in Frankreich aufhältig gewesen.

 

Im Folgeverfahren und der Beschwerde hätte der Beschwerdeführer ausgeführt, in Österreich fast zwei Jahre lang benachbart mit XXXX, dem Mörder Israilovs, gewohnt zu haben und mit diesem damals in politische Streitereien verwickelt gewesen zu sein. Dieser sei nach Tschetschenien zurückgekehrt und der Beschwerdeführer befürchte politische Verfolgung durch die tschetschenische Regierung, da nach einem in der Beschwerde genannten Bericht über den Prozess in Wien vom 26.11.2010 XXXX nach Tschetschenien zurückgekehrt und in der örtlichen Miliz befördert worden sei.

 

Es sei nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer bei tatsächlich befürchteter Verfolgung wegen der nunmehr vorgebrachten Umstände nicht schon wesentlich früher, also ab November 2010, einen weiteren Asylantrag gestellt hätte, sondern im Gegenteil danach noch am 07.02.2011 bei der Fremdenpolizei und noch im April 2011 bei der Caritas seine freiwillige Rückkehr in den Herkunftsstaat (schriftlich) erklärt hätte, um dann schließlich am 20.09.2011 - nach seiner Rücküberstellung aus Frankreich - doch noch einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen. Seine schriftliche Erklärung vom 26.04.2011, freiwillig zurückkehren zu wollen, stehe in diametralen Gegensatz zu seiner neuerlichen Antragstellung am 20.09.2011. Es sei entgegen seinem Beschwerdevorbringen auch nicht glaubhaft, dass er eine weitere Einvernahme erwartet hätte, da er einerseits bereits davor an einem Asylverfahren samt Rechtsmittelverfahren teilgenommen hätte und somit mit den Abläufen zumindest in groben Zügen vertraut sein müsse, und es andererseits sodann naheliegend gewesen wäre, dass der Beschwerdeführer zumindest bei seiner Einvernahme bei der Fremdenpolizei eine Äußerung in diesem Sinne gemacht hätte. Selbst wenn der Beschwerdeführer in Österreich für einen Zeitraum von etwa zwei Jahren der (mehr oder weniger unmittelbare) Nachbar des genannten XXXX gewesen sein sollte, sei nicht plausibel, wieso der Beschwerdeführer im Fall einer deswegen befürchteten Verfolgung in Tschetschenien nicht entsprechend gehandelt und unmittelbar im November 2010 einen weiteren Asylantrag gestellt hätte, dies bei der Fremdenpolizei geltend gemacht sowie nicht seine freiwillige Rückkehr erklärt hätte. Auch sein Vorbringen anlässlich der Antragstellung, dass er viel über XXXX wisse und dieser ihm schon in Österreich gedroht habe, er sich deswegen jedoch nicht an die Polizei gewendet habe, weiche von seinen Angaben in der Beschwerde ab, dass die Streitereien mit XXXX politischer Natur gewesen seien. Infolge der Nichtübereinstimmung bzw. Steigerung seines diesbezüglichen Vorbringens sei auch nicht von dessen Glaubwürdigkeit auszugehen. Viel eher wäre im Falle einer tatsächlich befürchteten Bedrohung durch XXXX zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer eine derartige Befürchtung umgehend vor den Behörden und der Caritas geltend mache.

 

Die beschwerdeführende Partei versuche in ihrem neuen Vorbringen einen politischen Grund für ihre Verfolgung zu konstruieren, da nicht von der Glaubhaftmachung einer politischen Verfolgung ausgegangen worden sei. Es sei absolut nicht plausibel nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine derart befürchtete Verfolgung nicht umgehend vor den österreichischen Behörden und der Caritas geltend gemacht hätte, sondern im Gegenteil dort jeweils von seiner freiwilligen Rückkehr gesprochen hätte und diese schließlich auch schriftlich erklärt hätte.

 

In einer Gesamtbetrachtung kam der Asylgerichtshof zum Schluss, dass von keinem neuen entscheidungsrelevanten Sachverhalt hinsichtlich der Asylgewährung, der einer neuerlichen Beurteilung bedürfe - ausgegangen werde, da der vom Beschwerdeführer vorgebrachte neue Fluchtgrund unglaubwürdig sei.

 

Der beschwerdeführenden Partei hätte auch zu diesem Zeitpunkt in der Russischen Föderation keine Verfolgung im Sinne der GFK gedroht und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in die Russische Föderation hätte keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK dargestellt.

 

3. (2. Folgeverfahren):

 

Am 29.01.2013 stellte der Beschwerdeführer einen dritten Antrag auf internationalen Schutz am Flughafen Wien-Schwechat, nachdem der Beschwerdeführer im Rahmen der Dublin VO (EG) 343/2003 zurücküberstellt wurde. Er hielt sich zuvor laut eigenen Angaben einige Monate in der XXXX auf, wo er ebenfalls Asyl beantragt hätte. Als Grund für seine neuerliche Antragstellung gab er an, dass er seine Gründe bei der ersten Einvernahme bekannt gegeben hätte. Er fürchte um sein Leben und das seiner Familie.

