TE UVS Wien 2012/12/06 02/40/6907/2012

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.12.2012
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr. Schmid über die Beschwerde der Frau Jacqueline J. vom 30.5.2012 gemäß Artikel 129a Absatz 1 Ziffer 2 B-VG in Verbindung mit § 67a Absatz 1 Ziffer 2 AVG nach durchgeführter Verhandlung am 19.11.2012 entschieden und verkündet:

SPRUCH

I. Gemäß § 67c Absatz 3 AVG wird die am 19.4.2012 an Frau Jacqueline J. vorgenommene Identitätsfeststellung für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 79a Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2, 4 und 5 AVG werden der Beschwerdeführerin als obsiegenden Partei aufgrund der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II 2008/456, der Schriftsatzaufwand in der Höhe von 737,60 Euro und der Verhandlungsaufwand in der Höhe von 922,00 Euro an pauschalem Kostenersatz sowie Stempelgebühren in der Höhe von 14,30 Euro zugesprochen. Die Landespolizeidirektion Wien hat der die Kosten in der Höhe von 1.673,90 Euro binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu erstatten.

Text

Mit Schriftsatz vom 30.5.2012, beim ho Senat am 4.6.2012 eingelangt, erhob Frau Jacqueline J. Beschwerde gegen eine an ihr vorgenommene Identitätsfeststellung durch die BPD Wien.

Die Beschwerde lautet wie Folgt:

?Die Beschwerdeführerin erhebt gegen die im Folgenden näher bezeichneten, in Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ergangenen Verwaltungsakte fristgerecht Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien. I. Sachverhalt

Am 19. April 2012 nahm ich an den Protesten der Studierenden der Internationalen Entwicklung gegen die Abschaffung des Bachelors Internationale Entwicklung teil. Im Zuge dessen versammelte sich eine Gruppe von ca. 300 Studierenden im Audimax der Universität

.... Ich selbst betrag das Audimax um 16:30 Uhr. Im Zuge der Versammlung wurden

Redebeiträge von verschiedenen anwesenden Personen abgegeben und eine allgemeine Diskussion, angehalten. Nachdem ein Sprecher des Rektorats um ca. 19:00 Uhr ein Ultimatum des Rektorats verlesen hatte, demzufolge das Audimax bis spätestens 20:00 verlassen werden sollte, vereinbarte eine Gruppe von Freund_innen und ich selbst, dass wir das Audimax verlassen würden, falls die Polizei erscheinen würde. Dies kann von Daniel B., einer Person, welche Teil der Gruppe war, bezeugt werden. Die Polizei kam schließlich kurz nach 21:00 und machte mittels Megaphon eine Durchsage, die ich akustisch nicht verstehen konnte. Ich vermute jedoch, dass es sich dabei um die Auflösung der Versammlung gehandelt haben muss. Obwohl ich die Durchsage der Polizei nicht verstanden hatte, beschloss ich den Saal zu verlassen. Ich ging zu jenem Ausgang, welcher sich ? blickt man von der Bühne in den Saal ? auf der linken Seite befindet. Dieser war zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits von der Polizei verschlossen worden. Inzwischen hatte sich die Polizei in den Seitengängen des Saals aufgestellt. Ich fragte einen Beamten im Seiteneingang, ob ich den Saal verlassen könnte. Dieser gab mir die Auskunft, dass dies ohne eine Identitätsfeststellung nicht möglich sei. Ich verließ den Saal um ca. 22:30 Uhr. Beim Verlassen wurden meine Personalien festgestellt.

Beweis: Parteieneinvernahme

Zeuge: Daniel B., 1986

2. Angaben zur Zulässigkeit der Beschwerde

Bei der Identitätsfeststellung nach § 35 VStG handelt es sich um einen Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt, welcher im Wege der Maßnahmenbeschwerde an den UVS bekämpft werden kann. Es handelt sich bei der Identitätsfeststellung um einen Befehl mit normativem Gehalt, da es mir bei Weigerung nicht möglich gewesen wäre das Audimax zu verlassen. Da meine Identität festgestellt wurde, war ich Adressatin des Aktes unmittelbarer Befehlsgewalt und bin somit beschwerdelegitimiert. Die Identitätsfeststellung erfolgte am 19.4.2012. Die sechswöchige Beschwerdefrist gem § 67c AVG ist daher gewahrt und die Maßnahmenbeschwerde rechtzeitig beim UVS Wien eingebracht.

3. Beschwerdegründe

Die Feststellung meiner Identität war rechtswidrig. Die Demonstration im Audimax am 19.4.2012 ist als Versammlung iSd Versammlungsgesetzes zu qualifizieren, da es sich um eine vorübergehende Zusammenkunft einer Mehrzahl von Menschen mit der Absicht einer kollektiven Meinungsäußerung (Protest gegen Abschaffung des Bachelorstudiums IE) nach außen gegenüber der Allgemeinheit handelt.

Die Versammlung im Audimax wurde nicht rechtmäßig aufgelöst, da nach Verkündung der Auflösung nicht mehr die Möglichkeit bestanden hat, den Versammlungsort zu verlassen. Da ich den Saal verlassen wollte, aber nicht konnte, habe ich darüber hinaus keine Verwaltungsübertretung begangen. Aus diesem Grund war die Identitätsfeststellung gem § 35 VStG rechtswidrig (Vgl VwGH 23.9.2004, 98/01/0213).

4. Anträge

Die Beschwerdeführerin stellt daher die Anträge

1.

der UVS Wien möge eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen,

2.

feststellen, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht, nicht entgegen der Bestimmung des § 35 VStG einer Identitätsfeststellung unterzogen zu werden, verletzt wurde, und

              3.              gem § 79a AVG dem Bund als Rechtsträger der belangten Behörde die Kosten des Verfahrens auferlegen. Es wird der Ersatz der Eingabegebühr, der Fahrtkosten sowie des Pauschalbetrages für den Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand gem der UVS-AufwandersatzVO 2008, BGBl II 456/2008 geltend gemacht.?

Am 19.11.2012 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, anlässlich welcher die Beschwerdeführerin, ihr Vertreter und der Vertreter der LPD Wien gehört, sowie die Zeugen Mag. Udo L. und Obstl. Michael H. einvernommen wurden. das Verhandlungsprotokoll vom 19.11.2012 lautet auszugsweise:

?Die Beschwerdeführerin gibt über Befragen des Verhandlungsleiters an:

Ich bin Studentin der Uni ... und studiere Biologie. Ich bin grob geschätzt am 19.4.2012

um 10.00 Uhr an die Uni ... gekommen. Ich war bereits an der Versammlung im Bereich des

Rektorats beteiligt. Diese Versammlung hat sich unter anderem gegen die Einstellung des Bachelorstudiums ?Internationale Entwicklung? gerichtet. Im Zuge dieser Versammlung wurden meine Daten von der Polizei aufgenommen. Ich wurde damals von der Polizei aus dem Rektorat hinausgetragen. Im Anschluss an diese Versammlung habe ich mich mit Freunden auf den Campus des A. begeben. Im Bereich des A. haben sich gegen 15.30 Uhr schätzungsweise 100 oder 150 Personen versammelt, denen ich mich angeschlossen habe. Diese Gruppe habe ich als Versammlung angesehen und haben wir Transparente mitgeführt und wurden Spruchchöre gesungen. Auch diese Spontankundgebung hat sich gegen die Einstellung des betreffenden Bachelorstudiums gewandt. Zu diesem Zeitpunkt war Herr B. noch nicht in meiner Anwesenheit. Der Versammlungszug bewegte sich Richtung Universitätsgebäude und sind wir schließlich in das Audimax in das Hauptgebäude gegangen. Zwischendurch gab es einen Stopp vor dem sogenannten neuen Institutsgebäude. Wir sind gegen 16.30 Uhr im Audimax angelangt. Für mich war nicht ersichtlich, ob zu diesem Zeitpunkt im Audimax eine Lehrveranstaltung oder eine Prüfung stattgefunden hat. Den Zeitpunkt kann ich deshalb so genau angeben, weil ich eine SMS an Freunde geschickt habe, mit der ich sie eingeladen habe, auch ins Audimax zu kommen und mitzudiskutieren. Ich schätze die Anwesenden im Audimax vielleicht auf 200 Personen, der Hörsaal war nicht voll.

