TE OGH 2008/11/27 2Ob90/08m

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Veröffentlicht am 27.11.2008
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Danilo M*****, vertreten durch Dr. Günther Riess, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei C***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Thomas Schröfl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 250.000 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2008, GZ 5 R 222/07i-21, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. September 2007, GZ 27 Cg 128/06p-16, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit der am 5. 5. 2006 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Bezahlung von 250.000 EUR sA. Er habe im Casino der Beklagten in Wien im Jahr 2004 innerhalb eines Jahres zumindest 310.000 EUR beim Glücksspiel verloren. Aus verschiedenen Umständen hätten die Mitarbeiter der Beklagten erkennen müssen, dass der Kläger an unkontrollierter Spielsucht leide, dennoch sei die Beklagte ihren Verpflichtungen gemäß § 25 Abs 3 GSpG nicht nachgekommen. Der Kläger sei im klagsgegenständlichen Zeitraum zumindest hinsichtlich der Glücksspielagenden geschäftsunfähig gewesen. Er habe deshalb auch einen bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch, weil die Glücksspielgeschäfte nichtig seien. Die Präklusivfrist von sechs Monaten gemäß § 25 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2005/105 sei nur auf Verluste anzuwenden, die nach Inkrafttreten der zitierten Novelle, also nach dem 26. 8. 2005, entstanden seien. Die Beklagte bestritt und wendete ein, die Präklusivfrist des § 25 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2005/105 habe mit Inkrafttreten dieser Novelle, somit am 27. 8. 2005, zu laufen begonnen und daher am 27. 2. 2006 geendet. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei daher präkludiert.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens mit der wesentlichen Begründung ab, die Sechsmonatsfrist gemäß § 25 Abs 3 GSpG habe am 27. 8. 2005 um 00:00 Uhr zu laufen begonnen (und daher am 26. 2. 2006, 24:00 Uhr geendet), weshalb im Zeitpunkt der Klagseinbringung die Ansprüche präkludiert gewesen seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Absatz 6 des Kundmachungspatents zum ABGB sei auf den vorliegenden Fall analog anzuwenden. Danach könne derjenige, der sich auf eine Ersitzung oder Verjährung berufe, für die im neuen Gesetz eine kürzere Frist als im früheren Gesetz bestimmt sei, diese Frist erst vom Zeitpunkt an berechnen, zu dem das neue Gesetz verbindliche Kraft erhalte. Mit diesem Zeitpunkt sei das Inkrafttreten gemeint. Wenngleich Absatz 6 des Kundmachungspatents zum ABGB nach seinem Wortlaut nur die Ersitzungs- und die Verjährungsfrist nenne, sei die Bestimmung analog auch auf Präklusivfristen anzuwenden. Es sei einheitliche Rechtsprechung, dass die für Verjährungsfristen geltenden Regeln auch auf Präklusivfristen anzuwenden seien. Die Sechsmonatsfrist gemäß § 25 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2005/105 beginne daher auch für die im vorliegenden Fall klageweise geltend gemachten Ansprüche mit dem Inkrafttreten der zitierten Novelle, somit mit 27. 8. 2005, zu laufen. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 25 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2005/105 gelte die Präklusivfrist für alle Ansprüche des Spielteilnehmers gegen die Spielbankleitung im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Spielvertrags oder mit Verlusten aus dem Spiel. Damit gelte die Frist aber auch für Bereicherungsansprüche des Klägers, gestützt auf sein Vorbringen, er sei wegen seiner Spielsucht (teilweise) geschäftsunfähig gewesen, weshalb der Spielvertrag nichtig gewesen sei. Auch § 1494 ABGB, wonach die Verjährung für die Dauer einer Geschäftsunfähigkeit gehemmt sei, könne dem Kläger nicht helfen. Wer sich auf eine Hemmung der Verjährung berufe, sei dafür beweispflichtig. Der Kläger habe aber nur behauptet, dass er im klagsgegenständlichen Zeitraum, also im Jahr 2004, „zumindest hinsichtlich seiner Glücksspielagenden geschäftsunfähig" gewesen sei. Dass der Kläger auch während des Laufs der Präklusivfrist (27. 8. 2005 bis 26. 2. 2006) geschäftsunfähig gewesen sei, habe er nicht behauptet.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage der Anwendung der Neuregelung des § 25 Abs 3 GSpG auf Ansprüche, die schon vor dem Inkrafttreten der Novelle entstanden seien, noch nicht auseinandergesetzt habe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die Revision enthält auch eine Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich § 25 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2005/105.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat im vorliegenden Verfahren mit Beschluss vom 18. 9. 2008 an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, den siebenten Satz des dritten Absatzes von § 25 Glücksspielgesetz (GSpG) idF BGBl I 2005/105 mit dem Wortlaut „Die Haftung ist innerhalb von 6 Monaten nach dem jeweiligen Verlust gerichtlich geltend zu machen." als verfassungswidrig aufzuheben. Mit Erkenntnis vom 25. 9. 2008, G 162/07-31 ua, hat der Verfassungsgerichtshof die zitierte Gesetzesbestimmung aufgrund schon früher gestellter Anträge des Oberlandesgerichts und des Landesgerichts Innsbruck als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesstelle auf die am 25. 9. 2008 bei Gericht anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist.

Dieses Erkenntnis wurde dem Obersten Gerichtshof am 11. 11. 2008 zugestellt, sodass gemäß § 62 Abs 3 VfGG die Voraussetzungen für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über die Revision des Klägers vorliegen.

Da das vorliegende Verfahren am 25. 9. 2008 gerichtsanhängig war, ist die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Gesetzesbestimmung auch im vorliegenden Fall nicht mehr anzuwenden.

Mangels einer bestehenden Sondervorschrift (in Gestalt des aufgehobenen § 25 Abs 3 Satz 7 GSpG) verjähren daher die vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzansprüche gemäß § 1489 ABGB grundsätzlich in drei Jahren (ab Kenntnis des geschädigten Klägers vom Schaden und vom Schädiger), die Bereicherungsansprüche verjähren in 30 Jahren (RIS-Justiz RS0020167).

Allfällige Schadenersatz- oder Bereicherungsansprüche des Klägers sind daher nicht verjährt, weil die Verjährungsfristen frühestens mit dem jeweiligen Eintritt des behaupteten Verlusts im Jahr 2004 beginnen können und die Klage im Jahr 2006 erhoben wurde. Da die klägerischen Ansprüche bisher ungeprüft geblieben sind und dazu keinerlei Feststellungen getroffen wurden, erweist sich die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung als unumgänglich.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E896092Ob90.08m-2

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inZak 2009/185 S 117 - Zak 2009,117XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0020OB00090.08M.1127.000

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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