 

Er habe Angst, in Tschetschenien umgebracht zu werden. Er sei in Österreich der Nachbar von XXXX gewesen, welcher Umar Israilov getötet habe. Dieser sei nach Tschetschenien geflüchtet und habe dort eine höhere Position inne. Da er viel über diesen wisse, werde dieser versuchen, ihn im Fall der Rückkehr zu töten, da ihm dieser schon in Österreich gedroht habe. Aus Angst sei er auch nach Frankreich geflüchtet.

 

Bei der Einvernahme am 18.03.2013 beim Bundesasylamt bejahte er die Frage, ob psychisch und physisch in der Lage sei, Angaben zum Asylverfahren zu machen, und gab an große Angst zu haben, weil er schon mehrere negative Entscheidungen bekommen habe. Er sei sogar vor den österreichischen Behörden nach Frankreich und in die XXXX geflüchtet, aber wieder zurückgeschoben worden. Er habe seinen Angaben nichts hinzuzufügen.

 

Er sei gesund, sei derzeit nicht in ärztlicher Behandlung und könne keine weiteren Personaldokumente oder andere Dokumente vorlegen.

 

Der Beschwerdeführer wurde auf die Entscheidungen im Erst- und Zweitverfahren aufmerksam gemacht, sowie, dass er sich im April 2011 für die freiwillige Ausreise angemeldet hätte. Aufgrund des dritten Asylantrags am 29.01.2013 würde er nochmals einvernommen. Befragt, ob er dies verstanden hätte, antwortete er, dass er nichts hinzuzufügen wolle.

 

Seine Angaben im Rahmen der Erstbefragung seien vollständig, er habe damals die Wahrheit gesagt, mehr habe er selbst nicht dazu anzuführen. Andere Gründe gebe es nicht.

 

Er könne ein wenig Deutsch lesen. Seine Muttersprache sei Tschetschenisch. Er hätte seinem Vater auf den Baustellen geholfen, aufgrund des Krieges keine Berufsausbildung machen können. Er habe seine Frau 2007 in Österreich kennen gelernt und traditionell geheiratet. Gemeinsam hätten sie zwei Söhne. Er sei seit 2004 in Österreich, sei eine Zeit lang in Frankreich und in der XXXX gewesen. Er hätte in durchschnittlichen Verhältnissen in Tschetschenien gelebt.

 

Seine Mutter sei mit dem kranken Bruder in Kabardino Balkarien und sein Vater sei wahrscheinlich noch in Tschetschenien. Er habe zu seinem Vater keinen Kontakt.

 

Er hätte sich am 25.10.2003 entschlossen die Heimat zu verlassen und sei mit seinem Inlandspass gereist. In Österreich, in der XXXX, in Frankreich und in der Slowakei und in Tschechien hätte er einen Asylantrag gestellt.

 

Auf den Hinweis, dass er bereits im Zuge der zwei vorherigen Asylverfahren ausführlich die Fluchtgründe dargelegt hätte und befragt, ob er dazu noch etwas hinzufügen wolle, gab er an, dass er nichts anderes sagen könne als damals.

 

Seit der letzten Entscheidung im Jahre 2011 leide er an Paranoia. Er habe große Angst, dass seine Aussage an die Behörden seines Landes weitergeleitet werde. In Tschetschenien werde mit den Leuten kurzer Prozess gemacht.

 

Die Frage, ob er in ärztlicher Behandlung sei, verneinte er. Befragt, woher er wisse, dass er an Paranoia leide, wenn er doch noch nie beim Arzt gewesen sei, antwortete er, dass er ständig an Angst leide. Er habe Angst, dass er - wenn er zum Arzt gehe - in ein Irrenhaus komme.

 

Diese Probleme hätte er, seit die Fremdenpolizei in XXXX gedroht hätte, dass er mit Handschellen dem FSB übergeben werde. Das sei vor Frankreich gewesen, glaublich 2011.

 

Befragt, ob dies heiße, dass er seit 2011 an Angstzuständen leide, sich bisher aber nie zu einem Arzt begeben habe, antwortete er, dass das richtig sei. Er wisse gar nicht, wie das gehe und er das machen solle. Wem soll er das sagen?

 

Darauf hingewiesen, dass er sich seit dem Jahr 2004 in Österreich befinde und nicht wisse, wie man zu einem Arzt gelange, antwortete er, schon zu wissen, wie man zu einem Arzt komme, aber nicht, wie das funktioniere, wenn man zu einem Psychologen wolle. Er habe keinen Hausarzt, weil er ständig auf der Flucht sei. Er habe sich öfters versteckt. Er hätte keine Gelegenheit gehabt, sich einen Hausarzt zu suchen.

 

Seine Fluchtgründe halte er nach wie vor aufrecht. Aufgrund seines letzten Interviews in Österreich, nach der Zurückschiebung aus Frankreich, stelle er seinen neuen Antrag. Es gehe immer noch um XXXX. 2009 sei ein Tschetschene in Wien umgebracht worden.