Wenn ich aufgefordert werde, das Geschehen im Audimax zu beschreiben, gebe ich Folgendes an: Im Hörsaal wurden von verschiedenen Personen vom Podium Reden gehalten und gab es eine Diskussion zwischen den Zuhörern und den Leuten am Podium. Es wurden Themen zur Abstimmung gebracht. Beispielsweise wurden die Verhaltensregeln für die im Audimax anwesenden erörtert. Es wurden Arbeitsgruppen gebildet, beispielsweise eine zur Verfassung eines Briefes an das Rektorat. Es wurden Transparente im Hörsaal angebracht. Wenn mir ein Foto aus dem Akt gezeigt wird (Seite 2 des Berichtes vom 19.4.2012), auf dem ein Transparent sowie mehrere Leute zu sehen sind, gebe ich dazu an, dass es sich dabei um die Aufnahme der Situation im Audimax am 19.4.2012 handelt. Wenn ich gefragt werde, ob darüber diskutiert wurde, wie lange wir im Audimax verbleiben wollten, gebe ich an: Nach meiner Einschätzung war es überhaupt nie Thema, dass Audimax auf längere Zeit zu besetzen. Jedenfalls für mich war das keine Überlegung. Wir hatten auch keine entsprechenden Utensilien mit. Es kam ein Vertreter des Rektors, der uns aufgefordert hat, den Hörsaal innerhalb von einer halben Stunde zu verlassen. Als Konsequenz wurde uns angekündigt, dass es am nächsten Tag im Audimax keine Lehrveranstaltungen gebe und es wurde uns mitgeteilt, dass es seitens des Rektorats keine weitere Gesprächsbereitschaft mehr gebe. Wenn ich gefragt werde, wann ich von einem Polizeieinsatz im Audimax etwas mitbekommen habe, gebe ich an: Ich war an einer Arbeitsgruppe beteiligt. Herr B. war auch bereits im Audimax anwesend. Von anderen Studenten habe ich erfahren, dass das Gebäude von der Polizei umstellt sein soll. Angeblich seien auch Polizisten in den Gängen der Universität. Schätzungsweise gegen 21.45 Uhr habe ich einen Tumult im Eingangsbereich zum Audimax vernommen und habe dann gehört, wie glaublich ein Student am Podium via Mikrofon die Polizei aufgefordert hat, die Durchsage zu wiederholen. Ich habe nicht gehört, ob diese Durchsage wiederholt wurde. Ich wollte im Anschluss gemeinsam mit Herrn B. den Hörsaal über den von der Bühne aus gesehen linken Notausgang verlassen. Vor diesem standen aber schon viele Versammlungsteilnehmer und musste ich mich zuerst durch diese durchdrängen. Als ich es bis zur Türe geschafft habe, musste ich feststellen, dass diese nicht geöffnet werden konnte. Ich wollte daraufhin den Hörsaal über den ganz rechten Ausgang Richtung Gang verlassen. Dieser Türe war offen während die andern Ausgänge geschlossen waren. Vor dieser Türe standen Polizisten die mir mitteilten, dass ich den Raum nicht ohne Identitätsfeststellung verlassen dürfte und wurde ich zurück in den Saal geschickt. Ich habe nach dem Einsatzleiter gefragt und wurde mir mitgeteilt, ich müsste Ausschau halten nach einem Beamten mit goldenen Abzeichen. Ich habe ca. noch eine Stunde im Hörsaal verbracht, bis ich endlich zur Identitätsfeststellung dran kam. Es hat deshalb so lange gedauert, weil immer nur kleine Gruppen von Veranstaltungsteilnehmern zur Identitätsfeststellung vorgelassen wurden. Der Saal konnte nur über einen Ausgang verlassen werden. Ich schätze es waren vielleicht 50 bis 70 Polizisten im Hörsaal. Mit der Identitätsfeststellung waren meiner Einschätzung nach nur zwei oder drei befasst. Wenn ich gefragt werde, ob mir der Grund meiner Identitätsfeststellung mitgeteilt wurde, gebe ich an: Ich habe zuerst nicht danach gefragt. Später habe ich mit dem Einsatzleiter gesprochen, ich glaube es war Herr L.. Es war der heute in Zivil anwesende Zeuge. Dieser sagte mir, es hätte eine Sachbeschädigung gegeben und wären unsere Daten aufgenommen worden, weil wir Zeugen sein könnten. So habe ich die Aussage jedenfalls von ihm verstanden. Im Zuge dieses Gespräches wurde mir mitgeteilt, dass wir keine Verwaltungsstrafe bekommen würde. Diese Antwort haben wir auf eine von uns gestellte Frage bekommen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Antwort von Herrn L. erhalten habe, weil wir auch noch mit einem anderen Beamten gesprochen haben. Dieser hatte Uniform an und habe ich seine Dienstnummer bekommen. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es sich dabei um den heute anwesenden Zeugen handelt, der in Uniform erschienen ist. Ich kann die Dienstnummer jetzt nicht nennen, habe sie aber zuhause notiert. Ich wurde inzwischen wegen einer Ordnungsstrafe bestraft. Ich habe dagegen Einspruch erhoben und eine Stellungnahme abgegeben.

Die Beschwerdeführerin gibt über Befragen des Behördenvertreters an:

Im Audimax haben sich zum Zeitpunkt der Behördendurchsagen schätzungsweise 180 Personen befunden. Der Demonstrationszug der sich in das Audimax begeben hat, war meines Erachtens zwar lose aber doch zusammenhängend. Es sind dann auch weitere Personen hinzugekommen, andere sind wieder gegangen. Die Versammlungsteilnehmer waren zu Beginn, das heißt als wir das Audimax betreten haben, meiner Einschätzung nach weniger als zum Zeitpunkt der Auslösung. Ich glaube es sind noch einige hinzugekommen. Ich schätze, dass wir beim Betreten des Audimax zwischen 100 und 150 Personen waren. Ein Teil dieser Gruppe hat das Audimax nach meiner Einschätzung sogleich betreten, andere sind noch am Gang vor dem Audimax verblieben. Ich bin zum Beispiel noch heraußen geblieben und habe noch etwas gegessen. Anschließend bin ich auch in das Audimax gegangen. Ich glaube es gibt drei Eingänge ins Audimax vom Gang aus. Ich habe mich im Audimax aufgrund der Menschenmenge nur langsam Richtung Bühne bewegen können und habe mich dann letztlich mit meinem Laptop auf die Bühne gesetzt. Ich war eine der wenigen die einen Laptop mit hatte. Zu Beginn bin ich nicht in einer Bankreihen gesessen, später schon. Unterlagen über eine Prüfung oder dergleichen habe ich dort nicht gesehen. Wir haben den uniformierten Beamten konkret gefragt, ob wir im Zuge unserer Identitätsfeststellung und wegen der Auflösung der Versammlung eine Strafe bekommen werden. Diesbezüglich haben wir die Antwort erhalten, dass wir keine Strafe bekommen. Ich glaube nicht, dass ich diese Auskunft von demselben Beamten bekommen habe, der mir zuvor mitgeteilt hat, dass unsere Identitäten wegen einer Sachbeschädigung aufgenommen worden wären. Der uniformierte Beamte hat nicht gesagt, dass er keine Anzeige erstatten werde, sondern uns gesagt, dass es keine Verwaltungsstrafe geben würde. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob ich diese Auskunft von Herrn L. oder von jemand anderen erhalten habe. Ich habe zuerst einen uniformierten Beamten angesprochen und dieser hat mich dann an Herrn L. verwiesen. Welcher von den Beiden jetzt welche Auskunft erteilt hat, kann ich nicht mehr sagen. Ich glaube Herr L. hat von der Sachbeschädigung gesprochen.

