TE OGH 2008/9/17 1R241/08y

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Veröffentlicht am 17.09.2008
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Republik Österreich

Landesgericht Klagenfurt

1 R 241/08y

Spruch

Das Landesgericht Klagenfurt hat als Rekursgericht durch die Richter Dr. Joham (Vorsitz), Dr. Steflitsch und Dr. Müller in der Rechtssache der klagenden Partei ***** vertreten durch Dr. Gert Paulsen, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei ***** vertreten durch Dr. Hans Georg Mayer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Besitzstörung (Streitwert JN: € 580,--), über den Rekurs der Klägerin gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 21. Mai2008, 20 C 2403/07m-12, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Text

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Endbeschluss wird dahingehend abgeändert, dass er zu

lauten hat:

"Endbeschluss

1.) a) Die beklagte Partei hat die klagende Partei dadurch, dass sie am 17. Dezember 2007 zwischen den beiden Bungalows auf dem Grundstück 31/6 vier mehr als 3 m hohe Thujen samt Wurzelstöcken entfernt und mit Baumaschinen befahren hat, im ruhigen Besitz dieses Grundstückes gestört.

b) Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen den vorigen Zustand dadurch wieder herzustellen, dass sie vier mehr als 3 m hohe Thujen auf dem bisherigen Standort zwischen den beiden Bungalows auf dem Grundstück 31/6 einpflanzt und den Rasen in diesem Bereich wieder herzustellen.

c) Die beklagte Partei ist schuldig, in Hinkunft jede weitere derartige Störung zu unterlassen.

2.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit € 1.027,60 (darin € 162,64 Umsatzsteuer und € 52,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit € 243,86 (darin € 30,98 Umsatzsteuer und € 58,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 6 ZPO).

Begründung:

Mit Übergabsvertrag vom 23. Mai 1990 übergab die Klägerin ihrem Sohn, dem Beklagten, mehrere Liegenschaften, u.a. die *****, bestehend u.a. aus den Grundstücken 31/6 und 30/4 sowie ein von ihr auf diesen Liegenschaften betriebenes nicht protokolliertes Einzelunternehmen (Hotelbetrieb mit Seeappartements "Hotel *****") ins Eigentum. Am selben Tag unterfertigte der Beklagte eine "Verpflichtungserklärung" u. a. nachstehenden Inhaltes:

".....

2.1. Hinsichtlich der Bungalows auf dem Grundstück 31/6 ... wird vereinbart, dass im Innenverhältnis der Fruchtgenuss Frau ***** zukommt. Sie ist daher zur vollen Nutzung dieser Bungalows berechtigt, alle Erlöse aus den Vermietungen fallen ihr zu, alle damit verbundenen Lasten hat sie zu tragen.

2.2. Zum Betrieb der Bungalows ist während der Sommersaison ein Doppelzimmer im Hotel "*****" für zwei Stubenmädchen zur Verfügung zu stellen, einschließlich der Verpflegung für diese beiden Stubenmädchen.

2.3. Die Benützung der Hotelwäscherei ist durch Mitarbeit abzugelten oder entsprechend Tarif zu zahlen. Die Wäsche für die Bungalows steht Frau ***** zur Verfügung.

..."

