RS Vfgh 2013/3/16 SV2/12

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Veröffentlicht am 16.03.2013
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Index

39/01 Finanzinstitutionen, Währungsabkommen

Norm

Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag) Art3, Art5, Art8, Art9, Art19, Art25, Art32, Art34, Art35, Art37
B-VG Art140a
B-VG Art7 Abs1
B-VG Art9 Abs2
B-VG Art13 Abs2
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art49 Abs2
B-VG Art50, Art50a, Art50b, Art50c
B-VG Art76 Abs1
B-VG Art126b Abs5
B-VG Art142
AEUV Art125
GOG NR §20c, §21, §23, §32f, §32h ff, Anlage 3 (ESM-Informationsordnung)
BGBlG 2004 §5
VfGG §66 Z2

Leitsatz

Abweisung der Anträge der Kärntner Landesregierung auf Feststellung der Rechts- bzw Verfassungswidrigkeit des ESM-Vertrags samt Auslegungserklärung, in eventu einzelner seiner Bestimmungen; vorgebrachte Bedenken betreffend eine Unionsrechtswidrigkeit sowie Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, das Gebot eines nachhaltig geordneten Haushalts, den Grundsatz der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung als auch der Überschreitung des verfassungsgesetzlich zulässigen Maßes der Übertragung einzelner Hoheitsrechte auf internationale Organe nicht zutreffend; Auslegungserklärung nicht als gesetzesändernd oder gesetzesergänzend zu qualifizieren; innerstaatliche Genehmigung des Nationalrates daher nicht erforderlich

Rechtssatz

Abweisung der - zulässigen - Anträge der Kärntner Landesregierung auf Feststellung, dass der Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-Vertrag, im Folgenden: ESMV), BGBl III 138/2012, samt der Auslegungserklärung der Vertreter der Vertragsparteien vom 27.09.2012, BGBl III 138/2012, zur Gänze rechts- bzw. verfassungswidrig ist, in eventu, dass einzelne seiner Bestimmungen rechts- bzw verfassungswidrig sind, in eventu, dass die Auslegungserklärung rechts- bzw verfassungswidrig ist.

Die Auslegungserklärung ist nicht Bestandteil des Vertragstextes des vom Nationalrat gemäß Art50 Abs1 Z1 B-VG genehmigten und als solcher im BGBl III 138/2012 kundgemachten ESMV. Sie ist als davon getrennt kundgemachter, zwischen Völkerrechtssubjekten vereinbarter und nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang normative Bedeutung beanspruchender Text unter dem hier maßgeblichen innerstaatlichen Blickwinkel selbständiger Anfechtungsgegenstand im Sinne des Art140a B-VG.

Der Verfassungsgesetzgeber hatte bei der Änderung des Art140a B-VG (mit der Novelle BGBl I 52/2012) die Fallkonstellation des Art50 Abs2 Z1 B-VG vor Augen. Abgesehen von dieser Fallkonstellation richtet sich die Frage, ob auf die Prüfung eines Staatsvertrages nach Art140a B-VG Art140 oder Art139 B-VG sinngemäß anzuwenden ist, weiterhin danach, ob es sich bei dem beim VfGH angefochtenen Staatsvertrag um einen vom Nationalrat genehmigten Staatsvertrag handelt oder nicht.

Die Auslegungserklärung wurde ohne parlamentarische Behandlung nach Art50 B-VG im BGBl III 138/2012 kundgemacht. Auf ihre Prüfung nach Art140a B-VG ist daher Art139 B-VG sinngemäß anzuwenden.

Die Kärntner Landesregierung hat ihre Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des ESMV hinreichend konkret dargelegt. Träfen bestimmte dieser Bedenken, etwa dasjenige eines Verstoßes gegen Art125 AEUV (wegen Modifizierung der sog. "no-bail-out-Klausel") oder die Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, im Hinblick auf Art13 Abs2 B-VG oder im Hinblick auf Art126b Abs5 B-VG zu, könnte mit Feststellung der Rechtswidrigkeit des gesamten ESMV durch den VfGH vorzugehen sein (vgl. §66 Z2 VfGG). Dies würde - ungeachtet der jeweils unterschiedlichen, sinngemäß anzuwendenden Prüfungsverfahren, die aber nur der innerstaatlichen Einordnung im Verhältnis zu und nicht der Gleichsetzung mit innerstaatlichen Rechtsakten dienen - auch die Auslegungserklärung umfassen.