Die Beschwerdeführerin gibt über Befragen des BfV an:

Ich war in der Arbeitsgruppe, die den Brief an das Rektorat verfasst hat. Es gab auch eine Arbeitsgruppe, die für die Medienarbeit zuständig war. Es war auch beabsichtigt anderen Universitäten einzubinden. Im Saal war ein Kommen und Gehen. Teilweise wurden Informationen über meinen Computer verschickt. Es wurden beispielsweise Berichte auf Twitter und Facebook erstellt. Es gab auch einen Stream, der aus dem Audimax übertragen hat. Die Diskussionen und unsere Arbeitsgruppen haben von 16.30 Uhr an bis zur Auflösung stattgefunden.

Befragt vom Verhandlungsleiter:

Die von uns vorgelegt Videosequenz wurde von Herrn Daniel Hr. aufgenommen, den ich im Zuge

dieser Versammlung erstmalig kennen gelernt habe.

Der Behördenvertreter gibt an:

Nach Beendigung der Durchsage über die Auflösung der Besetzung gab es grundsätzlich keine Möglichkeit mehr den Hörsaal zu verlassen. Es haben allerdings Personen, die sich zu diesem Zeitpunkt im Nahbereich der Eingänge aufgehalten haben, den Saal verlassen, ohne dass sie kontrolliert wurden. Wenn sich jemand zu diesem Zeitpunkt im Bereich des Podiums des Audimax aufgehalten hat, ist es ihm sicher nicht gelungen ohne Identitätsfeststellung den Raum zu verlassen.

Herr Mag. L. gab zeugenschaftlich einvernommen Folgendes an:

Der Zeuge gibt über Befragen des Verhandlungsleiters an:

Ich bin von meiner Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit entbunden. Ich bin seit 2009 als Polizeijurist tätig. Ich habe seither mit Versammlungen und dergleichen zu tun. Ich bin am 19.4.2012 als Vertreter der Sicherheitsbehörde im Laufe des Vormittags an die

Universität ... gekommen. Es wurde mir mitgeteilt, dass das Rektorat der Uni ... von einer

größeren Personengruppe gewaltsam besetzt wurde bzw. dass sich dort eine Versammlung anspielt. Ich habe die im Rektorat von mir angetroffene Personengruppe als Versammlung bewertet, weil seit dem Betreten des Rektorats durch diese Gruppe wenige Minuten verstrichen sind und diese Sprechchöre skandierten. Es waren auch Transparente vorhanden, deren Text ich jetzt aber nicht mehr wiedergeben kann. Ich habe die Versammlung aufgelöst. Da eine Bedienstete des Rektorats im Zuge des Eindringens von einer unbekannten Person verletzt wurde, wurden die Identitäten der Personen festgestellt und eine Anzeige gegen unbekannten Täter verfasst. Ich schätze, dass die Versammlungsteilnehmer das Universitätsgebäude zwischen 13.00 Uhr und 14.00 Uhr verlassen haben. Aufgrund der mit zur Verfügung stehenden Informationen war anzunehmen, dass am selben Tag noch weitere Aktionen gesetzt werden. Mir wurde mitgeteilt, dass sich die Versammlungsteilnehmer ins A. begeben haben. Ich bin zwischenzeitig in mein Büro zurückgefahren. Zwischen 15.00 Uhr und 16.00 Uhr wurde mir mitgeteilt, dass sich vom A. weg ein Demonstrationszug in Bewegung gesetzt hat. Als ich vor Ort eintraf, hat sich der Demonstrationszug bereits dem Nebeneingang der

Uni ... angenähert bzw. haben sich nachfolgend die ersten Teilnehmer in das Gebäude

begeben. Konkret habe ich den Demonstrationszug bereits vor dem Nick wahrgenommen, wo dieser kurzzeitig angehalten hat. Es gab damals einen heftigen Platzregen und haben sich die Demonstrationsteilnehmer kurzfristig untergestellt und dann den Zug fortgesetzt. Ich bin vorerst vor der Universität verblieben und habe dort die Nachricht erhalten, dass sich der Demonstrationszug ins Audimax begeben hat. Der Demonstrationszug war ein Geschlossener. Seitens des Rektorats wurde ich telefonisch darüber informiert, dass durch den Demonstrationszug eine im Audimax stattgefundene Prüfung unterbrochen wurde und wurde ich ersucht, weiteren strafbaren Handlungen im Universitätsbereich vorzubeugen. Es bestanden aufgrund der vormittäglichen Körperverletzung Sicherheitsbedenken. Der Demonstrationszug hat kurz vor 16.30 Uhr die Universität bzw. das Audimax erreicht. Seitens der Universitätsleitung wurde der hauseigene Sicherheitsdienst beauftragt die Zugänge zur Universität zu besetzen und den Eintritt zu verwehren. Die Exekutive hatte die Aufgabe etwaige Angriffe gegen diese Sicherheitsleute zu unterbinden, hat aber selbst keine Beschränkungen vorgenommen. Nach ein/zwei Stunden war die Universität dann tatsächlich nicht mehr betretbar, es haben aber laufend Personen das Universitätsgebäude verlassen. Es wurde in weiterer Folge versucht, über Fenster die von innen geöffnet wurden, Lebensmittelt in größerer Menge in das Universitätsgebäude zu bringen. Dies wurde von uns bzw. vom hauseigenen Sicherheitsdienst unterbunden. Ich habe mich später ins Gebäude begeben und zwar vorerst in den Gang unmittelbar vor dem Audimax. Es gibt drei doppelflügelige Eingangstüren in diesem Hörsaal, welche offen standen. Es haben sich Personen sowohl im Saal, als auch vor dem Saal am Gang aufgehalten. Meiner Einschätzung nach handelte es sich bei den Anwesenden um junge Leute zwischen 20 und 30. Wie ich das erste Mal mir die Situation im Bereich des Hörsaals angesehen habe, hat das Geschehen noch nach einer Versammlung ausgesehen. Als es dann schon finster war, hat sich die Situation meiner Einschätzung nach verändert. Es waren nur noch wenige Transparente angebracht, einige wurden zwischenzeitig schon abgenommen, es gab keine Sprechchöre oder dergleichen mehr. Meines Erachtens haben mehr bilaterale Gespräche stattgefunden. Wir haben auch wahrnehmen können, dass Personen mit Schlafsäcken gekommen sind. Konkret meine ich, dass ich Personen mit Schlafsäcken angetroffen habe und zwar auch in Nebenräumen des Audimax. Ich schätze, es waren 170 bis 180 vielleicht knapp 200 Personen im Bereich des Audimax und Vorfeld anwesend. Von meiner Seite wurde mit den Anwesenden nicht Kontakt aufgenommen. Es gab allerdings eine Kontaktaufnahme durch den Vertreter des Rektorats. Dieser hat über Lautsprecher die Anwesenden aufgefordert, den Hörsaal frei zu geben. Es gab dann im Anschluss eine Abstimmung unter den Anwesenden, ob sie dieser Aufforderung nachkommen wollen. Das Ergebnis war, dass die Personen im Hörsaal verblieben sind. Seitens des Rektorates wurde auf Grund von Sicherheitsbedenken angeordnet, dass der Universitätsbetrieb im gesamten Hauptgebäude für diesen sowie die beiden folgenden Tage zur Gänze ausgesetzt wurde. Ich führte ein Gespräch mit dem Rektorat in dem ich aufgefordert wurde, das Gebäude zu räumen.

