TE AsylGH Erkenntnis 2013/05/07 D15 417719-3/2013

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Veröffentlicht am 07.05.2013
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Spruch

D15 417719-3/2013/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Riepl als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.04.2013, FZ. 12 10.937-EASt Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

I.1. Die minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe, reiste am 08.11.2010 gemeinsam mit ihrer Mutter XXXX (Zl. D15 417718-3/2013), ihrer Großmutter) und ihren beiden Brüdern (Zlen. D15 417721-3/2013, D15 417722-3/2013 und D15 417720-3/2013) in das Bundesgebiet ein - ihr Vater XXXX (Zl. D15 414994-2/2011) hielt sich bereits seit 27.12.2009 als Asylwerber in Österreich auf - und stellte (vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin) am selben Tag bei der Grenzkontrollstelle des Flughafens Wien-Schwechat den ersten Antrag auf internationalen Schutz. Hiezu wurde ihre Mutter am 10.11.2010 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 16.11.2010 sowie am 16.12.2010 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische bzw. tschetschenische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen. Diese machte im Wesentlichen geltend, dass sie für ihre Kinder keine Geburtsurkunden vorlegen könne, da sie diese im Flugzeug zerrissen habe, weil ihr erklärt worden wäre, die Behörden würden sie sofort heimschicken, wenn sie die Urkunden sehen würden. Ihre Kinder seien gesund und hätten keine eigenen Fluchtgründe.

 

Zu den Fluchtgründen hatte die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin - verkürzt wiedergegeben - angegeben, dass sie ihre Heimat wegen der Probleme ihres "Ehemannes" verlassen habe. Dieser habe im letzten Krieg 1999 den Widerstandskämpfern geholfen. Im März 2008 seien Männer der Kadyrow-Garde zu ihrem Haus in Inguschetien, in dem sie seit 2003 zusammen mit ihrem "Ehemann" und ihrer "Schwiegermutter" gewohnt habe, gekommen und hätten versucht, ihren "Mann" festzunehmen. Da sich jedoch ihr "Mann" gewehrt habe und ihre "Schwiegermutter" durch ihre Schreie die Nachbarn herbeigeholt habe, sei ihr "Mann" an diesem Tag doch nicht mitgenommen worden. Man hätte ihrem "Mann" jedoch in den Fuß geschossen und es sei ein weiterer Besuch der Männer angedroht worden. Rund einen Monat nach diesem Vorfall sei die Familie nach XXXX in Aserbaidschan geflüchtet. Ihr "Mann" sei bereits im Dezember 2009 alleine nach Österreich gelangt.

 

Mit Bescheid vom 04.01.2011, Zl. 10 10.445-BAT, wies das Bundesasylamt den Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) als auch bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. ab (Spruchpunkt II) und wies die minderjährige Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 leg. cit. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III).

 

Gegen diesen Bescheid erhob die minderjährige Beschwerdeführerin vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin am 19.01.2011 fristgerecht eine Beschwerde, mit welcher der Bescheid in seinem vollen Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten und im Wesentlichen lediglich ausgeführt wurde, dass sie, da sie nicht in der Lage sei, die Beschwerde bzw. Anträge selbst zu begründen und näher auszuführen, die Beigabe eines Rechtsberaters beantrage.

 

Mit Bescheid vom 31.01.2011, Zl. 10 10.445-BAT, gab das Bundesasylamt dem Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin statt und bestelle gemäß § 66 Abs. 2 AsylG 2005 für die minderjährige Beschwerdeführerin einen Rechtsberater.

 

Mit Erkenntnis vom 02.05.2011, Zl. D14 417719-1/2011/2E, wies der Asylgerichtshof die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.01.2011 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als unbegründet ab. Im Wesentlichen wurde dies mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens der Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin begründet. Aus den Länderfeststellungen würde sich im Übrigen keine allgemeine Gefährdung der minderjährigen Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat ergeben

 

Dieses Erkenntnis wurde am 06.05.2011 rechtswirksam zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.

 

Festgehalten sei an dieser Stelle, dass der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der vom Vater und der Großmutter der minderjährigen Beschwerdeführerin erhobenen Beschwerden gegen deren ablehnende Erkenntnisse des Asylgerichtshofes vom 02.05.2011, Zlen. D14 414994-1/2010/3E und D14 417721-1/2011/2E, mit Beschluss vom 29.06.2011, Zl. U 1328, 1329/11-3, abgelehnt hat.

 

II.2. Am 24.06.2011 stellte die minderjährige Beschwerdeführerin vertreten durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Hiezu wurde ihre Mutter am 27.06.2011 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 07.07.2011 sowie am 14.07.2011 vom Bundesasylamt im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die tschetschenische Sprache vor dem zur Entscheidung berufenen Organwalter niederschriftlich einvernommen. Diese machte nach dem Grund für die neuerliche Antragstellung befragt im Wesentlichen geltend, dass ihr "Ehemann" in Tschetschenien nach wie vor gesucht werde. Ihr "Ehemann" habe vor circa zwei Monaten mit einem Freund telefoniert, welcher ihm mitgeteilt habe, dass ihr "Ehemann" noch immer von der Polizei gesucht werde. Zudem habe ihr "Ehemann" eine Ladung zur Einvernahme in Tschetschenien erhalten. Im Übrigen hielten die Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin ihr Vorbringen aus dem ersten Asylverfahren aufrecht und wiesen erneut darauf hin, dass ihre Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten.