Der (Haupt)Antrag, festzustellen, dass der ESMV samt der Auslegungserklärung rechts- bzw. verfassungswidrig ist, ist nicht begründet.

Das Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des Genehmigungsverfahrens ("Bedenken zur Transformation") der Auslegungserklärung, was die Rechtswidrigkeit des "gesamten Transformats (ESMV samt 'Auslegungserklärung')" zur Konsequenz habe, trifft schon deswegen nicht zu, weil selbst eine solche Rechtswidrigkeit, läge sie vor, nicht die von der Kärntner Landesregierung behauptete Rechtswidrigkeit des "ESMV samt 'Auslegungserklärung'" zur Folge hätte. Denn die Rechtswidrigkeit läge dann darin begründet, dass bei Abschluss der Auslegungserklärung nicht das von Art50 B-VG geforderte Verfahren eingehalten worden wäre. Art140a B-VG ordnet innerstaatlich eine solche allfällige Rechtswidrigkeit der einen selbständigen Anfechtungsgegenstand bildenden Auslegungserklärung selbst zu.

Eine allenfalls rechtswidrige Kundmachung der Auslegungserklärung hätte daher auch keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Kundmachung des ESMV. Auch die im Hinblick auf ihre Sprachfassungen auf Art49 Abs2 B-VG gegen die Kundmachung der Auslegungserklärung gestützten Bedenken ob einer daraus folgenden Rechtswidrigkeit der Kundmachung des ESMV selbst, treffen daher nicht zu.

Der EuGH hat mit Urteil vom 27.11.2012, Rs C-370/12, Thomas Pringle, entschieden, dass unter anderem die Art125 bis Art127 AEUV dem nicht entgegenstehen, dass die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, eine Übereinkunft wie den ESMV abschließen und ratifizieren.

Wenn sich Bundesregierung und Nationalrat für die Teilnahme der Republik Österreich am ESMV und damit dafür entscheiden, diese vertraglich geregelten und begrenzten Verpflichtungen zur Vermeidung möglicher, nicht absehbarer wirtschaftlicher und sozialer Schäden in Wahrnehmung ihrer bundesverfassungsrechtlich zugewiesenen Zuständigkeit und Verantwortung einzugehen, ist ihnen weder unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes noch am Maßstab des Art13 Abs2 B-VG oder des Art126b Abs5 B-VG entgegenzutreten. Die von der Kärntner Landesregierung vorgebrachten Bedenken, die sich grundsätzlich dagegen richten, dass die Republik Österreich die Verpflichtungen als Vertragspartei des ESMV eingegangen ist, sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen eine der genannten Verfassungsbestimmungen darzutun. Denn diese Bedenken münden auf dem einen oder anderen Weg der Sache nach jeweils in das Argument, dass eine andere als die von Bundesregierung und Nationalrat gewählte politische Handlungsoption naheliegender oder richtiger gewesen wäre. Diese rechtspolitische Frage zu beurteilen kommt nicht dem VfGH zu.

Zweck des ESM ist es, Art3 ESMV zufolge, Finanzmittel zu mobilisieren und ESM-Mitgliedern, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche Probleme drohen, unter strikten, dem gewählten Finanzinstrument angemessenen Auflagen eine Stabilitätshilfe bereit zu stellen, wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist. Zu diesem Zweck ist der ESM berechtigt, Mittel aufzunehmen, indem er Finanzinstrumente begibt oder mit ESM-Mitgliedern, Finanzinstituten oder sonstigen Dritten finanzielle oder sonstige Vereinbarungen oder Übereinkünfte schließt. Dafür steht dem ESM das in Art8 Abs1 ESMV definierte genehmigte Stammkapital zur Verfügung und verpflichten sich die ESM-Mitglieder unwiderruflich und uneingeschränkt, ihren Beitrag zu diesem genehmigten Stammkapital gemäß ihrem Beitragsschlüssel in Anhang I zu leisten.