Nach meiner Einschätzung unmittelbar vor Ort lag eine Besetzung im Sinne des SPG vor und hat die BPD Wien eine Verordnung gemäß § 37 Absatz 1 Sicherheitspolizeigesetz erlassen. Die Kundmachung erfolgte durch mich mittels Megafondurchsage im Audimax. Ich habe diese Durchsage einige Schritte vom Eingang gemacht. Akustisch war der Lautpegel durch die vielfach geführten Gespräche geprägt, als vergleich möchte ich ein gutgefülltes Wirtshaus heranziehen. Geschrien oder dergleichen wurde nicht. Die Durchsage erfolgte einmal. Es gab sehr wohl Leute die gesagt haben, sie haben nicht verstanden was ich kundgemacht habe. Das kommt aber bei jeder derartigen Auflösung vor. Diese Durchsage erfolgte um 21.50 Uhr. Bevor ich diese Verordnung verlesen habe war mit dem exekutiven Einsatzleiter besprochen, dass von sämtlichen anwesenden Personen die Identität festgestellt werden soll. Zu diesem Zweck befanden sich Exekutivbeamte unmittelbar vor den Eingängen zum Audimax. Zwei der drei Tore haben wir verschlossen, beim dritten Ausgang haben wir mit der Identitätsfeststellung begonnen. Es waren zwei Gruppen mit je 5 Beamten für die Identitätsfeststellung zuständig. Die Vornahme der I-Feststellung wurde von mir nicht mittels Megafon angekündigt. Diese Information haben die Betroffenen beim Versuch des Verlassens des Saals erhalten. Es waren jedenfalls wesentlich mehr als die erwähnten 10 Beamten anwesend. Bei einer Grobschätzung waren Minimum 50 oder 60 Beamte anwesend. Die I-Feststellungen erfolgten über meine Anordnung. Wenn ich zur Rechtsgrundlage der I-Feststellung gefragt werde, gebe ich an: Auf Grund der von mir schon geschilderten Umstände insbesondere der Besetzung des Audimax und der Nichtfolgeleistung der Aufforderung durch das Rektorat den Hörsaal zu räumen lag für mich eine massive Störung der öffentlichen Ordnung vor. Für mich war der Tatbestand des § 81 SPG als verwirklicht angesehen und wurden auf dieser Grundlage die I-Feststellungen vorgenommen. Danach gefragt, weshalb die I-Feststellungen nur über einen Ausgang vorgenommen wurden, erkläre ich das damit, dass dahinter taktische Überlegungen standen. Bei der Öffnung mehrerer Ausgänge gleichzeitig wäre es zu einem größeren Chaos gekommen. Wir wollten den Abstrom über einen Ausgang organisieren, weil uns dies geordneter erschien. Wenn ich nochmals zu meiner juristischen Einschätzung gefragt werde, weshalb ich vor Ort von einer Besetzung und nicht einer Versammlung ausgegangen bin, gebe ich an: Maßgeblich war für mich einerseits die von den Anwesenden getroffene Abstimmung, die zum Ergebnis hatte, dass das Audimax besetzt bleiben sollte. Es wurde auch wiederholt das Wort besetzt verwendet. Im Zusammenhang mit dem Versuch größere Mengen von Lebensmittel ins Gebäude zu bringen und auf Grund der von mir persönlich wahrgenommenen Schlafsäcke habe ich den Schluss gezogen, dass jedenfalls von einer länger andauernden Anwesenheit im Audimax auszugehen war. Ich hatte den Eindruck, dass der Hörsaal jedenfalls über Nacht besetzt bleiben soll. Aus diesen Erwägungen war ich der Ansicht, dass keine Versammlung mehr vorliegt sondern eine Besetzung im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes.

Anmerkung:

Die BF hat zwischenzeitig aus ihrem mitgebrachten Laptop die Dienstnummer des

Uniformierten Einsatzleiters mit 91..... bekannt gegeben.

Der Zeuge gibt über Befragen des Behördenvertreters an:

Dies ist nicht meine Dienstnummer. Wir wurden allerdings vor Ort mehrfach nach unseren Dienstnummern befragt und haben sowohl Herr Obstl. H. als auch ich unsere Dienstnummer bekannt gegeben die vor Ort durch Durchsagen allgemein bekannt wurden. Ich weiß nicht, ob ich damals von Teilnehmern befragt wurde, ob sie eine Strafe bekommen. Ich habe damals viele Gespräche geführt. Ich habe aber nie gesagt, dass es keine Strafe geben wird. Die I-Feststellungen haben ja zum Zwecke der Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren gedient. Die Beamten des LVT waren alle nicht in Uniform.

Der Zeuge gibt über Befragen der BF an:

Ich habe nicht wahrnehmen können, ob im Audimax Arbeitsgruppen stattgefunden haben. Wenn es solche gegeben hat, spricht das aber nicht für eine Versammlung. Wenn ich gefragt werde, wie viel Personen von mir mit Schlafsäcken wahrgenommen wurden, gebe ich an: Im Audimax habe ich glaublich niemanden mit einem Schlafsack gesehen. Am Gang davor waren jedenfalls zwei Personen mit Schlafsack und mit den Nebenräumen habe ich insgesamt schätzungsweise 5 bis 10 Personen mit Schlafsäcken angetroffen.

Der Zeuge gibt über Befragen des BfV an:

Ich war durchgängig im Bereich der Universität konkret im Bereich des Audimax anwesend und beschäftigt. Ich kann heute nicht mehr genau sagen, wann die von mir angesprochene Abstimmung über den Verbleib im Audimax stattgefunden hat. Ich glaub mich in diesem Zusammenhang erinnern zu können, dass es mehr als eine Abstimmung zu diesem Thema stattgefunden hat. Die Fragestellung war aber immer gleich und jedes Mal sind die Leute im Saal verblieben. Zwischen der Aufforderung des Rektorates und unserer Auflösung lagen schätzungsweise ein bis zwei Stunden. Ich war nicht durchgängig im Audimax persönlich anwesend. Wenn ich im Hörsaal anwesend war, hatte ich eher den Eindruck von mehreren Diskussionsgruppen. Es kann schon sein, dass noch jemand vom Podium herab gesprochen hat, meiner Meinung nach aber waren das keine Manifestationen. Meiner Einschätzung nach handelten die Gespräche mehr von organisatorischen und wie die Teilnehmer weiter vorgehen wollten. Das eigentliche Thema, die Einstellung eines Studiums habe ich nicht mehr so wahrgenommen. Wenn ich im Hörsaal war, konnte das so von mir gehört werden. Im Übrigen wurden die Gespräche von mir nicht belauscht und kann ich nur wiedergeben was ich im Vorbeigehen gehört habe.

Befragt vom Verhandlungsleiter gibt der Zeuge an:

Wenn mir das Bild auf Seite 2 des Berichtes vom 19.4.2012 gezeigt wird, gebe ich dazu an, dass dieses die Situation im Audimax wiederspiegelt. Zum Zeitpunkt der Verlesung der Verordnung habe ich am Podium niemanden wahrgenommen, weil ich nicht darauf geachtet habe. Ob noch ein Transparent dort angebracht war, kann ich nicht verlässlich sagen.

Der Zeuge gibt über Befragen des BfV an:

Ich kann nicht sagen, ob vom Podium herab mittels Mikrofon die Aufforderung an mich erging die Verlesung nochmals vorzunehmen. Ausschließen möchte ich das nicht, ich habe aber den Hörsaal unmittelbar nach Verlesung verlassen.