 

Mit Bescheid vom 28.07.2011, Zl. 11 06.258-EASt West, wies das Bundesasylamt den zweiten Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.) und wies die minderjährige Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt II.). Begründend führte es darin aus, dass sich die gesetzliche Vertretung der minderjährigen Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren auf dieselben Ausreisegründe bezogen habe, welche sie bereits im Zuge des ersten Asylverfahrens angegeben habe. Damit decke sich das Parteibegehren der minderjährigen Beschwerdeführerin im zweiten Antrag mit jenem im ersten Verfahren. Da die gesetzliche Vertretung der minderjährigen Beschwerdeführerin ihr Vorbringen im gegenständlichen Asylverfahren auf ein bereits rechtskräftig als unglaubwürdig qualifiziertes Vorbringen stütze bzw. ihr gegenwärtiges Vorbringen auf ein solches aufbaue, könne kein neuer Sachverhalt vorliegen. Zudem habe die gesetzliche Vertretung der minderjährigen Beschwerdeführerin angegeben, alle Fluchtgründe bereits im Erstverfahren vorgebracht zu haben; es gebe keine neuen Fluchtgründe. Die gesetzliche Vertretung der minderjährigen Beschwerdeführerin habe somit zur Begründung ihres zweiten Asylantrages ausschließlich Umstände geltend gemacht, die schon vor Eintritt der Rechtskraft des Erstverfahrens bestanden hätten. Da weder in der maßgeblichen Sachlage noch im Begehren oder den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten sei, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen lasse, stehe die Rechtskraft des ergangenen Erkenntnisses des Asylgerichtshofes vom 02.05.2011 dem neuerlichen Antrag entgegen. Die Ausweisung der minderjährigen Beschwerdeführerin stelle zudem keinen ungerechtfertigten Eingriff in deren Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK dar und sei die Ausweisung der minderjährigen Beschwerdeführerin im Hinblick auf Art. 8 EMRK notwendig und geboten gewesen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die minderjährige Beschwerdeführerin am 02.08.2011 fristgerecht Beschwerde, mit welcher sie den Bescheid in seinem vollen Umfang anfocht und neuerlich auf die Fluchtgründe ihrer Eltern bzw. ihres Vaters verwies.

 

Mit Beschluss vom 09.08.2011, Zl. D15 417719-2/2011/2Z, erkannte der Asylgerichtshof der Beschwerde gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 die aufschiebende Wirkung zu, im Wesentlichen deshalb, weil die Mutter zu diesem Zeitpunkt hochschwanger war, daher eine Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Außerlandesschaffung zu diesem Zeitpunkt nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen war.

 

Der Asylgerichtshof wies mit Erkenntnis vom 01.02.2012, Zl. D15 417719-2/2011/3E, die Beschwerde vom 02.08.2011 gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 als unbegründet ab.

 

Das Erkenntnis vom 01.02.2012 wurde am 06.02.2012 rechtswirksam zugestellt und erwuchs damit in Rechtskraft.

 

I.3. Den nunmehr verfahrensgegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz stellte die gesetzliche Vertreterin für die minderjährige Beschwerdeführerin am 20.08.2012.

 

I.3.1. In ihren Einvernahmen vor der belangten Behörde erklärten die Eltern, dass die in den vorangegangenen Asylverfahren dargelegten Fluchtgründe noch immer aufrecht seien. Zum Beweis hiefür wurde eine Ladung des Vaters vor die tschetschenischen Behörden in Vorlage gebracht. Die Mutter erklärte betreffend die minderjährige Beschwerdeführerin, dass diese gesund sei und keine eigenen Fluchtgründe habe. Der Antrag der minderjährigen Beschwerdeführerin liege ebenso wie jener der Mutter in der Verfolgung des Vaters im Herkunftsstaat begründet.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 08.04.2013, Zl. 12 10.936-EASt Ost, wurde der (dritte) Antrag auf internationalen Schutz der minderjährigen Beschwerdeführerin gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und die minderjährige Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid wurde am 18.04.2013 durch die Mutter fristgerecht Beschwerde erhoben und dieser wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften, dem Abgehen vom Akteninhalt, dem Ignorieren des Parteienvorbringens sowie wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung angefochten.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

I.1. Gemäß § 73 Abs. 1 Asylgesetz 2005 idgF ist das AsylG 2005 am 01.01.2006 in Kraft getreten; es ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren.

 

Gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, idgF, iVm. § 61 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Durch Einzelrichter/Einzelrichterin entscheidet der Asylgerichtshof gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 AsylG 2005 ausnahmslos über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide

 

wegen Drittstaatssicherheit gem. § 4 leg. cit.;

 

wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gem. § 5 leg. cit. sowie

 

wegen entschiedener Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG.