 

Darauf hingewiesen, dass über die dazu gemachten Angaben bereits entschieden worden sei und befragt, ob er dazu etwas Neues vorbringen wolle oder er alles dazu bereits gesagt hätte, antwortete er, dass er dazu nichts mehr zu sagen hätte. Es gebe auch nichts Neues zu berichten. Es seien dieselben Gründe, die er bereits genannt hätte.

 

Nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht und nochmals befragt, ob er noch etwas Asylrelevantes angeben oder etwas vorbringen möchte, was wichtig erscheine, er jedoch nichts gesagt habe, wiederholte er, alles erzählt zu haben. Er habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.

 

Viele Tschetschenen würden behaupten, dass die österreichischen Behörden Daten weitergeben. Befragt, weshalb er dann drei Mal einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätte, wenn er dem österreichischen Staat nicht vertraue, stellte er die Gegenfrage "Was bleibt mir anderes übrig?" und führte aus, dass er gerne in der XXXX geblieben wäre. Er könne nicht nach Hause. Wenn es in Tschetschenien keinen Krieg und keine Diktatur gebe, wäre er der Erste, der heimfahren würde. Er sei auch nicht gern neun Jahre in fremden Ländern. Er fühle sich hier aber sicher.

 

In Österreich sei er zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden, in Tschetschenien sei er nicht vorbestraft.

 

Ob er in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht werde, wisse er nicht, befragt, ob er in seiner Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet worden sei, führte er aus, ein paar Mal verhaftet worden zu sein. Er wisse nicht mehr genau wie oft und wann. Man wollte ihn erschießen, vielleicht hätten sie aber auch nur einen Witz gemacht.

 

Die Frage, ob er jemals in der Heimat Probleme mit den Behörden gehabt hätte, bejahte er. Er sei niemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei gewesen und auch nicht von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung oder Rasse verfolgt worden.

 

Wegen seiner Religion hätte er schon Probleme. Das habe er auch schon bei seinem ersten Interview erzählt.

 

Der russische Staat verübe einen Völkermord an den Tschetschenen. Er habe Glück, dass er noch am Leben sei. Sein älterer Bruder sei auch mitgenommen worden - als dieser aus dem Gefängnis gekommen sei, sei er mehr tot als lebendig gewesen.

 

Im Falle einer eventuellen Rückkehr in seine Heimat habe Angst vor den Kadyrows Banditen. Er habe Angst vor XXXX. Er hätte einen hohen Posten im Land.

 

Die Frage, ob er im Fall der Rückkehr Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden haben würde, bejahte er - es gebe keine Polizei wie hier. Es seien alles Banditen.

 

Er verzichtete auf die Übersetzung der Länderfeststellungen, da er die allgemeine Situation in seiner Heimat kenne. Er wolle auch keine schriftliche Stellungnahme dazu abgeben. Er glaube auch nicht, was darin steht.

 

Seit 27.03.2004 sei er in Österreich aufhältig, hätte niemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes besessen und lebe von der Grundversorgung.

 

Er lebe derzeit in Fieberbrunn, wolle einen Deutschkurs für Fortgeschrittene besuchen. Er sei kein Mitglied eines Vereins.

 

In deutscher Sprache könne er sich einigermaßen gut verständigen, gearbeitet hätte er nur schwarz, nie offiziell. Er habe tschetschenische Freunde hier in Österreich. Diese seien anerkannte Flüchtlinge. In Österreich habe er nur Frau und Kinder.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes, Außenstelle Innsbruck, vom 21.03.2013, Zl. 13 01.239-BAI, wurde der Antrag vom 29.01.2013 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges, darunter auch die Einvernahmeprotokolle des Zweitverfahrens und des gegenständlichen Verfahrens wurde die Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Sprachkenntnisse (tschetschenisch, russisch, z.T. deutsch) und die illegale Einreise festgestellt und ausgeführt, dass er am 29.01.2013 bereits zum dritten Mal in Österreich einen Asylantrag gestellt hätte.

 

Weiters wurde festgestellt:

 

"Fest steht, dass Ihr Erstverfahren 04 05.849-BAE mittels Erkenntnis vom Asylgerichtshof (Anmerkung: eigentlich Bescheid des UBAS) vom 12.12.2006, Zl. 251.178/0-XVIII/59/04, ganzheitlich rechtskräftig negativ entschieden wurde. Eine gegen diese Entscheidung eingebrachte Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 11.10.2010 Zl. 2007/20/0475-10 abgelehnt.

 

Weiters steht fest, dass Ihr Zweitverfahren 11 10.862-EAST Ost wegen entschiedener Sache negativ entschieden wurde und Ihre diesbezügliche Beschwerde mittels Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 30.11.2011 Zl. D4 251.178-2/2011/2E als unbegründet abgewiesen wurde. Dieses Erkenntnis erwuchs mit 02.12.2011 in Rechtskraft. "

 

Er leide an keinen lebensbedrohlichen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes, stehe momentan nicht in ärztlicher oder medikamentöser Behandlung und sei arbeitsfähig.