Der Zeuge gibt über Befragen des Behördenvertreters an:

Unmittelbar nach Betreten des Audimax durch den Demonstrationszug gab es aus dem Audimax Sprechchöre zu hören, die dann später aufgehört haben. Die Sprechchöre waren anfänglich bis auf die Straße zu hören. Im Gang selber, wo ich mich dann aufgehalten habe, wären die daher auch zu hören gewesen, es gab aber keine mehr. Zu Beginn der Versammlung im Audimax waren jedenfalls mehr Transparente angebracht als gegen Ende. Näher quantifizieren kann ich das nicht. Diese beiden Aspekte haben in unsere juristische Begleitung Eingang gefunden. Bis zu meiner Durchsage waren alle drei Tore zum Audimax geöffnet und auch nicht von Polizisten besetzt. Die Entscheidung, den Zugang zum Universitätsgebäude zu beschränken, hat das Rektorat getroffen. Konkret durften nur Einsatzkräfte und Universitätsmitarbeiter in das Gebäude. Hätten wir alle drei Ausgänge des Audimax für die I-Feststellungen offen gehalten, hätte die Gefahr bestanden, dass im Saal befindliche sich der I-Feststellung durch einen ?Ausbruchsversuch? entzogen hätten. Die I-Feststellungen sind von mir angeordnet worden, weil für mich der Tatbestand der Ordnungsstörung bereits vor Verlesung der Verordnung erfüllt war. Die I-Feststellungen haben mit der Auflösung der Besetzung rechtlich nichts zu tun gehabt. Die Ordnungsstörung hat sich insbesondere dadurch manifestiert, dass eine Prüfung im Audimax unterbrochen wurde und der Universitätsbetrieb im Gebäude eingestellt werden musste. Außerdem war für den nächsten Tag ebenfalls eine Prüfung im Gebäude anberaumt.

Der Zeuge gibt über Befragen des BfV an:

Die I-Feststellungen haben aus taktischen und vor allem faktischen Gründen nicht vorher stattgefunden. Es kann schon sein, dass vereinzelt Polizisten im Gebäude waren, die geschlossenen Einsatzkräfte befanden sich aber außerhalb.

Als Zeuge einvernommen gab Herr Obstl. H. nachstehendes zu Protokoll:

Der Zeuge gibt über Befragen des Verhandlungsleiters an:

Ich bin von meiner Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit entbunden. Ich bin seit 1991 Exekutivbeamter. Seit 2003 bin ich leitender Beamter. An diesem Tag war ich Einsatzkommandant vor Ort.

Ich war schon vor Ort anwesend als sich ein Demonstrationszug vom A. wegbewegte. Es wurden beispielsweise Transparente mitgeführt und Sprüche skandiert. Der Demonstrationszug bewegte sich vorbei an NIG, wo es einen kurzen Halt gab und ist letztlich im Universitätsgebäude geendet. Der Demonstrationszug wurde durch meine Einsatzkräfte nur bis zum Eingang der Universität begleitet. Wir haben gesehen, dass sich die Demonstranten in das Audimax begeben. Ich habe vorerst das Gebäude nicht betreten. Ich habe erstmals das Audimax betreten, als gerade ein Vertreter des Rektorats den Anwesenden ein Ultimatum gestellt hat, ich schätze es war gegen 19 Uhr. Ich habe mich auf das Ultimatum bzw. auf die Reaktion darauf konzentriert. Ich habe keine Transparente im Raum wahrgenommen und kann auch nicht sagen ob sich Personen am Podium befunden haben. Für mich war keine markante Bewegung im Raum erkennbar. Auf das Ultimatum wurde mit Pfiffe und dergleichen reagiert. Ich war nur einige Minuten im Raum und habe keine weiteren Reaktionen wahrgenommen. Ich würde die Anwesenden auf jeden Fall auf mehr als 100 schätzen. Das nächste Mal habe ich diesen Bereich erst um 21.50 Uhr gemeinsam mit meinen Einsatzkräften betreten. Zuvor gab es eine Einsatzbesprechung mit dem Behördenleiter. Es wurde uns mitgeteilt, dass es zu einer Auflösung der Besetzung kommen wird. Wir hatten zwei Aufträge. Wir sollten einerseits bei Bedarf die Besetzung faktisch auflösen. Andererseits sollten wir I-Feststellungen vornehmen, weil der Verdacht von Ordnungsstörungen bestand. Dies wurde mir schon vor der Kundmachung der Verordnung mitgeteilt. Bei der Kundmachung der Verordnung war ich nicht anwesend. Bei den I-Feststellungen war ich persönlich dabei. Wir haben zuerst mit 10 Beamten begonnen die I-Feststellungen vorzunehmen, später haben wir auf 15 bis 20 erhöht. Mit Verlesung der Verordnung haben wir die Eingänge besetzt und konnte man den Saal nicht mehr verlassen. Konkret lagen wohl einige Minuten dazwischen bis wir mit den I-Feststellungen begonnen haben. Die letzte I-Feststellung hat gegen 23 Uhr stattgefunden. Die Situation, wie sie sich am Foto auf Seite 2 des Berichts vom 19.4.2012 darstellt, habe ich nicht wahrgenommen.

Der Zeuge gibt über Befragen des Behördenvertreters an:

Meine Dienstnummer lautet 91...... Ich habe damals vor Ort mehrfach meine Dienstnummer

hergegeben. Die Dienstnummer wurde sogar seitens von Sympathisanten per Megafon verbreitet. Ich habe keine Erinnerung dass ich zu jemandem gesagt hätte, dass es keine Strafe wegen der Versammlung bzw. der Besetzung im Audimax geben würde. Dies fällt auch nicht in meine Zuständigkeit. Aus diesem Grund habe ich so eine Aussage noch nie bei einer solchen Veranstaltung getätigt. Ich habe mich wie schon beschrieben vor der Universität bzw. höchstens ein paar Schritte im Gang zum Audimax aufgehalten. Nach dem Ultimatum seitens des Rektorats habe ich keine Sprechchöre mehr aus dem Audimax gehört. Ich habe auch davor keine gehört. Ich habe vor dem Audimax höchstens vereinzelt Personen gesehen. Eine größere Gruppe wäre mir aufgefallen. Transparente habe ich im Gebäude keine wahrgenommen.?

Im Anschluss an die Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Am 19.4.2012 fand an der Universität ... (im Hauptgebäude) eine unangemeldete Versammlung

von (vorwiegend) Studenten statt, die sich insbesondere gegen die Einstellung einer Studienrichtung wendete. An dieser Demonstration nahm auch Frau J. teil. Diese Versammlung begann gegen 11.00 Uhr und wurde um 11.37 Uhr durch den Vertreter der Versammlungsbehörde (der BPD Wien), Herrn Mag. L., aufgelöst. Die Aktivisten wurde, da sie nicht bereit waren die Räumlichkeiten des Rektorats zu verlassen, von Exekutivbeamten auf den Gang hinaus getragen. Um 13.40 Uhr war die Räumung der Büroräumlichkeiten abgeschlossen. Die Aktivisten entfernten sich Richtung A. und kündigten für 14.30 Uhr weitere Aktionen an.

Gegen 15.30 Uhr bildete sich im A. ein Marschblock von rund 200 Personen, die Transparente

mitführten und Parolen skandierten. Dieser (nicht angezeigten) Versammlung gehörte auch

Frau J. an. Die Versammlungsteilnehmer bewegten sich in Richtung des Hauptgebäudes der

Universität ... und haben sich dort gegen 16.20 Uhr in das Audimax begeben. Zu diesem

Zeitpunkt fand in diesem Hörsaal ? es handelt sich (wie der Namen schon sagt) um den

größten der Universität ... ? eine Lehrveranstaltung statt, die durch die einströmenden

 