 

Der Asylgerichtshof entscheidet weiters durch Einzelrichter über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 41a AsylG 2005.

 

Eine mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung fällt gemäß § 61 Abs. 3 Z 2 leg. cit. ebenfalls in die Kompetenz des/der zuständigen Einzelrichters/ Einzelrichterin.

 

Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren gegen einen zurückweisenden Bescheid wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG. Daher ist das Verfahren des minderjährigen Beschwerdeführers nach den Bestimmungen des AsylG 2005 durch die zuständige Richterin des Asylgerichtshofes als Einzelrichterin zu führen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG idF BGBl. I Nr. 147/2008 sind - soweit sich aus dem AsylG 2005 nichts anderes ergibt - auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.2. Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

 

II.2.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2-4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Gemäß § 75 Abs. 4 AsylG 2005 begründen auch ab- oder zurückweisende Bescheide aufgrund des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach dem AsylG 2005 den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

Verschiedene "Sachen" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegen vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren (abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) abweicht (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze2 E. 80 zu § 68 AVG sowie VwGH v. 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und ist in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten, so steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides dem neuerlichen Antrag entgegen (vgl. VwGH v. 24.02.2000, Zl. 99/20/0173).

 

Es kann jedoch nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen nach § 28 AsylG - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zusetzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vorn herein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH v. 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315; VwGH v. 19.07.2001, Zl. 99/20/0418).

 

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme (wegen nova reperta), nicht jedoch bedeuten sie eine Änderung der Sachlage i. S.d. § 68 Abs. 1 AVG (vgl. Hauer-Leukauf, "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", 5. Auflage, 617). Eine neue Sachentscheidung ist demnach nicht nur bei identem Begehren aufgrund desselben Sachverhalts, sondern wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismittel, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH v. 26.02.2004, Zl. 2004/07/0014; VwGH v. 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235; VwGH v. 15.10.1999, Zl. 96/21/0097). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben nochmals zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH v. 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Nur eine solche Änderung des Sachverhalts kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vorn herein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913 und die in Walter / Thienel, "Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze", Band I, 2. Auflage, 1998, E 9 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (vgl. VwGH v. 29.09.2005, Zl. 2005/20/0365; VwGH v. 22.11.2005, Zl. 2005/01/0626; VwGH v. 16.02.2006, Zl. 2006/19/0380; VwGH v. 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556).

 

Für die Berufungsbehörde ist Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung mit Recht den neuerlichen Antrag gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhalts darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von den Parteien erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu hervorgebracht werden (vgl. VwGH v. 27.06.2001, Zl. 98/18/0297; VwGH

v. 28.10.2003, Zl. 2001/11/0224).

 

Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd. § 66 Abs. 4 AVG iVm. § 23 Abs. 1 AsylGHG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

II.2.2. Die durch ihre Mutter vertretene minderjährige Beschwerdeführerin hat sich im gegenständlichen (dritten) Verfahren neuerlich ausschließlich auf die Gründe ihrer Eltern bezogen. Die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerin hat im gegenständlichen Verfahren über den dritten Asylantrag eindeutig eingeräumt, dass sich an ihren Fluchtgründen seit der ersten Asylantragstellung nichts Maßgebliches geändert habe. Sie hat ausdrücklich angegeben, dass sie ihre in ihrem ersten Asylantrag gemachten Fluchtgründe vollinhaltlich aufrecht erhalte. Hinsichtlich der von den Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin im gegenständlichen dritten Asylverfahren nunmehr geltend gemachten nach wie vor bestehenden Verfolgungsgefahr des Vaters sowie der in Vorlage gebrachten Ladung einer tschetschenischen Behörde, wurde von der erkennenden Einzelrichterin in den Erkenntnissen betreffend die Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin vom heutigen Tag, Zlen. D15 414994-3/2013/2E und D15 417718-3/2013/2E, ausführlich dargelegt, dass deren Vorbringen bereits im Zuge ihrer ersten Asylverfahren als nicht glaubhaft beurteilt wurde und es den Eltern auch in einem zweiten Asylverfahren nicht gelungen ist, ein glaubhaftes Vorbringen darzulegen. Die entsprechenden Erwägungen im Erkenntnis des Vaters - die mangels eigener Gründe auch für die minderjährige Beschwerdeführerin gelten - werden im Folgenden wiedergegeben:

 

"II.2.2. Im Rahmen des ersten Verfahrens wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen (behaupteten) Fluchtgründen im Hinblick auf deren Wahrheits- bzw. Glaubhaftigkeitsgehalt untersucht und letztlich als unglaubwürdig beurteilt. In einem zweiten Verfahren wurde dieses Ergebnis bestätigt.

 

Soweit der Beschwerdeführer sich im gegenständlichen Verfahren neuerlich auf dieses Vorbringen bezieht und er - wie bereits im zweiten Verfahren - eine Ladung vorlegt, ist ihm entgegenzuhalten, dass sein Vorbringen bereits im Zuge seines ersten Asylverfahrens als nicht glaubhaft beurteilt wurde und es dem Beschwerdeführer auch in einem zweiten Asylverfahren nicht gelungen ist, glaubhafte Gründe für eine Verfolgung im Herkunftsstaat darzulegen.