Die von der Kärntner Landesregierung genannten Bestimmungen des ESMV übersteigen, selbst unter der - hier nicht im Einzelnen zu überprüfenden - Annahme, dass es sich sämtlich um Hoheitsrechte im Sinne dieser Verfassungsbestimmung handeln würde, das Maß des nach Art9 Abs2 B-VG zulässigerweise Übertragbaren nicht. Dieses wird zum einen dadurch bestimmt, dass, die Wendung "einzelne Hoheitsrechte" nicht zu eng verstanden werden darf. Auf der anderen Seite wäre die Übertragung von Hoheitsbefugnissen, wie sie den Europäischen Gemeinschaften 1981 zugekommen sind, nicht mehr von Art9 Abs2 B-VG gedeckt. Angesichts des begrenzten Zwecks des ESM und der Tatsache, dass die von der Kärntner Landesregierung genannten Bestimmungen Befugnisse enthalten, die sich auf die Umsetzung dieses Zwecks beschränken (geregelt werden Fragen der Mittelaufbringung des ESMV, des Entscheidungsverfahrens, der Durchführung jener Maßnahmen, für die der ESMV eingerichtet ist, und Verfahren zur Entscheidung über Auslegungs- und Streitfragen aus dem Vertragsverhältnis bzw. der Beurteilung der Rechtmäßigkeit bestimmten Organhandelns), bleiben sie von ihrem Inhalt her und auch in ihrer Gesamtheit im Rahmen dessen, was nach Art9 Abs2 B-VG zulässig ist.

Auch die eventualiter gestellten Anträge sind nicht begründet.

Kein Widerspruch des Art5 Abs6 litb ESMV sowie einer Wortfolge in Art8 Abs2 letzter Satz (betr Befugnisse des Gouverneursrates) zu Art50a B-VG.

Mit der ESM-Begleitnovelle, BGBl I 65/2012, wurden die Art50a bis Art50d B-VG in das B-VG eingefügt. Sie regeln die Mitwirkung des Nationalrats in Angelegenheiten des ESM und sind gemäß Art151 Abs52 B-VG idF der genannten ESM-Begleitnovelle gleichzeitig mit dem ESMV in Kraft getreten. Angesichts dieses Regelungszusammenhangs ist es ausgeschlossen, dass aus dem Umstand, dass Art50b B-VG eine bestimmte Beschlussfassung in einem Organ des ESM nicht dem in dieser Verfassungsbestimmung geregelten Ermächtigungserfordernis unterwirft, ein Widerspruch zu Art50a B-VG resultiert. Art50a B-VG verlangt nicht mehr an Mitwirkung des Nationalrats, als in den nachfolgenden Art50b und Art50c B-VG dem Nationalrat an Mitwirkung und Information gewährleistet ist.

Auch dass der Gouverneursrat nach Art8 Abs2 letzter Satz ESMV ermächtigt ist, über eine anderweitige Ausgabe von Anteilen als zum Nennwert "unter besonderen Umständen" zu beschließen, begegnet - im Hinblick auf Art9 Abs2 B-VG - keinen Bedenken, dass die Übertragung von Hoheitsrechten nicht ausreichend bestimmt wäre.

Kein Widerspruch des Art9 Abs2 und Abs3 ESMV und von Teilen des Art25 ESMV (betr Kapitalabrufe und Deckung von Verlusten) zu Art50a B-VG.

Keine planwidrige Regelungslücke in Art50b B-VG, die im Lichte des Art50a B-VG systematisch geschlossen werden müsste. Denn weder Art50a B-VG noch sonst eine Bestimmung der Bundesverfassung verlangen, dass jedes Organhandeln des ESM einer Einflussnahmemöglichkeit des Nationalrats unterliegt, die auf eine Zustimmungsbefugnis hinausläuft. Dies folgt schon aus Art9 Abs2 B-VG. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die wichtigste Grundlage für später möglicherweise erfolgende Kapitalabrufe nach Art9 Abs2 ESMV in der Gewährung von Stabilitätshilfen nach Art13 ESMV liegt. Auf diese kommt dem Nationalrat nach Art50b Z1 B-VG entscheidender Einfluss zu. Im Übrigen wirkt der Nationalrat nach den Art50a ff B-VG in vielfältiger Weise und nicht nur durch Ermächtigungen nach Art50b B-VG in Angelegenheiten des ESM mit. So sieht Art50c B-VG Informationsverpflichtungen des zuständigen Bundesministers vor. In Ausführung dazu erfasst die ESM-Informationsordnung (Anlage 3 zum GOG 1975) auch die Unterrichtung durch Informationen, Dokumente und Vorschläge für Beschlüsse betreffend Kapitalabrufe.