Auf dem Grundstück 31/6, an welches nördlich das Grundstück 30/4 und daran der *****see anschließt, befinden sich zwei Bungalows. Zwischen diesen Gebäuden pflanzte die Klägerin vor einigen Jahren vier Thujen, welche zuletzt eine Höhe von mehr als 3 m aufwiesen; die Klägerin pflegte diese Thujen entweder selbst oder ließ sie pflegen. Am 17. Dezember 2007 entfernte der Beklagte diese Thujen samt Wurzelstöcken. Die Grundstücke 31/6 und 30/4 werden auch von den Gästen der Klägerin zu Liege- und Badezwecken benutzt. Die Grundstücke werden nicht ausschließlich von der Klägerin genutzt. Auch wird der Bereich zwischen den beiden auf dem Grundstück 31/6 errichteten Bungalows, den der Beklagte befahren hat, ebenso wie jene Stelle, wo die vier Thujen eingepflanzt waren, nicht ausschließlich von der Klägerin genützt. Sowohl der Beklagte als auch dessen Ehefrau und die im Betrieb des Beklagten Beschäftigten benützen die beiden klagsgegenständlichen Grundstücke. Auch jener zwischen den beiden Bungalows liegende Bereich des Grundstückes 31/6 wird vom Beklagten, seiner Frau und den bei ihm Beschäftigten genützt. Der Beklagte beabsichtigt, auf dem Grundstück 30/4 - zum Teil auf Schwemmland -, ein Gebäude zu errichten; insoweit liegt eine rechtskräftige Baubewilligung vor. Die Grundstücke 30/4 und 31/6 werden von den Gästen der Klägerin zu Liege- und Badezwecken benützt. Der Bereich zwischen den beiden Bungalows ist die einzige Möglichkeit für Baufahrzeuge, um zum Grundstück 30/4 zuzufahren. Damit solche Fahrzeuge überhaupt zufahren können, entfernte der Beklagte die vier Thujen.

Mit der am 20. Dezember 2007 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrt die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Feststellung, dieser habe ihren ruhigen Besitz an vier mehr als 3 m hohen Thujen am Grundstück 31/6 und am Fruchtgenussrecht der beiden Bungalows auf diesem Grundstück dadurch gestört, dass er am 17. Dezember 2007 vier mehr als 3 m hohe Thujen zwischen den beiden Bungalows auf dem Grundstück 31/6 samt Wurzelstöcken entfernt und das Grundstück 31/6 von Süden nach Norden und zurück zwischen den Bungalows mit Baumaschinen befahren hat (1.)), der Beklagte sei schuldig, den vorigen Zustand durch Einpflanzung der vier mehr als 3 m hohen Thujen auf dem bisherigen Standort zwischen den beiden Bungalows auf dem Grundstück 31/6 und durch Instandsetzung des Rasens wieder herzustellen (2.)) und sich in Hinkunft jeglicher Störung des ruhigen Besitzes der Klägerin am Grundstück 31/6 und am Fruchtgenussrecht an den beiden Bungalows zu enthalten und insbesondere das Entfernen von von der Klägerin gepflanzter Bäume und das Befahren des Grundstückes mit Baumaschinen aller Art zu unterlassen (3.)). Sie bewirtschafte seit mehr als 40 Jahren die beiden Bungalows samt dem Grundstück 31/6 zu gewerblichen Zwecken. Im Rahmen des Abschlusses des Übergabsvertrages samt Verpflichtungserklärung habe sie sich die Möglichkeit der weiteren Bewirtschaftung und Nutzung der beiden Bungalows so wie bisher auf dem Grundstück 31/6 ausdrücklich vorbehalten und gesichert. Mit dem Beklagten habe von Anfang an die Regelung bestanden, dass er in die Nutzung dieser beiden Bungalows samt der dazu gehörigen Fläche des Grundstückes 31/6 durch die Klägerin nicht eingreife. Der Beklagte habe die Klägerin am ruhigen Besitz an den vier Zierbäumen sowie am Grundstück 31/6 gestört und in ihrem ruhigen Besitz ihres Fruchtgenussrechtes an den beiden Bungalows. Die Klägerin habe die Thujen im Rahmen der bestehenden Gebrauchsordnung gepflanzt.

Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, dass eine Gebrauchsordnung nicht bestehe. Er beabsichtige, das Bauverbot vom 1. Juni bis 31. August eines jeden Jahres zu respektieren. Der Klägerin ginge es nur darum, die ausschließlich auf der Parzelle 30/4 geplante Bauführung zu verhindern. Die Streitteile seien Mitbesitzer, das Fruchtgenussrecht der Klägerin beziehe sich ausschließlich auf die beiden Bungalows auf dem Grundstück 31/6, welche im Rahmen seines Betriebes bewirtschaftet würden. Eine Gebrauchsordnung müsste nämlich zum Inhalt haben, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, die Fläche zwischen den beiden Bungalows zu betreten. Der Durchgang zwischen den beiden Bungalows ist die einzige Zugangsmöglichkeit zur Parzelle 30/4. Im Übrigen sei das Klagebegehren verfristet, weil die ersten Bauarbeiten - Bodenerkundigungen mit einem Sondierbohrgerät - bereits am 10. September 2007 erfolgt seien.