 

Angesichts des dargestellten Verfahrensganges geht die erkennende Einzelrichterin in Übereinstimmung mit dem Bundesasylamt davon aus, dass der Beschwerdeführer kein neues asylrelevantes Vorbringen erstattet hat. Der Beschwerdeführer stützt seinen neuen Antrag ausschließlich auf jene Gründe, die bereits im rechtskräftigen Erkenntnis vom 02.05.2011 als unglaubwürdig bewertet wurden, wobei dieses Ergebnis in einem weiteren rechtskräftigen Erkenntnis vom 01.02.2012 bestätigt wurde. Insbesondere wurde darin ausführlich dargelegt, dass die damals vorgelegte Ladung in keiner Weise geeignet war, das Vorbringen des Beschwerdeführers in ein glaubwürdiges Licht zu rücken. Der Beschwerdeführer erklärt im gegenständlichen Verfahren weiterhin, wie auch in den vorangegangenen Rechtsgängen, dass er von den Behörden Kadyrows verfolgt werde und legt wiederum eine Ladung vor. Somit liegt - wie das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid richtig ausgeführt hat - hinsichtlich dieses bereits in den vorangegangenen Asylverfahren getätigten Vorbringens, auf das der Beschwerdeführer seinen Antrag auf internationalen Schutz stützt, eine entschiedene Sache iSd. § 68 Abs. 1 AVG vor, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

 

Die vorgelegte Ladung stellt neben dem relevierten beeinträchtigten Gesundheitszustand das einzige Vorbringen zur Begründung des gegenständlichen Antrages dar. Auch die Lebensgefährtin und die Mutter des Beschwerdeführers haben ihre neuerlich gestellten Anträge mit der vorgelegten Ladung betreffend den Beschwerdeführer begründet. Diese Ladung soll als Beweis dafür dienen, dass das im ersten Verfahren dargelegte und in einem zweiten Verfahren ergänzte Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Verfolgung im Herkunftsstaat den Tatsachen entspricht.

 

Im zuletzt ergangenen Erkenntnis vom 01.02.2012 wurde die damals vorgelegte Ladung umfassend gewürdigt und insbesondere dargelegt, weshalb diese - bzw. eine Ladung in der gegenständlichen Konstellation im Allgemeinen - nicht geeignet ist, zur Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers beizutragen. In diesem Zusammenhang wird auf die entsprechenden beweiswürdigenden Überlegungen im Erkenntnis vom 01.02.2012 verwiesen, die im Verfahrensgang vollständig wiedergegeben wurden.

 

Auffallend an der gegenständlich vorgelegten Ladung ist, dass es sich um einen kopierten Vordruck handelt, der nicht vollständig ausgefüllt worden ist. Aus der Ladung geht weder hervor, wer der zuständige Ermittler ist, noch geht daraus hervor, aus welchem Grund der Beschwerdeführer vorgeladen worden sein soll. Auch ist die vorgelegte Ladung nicht einmal mit einem Briefkopf der ausstellenden Behörde versehen und befindet sich auf dieser Ladung als einziges Merkmal, dass es sich hiebei um ein behördliches Schreiben handelt, ein kaum leserliches Rundsiegel. Bei der Ladung handelt es sich im Übrigen um einen Vordruck, wie er auch im Internet herunterzuladen ist. An der Ladung bestehen sohin aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes berechtigte Zweifel an der Echtheit bzw. Richtigkeit.

 

Der Beschwerdeführer hat zur vorgelegten Ladung auch keine zielführenden Angaben tätigen können. Er meinte lediglich, dass sich diese auf seinen ursprünglichen Fluchtgrund beziehe. Dieser wurde aber im Zuge von zwei Asylverfahren als vollkommen unglaubwürdig beurteilt. Auf Nachfrage nach dem Inhalt der Ladung erklärte er, dass er gesucht werde und der Ladung Folge leisten müsse. Die Ladung wurde bereits im Zuge der Einvernahme am 15.10.2012 durch den Dolmetscher übersetzt und ist aus dieser insbesondere nicht herauslesbar, in welcher Angelegenheit der Beschwerdeführer geladen worden sei. Dementsprechend ist aus der Ladung auch nicht - wie vom Beschwerdeführer behauptet - ableitbar, dass er gesucht werde.