 

Er sei in der Heimat nicht vorbestraft und werde von keiner Behörde gesucht werden.

 

Er werde weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, der politischen Gesinnung oder Volksgruppenzugehörigkeit in seiner Heimat von staatlicher Seite verfolgt wurden.

 

Den neuerlichen Asylantrag begründe er mit Vorfällen, die auf seinen Fluchtgründe im Rahmen der bereits unglaubwürdig qualifizierten und rechtskräftig negativ entschiedenen Erst- und Zweitverfahrens aufbauen.

 

Er hätte keinen qualifizierten Sachverhalt vorgebracht, der einer neuerlichen Prüfung zugrunde gelegt werden konnte.

 

Der neuerliche Asylantrag sei lediglich im Rahmen des Familienverfahrens aufgrund seines nachgeborenen Kindes zum inhaltlichen Verfahren zugelassen worden, es hätte sich jedoch bezüglich der Fluchtgründe kein neuerlicher Prüfungsauftrag ergeben.

 

Auch die neuerlichen, aufbauenden Fluchtgründe wären nicht glaubwürdig. Das wiederholte Vorbringen im gegenständlichen Verfahren aufgrund von in Österreich ausgetragenen Streitereien mit XXXX bzw. XXXX weise keinen glaubhaften Kern auf.

 

Asylrelevante Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates hätten nicht festgestellt werden können, ebensowenig, dass er im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

 

Es hätte nicht festgestellt werden können, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in die Russische Föderation für ihn eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeute oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringe.

 

Es wäre ihm die Lebensgrundlage keinesfalls gänzlich entzogen gewesen wäre bzw. würde er bei einer Rückkehr nicht in eine die Existenz bedrohende (oder medizinische) Notlage gedrängt werden.

 

Ausreichende medizinische Behandlungsmöglichkeiten seien vorhanden und ihm auch zugänglich. Er verfüge in der Heimat über familiäre Anknüpfungspunkte, über eine Schulausbildung und sei in der Heimat als Gelegenheits- und Hilfsarbeiter auf Baustellen tätig gewesen.

 

Am 27.03.2004 hätte er nach illegaler Einreise seinen ersten Asylantrag gestellt. 2007 habe er seine Lebensgefährtin in Österreich kennen gelernt. Gemeinsam hätten sie zwei Söhne. Die Familie lebe in einer Flüchtlingsunterkunft und von staatlicher Unterstützung. Weitere Verwandte habe er in Österreich keine.

 

Es liege ein Familienverfahren (Kernfamilie: XXXX) vor.

 

Die Asylanträge der Familienmitglieder seien mit Bescheiden des Bundesasylamtes ebenfalls negativ beschieden worden.

 

Die im Strafregister der Republik Österreich aufscheinenden zwei Verurteilungen gab das Bundesasylamt wieder.

 

BezirksgerichtXXXX §127 15 StGB; Freiheitsstrafe 2 Wochen.

 

Landesgericht XXXX; §164/1 u 4 (2. Satz) StGB; Freiheitsstrafe 6 Monate.

 

Sonstige soziale Anbindungen bzw. soziale Integrationen bzw. schützenswertes Privatleben hätten nicht festgestellt werden können.

 

Folgendes wurde zur Russischen Föderation festgestellt:

 

ALLGEMEINE LAGE

 

Politik

 

Die Russische Föderation hat dem Russischen Föderalen Statistikdienst Rosstat zufolge Ende 2010 142,9 Millionen Einwohner, davon leben 74% im städtischen Raum.

 

(Rosstat: ?????????, ???????? ??? ????????????? ???????? ????????? 2010 ????, ohne Datum,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/perepis2010/croc/Documents/Vol1/pub-01-01_02.pdf, Zugriff 6.2.2013)

 

Russland ist eine Föderation, die aus 83 Föderationssubjekten mit unterschiedlichem Autonomiegrad und Bezeichnungen (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Regionen, Gebiete, Föderale Städte) besteht. Die Föderationssubjekte verfügen über eine eigene Legislative und Exekutive. Die Gouverneure der Föderationssubjekte wurden bis Mitte 2012 auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente (derzeit durchweg "Einiges Russland") vom Staatspräsidenten ernannt. Nach Gesetzesänderungen vom Frühsommer 2012 werden die Gouverneure seit Herbst 2012 grundsätzlich wieder direkt gewählt - in mehreren russischen Regionen fanden am 14.10.2012 erstmals seit 2005 wieder Gouverneurswahlen statt. In der Praxis kam es dabei zu Einschränkungen der Wahlmöglichkeiten für die Bürger. Bei den Gouverneurs- ebenso wie den parallel durchgeführten Kommunalwahlen in vielen Regionen Russlands erzielte "Einiges Russland" nahezu überall große Mehrheiten, allerdings bei z. T. extrem niedriger Wahlbeteiligung.