Mit dem angefochtenen Endbeschluss hat das Erstgericht das Klagebegehren abgewiesen. Dabei ging es von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt sowie von den auf den Seiten 7 bis 11 der Beschlussausfertigung getroffenen Feststellungen aus. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, dass die Besitzstörungsklage nicht verfristet im Sinne des § 454 Abs 1 ZPO sei, weil die im September 2007 behaupteten Probebohrungen auf die Entfernung von vier Thujen keinen Einfluss hätten. Einem Mitbesitzer stehe gegen den Eingriff Dritter possessorischer Schutz zu. Gegenüber Mitbesitzern werde eine Besitzstörungsklage von der Lehre überwiegend abgelehnt, nach der Rechtsprechung nur im Fall des Verstoßes gegen eine bestehende Gebrauchsordnung zugelassen. Hier sei davon auszugehen, dass die Klägerin zwar die Bungalows auf dem Grundstück 31/6 bewirtschafte, dies aber lediglich im Rahmen des von Seiten des Beklagten geführten, konzessionierten und auch steuerlich geführten Betriebes. Damit seien beide Streitteile betreffend die beiden Grundstücke Mitbesitzer, sodass eine Besitzstörungshandlung durch den Beklagten lediglich im Verstoß gegen eine bestehende Gebrauchsordnung oder Nutzungsvereinbarung liegen könnte. Eine solche Gebrauchsordnung sei jedoch nicht getroffen worden, weshalb der Beklagte gegen eine solche auch nicht verstoßen habe; dies habe die Abweisung der Besitzstörungsklage zur Folge. Zudem sei die "Verpflichtungserklärung" gemäß § 914 ABGB so auszulegen, dass der Beklagte der Klägerin ein Fruchtgenussrecht betreffend die Bungalows in der Weise eingeräumt habe, dass der Klägerin der gesamte Erlös aus der diesbezüglichen Vermietung zufalle. Klar und eindeutig ergebe sich aus dieser "Verpflichtungserklärung", dass der Klägerin kein Fruchtgenuss an den Grundstücken 30/4 und 31/6 zukomme; die Klägerin benötige nämlich für die volle Nutzung der Bungalows und den Erhalt des Gewinns aus deren Vermietung kein Fruchtgenussrecht an diesen Grundstücken, weshalb ein solches schriftlich auch nicht eingeräumt worden sei. Dies wäre jederzeit ohne Aufwand möglich gewesen. Weil der Klägerin durch die getroffene Vereinbarung weder eine ausschließliche Nutzung der Grundstücke 30/4 und 31/6 noch ein Fruchtgenuss an diesen eingeräumt werden sollte, könne daraus auch keine faktische Gebrauchsordnung abgeleitet werden. Auch daraus, dass die Klägerin ihre Vermietungstätigkeit auch nach der Übergabe an den Beklagten weiter ausübte und dabei auch die Grundstücke 30/4 und 31/6 durch ihre Feriengäste nutzte, führe dies rechtlich zu keinem anderen Ergebnis, da die Klägerin diese Grundstücke eben nicht ausschließlich nutzte, weshalb keine faktische Gebrauchsordnung dergestalt abgeleitet werden könne, dass die Klägerin zur ausschließlichen Nutzung berechtigt wäre bzw. ihr ein ausschließlicher Fruchtgenuss zukomme.

Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen Vorliegens eines Nichtigkeitsgrundes sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem Aufhebungsantrag; hilfsweise stellt sie einen Abänderungsantrag.

Der Beklagte beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist im Sinne des Abänderungsantrages berechtigt.