 

Der Beschwerdeführer erklärte im Zuge seines ersten Folgeantrages, dass er ständig geladen werde. Damals habe er lediglich eine Ladung für den XXXX vorlegen können. Die nunmehr vorgelegte Ladung ist für den XXXXterminisiert. Im Lichte der noch im zweiten Verfahren erwähnten ständigen Ladungen des Beschwerdeführers ist bereits in keiner Weise nachvollziehbar, dass im Zeitraum von einem Jahr lediglich eine weitere Ladung aus dem Herkunftsstaat übermittelt werden habe können, wobei der Umstand, dass der Beschwerdeführer über einen weiteren Zeitraum von einem Jahre weiterhin geladen worden sein soll vollkommen unplausibel ist, weshalb ein derartiges Vorgehen der Behörden im Herkunftsstaat vollkommen lebensfremd erscheint. Im Zusammenhang mit den von ihm in seinen Asylverfahren geschilderten Umständen ist auszuschließen, dass über Jahre hindurch behördliche Ladungen an den Beschwerdeführer übermittelt worden sein sollen oder nach wie vor übermittelt werden sollen: Der Beschwerdeführer will Tschetschenien im Jahr 1999 verlassen haben und soll nicht mehr dorthin zurückgekehrt sein. In Inguschetien soll er im Jahr 2008 von den Kadyrowzy gefunden und auf ihn geschossen worden sein. Warum im Jahr 2011 und im Jahr 2012 - also zwölf bzw. dreizehn Jahre nach der Ausreise aus Tschetschenien - Ladungen an ehemalige Nachbarn des Beschwerdeführers ausgefolgt worden sein sollen, wo die Kadyrowzy laut Vorbringen des Beschwerdeführers doch bereits seit dem Jahr 2008 wissen, dass sich der Beschwerdeführer in Inguschetien und nicht in Tschetschenien aufhält, entbehrt jeglicher Logik. Die Rechtfertigung auf diesen Vorhalt, wonach der Beschwerdeführer es selbst nicht verstehe bzw. sein Erklärungsversuch, wonach er in Inguschetien keine Adresse gehabt habe, zielen völlig ins Leere, zumal die Kadyrowzy seit Beginn des Jahres 2008 vom Aufenthalt des Beschwerdeführers in Inguschetien wissen sollen. Der Beschwerdeführer will sich infolge der versuchten Festnahme mehr als ein halbes Jahr weiterhin an derselben Adresse in Inguschetien aufgehalten haben und soll nicht mehr von den Kadyrowzy belangt worden sein. Da bereits nicht nachvollziehbar ist, dass nach dem Beschwerdeführer jahrelang durch Kadyrows Leute gesucht worden sein soll und nach dessen Auffinden die anwesenden Frauen seine Festnahme verhindern hätten können und in der Folge kein weiterer Festnahmeversuch durch die Kadyrowzy erfolgt sein soll, so stellt es sich als vollkommen lebensfremd dar, dass in der Folge von den (pro)russischen Behörden begonnen worden sein soll, Ladungen an seine Adresse in Tschetschenien zu schicken. Gänzlich unplausibel wird das Vorbringen des Beschwerdeführers nach Dafürhalten der erkennenden Einzelrichterin schließlich, wenn er am 14.07.2011 vor der belangten Behörde erklärt, dass sein Haus im Jahr 1999 vor der Ausreise nach Inguschetien zerstört worden sei. Auch am 15.10.2012 erklärte er, dass sein Haus zerstört worden sei. Dies lässt sein Vorbringen, wonach an die Adresse seines zerstörten Hauses trotz Wissens der Leute Kadyrows über seinen Aufenthalt in Inguschetien, mehr als ein Jahrzehnt nach der Ausreise aus Tschetschenien, nach wie vor mehrmals Ladungen zugestellt worden sein sollen, vollkommen abwegig erscheinen. In diesem Zusammenhang ist auch nicht nachvollziehbar, dass persönliche Ladungen über einen längeren Zeitraum einfach den Nachbarn ausgefolgt worden sein sollen.

 

Im Ergebnis vermochte der Beschwerdeführer im Rahmen der geführten Verfahren nicht ansatzweise nachvollziehbar vorzubringen, warum er seit seiner Ausreise aus dem Heimatland vor nunmehr dreizehn Jahren, nach wie vor für die Behörden seines Heimatlandes von derart großem Interesse sein soll.

 

Für den Asylgerichtshof ergibt sich jedenfalls aus der vorgelegten Ladung für Juni 2012, deren näherer Grund vom Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar erklärt werden konnte, jedenfalls kein Anhaltspunkt, dass dem Beschwerdeführer einzig daraus relevante Verfolgung droht, vielmehr erscheinen die nunmehrigen Behauptungen zu seiner Verfolgung völlig ungereimt mit seinem bisherigen Vorbringen und Verhalten.

 

Das Gesamtvorbringen stellt sich demnach erneut als unglaubwürdig und ungeeignet dar. Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen asylrelevanten Sachverhaltes ist demnach nicht fassbar. Die vorgelegte Ladung war aus den dargelegten Gründen in keiner Weise geeignet, das bereits im rechtskräftigen ersten Asylverfahren als vollkommen unglaubwürdig bewertete Vorbringen des Beschwerdeführers zu stützen, wobei dieses Ergebnis in einem zweiten rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren seine Bestätigung gefunden hat. Auch in der Beschwerde finden sich im Zusammenhang mit der Ladung überhaupt keine Ausführungen, sondern wird lediglich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers releviert.