 

Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 166 Mitgliedern. Jedes Föderationssubjekt entsendet zwei Vertreter in den Föderationsrat, je einen aus der Exekutive und der Legislative. Durch Präsidialdekret vom Juli 2000 wurden die zunächst sieben, seit Februar 2010 acht Föderalbezirke geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der ebenfalls durch Präsidialdekret (September 2000) geschaffene Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten.

 

Mit 238 von 450 Sitzen verfügt die regierungsnahe Fraktion "Einiges Russland" über eine absolute Mehrheit in der Staatsduma. Bei der Wahl am 4. Dezember 2011 wurde die Staatsduma erstmals für eine verlängerte Amtszeit von nun fünf Jahren gewählt. Alle Abgeordneten werden ausnahmslos über Parteilisten nach Verhältniswahlrecht mit Sieben-Prozent-Hürde gewählt. Ab der nächsten Wahl gilt wieder die Fünf-Prozent-Hürde. Derzeit ist eine Wahlrechtsreform in Arbeit, die u. a. die Abschaffung des föderalen Listenteils auf den Wahlzetteln vorsieht. Alle Abgeordneten sollen dann ausschließlich über 225 Regionallisten gewählt werden. Neben "Einiges Russland" haben die Kommunisten mit 92 Sitzen, die linksorientierte Partei "Gerechtes Russland" mit 64 Sitzen und die "Liberaldemokraten" des Rechtspopulisten Schirinowski mit 56 Sitzen wie schon 2007 den Einzug in die Duma geschafft.

 

Der Staatspräsident der Russischen Föderation verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Seine Amtszeit beträgt sechs Jahre. Russischer Präsident ist seit dem 7. Mai 2012 erneut Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er war am 4. März 2012 (mit offiziell 63,6% der Stimmen) gewählt worden. Putin löste Präsident Dmitri Anatoljewitsch Medwedew ab, der seit 2008 im Amt war. Putin war bereits von 2000 bis 2008 Staatspräsident und seitdem russischer Ministerpräsident. Im Gegenzug übernahm Medwedew am 8. Mai 2012 das Amt des Ministerpräsidenten.

 

Als Reaktion auf die Protestbewegung im Winter 2011 und Frühjahr 2012 wurden noch vor der Amtsübernahme durch Präsident Putin einige politische Reformen beschlossen. So wurden Hürden für die Gründung von Parteien und deren Teilnahme an Wahlen abgesenkt und direkte Gouverneurswahlen wieder eingeführt, allerdings mit Vorbehaltsklauseln. Mittlerweile haben sich zahlreiche neue Parteien registrieren können, darunter auch Oppositionsparteien mit demokratischem Anspruch, wie die "Republikanische Partei - Partei der Volksfreiheit (RPR-PARNAS). Seit Mai wird jedoch von vielen eine Zunahme autoritärer Tendenzen beklagt. Im Sommer 2012 wurden z.B. das russische Versammlungsrecht und die Gesetzgebung über Nichtregierungsorganisationen erheblich verschärft. Vom früheren Präsidenten Medwedew durchgesetzte Reformen wurden zum Teil zurückgenommen, z.B. durch die Wiederaufnahme von "Verleumdung" als Straftatbestand in das russische Strafgesetzbuch. Andererseits sollen die Agenda der wirtschaftlich-technischen Modernisierung Russlands weiter verfolgt und der Sozialstaat ausgebaut werden.

 

Bei den Dumawahlen im Dezember 2011 hat die von Putin angeführte Partei "Einiges Russland" ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Staatsduma verloren, konnte jedoch eine absolute Mehrheit erreichen. Die drei weiteren in der Duma vertretenen Parteien (Kommunistische Partei, Gerechtes Russland und Liberal-Demokratische Partei Russlands) konnten ihren Stimmenanteil ausbauen und ihr politisches Gewicht in der Staatsduma erhöhen. Wahlfälschungsvorwürfe bei den Dumawahlen waren ein wesentlicher Auslöser für Massenproteste, insbesondere im Dezember 2011 und Anfang 2012.

 

(Auswärtiges Amt: Länder, Reise, Sicherheit - Russische Föderation - Innenpolitik, Stand Oktober 2012, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/ RussischeFoederation/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.2.2013)

 

Russland ist keine Wahldemokratie. Die Präsidentschaftswahlen 2012 wurden zugunsten des Premierministers und ehemaligen Präsidenten Wladimir Putin verzerrt, dieser profitierte unter anderem von bevorzugter Behandlung durch die Medien, zahlreichen Missbräuchen seines Amtsbonus und Unregelmäßigkeiten während der Stimmenauszählungen. Die Parlamentswahlen 2011 waren gemäß OSZE gekennzeichnet von einer "Konvergenz des Staates und der Regierungspartei, eingeschränktem politischem Wettbewerb und einem Mangel an Fairness", aber viele Wähler nutzten sie, um Protest gegen den Status Quo auszudrücken.