Demonstranten beendet wurde. Im Hörsaal wurden Transparente angebracht und wurden vom Podium aus Ansprachen gehalten. Es wurde skandiert, diskutiert und es wurden Arbeitsgruppen gebildet. Via Internet wurde mit diversen Medien und mit Internetusern kommuniziert. Die Universitätsleitung setzte ab 17.30 Uhr den hauseigenen Sicherheitsdienst zur Sperre des Gebäudes ein. Das Betreten des Gebäudes wurde dadurch unterbunden. Verlassen werden konnte das Gebäude jederzeit. Trotz der Zugangssperre versuchten einzelne Personen größere Mengen von Lebensmittel in das Gebäude einzuschleusen. Einige Versammlungsteilnehmer (nicht mehr als 10) hatten Schlafsäcke mit. Im Audimax und in den angrenzenden Räumen waren rund 150 bis 180 Demonstranten versammelt. Seitens des Rektorates wurden die Anwesenden aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Es wurde seitens der Universitätsleitung angekündigt, den Studienbetrieb für die nächsten Tage einzustellen. Die Versammlungsteilnehmer stimmten mehrmals darüber ab, ob sie das Gebäude verlassen oder darin verbleiben wollen. Die Mehrheit stimmte für den Verbleib. Das Skandieren hörte in weiterer Folge auf und die Transparente wurden teilweise wieder entfernt. Die Diskussionen und Gespräche in den Arbeitsgruppen wurden fortgesetzt. Frau J. war damit befasst, einen Protestbrief an den Rektor zu verfassen. Dazu hat sie den von ihr mitgeführten Laptop verwendet, über den auch mit der ?Außenwelt? kommuniziert wurde. Der vor Ort anwesende Vertreter der Sicherheitsbehörde, Herr Mag. L., gelangte vor Ort zur Ansicht, dass die Versammlung als solche bereits beendet war und stufte die Menschenansammlung als Besetzung im Sinne des § 37 Absatz 1 SPG ein. Seitens des Rektors wurde um Beendigung der Besetzung durch die Sicherheitsbehörde ersucht. Um 21.50 Uhr verlas Herr Mag. L. unter Verwendung eines Megafons im Hörsaal eine Verordnung der Bundespolizeidirektion Wien, mit welcher die Besetzung als aufgelöst erklärt wurde. Unmittelbar nach dieser Kundmachung wurden die Ausgänge von Exekutivbeamten besetzt und konnte der Hörsaal nur noch nach erfolgter Identitätsfeststellung verlassen werden. Frau J. musste sich legitimieren und konnte erst danach das Audimax gegen 22.30 Uhr verlassen. Die Identitätsfeststellung gründete auf § 35 VStG und erfolgte zum Zwecke einer Anzeigenlegung wegen einer Ordnungsstörung gemäß § 81 SPG. Gegen diese Identitätsfeststellung wendet sich die Beschwerde. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den von der LPD Wien vorgelegten Akten und insbesondere aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin und der Zeugen vor dem UVS, der bzw denen Glaubwürdigkeit zugesprochen wird und deren Aussagen als glaubhaft beurteilt werden.

Nach Artikel 12 Staatsgrundgesetz vom 21.12.1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger haben die österreichischen Staatsbürger das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt. Die nähere Ausgestaltung des Versammlungsrechts wurde vom einfachen Gesetzgeber im Versammlungsgesetz 1953 vorgenommen. Die einschlägigen Bestimmungen lauten:

?§ 1. Versammlungen sind nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes gestattet.

§ 6. Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen.

Versammlung zur Verhandlung öffentlicher Angelegenheiten auftreten.

§ 9. (1) An einer Versammlung dürfen keine Personen teilnehmen,

1. die ihre Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände verhüllen oder verbergen, um ihre Wiedererkennung im Zusammenhang mit der Versammlung zu verhindern oder

2. die Gegenstände mit sich führen, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Feststellung der Identität zu verhindern.

(2) Von der Festnahme einer Person gemäß § 35 Z 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 wegen eines Verstoßes gegen Abs. 1 ist abzusehen, wenn der gesetzmäßige Zustand durch Anwendung eines gelinderen Mittels hergestellt werden kann; § 81 Abs. 3 bis 6 des Sicherheitspolizeigesetzes gilt sinngemäß.

(3) Darüber hinaus kann von der Durchsetzung der Verbote nach Abs. 1 abgesehen werden, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit nicht zu besorgen ist.

§ 11. (1) Für die Wahrung des Gesetzes und für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Versammlung haben zunächst deren Leiter und Ordner Sorge zu tragen.

(2) Sie haben gesetzwidrigen Äußerungen oder Handlungen sofort entgegenzutreten. Wenn ihren Anordnungen keine Folge geleistet wird, ist die Versammlung durch deren Leiter aufzulösen.

§ 13. (1) Wenn eine Versammlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes veranstaltet wird, so ist sie von der Behörde (§§ 16 und 17) zu untersagen und nach Umständen aufzulösen.

(2) Desgleichen ist die Auflösung einer, wenngleich gesetzmäßig veranstalteten Versammlung vom Abgeordneten der Behörde oder, falls kein solcher entsendet wurde, von der Behörde zu verfügen, wenn sich in der Versammlung gesetzwidrige Vorgänge ereignen oder wenn sie einen die öffentliche Ordnung bedrohenden Charakter annimmt.

§ 14. (1) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, sind alle Anwesenden verpflichtet, den Versammlungsort sogleich zu verlassen und auseinanderzugehen.

(2) Im Falle des Ungehorsams kann die Auflösung durch Anwendung von Zwangsmitteln in Vollzug gesetzt werden.

§ 19. Übertretungen dieses Gesetzes sind, insofern darauf das allgemeine Strafgesetz keine Anwendung findet, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Amtsgebiet einer Bundespolizeibehörde aber von dieser Behörde, mit Arrest bis zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 720 Euro zu ahnden.?

Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist auch durch Artikel 11 EMRK gewährleistet:

?Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

(1) Alle Menschen haben das Recht, sich friedlich zu versammeln und sich frei mit anderen zusammenzuschließen, einschließlich des Rechts, zum Schutze ihrer Interessen Gewerkschaften zu bilden und diesen beizutreten.

(2) Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, die in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind. Dieser Artikel verbietet nicht, dass die Ausübung dieser Rechte durch Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei oder der Staatsverwaltung gesetzlichen Einschränkungen unterworfen wird.?

Nach § 35 Ziffer 1 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer den gesetzlich besonders geregelten Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene dem anhaltenden Organ unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist.

Gemäß § 81 Absatz 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 350 Euro zu bestrafen, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

Eine Tat ist nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist (§ 6 VStG).

Die Beschwerdeführerin vertritt die Ansicht, dass die an ihr vorgenommene Identitätsfeststellung rechtswidrig gewesen sei, weil die Menschenansammlung als Versammlung zu qualifizieren gewesen wäre und sie nach der Auflösung durch die Behörde den Hörsaal nicht mehr hätte verlassen können. Dieser Rechtsansicht lag die Annahme zugrunde, dass die Auflösung nach dem Versammlungsgesetz vorgenommen worden wäre. Nach der diesbezüglich unstrittigen Akten- und Beweislage erfolgte aber keine Versammlungsauflösung nach § 13 Absatz 1 Versammlungsgesetz und erfolgte die Identitätsfeststellung nicht zwecks Anzeigenlegung nach § 14 Absatz 1 iVm § 19 Versammlungsgesetz, sondern auf der Grundlage der polizeilichen Annahme einer Ordnungsstörung in Form einer Besetzung des Audimax. Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes nicht an Hand der theoretisch zutreffenden Rechtsgrundlage, sondern auf der Grundlage der von der Behörde konkret angewandten Rechtsgrundlage zu prüfen. Der UVS hat daher bei seiner Rechtskontrolle zu prüfen, ob die Sicherheitsbehörde in vertretbarere Weise vom Vorliegen des Verdachts einer Verwaltungsübertretung nach § 81 SPG ausgehen durfte und ob sie auf der Grundlage dieser Annahme berechtigt war, an Frau J. eine Identitätsfeststellung gemäß § 35 VStG vorzunehmen. Nach Ansicht des UVS Wien ist das Eindringen einer größeren Menschenmenge in einen von Studenten im Rahmen ihres Studiums genutzten Hörsaal (möglicherweise sogar während diese dort eine Prüfung ablegen ? so die (nicht überprüften) Ausführungen der LPD Wien) ein besonderes rücksichtslosen Verhalten, das die öffentliche Ordnung (die Universität ist von jedermann betretbar und ein öffentlicher Ort) ungerechtfertigt stört. Die objektive Tatseite des § 81 Absatz 1 SPG wäre daher als verwirklicht anzusehen; jedenfalls wäre es grundsätzlich eine vertretbare Rechtsansicht gewesen, dass Frau J. in Verdacht stand, eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Jemand der bei einer Verwaltungsübertretung von einem Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf frischer Tat betreten wird, hat seine Identität nachzuweisen. Anderenfalls könnte eine Festnahme ausgesprochen werden. Die vorstehenden Rechtsausführungen treffen aber nicht zu, wenn die Ordnungsstörung dadurch gerechtfertigt ist, dass sie im Zusammenhang mit einer Versammlung gesetzt wurde und zur Durchführung der Versammlung erforderlich war (vgl VfGH vom 6.10.2011, B 877/10, VfSlg 19528).