 

Obzwar in den beweiswürdigenden Überlegungen im angefochtenen Bescheid explizite Überlegungen zur weiteren vorgelegten Ladung nicht enthalten sind, hat das Bundesasylamt diese Ladung zweifelsfrei in seine Ermittlungen und in seine Entscheidung miteinbezogen. Die Ladung wurde in der Einvernahme am 15.10.2012 vom anwesenden Dolmetscher übersetzt und der Beschwerdeführer zu dieser entsprechend befragt. In einer Zusammenschau bzw. unter Hinweis auf die zwei rechtskräftig abgeschlossenen vorangegangenen Asylverfahren, wobei im letzten Asylverfahren bereits ausführlich der Umstand der Vorlage einer Ladung vor die tschetschenischen Behörden gewürdigt worden ist, ist das Bundesasylamt zum Ergebnis gekommen, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren nicht geeignet war, dass rechtskräftig entschiedene Verfahren einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen."

 

Das Gesamtvorbringen der Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin stellt sich demnach erneut als völlig unglaubwürdig dar. Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen asylrelevanten Sachverhaltes ist für die erkennende Einzelrichterin demnach nicht fassbar.

 

Der Asylgerichtshof sieht sohin keinerlei Grund, von der Einschätzung im vorangegangenen - rechtskräftig beendeten - Asylverfahren abzuweichen, wonach es den Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin keinesfalls gelungen ist, eine asylrelevante Verfolgung in der Russischen Föderation glaubwürdig darzulegen. Mangels eigener Fluchtgründe hat dies auch für die minderjährige Beschwerdeführerin zu gelten.

 

Für den gegenständlichen Fall ergibt sich sohin, dass sich das lediglich auf den Vater bezogene Vorbringen der minderjährigen Beschwerdeführerin zu deren (dritten) Asylantrag gegenüber den vorangegangenen Asylverfahren nicht geändert hat. Somit liegt nach den oben dargelegten Maßstäben keine maßgebliche Sachverhaltsänderung vor (vgl. zum glaubhaften Kern VwGH 29.9.2005, Zl. 2005/20/0365; VwGH 22.11.2005, Zl. 2005/01/0626; VwGH 16.2.2006, Zl. 2006/19/0380; u.a.).

 

Auch im Hinblick auf Art. 3 EMRK ist nicht erkennbar, dass die Rückführung der minderjährigen Beschwerdeführerin in die Russische Föderation zu einem unzulässigen Eingriff führen würde und sie bei einer Rückkehr in eine Situation geraten würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte oder ihr jedwede Lebensgrundlage fehlen würde. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung der minderjährigen Beschwerdeführerin wurde nicht vorgebracht und hat sich eine solche auch aus dem gesamten Akteninhalt nicht ergeben.

 

Darüber hinaus wird die minderjährige Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihren Eltern, ihren Geschwistern und ihrer Großmutter in die Russische Föderation zurückkehren, weswegen ihre Versorgung in der Heimat gesichert sein wird.

 

Es sind im gegenständlichen Asylverfahren jedenfalls keine Umstände hervorgekommen, welche den Schluss zuließen, die minderjährige Beschwerdeführerin werde bei einer Abschiebung in eine "unmenschliche Lage" versetzt, und finden sich auch in der Beschwerde hiezu keine Anhaltspunkte. Die minderjährige Beschwerdeführerin konnte in keiner Weise darlegen, dass sich an ihrer Situation bei einer allfälligen Rückkehr in die Russische Föderation seit rechtskräftigem Abschluss der vorangegangenen Asylverfahren so Maßgebliches geändert haben sollte, dass eine anderslautende Entscheidung geboten wäre.

 

Letztendlich ergibt sich aus der Länderdokumentation des Bundesasylamtes zur Russischen Föderation respektive Tschetschenien auch, dass kein Grund besteht, davon auszugehen, dass jeder zurückgekehrte Staatsbürger der Russischen Föderation einer reellen Gefahr einer Gefährdung gem. Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sodass nicht von einem Rückführungshindernis im Lichte der Art. 2 und 3 EMRK auszugehen ist.

 

Offensichtlich haben die minderjährige Beschwerdeführerin bzw. deren Eltern bei der Stellung des dritten Antrages auf internationalen Schutz - wie auch bei der Stellung des zweiten Antrages - lediglich das Verfahrensziel verfolgt, eine Änderung des rechtskräftigen abweisenden Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 02.05.2011, Zl. D14 417720-1/2011/2E, herbeiführen zu wollen. Damit verkennt die minderjährige Beschwerdeführerin offensichtlich, dass durch die Rechtskraft einer Entscheidung deren Überprüfung oder Wiederholung jedenfalls unzulässig und ausgeschlossen ist. Bescheide, die - selbst auf einer unvollständigen Sachverhaltsbasis ergangen - in Rechtskraft erwachsen sind, sind verbindlich. Im gegenständlichen Fall ist jedenfalls eine andere Beurteilung der seinerzeit im ersten Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu einem anderen Spruch führen würden, von vornherein als ausgeschlossen zu qualifizieren.