Kein Verstoß des Art19 ESMV (betr die Befugnis des Gouverneursrates zur Änderung der Liste der Finanzhilfeinstrumente) gegen Art9 Abs2 B-VG mangels ausreichender Determinierung.

Staatsverträge nach Art50 Abs1 Z1 B-VG sind aus innerstaatlichem Blickwinkel eine formellen Gesetzen prinzipiell gleichwertige parlamentarische Rechtsatzform. Einen, den Anforderungen des Art18 B-VG genügenden Bestimmtheitsgrad müssen staatsvertragliche Bestimmungen insoweit aufweisen, als sie im Sinne dieser Verfassungsbestimmung die Grundlage für innerstaatliche Vollzugsakte bilden sollen. Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Bestimmung des Art19 ESMV jedenfalls nicht. Was das aus Art9 Abs2 B-VG folgende Gebot anlangt, dass die durch den Staatsvertrag übertragenen einzelnen Hoheitsrechte eben als solche entsprechend bestimmt sein müssen - was allerdings nicht einen dem Bestimmtheitsgebot des Art18 B-VG gleichzuhaltenden Determinierungsgrad verlangt (schließlich können internationalen Organen gemäß Art9 Abs2 B-VG auch Befugnisse übertragen werden, die innerstaatlich der Gesetzgeber ausüben müsste) - so verstößt Art19 ESMV gegen diese verfassungsrechtliche Anforderung nicht. Im Lichte der spezifischen Zwecksetzung des ESM, des durch die bestehende Liste der Finanzhilfeinstrumente vorgegebenen Regelungszusammenhangs und des Verfahrens zur Änderung dieser Liste der Finanzhilfeinstrumente ist die in Rede stehende Befugnis des Gouverneursrats im Hinblick auf Art9 Abs2 B-VG hinreichend spezifiziert.

Art8 Abs5 ESMV begrenzt nach Maßgabe der Auslegungserklärung "sämtliche Zahlungsverpflichtungen der ESM-Mitglieder aus dem Vertrag in dem Sinne, dass keine Vorschrift des Vertrags so ausgelegt werden kann, dass sie ohne vorherige Zustimmung des Vertreters des Mitglieds und Berücksichtigung der nationalen Verfahren zu einer Zahlungsverpflichtung führt, die den Anteil am genehmigten Stammkapital des jeweiligen ESM-Mitglieds gemäß der Festlegung in Anhang II des Vertrags übersteigt." Damit ist den Bedenken der Kärntner Landesregierung, Art25 Abs2 erster Satz ESMV sei hinsichtlich einer allfälligen "Nachschusspflicht" unbegrenzt, jedenfalls der Boden entzogen.

Kein Verstoß von Wortfolgen in Art35 ESMV (betr die Immunität der Mitglieder des Gouverneursrats und dessen Vorsitzenden) gegen Art76 Abs1 B-VG.

Die (berufliche) Immunität für Organwalter wie hier für Gouverneure internationaler Finanzinstitutionen ist eine wesentliche Bedingung der Funktionsfähigkeit der jeweiligen Institution und daher, wie die Bundesregierung darlegt, gängige völkerrechtliche Praxis. Diese Immunität steht aber einer innerstaatlich nach Art142 Abs2 litb B-VG wahrzunehmenden Verantwortlichkeit wegen der Verletzung von Informationspflichten gemäß Art50c B-VG iVm den einschlägigen Bestimmungen des GOG 1975 oder wegen Nichteinhaltung einer Ermächtigung gemäß Art50b B-VG oder wegen Verletzung sonstiger Vorschriften der Bundesverfassung oder anderer innerstaatlicher Rechtsvorschriften nicht entgegen.