Die von der Behörde vorgenommene Identitätsfeststellung wäre daher nur dann rechtens gewesen, wenn die Behörde in vertretbarere Weise davon ausgehen durfte, dass die Ordnungsstörung nicht durch eine Versammlung verursacht wurde und für diese erforderlich war.

Im ersten Schritt hat der UVS daher zu klären, ob eine Versammlung vorlag und ob die Ordnungsstörung für diese Versammlung erforderlich war. Im zweiten Schritt ist zu beurteilen, ob dies für die Behörde erkennbar war.

Der Verfassungsgerichtshof hat sich wiederholt mit der Frage befasst, unter welchen Umständen ein Verhalten, das objektiv den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung verwirklicht, aber im Zuge einer Versammlung gesetzt wurde, strafbar ist bzw durch diese Versammlung im Sinne des § 6 VStG gerechtfertigt war. Diese ? sich im Laufe der Jahre leicht adaptierte ? Rechtsprechung des VfGH wird nachstehend (zusammenfassend) dargestellt.

Einer der ersten vom VfGH in diesem Rechtsfragenzusammenhang zu beurteilenden Sachverhalte betraf das Parken eine Kraftfahrzeuges in einer Fußgängerzone während einer Versammlung.

Der VfGH führt hierzu in seinem Erkenntnis vom 8.10.1988, B 281/88 (VfSlg 11866), aus:

?Unstrittig ist, daß der Bf. - ohne daß eine der in der Zusatztafel generell vorgesehenen Ausnahmen vorgelegen wäre und ohne eine besondere Ausnahmebewilligung (§ 45 StVO) zu besitzen - ein Kraftfahrzeug in einer Fußgängerzone parkte. Strittig ist, ob - wie dies der Bf. behauptet - das Parken straflos ist, weil es im Zusammenhang mit einer (Wähler-) Versammlung iS des VersG erfolgte. Wäre dies der Fall, würde das bedeuten, daß der Bf. zu Unrecht bestraft und damit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden wäre. Voraussetzungen für das Zutreffen der Behauptung des Bf. wären, daß überhaupt eine Versammlung iS des VersG stattfand und daß das - an sich verbotene - Parken in der Fußgängerzone dann, wenn es im Zusammenhang mit einer Versammlung erfolgt, straflos ist. (?)

Festzuhalten ist, daß auch das Verhängen einer Verwaltungsstrafe wegen der Veranstaltung einer Versammlung in das Recht auf Versammlungsfreiheit eingreift (vgl. VfGH 21.6.1988 B 74/88 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur). Mehrere Menschen, die zusammenkommen, genießen nur dann den verfassungsgesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit, wenn sie eine Versammlung iS der zitierten Verfassungsbestimmungen bilden. Nun definieren aber diese Vorschriften den Begriff der Versammlung nicht. Pkt. 3 des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung, StGBl. 3/1918 geht offenbar vom selben Inhalt des Begriffes der Versammlung aus wie Art 12 StGG vom 21. Dezember 1867. Dieser Artikel wieder geht offenkundig vom selben Begriffsverständnis aus wie das kurz zuvor erlassene Versammlungsgesetz vom 15. November 1867. Auch dieses Gesetz enthält keine Umschreibung des Versammlungsbegriffes. Nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 4586/1963, 5193/1966, 5195/1966, 5415/1966, 8685/1979, 9783/1983, 10443/1985 und 10608/1985) ist eine Zusammenkunft mehrerer Menschen nur dann als Versammlung iS des VersG zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, sodaß eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Eine Versammlung ist - maW ausgedrückt - das Zusammenkommen von Menschen (auch auf Straßen) zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere; keine Versammlung ist das bloß zufällige Zusammentreffen von Menschen (vgl. Frowein/Peukert, aaO, RZ 2 zu Art 11 MRK und die dort zitierte weitere Literatur). Die Beurteilung, ob eine Zusammenkunft eine Versammlung ist, hat sich am Zweck und an den Elementen der äußeren Erscheinungsformen (wozu die näheren Modalitäten, die Dauer und die Zahl der Teilnehmer der Veranstaltung gehören) zu orientieren. Bei Klärung dieser Frage kommt es auf das erkennbar geplante Geschehen an und nicht etwa darauf, ob die beabsichtigte Zusammenkunft vom Veranstalter bei der Behörde formal als "Versammlung" angezeigt wurde. (?)

Die StVO enthält zwar (ausgenommen im § 86) keine besonderen Bestimmungen für das Verhalten anläßlich von Versammlungen unter freiem Himmel. Im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit ist aber anzunehmen, daß ein Verhalten, das an sich dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, von der Rechtsordnung erlaubt und damit gemäß § 6 VStG 1950 dann gerechtfertigt sein kann, wenn es unbedingt notwendig ist, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen (vgl. Stolzlechner, Demonstrationsfreiheit und Straßenpolizeirecht, ZfV 1987, 389, insbesondere 394). Das geht allerdings nur so weit, als das tatsächliche Verhalten der erstatteten Anzeige über die beabsichtigte Abhaltung der Versammlung - die von der Versammlungsbehörde nicht untersagt wurde - entspricht. Käme die Versammlungsbehörde (allenfalls nach Klärung offener Fragen durch Rücksprache mit dem Veranstalter) zur Ansicht, daß die angezeigte Versammlung mit allen daraus erkennbaren Modalitäten dem § 6 VersG widerspricht, hätte sie die Versammlung zu untersagen. Unterläßt sie die Untersagung, so ist die Abhaltung der Versammlung auf die in der Anzeige angegebene Weise vom Gesetz erlaubt. Eine Versammlungsanzeige muß ausreichend präzisiert werden, um der Behörde einerseits die Beurteilung zu ermöglichen, ob ein Untersagungsgrund nach § 6 VersG vorliegt, und um andererseits zu gewährleisten, daß die Behörde die allenfalls erforderlichen Vorkehrungen (etwa Verkehrsumleitungen, Schutz vor Gegendemonstrationen) treffen kann. Sind die in einer Eingabe enthaltenen Angaben derart unbestimmt, daß ihnen solche Informationen schlechterdings nicht entnommen werden können, so ist die Eingabe nicht als mangelhafte, sondern überhaupt nicht als Versammlungsanzeige zu qualifizieren (vgl. hiezu die neuere Judikatur des VfGH - z.B. VfSlg. 10443/1985, 11132/1986, 10955/1986, 11081/1986, 11328/1987 -, wonach das Unterlassen einer Versammlungsanzeige allein noch nicht die Auflösung der Versammlung rechtfertigt). Enthält die Eingabe aber (bloß) mangelhafte, die einzelnen Umstände der beabsichtigten Versammlung nicht ausreichend konkretisierende Angaben, so ist die Versammlungsanzeige zurückzuweisen oder allenfalls die Versammlung zu untersagen (vgl. VfSlg. 9103/1981). Das Erfordernis der ausreichenden Konkretisierung gilt insbesondere dann, wenn die Versammlung auf eine Weise durchgeführt werden soll, die an sich rechtswidrig wäre und nur als unbedingt notwendige Begleiterscheinung einer Versammlung rechtmäßig würde. (?) Wenngleich die Annahme nahelag, bei der unter freiem Himmel abgehaltenen Versammlung würden auch stimmenverstärkende technische Mittel (etwa Megaphone) verwendet werden, so war es keineswegs selbstverständlich, daß eine für den Fahrzeugverkehr allgemein gesperrte Verkehrsfläche mit einem Kraftfahrzeug befahren werde. In der Anzeige fehlt jeglicher Hinweis auf ein solches Vorgehen; sie enthält daher auch keine näheren Angaben darüber, wann, wo, mit welchen und mit wie vielen Fahrzeugen die Fußgängerzone zu befahren beabsichtigt war. Diese Unvollständigkeit der Versammlungsanzeige hat jedoch der Versammlungsveranstalter zu vertreten, weil - wie dargetan eindeutig feststehen muß, welches Verhalten als notwendige Begleiterscheinung einer Versammlung gemäß § 6 VStG gerechtfertigt werden soll. Das - an sich strafbare - Abstellen des PKW in der Fußgängerzone war daher nicht deshalb nach § 6 VStG gerechtfertigt, weil es im Rahmen einer Versammlung stattfand.?