 

Da weder in der maßgeblichen Sachlage, und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre der minderjährigen Beschwerdeführerin gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist, noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch entschieden werden kann. Der angefochtene Spruchpunkt war sohin vollinhaltlich zu bestätigen.

 

II.3. Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:

 

II.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 idgF ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Nach § 10 Abs. 2 leg. cit. sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind besonders zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

der Grad der Integration;

 

die Bindung zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Nach § 10 Abs. 3 leg. cit. ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Nach § 10 Abs. 4 leg. cit. gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Nach § 10 Abs. 5 leg. cit. ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Nach § 10 Abs. 6 leg. cit. bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab der Ausreise des Fremden aufrecht.

 

Gemäß § 10 Abs. 7 leg. cit. gilt eine durchsetzbare Ausweisung als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Nach § 10 Abs. 8 leg. cit. ist der Fremde mit Erlassung der Ausweisung über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

 

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

 

Das Zusammenleben und die Bindung von Partnern, die auf einer gleichgeschlechtlichen Beziehung beruhen, fallen jedoch nicht unter den Begriff des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK (EGMR 10.05.2001, Mata Estevez, Zl. 56501/00).

 

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegen steht:

 

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

 

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

 

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN).

 

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen oder Anträgen aus humanitären Gründen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, 21878/06).

 

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.4.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003., Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; uvm.).

 

Im Falle einer bloß auf die Stellung eines Asylantrags gestützten Aufenthalts wurde in der Entscheidung des EGMR (N. gegen United Kingdom) vom 27.05.2008, Nr. 26565/05 auch ein Aufenthalt in der Dauer von zehn Jahren nicht als allfälliger Hinderungsgrund gegen eine Ausweisung unter dem Aspekt einer Verletzung von Art. 8 EMRK thematisiert.

 

In seiner davor erfolgten Entscheidung Nnyanzi gegen United Kingdom vom 08.04.2008 (Nr. 21878/06) kommt der EGMR zu dem Ergebnis, dass bei der vorzunehmenden Interessensabwägung zwischen dem Privatleben des Asylwerbers und dem staatlichen Interesse eine unterschiedliche Behandlung von Asylwerbern, denen der Aufenthalt bloß aufgrund ihres Staus als Asylwerber zukommt, und Personen mit rechtmäßigem Aufenthalt gerechtfertigt sei, da der Aufenthalt eines Asylwerbers auch während eines jahrelangen Asylverfahrens nie sicher ist. So spricht der EGMR in dieser Entscheidung ausdrücklich davon, dass ein Asylwerber nicht das garantierte Recht hat, in ein Land einzureisen und sich dort niederzulassen. Eine Abschiebung ist daher immer dann gerechtfertigt, wenn diese im Einklang mit dem Gesetz steht und auf einem in Art 8 Abs 2 EMRK angeführten Grund beruht. Insbesondere ist nach Ansicht des EGMR das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle jedenfalls höher als das Privatleben eines Asylwerbers; auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt und auch sozial integriert ist, und selbst dann, wenn er schon 10 Jahre im Aufnahmestaat lebte.

 

II.3.2. Im gegenständlichen Fall hat das Bundesasylamt im o.a. Bescheid zutreffend dargelegt, dass die Ausweisung im konkreten Fall keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens der minderjährigen Beschwerdeführerin darstellt, und zwar aus folgenden Gründen:

 

Im Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 02.05.2011 wurde bereits dargelegt, dass die minderjährige Beschwerdeführerin in Österreich über keine relevanten familiären Beziehungen zu einer zum dauerhaften Aufenthalt berechtigten Person verfügt. Ebenso sind keine Anhaltspunkte für ein schützenswertes Privatleben zutage getreten und konnten keinerlei integrativen Aspekte dargelegt werden, wobei der Asylgerichtshof im Erkenntnis vom 01.02.2012 erneut zu diesem Ergebnis kam.

 

Der Vollständigkeit halber wird noch einmal darauf verwiesen, dass die Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin, ihre Großmutter und ihre Geschwister ebenfalls Asylwerber sind und deren Asylverfahren ebenso wie jenes der minderjährigen Beschwerdeführerin negativ entschieden worden sind. Daher ist die gesamte Kernfamilie der minderjährigen Beschwerdeführerin im selben Umfang wie sie von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen, weswegen diesbezüglich kein Eingriff in das Familienleben der minderjährigen Beschwerdeführerin vorliegt. Eine Ausweisung ist unter diesem Gesichtspunkt - gemeinsam und gleichzeitig vollzogen - kein Eingriff in das Recht auf Familienleben. Die Ausweisung der minderjährigen Beschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation stellt daher keinen Eingriff in deren Recht auf Schutz des Familienlebens iSd. Art. 8 EMRK dar.

 

Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben zu verneinen, bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung in das Privatleben der minderjährigen Beschwerdeführerin eingegriffen wird.