Art50a bis Art50d B-VG regeln die Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrats in Ansehung der einzelnen Bestimmungen des ESMV und damit auch dessen Art32 Abs5 und Art34. Dem Verfassungsgesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er hätte mit seinen Regelungen der Art50a ff. B-VG in der ESM-Begleitnovelle verfassungsrechtliche Verpflichtungen für die Informations- und Mitwirkungsrechte des Nationalrats festgelegt, deren Erfüllung die Art32 Abs5 und Art34 ESMV entgegenstehen würden.

Auch die Bedenken der Kärntner Landesregierung, die Vereinbarung der Auslegungserklärung vom 27.09.2012 hätte der Genehmigung nach Art50 Abs1 Z1 B-VG bedurft, treffen nicht zu.

Die Auslegungserklärung behandelt - im Gefolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 12.09.2012, 2 BvR 1390/12 ua, - in zweierlei Hinsicht Fragen des Regelungsgehalts des ESMV: Zum einen die Frage, ob die in Art8 Abs5 Satz 1 ESMV "unter allen Umständen" geregelte Haftungsbegrenzung eines jeden ESM-Mitglieds auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs auch bei Anwendung der Vorschriften über revidierte erhöhte Kapitalabrufe nach Art9 Abs2 und Abs3 ESMV iVm Art25 Abs2 ESMV gilt. Zum zweiten die Frage, ob die Art32 Abs5, Art34 und Art35 Abs1 ESMV einer umfassenden Information der nationalen Parlamente entgegenstehen.

Die Auslegungserklärung sichert - in Abgrenzung zu einer möglichen anderen - jene Bedeutung des ESMV, insbesondere seines Art8 Abs5, die das Budget (potentiell) weniger belastet und insofern auch weniger Befugnisse auf den ESM überträgt. Ein solches Verständnis kommt im Übrigen auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Ausdruck, die ausführen: "Die Haftung eines jeden ESM-Mitglieds bleibt unter allen Umständen auf seinen Anteil am genehmigten Stammkapital zum Ausgabekurs begrenzt. Allfällige Kapitalabrufe wären daher jedenfalls durch den in Anhang II ausgewiesenen Betrag (abzüglich des eingezahlten Kapitals) begrenzt."

Die Auslegungserklärung überschreitet daher nicht die Grenzen jener Bedeutung des ESMV, die von der Genehmigung des Nationalrats erfasst ist. Die Auslegungserklärung ist somit, was zunächst ihren Absatz 1 angeht, in ihrer Bedeutungsbestimmung innerstaatlich nicht als gesetzändernd oder gesetzesergänzend iSd Art50 B-VG zu qualifizieren.

Der Nationalrat ist bei seiner Genehmigung des ESMV offensichtlich davon ausgegangen, dass die im ESMV geregelten Geheimhaltungs- und Schweigeverpflichtungen den mit der ESM-Begleitnovelle und der in diesem Zusammenhang erlassenen Änderungen des GOG 1975 vorgesehenen Mitwirkungsbefugnissen und -verfahren des Nationalrats nicht entgegenstehen. Wenn daher die Auslegungserklärung in ihrem zweiten Absatz solches betont, hält sie sich auch hier im Rahmen der vom Nationalrat dem ESMV erteilten parlamentarischen Genehmigung. Auch im Hinblick auf ihren Absatz 2 bedarf daher die Auslegungserklärung innerstaatlich keiner eigenen Genehmigung als gesetzändernd oder gesetzesergänzend iSd Art50 Abs1 Z1 B-VG.

Entscheidungstexte

  • SV2/12
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 16.03.2013 SV2/12

Schlagworte

Staatsverträge, EU-Recht, Transformation, Nationalrat, Völkerrecht, Rechtspolitik, Kundmachung, Rechtsquellensystem, Determinierungsgebot, Oberste Organe der Vollziehung, Organ Organwalter, VfGH / Staatsvertragsprüfung, VfGH / Prüfungsmaßstab, VfGH / Prüfungsgegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:SV2.2012

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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