Der VfGH gelangte im Jahr 1988 zur Ansicht, dass das Abstellen einer Kraftfahrzeuges anlässlich einer Versammlung in einer Fußgängerzone strafbar ist, weil die Verwendung eines solchen ?Hilfsmittel? nicht in der Versammlungsanzeige angeführt war. Das Höchstgericht hat aber erkennen lassen, dass es die Durchführung einer Versammlung als Rechtfertigungsgrund im Sinne des § 6 VStG grundsätzlich in Betracht zieht. Diese Rechtsansicht bestätigte der VfGH in seinem Erkenntnis vom 29.11.1988, B 1471/88 (VfSlg 11904):

?Unstrittig ist, daß der Bf. ein Kraftfahrzeug auf dem Gehsteig geparkt hatte, ohne eine Ausnahmebewilligung nach § 45 StVO zu besitzen. Strittig ist, ob dieses Verhalten - wie der Bf. behauptet - straflos ist, weil es im Zusammenhang mit einer (Wähler-)Versammlung iS des Versammlungsgesetzes 1953 (VersG) geschah. Wäre dies der Fall, würde das bedeuten, daß der Bf. zu Unrecht bestraft und damit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt worden wäre (vgl. zB VfGH 21.6.1988 B 74/88 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur). (?)

Das Erfordernis der ausreichenden Konkretisierung gilt insbesondere dann, wenn bei einer Versammlung Vorgänge stattfinden sollen, die für sich genommen rechtswidrig und nur als unbedingt notwendige Begleiterscheinung einer Versammlung rechtmäßig sind (siehe zu all dem VfGH 8.10.1988 B 281/88). (?)Die Formulierung in der Anzeige, daß ein PKW mit Lautsprecheranlage verwendet werden würde, ist derart unbestimmt, daß die Behörde nicht davon ausgehen mußte, es werde ein Kraftfahrzeug auf eine der StVO widersprechende Weise abgestellt werden. In der Anzeige fehlt nämlich jeglicher Hinweis auf ein solches Vorgehen; sie enthält keine näheren Angaben darüber, wann, wo, welche und wieviele Fahrzeuge überhaupt eingesetzt und welche hievon auf einem Gehsteig abgestellt werden sollten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der Lautsprecherwagen gar nicht am angegebenen Versammlungsort (beim Aufgang von der S.-passage zur S.-gasse), sondern anderswo (U.-straße) geparkt wurde. Die Unvollständigkeit der Versammlungsanzeige hat der Versammlungsveranstalter zu vertreten, weil - wie dargetan eindeutig feststehen muß, welches Verhalten als notwendige Begleiterscheinung einer Versammlung gemäß § 6 VStG gerechtfertigt werden soll (vgl. auch hiezu VfGH 8.10.1988 B 281/88). Selbst wenn der Lautsprecherwagen im Zusammenhang mit einer Versammlung iS des VersG auf dem Gehsteig abgestellt worden sein sollte, war dieses Verhalten also nicht nach § 6 VStG gerechtfertigt.?

In seinem Erkenntnis vom 30.11.1995, B 2229/94 (VfSlg 14366) stellt der Gerichtshof klar, dass auch ?sogenannte Spontanversammlungen (etwa solche, deren fristgerechte Anzeige bei der Behörde unmöglich ist, ohne den Versammlungsgrund zu gefährden), als Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes zu qualifizieren sind?. Mit dem Erkenntnis B 262/95 ua (VfSlg 14367) vom selben Tag qualifizierte der VfGH die Nachtruhe zwischen zwei aktiven Versammlungsteilen als zusammenhänge Versammlung:

?Nach den - aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens - vom UVS getroffenen Sachverhaltsfeststellungen fand am 23. Juni 1993 ganztags eine - bei der Behörde nicht angezeigte - Blockade einer Straßenbaustelle statt. Das Ziel war, den Bau einer Umfahrungsstraße zu verhindern. Die Demonstranten blockierten die bereits im Gang befindlichen Bauarbeiten; sie zeigten Transparente, verteilten Flugblätter und führten Diskussionen. Es bedarf keiner weiteren Erörterung, daß dieses kollektive Verhalten als Versammlung i.S. des VersG zu qualifizieren war.In den Nachtstunden blieben nur 15 Demonstranten (darunter die Beschwerdeführer) zurück; sie hielten sich in einem von ihnen neben der Trasse auf Privatgrund errichteten Unterstand auf; andere Personen hatten die Möglichkeit hinzuzukommen. Die oben erwähnte Baustellenblockade sollte am nächsten Tag fortgesetzt werden. Der UVS gelangte aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhaltes in den angefochtenen Bescheiden zu folgender rechtlicher Qualifikation der Zusammenkunft:

?Vor dem Hintergrund des festgestellten Sachverhaltes ist hier das Vorliegen einer Versammlung im Sinne des § 2 Abs 1 Versammlungsgesetz 1953 - unabhängig davon, ob diese Zusammenkunft nach der Beurteilung des Beschwerdeführers auf Privatgrund stattgefunden haben soll - zu bejahen. (?) Aus diesem Grund wurde auch der Kontakt mit den Medien aufrechterhalten. Dieser offensichtlich vorherrschende Zweck der Zusammenkunft kommt auch in den aufgestellten Transparenten sowie den aufliegenden Flugblättern zum Ausdruck. Der manifestative Charakter der Versammlung bestand auch noch unmittelbar vor deren Auflösung, da im Unterstand Übereinstimmung der Teilnehmer darüber herrschte, daß auch am nächsten Tag die Bauarbeiten verhindert werden sollten. Es lag somit keineswegs eine nur 'private Zusammenkunft' vor.? Mit dieser Ansicht ist der UVS im Ergebnis im Recht: Die Zusammenkunft während der Nachtstunden stand mit der unter Tags stattgefundenen Baustellen-Blockade, die nach ihrem Erscheinungsbild zweifelsfrei als Versammlung i.S. des VersG anzusehen war und die am nächsten Tag fortgesetzt werden sollte, in derart engem zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhang, daß all diese Aktivitäten als einheitliche Veranstaltung aufzufassen und sohin insgesamt als Versammlung zu werten waren. Für diese Beurteilung sind die Eigentumsverhältnisse und die Zweckwidmung des Versammlungsortes unerheblich.?

Im Erkenntnis vom 19.6.2008, B 1011/07 (VfSlg 18483), war der Gerichtshof mit dem Fall einer Fußgängerin befasst, die im Rahmen einer nicht angezeigten Versammlung die Autobahn benutzte:

?Im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit ist davon auszugehen, dass ein Verhalten, das an sich dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, von der Rechtsordnung erlaubt und damit gemäß § 6 VStG dann gerechtfertigt sein kann, wenn es unbedingt notwendig ist, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen (vgl. dazu insbesondere VfSlg. 11.866/1988 und 11.904/1988). Der UVS geht davon aus, dass sich die Benützung der Autobahn durch die Beschwerdeführerin schon deshalb als nicht gerechtfertigt iSd § 6 VStG erweise, weil die Versammlung - entgegen § 2 Abs 1 VersG - überhaupt nicht angezeigt worden sei. Die belangte Behörde geht jedoch fehl, wenn sie allein aufgrund des Umstandes, dass die Versammlung nicht ordnungsgemäß angezeigt wu

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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