 

Im Hinblick auf die obzitierte Judikatur sind keine Umstände hervorgekommen, die darauf hindeuten würden, dass ein unzulässiger Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privatleben der minderjährigen Beschwerdeführerin vorliegen würde. Die minderjährige Beschwerdeführerin hält sich seit zweieinhalb Jahren im österreichischen Bundesgebiet auf, wobei betreffend die Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet zu berücksichtigen ist, dass diese (wie bei ihren Eltern, ihrer Großmutter und ihren Geschwistern) in der mittlerweile dreimaligen unbegründeten Asylantragstellung begründet liegt. Im Übrigen war die Beschwerdeführerin lediglich durch die wiederholte Antragstellung vorläufig zum Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet berechtigt. Zudem beherrscht die minderjährige Beschwerdeführerin die russische und tschetschenische Sprache, sodass ihre Resozialisierung in der Russischen Föderation an keiner Sprachbarriere scheitert und vor diesem Gesichtspunkt nicht unmöglich erscheint. Auch ist zu berücksichtigen, dass aufgrund des noch sehr jungen, mit einer hohen Anpassungsfähigkeit verbundenen Alters der dreijährigen Beschwerdeführerin davon ausgegangen werden kann, dass für die minderjährige Beschwerdeführerin der Übergang zu einem Leben im Herkunftsstaat - nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte - nicht mit unzumutbaren Härten verbunden wäre (vgl. etwa EGMR 26.1.1999, 43.279/98, Sarumi gegen Vereinigtes Königreich:

In dieser Zulässigkeitsentscheidung attestierte der Europäische Gerichtshof Kindern im Alter von 7 Jahren und 11 Jahren eine Anpassungsfähigkeit, die eine Rückkehr mit ihren Eltern aus England, wo sie geboren wurden, nach Nigeria als keine unbillige Härte erschienen ließ; vgl. auch VwGH 25.3.2010, 2009/21/0216; 31.3.2008, 2008/21/0081; 17.12.2007, 2006/01/0216). Aufgrund seiner altersgemäßen Anpassungs- und Lernfähigkeit ist davon auszugehen, dass die minderjährige Beschwerdeführerin in weiterer Folge- auf lange Sicht gesehen - nicht mit unüberwindbaren Schwierigkeiten konfrontiert wäre. Überdies würde sich die minderjährige Beschwerdeführerin in Begleitung ihrer Eltern, ihrer Großmutter und ihrer Geschwister in der Russischen Föderation niederlassen, wodurch ihr die soziale Eingliederung in den Herkunftsstaat erleichtert würde. Sie befindet sich in einem Alter, in dem eine Sozialisation in der Russischen Föderation nicht als unmöglich oder unzumutbar erscheint.

 

Die minderjährige Beschwerdeführerin benötigt aufgrund ihres Alters die Unterstützung ihrer Eltern, weshalb nicht außer Acht gelassen werden darf, dass die Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin (aber auch ihre Großmutter) auch von einer Ausweisung betroffen sind und die dortige Interessenabwägung zugunsten einer Aufenthaltsbeendigung ausgegangen ist, da auch hinsichtlich der Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin keine Umstände erkennbar sind, die auf eine während ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet erfolgte außergewöhnliche Integration schließen lassen. Die Eltern der minderjährigen Beschwerdeführerin sind in Österreich bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, verfügen über keine ausgeprägten Deutschkenntnisse und haben auch keinerlei Anknüpfungspunkte zu in Österreich aufhältigen Personen. Im Übrigen liegen im gegenständlichen Fall auch keine weiteren Anhaltspunkte für eine nachhaltige Integration der Eltern, wie etwa Teilnahme am sozialen Leben, legale Beschäftigung, absolvierte Berufsausbildung oder Vereinstätigkeit vor. Daraus resultiert wiederum auch eine Relativierung der privaten Interessen der minderjährigen Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet.

 

Für die minderjährige Beschwerdeführerin bestehen offensichtlich keine berücksichtigungswürdigen integrativen Aspekte und wurden solche von der gesetzlichen Vertretung auch nicht behauptet.

 

Aus einer Gesamtschau und Abwägung dieser Umstände ist in der gegenständlichen Rechtssache ersichtlich, dass zum Entscheidungszeitpunkt die angeführten öffentlichen Interessen an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens zum Zweck des Schutzes der öffentlichen Ordnung durch die Beendigung des Aufenthaltes der minderjährigen Beschwerdeführerin in Österreich, das Interesse der minderjährigen Beschwerdeführerin an ihrem Verbleib in Österreich eindeutig überwiegen.

 

Auf Grund des relativ kurzen Aufenthaltes, der in der offensichtlich unbegründeten dreimaligen Antragstellung begründet liegt und mangels jeglicher Anhaltspunkte für irgendeine Form der Integration, überwiegt im vorliegenden Fall vielmehr das öffentliche Interesse am Vollzug eines geordneten Fremdenwesens.

 

Die getroffene Ausweisungsentscheidung ist daher im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig und zulässig. Außergewöhnliche Umstände, die dennoch im Einzelfall eine andere Beurteilung angezeigt erscheinen ließen, sind nicht hervorgekommen.

 

Die in Spruchpunkt II d

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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