 

Gemäß der Verfassung von 1993 ist das Amt des Präsidenten sehr stark, dieser entlässt und ernennt, vorbehaltlich der Zustimmung des Parlaments, den Premierminister. Putins Entscheidung, die Präsidentschaft für vier Jahre an Dimitri Medwedew zu übergeben sodass er danach für eine weitere - nunmehr sechs Jahre dauernde - Amtszeit zurückkehren kann, verletzte den Geist der verfassungsmäßigen Beschränkung auf zwei Amtsperioden.

 

Seit 2007 werden die Dumaabgeordneten aufgrund von Parteilisten gewählt. Parteien müssen mindestens 7% der Wählerstimmen erreichen, um in der Duma vertreten zu sein. Zudem können sich Parteien nicht zu Wahlbündnissen zusammenschließen. Medwedew unterzeichnete im April 2012 ein Gesetz, das die Registrierung von Parteien liberalisierte, bis Jahresende ließen sich 42 Parteien registrieren. Jedoch stellte keine dieser Parteien eine ernsthafte Bedrohung für die Behörden dar, viele schienen dazu bestimmt zu sein, die Spaltung und Unübersichtlichkeit der Opposition zu erhöhen.

 

Die Hälfte der Mitglieder des Oberhauses wird von den Gouverneuren ernannt, die andere Hälfte wird von den Regionalparlamenten ernannt, üblicherweise mit gewichtigen föderalen Vorgaben. Seit Jänner 2011 sind nur mehr lokal gewählte Politiker berechtigt, im Föderationsrat zu sitzen. Diese Änderung wird vor allem Einheitliches Russland zum Vorteil gereichen, da die meisten lokalen Amtsinhaber Parteimitglieder sind. Ein von Medwedew im Mai 2012 unterzeichnetes Gesetz setzte wieder die Wahl von Gouverneuren ein, die zuvor seit 2004 vom Präsidenten ernannt worden waren. Im Oktober wurden in den ersten fünf Regionen Wahlen abgehalten. Das neue Gesetz ermöglicht es regionalen Beamten, Gouverneurskandidaten auszusieben, wodurch starke Oppositionelle ausgeklammert werden können bei allen fünf Wahlen pro-Kreml Amtsinhaber gewannen.

 

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013)

 

Neue Massenproteste in Russland: Zehntausende Menschen haben unbeeindruckt von einem Großaufgebot der Polizei und Eiseskälte gegen Kremlchef Wladimir Putin protestiert. Zu dem ersten "Marsch gegen die Schurken" kamen am 13.1.2013 allein im Stadtzentrum von Moskau mehr als 20.000 Menschen, wie unabhängige Beobachter schätzten. Diese erste Anti-Regierungs-Aktion des Jahres richtete sich gegen das von Putin zuletzt unterzeichnete Adoptionsverbot russischer Kinder durch US-Bürger. Allein in der russischen Hauptstadt waren 4.000 Polizisten im Einsatz, wie Medien berichteten. Zur Zahl der Demonstrationsteilnehmer gab es stark voneinander abweichende Zahlen. Die Polizei sprach von maximal 9.500 Teilnehmern, mehrere Oppositionspolitiker nannten dagegen rund 50.000.

 

(Die Presse: Zehntausende Russen beim "Marsch gegen die Schurken", 13.1.2013,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1332155/Zehntausende-Russen-beim-Marsch-gegen-die-Schurken?_vl_backlink=/home/index.do, Zugriff 6.2.2013)

 

Wahlen

 

Am 4. März 2012 wurden Präsidentschaftswahlen durchgeführt. Fünf Kandidaten, darunter der damals amtierende Premierminister [Putin], stellten sich der Wahl. Obwohl alle Kandidaten ungehindert Wahlkampf führen konnten, wurden die Bedingungen für den Wahlkampf zugunsten Putins verzerrt. Wenngleich alle Kandidaten Zugang zu den Medien hatten, wurde ihm ein klarer Vorteil bei der Berichterstattung gegeben. Entgegen den gesetzlichen Bestimmungen war die Berichterstattung der Rundfunkmedien nicht ausgewogen. Herr Putin dominierte den Wahlkampf in den Medien durch oftmalige Auftritte, seine bisherigen Erfolge wurden gelobt.

 

Staatliche Ressourcen wurden zugunsten des damaligen Premierministers eingesetzt. Es kam zu einer offensichtlichen Mobilisierung von Individuen und staatlichen Ressourcen zur Unterstützung des Wahlkampfes von Putin. In einigen Regionen berichteten Personen, die am Wahlkampf teilnahmen, dass sie von ihren Vorgesetzten dazu angehalten worden waren. In vielen öffentlichen Institutionen wurden Untergebene angewiesen, für Putin Wahlkampfveranstaltungen zu organisieren. Lokale Behörden nutzen zudem behördliche Kommunikationskanäle, wie Websites oder Zeitungen ihrer Einrichtungen, zur Unterstützung seines Wahlkampfes.

