RS Vfgh 2013/3/12 U1674/12

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Veröffentlicht am 12.03.2013
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41 INNERE ANGELEGENHEITEN
41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht,
Asylrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
AsylG 2005 §3, §8, §10, §11 Abs2, §20 Abs2

Leitsatz

Entzug des gesetzlichen Richters durch Abweisung des Antrags eines afghanischen Asylwerbers auf internationalen Schutz und Ausweisung wegen unrichtiger Zusammensetzung des Spruchkörpers des Asylgerichtshofes im Hinblick auf den geltend gemachten Fluchtgrund eines drohenden sexuellen Missbrauchs

Rechtssatz

Aus den Materialien zu §20 Abs1 AsylG 2005 (siehe RV 952 BlgNR 22. GP, 45) ergibt sich, dass der Gesetzgeber (wenngleich vor dem Hintergrund des häufigeren Falles weiblicher Betroffener) unter Bezugnahme auf und in Entsprechung von Empfehlungen in einschlägigen internationalen Dokumenten die Anordnung treffen wollte, dass die Einvernahme bzw gemäß §20 Abs2 AsylG 2005 auch die Verhandlungsführung vor dem Asylgerichtshof schon dann durch Personen desselben Geschlechts durchzuführen ist, wenn die Flucht aus dem Heimatstaat nicht mit bereits stattgefundenen, sondern mit Furcht vor sexuellen Übergriffen begründet wurde.

Da der Beschwerdeführer schon vor dem Bundesasylamt einen derartigen Fluchtgrund des drohenden sexuellen Missbrauchs geltend gemacht und die Durchführung des Verfahrens durch andere Richter nicht gemäß §20 Abs2 letzter Satz AsylG 2005 spätestens in der Beschwerde an den Asylgerichtshof verlangt hat, hätte seine Beschwerde daher einem Senat mit Richtern desselben Geschlechts zugeteilt werden müssen. Der nachträglich eingetretene Umstand, dass der Beschwerdeführer seine Beschwerde während des Verfahrens vor dem Asylgerichtshof auf die Fragen des subsidiären Schutzes und der Ausweisung einschränkte, ändert nichts an der bereits ursprünglich gegebenen Unrichtigkeit der Senatszusammensetzung.

Hinweis zur Vermeidung überflüssigen Verfahrensaufwandes:

Für die zur Prüfung der Notwendigkeit subsidiären Schutzes erforderliche Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten bewaffneten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr abzustellen. Kommt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers als Zielort wegen der dem Beschwerdeführer dort drohenden Gefahr nicht in Betracht, kann er nur unter Berücksichtigung der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes verwiesen werden.

Soweit der Asylgerichtshof im vorliegenden Fall erkennbar davon ausgeht, dass eine Gefährdung des Beschwerdeführers iSd Art3 EMRK in seiner Heimatprovinz nicht auszuschließen ist und er daher untersucht hat, ob der Beschwerdeführer über ein ausreichendes soziales Netz in Kabul verfügt, wird sich der Asylgerichtshof im fortgesetzten Verfahren in einer nachvollziehbaren Beweiswürdigung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen haben, wonach dieser in Kabul mit der Unterstützung durch Verwandte aus den von ihm näher dargelegten Gründen nicht rechnen könne. Erst auf der Grundlage einer solchen Beweiswürdigung werden sodann die iSd §11 Abs2 AsylG 2005 erforderlichen Feststellungen zu treffen sein.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Asylrecht, Behördenzuständigkeit, Behördenzusammensetzung, Asylgerichtshof, Ausweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:U1674.2012

Zuletzt aktualisiert am

28.03.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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