A) Der von der Rekurswerberin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der

mangelnden Begründung gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO ist nur gegeben, wenn die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (Klauser/Kodek ZPO16 [2006] § 477 E 140 und 141). Davon kann hier keine Rede sein, weshalb die angefochtene Entscheidung nicht mit dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund behaftet ist.

Eine Besitzstörung setzt Sach- oder Rechtsbesitz des Gestörten voraus (EF 40.958, 48.486 uva). Sachbesitz liegt vor, wenn jemand eine körperliche Sache mit dem Willen inne hat, sie als die seinige zu behalten. § 311 ABGB beschränkt den Besitz aber nicht auf körperliche Sachen. Besitz an Rechten, die Gegenstand des Verkehrs sind, ist Rechtsbesitz. Gegenstand des Rechtsbesitzes kann jedes Recht sein, das eine dauernde Ausübung zulässt (Miet 23016, 29016 ua); demnach sind der Servituts- und der Reallastberechtigte Rechtsbesitzer (SZ 56/111 ua). Im Falle einer Kollision zwischen Sach- und Rechtsbesitz geht Letzterer grundsätzlich vor; der Sachbesitz reicht nur so weit, als er nicht durch Rechtsbesitz eingeschränkt ist (vgl. Eccher in KBB § 339 Rz 5). Bei Mitbesitz liegt Besitzstörung vor, wenn einer der Mitbesitzer dem bzw. den anderen die Sache entzieht oder die bisherige Gebrauchsordnung stört, sich also wie ein Alleinbesitzer verhält (Miet 28.027; 7 Ob 234/03t ua).

Es bedarf hier keiner Erörterung der Frage, ob die Klägerin Rechtsbesitz erworben hat, weil - wie vom Beklagten auch zugestanden - sie beide Mitbesitzer sind.

An den Thujen hatte die Klägerin ohnedies den letzten ruhigen Besitz, hatte sie sie doch gepflanzt und gepflegt. Wenn diese nun vom Beklagten entfernt wurden, liegt darin eine Besitzstörungshandlung. Auszugehen ist aber auch davon, dass unter den Mitbesitzern eine Gebrauchsordnung zustande kam, haben doch die Gäste der Klägerin die Grundstücksflächen zu Liege- und Badezwecken benutzt und auch der Beklagte und ihm zuzuordnende Personen.

Richtig ist, dass das Erstgericht eine Feststellung darüber unterlassen hat, ob der Beklagte mit Baumaschinen über das Grundstück 31/6 am 17. Dezember 2007 gefahren ist. Dieser Umstand ist aber vom Beklagten unbestritten geblieben und ergibt sich zudem aus den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern ./G, aber auch aus der Aussage des Beklagten am 17. März 2008, AS 71; Gleiches gilt dafür, dass der Rasen beschädigt wurde.

Der Beklagte hat den Bereich zwischen den Bungalows mit Baufahrzeugen deswegen befahren, um ein auf der ebenfalls im Mitbesitz stehenden Grundstücksfläche 30/4 geplantes Gebäude zu bauen. Dass die Klägerin nur zwischen 1. Juni und 31. August die Appartements vermieten darf, hat der Beklagte nicht behauptet.

Damit war dem Rekurs Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens, dem die aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtliche klarere Fassung zu geben war, abzuändern.

Diese Abänderung erfordert eine Neuentscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz, welche sich auf § 41 ZPO stützt. Die von der Klägerin gestellten Anträge auf Fristerstreckung (25. Jänner 2008, ON 5) und Vertagung (29. Jänner 2008, ON 6) waren jedoch als in der Sphäre der Klägerin gelegen als nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig nicht zu honorieren. Zuzusprechen waren auch nicht die pauschal und begründungslos verzeichneten umsatzsteuerpflichtigen Barauslagen in Höhe von € 31,--. Landesgericht Klagenfurt

als Rekursgericht

Anmerkung

EKL000981R241.08y

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LGKL729:2008:00100R00241.08Y.0917.000

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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