 

Am Wahltag wurde die Stimmabgabe im Allgemeinen positiv bewertet; jedoch verschlechterte sich der Vorgang während der Auszählung aufgrund von verfahrenstechnischen Unregelmäßigkeiten. Die Auszählung wurde deshalb von fast einem Drittel der Wahllokale negativ bewertet. Das Hinzufügen von Wählern zu den Wählerlisten kurz vor und am Wahltag selbst führte zu einigen Bedenken. Es wurde auch die Einrichtung von speziellen Wahllokalen in letzter Minute berichtet, die Verfahren hierzu waren nicht transparent.

 

Die Unabhängigkeit der Wahlbehörden wurde auf allen Ebenen angezweifelt, meistens aufgrund ihrer vermeintlichen Zugehörigkeit zur lokalen Verwaltung und der Regierungspartei.

 

Der Wahlkampf war geprägt von im Allgemeinen unbehinderten, großen Protesten gegen die Wahlfälschungsvorwürfe während der Dumawahlen 2011. Auch im Nachfeld der Wahlen kam es zu einigen großen genehmigten und nicht genehmigten Demonstrationen, insbesondere in Moskau und St. Petersburg, mit massiver Polizeipräsenz.

 

(OSZE: Russian Federation, Presidential Election, 4 March 2012: Final Report, 11.5.2012)

 

Wladimir Putin gewann die Präsidentenwahl mit 63,6 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 65,3 Prozent, teilte die Wahlkommission in Moskau mit. Kurz vor Putins Amtseinführung am Montag, 7.5.2012 sperrte ein Großaufgebot an Sicherheitskräften weite Teile des Zentrums in Moskau ab. Bei anschließenden Demonstrationen nahm die Polizei etwa 120 Menschen fest. Die Demonstranten wurden laut Sicherheitsbehörden wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung vorübergehend festgenommen. Ihre Demonstration war nicht genehmigt. Bereits am Sonntagabend waren bei gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten rund 80 Menschen verletzt worden. Es gab mehr als 400 Festnahmen. Im Zentrum der russischen Hauptstadt hatten Zehntausende gegen "Putins Dauerherrschaft" protestiert.

 

(Die Presse: Wladimir Putin stilisiert sich als überparteilich, 8.3.2012,

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/738709/Wladimir-Putin-stilisiert-sich-als-ueberparteilich?from=simarchiv, Zugriff 6.2.2013 / Die Presse: Wladimir Putin als neuer russischer Präsident vereidigt, 7.5.2012

http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/ 755461/Wladimir-Putin-als-neuer-russischer-Praesident-vereidigt-?from=simarchiv, Zugriff 6.2.2013)

 

An den Wahlen zur Staatsduma am 4.12.2012 nahmen alle sieben beim Justizministerium registrierten politischen Parteien teil, von denen vier auch im bisherigen Parlament vertreten waren: die Regierungspartei "Einiges Russland", die "Kommunistische Partei der Russischen Föderation", die "Liberaldemokratische Partei Russlands" und "Gerechtes Russland". Die anderen drei Parteien waren die Parteien "Jabloko", "Patrioten Russlands" und "(Ge-)Rechte Sache". Nur eine zusätzliche Partei seit den Wahlen 2007 - "(Ge-)Rechte Sache" - konnte für die Wahlen 2011 registriert werden, allen weiteren wurde die Registrierung verweigert. Die Registrierungsvoraussetzungen wurden von allen Parteien vor dem Europarat kritisiert.

 

Die Dumawahlen 2012 waren gut verwaltet, aber von einer Konvergenz der Regierungspartei mit dem Staat, eingeschränktem politischem Wettbewerb (durch die Verweigerung von Registrierungen politischer Parteien durch das Justizministerium) und mangelnder Fairness gekennzeichnet. Die Wahlverwaltungsbehörden, lokale Behörden und Dienstanbieter behandelten die wahlwerbenden Parteien ungleich, das Spielfeld war zugunsten der Regierungspartei geneigt. Die Unterscheidung zwischen Staat und Regierungspartei wurde oft dadurch verzerrt, dass einige Personen ihr Amt zu ihrem Vorteil nutzten.

 

Seit den letzten Wahlen wurde der gesetzliche Rahmen in mehrerlei Hinsicht verbessert, beispielsweise war der Zugang zu Printmedien offener, die Möglichkeiten, Treffen und Kundgebungen zu veranstalten waren größer. Dennoch ist das Gesetz zu komplex und lässt zu viel Raum für Interpretation, was zu uneinheitlicher Anwendung führte.

 

Der Umgang der Zentralen Wahlkommission mit Beschwerden unterminierte das Recht der Wahlteilnehmer auf effektive und zeitgerechte Abhilfe. Die Unabhängigkeit der Kommission von der staatlichen Administration wurde von den meisten politischen Parteien in Frage gestellt. Die Möglichkeiten für internationale Wahlbeobachter waren eingeschränkt.

 

Am Wahltag war die Stimmabgabe gut organisiert, aber die Qualität des Prozesses verschlechterte sich während der Auszählung, bei der es zu Verletzungen der vorgegebenen Prozedere und Manipulationen kam. Die Massenproteste in vielen russischen Städten weisen auf Bedenken in der Öffentlichkeit hin. Eine Untersuchung von mehr als 2.000 diesbezüglichen Anschuldigungen wurde eingeleitet.

 

(Council of Europe - Parliamentary Assembly: Observation of the parliamentary elections in the Russian Federation (4 December 2011), 23.1.2012)

 

Allgemeine Sicherheitslage

 

Teile des Landes, vor allem im Nordkaukasus, sind von hohem Gewaltniveau betroffen. Der relative Erfolg des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, bedeutende Rebellenaktivität in seinem Herrschaftsbereich einzuschränken, ging einher mit zahlreichen Berichten über außergerichtliche Tötungen und Kollektivbestrafung. Zudem breitete sich die Rebellenbewegung in den umliegenden russischen Republiken, wie Inguschetien, Dagestan und Kabardino-Balkarien aus. Hunderte Beamte, Aufständische und Zivilisten sterben jedes Jahr durch Bombenanschläge, Schießereien und Morde.

 

(Freedom House: Freedom in the World 2013 - Russia, Jänner 2013)

 

Die Gewalt im Nordkaukasus, angefacht von Separatismus, interethnischen Konflikten, dschihadistischen Bewegungen, Blutfehden, Kriminalität und Exzessen durch Sicherheitskräfte geht weiter. Die Gewalt in Tschetschenien ging jedoch 2011 im Vergleich zu 2010 zurück.

 

(U.S. Department of State: Country Report on Human Rights Practices for 2011 - Russia, 24.5.2012)

 

Der islamistische Widerstand ist nach wie vor aktiv, insbesondere in Dagestan. Offiziellen Angaben zufolge wurden in den ersten sechs Monaten 1012 116 "terroristische Verbrechen" in Dagestan begangen, bei denen 67 Personen, darunter 7 Zivilisten, ums Leben kamen.

 

(Human Rights Watch: World Report 2013 - Russia, 31.1.2013)

 

Die Sicherheitslage im Nordkaukasus war noch immer instabil. Bewaffnete Gruppen gingen weiter gezielt gegen Polizeibeamte und andere Staatsbedienstete vor. Dabei gerieten oft Zivilisten ins Kreuzfeuer oder wurden gezielt angegriffen. Sowohl bewaffnete Gruppen als auch die Sicherheitskräfte begingen gravierende Menschenrechtsverstöße. Das Vorgehen der Sicherheitskräfte im gesamten Nordkaukasus ging oft mit schweren Menschenrechtsverletzungen einher. Es gingen Berichte über die Drangsalierung und Tötung von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern und Rechtsanwälten sowie über die Einschüchterung von Zeugen ein. Anders als im übrigen Nordkaukasus gingen die Angriffe bewaffneter Gruppen in Tschetschenien zurück.

 

(Amnesty International: Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights, 24.5.2012)

 

Die Sicherheitslage im Nordkaukasus ist insgesamt weiterhin schlecht, auch wenn zwischen den einzelnen Entitäten z. T. zu differenzieren ist. Fast täglich gibt es Meldungen über gewaltsame Vorfälle mit Toten und Verletzten in der Region. Besonders betroffen ist weiterhin die Republik Dagestan. Aber auch in Kabardino-Balkarien, Tschetschenien und Inguschetien kommt es zu Zwischenfällen, so dass von einer Normalisierung nicht gesprochen werden kann. Nur vereinzelt ist bisher von Attentaten und anderen extremistischen Straftaten aus den übrigen Republiken des Förderalbezirks Nordkaukasus zu hören.

 

Auf Gewalt durch islamistische Aufständische oder im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen Ethnien und Clans reagieren die regionalen und föderalen Behörden weiterhin vor allem mit harter Repression. Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt dreht sich dadurch weiter.

 

(Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation, Stand Juni 2012, 6.7.2012)

 

Der Leiter der Hauptverwaltung des Innenministeriums Russlands im Nordkaukasus, Sergej Tschentschik, erläuterte, dass im Jahr 2012 insgesamt 211 Angehörige der Sicherheitskräfte ermordet worden sind und 405 weitere diverse Verletzungen erlitten haben. Außerdem haben die Extremisten 78 Zivilisten getötet und 179 weitere verletzt. Nach Angaben der Hauptverwaltung des russischen Innenministeriums im Nordkaukasus wurden im vergangenen Jahr 352 terroristische Verbrechen in der Region gemeldet. Im Jahr 2011 habe es dort 406 Verbrechen gegeben, teilte Tschentschik mit. Ferner gab es über 222 Beschießungen im vorigen Jahr bzw. 252 Beschießungen im Jahr 2011, 116 Explosionen im Jahr 2012 bzw. 144 Explosionen im Jahr zuvor, drei Überfälle auf Angehörige der Rechtsschutzorgane mit blanken Waffen in 2012. "Die Zahl der Verbrechen in Tschetschenien, Kabardino-Balkarien und Dagestan ist zurückgegangen".

 

(Russland.ru: Jahresbilanz des russischen Innenministeriums im Nordkaukasus, 26.1.2013,

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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