TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/27 2000/17/0056

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Veröffentlicht am 27.11.2000
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E01600000;
E3R E03605600;
E3R E09500000;

Norm

31992R3950 ZusatzabgabeV Milchsektor Art4 Abs2;
31995R2988 SchutzV finanzielle Interessen Europäische Gemeinschaften Art4 Abs3;
EURallg;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/17/0456 E 11. Dezember 2000 99/17/0457 E 11. Dezember 2000 99/17/0194 E 11. Dezember 2000 2000/17/0154 E 22. Jänner 2001 2000/17/0153 E 22. Jänner 2001 2000/17/0152 E 22. Jänner 2001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des P, vertreten durch Dr. R und Dr. S, Rechtsanwälte in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 25. Februar 2000, Zl. 17.274/528- I A 7/99, betreffend Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der AMA vom 19. April 1999 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf provisorische Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von 20.000 kg in eine Anlieferungs-Referenzmenge für den 12- Monatszeitraum vom 1. April 1998 bis 31. März 1999 stattgegeben. Gleichzeitig wurde dem Antrag auf Anerkennung des representativen Fettgehaltes für die umgewandelte Anlieferungs-Referenzmenge stattgegeben.

Mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der AMA vom 25. Juni 1999 wurde der Bescheid dieser Behörde vom 19. April 1999 gemäß § 103 Abs. 1 Z. 1 des Marktordnungsgesetzes, BGBl. Nr. 210/1985 (im Folgenden: MOG), aufgehoben. Gleichzeitig wurde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Umwandlung der Direktverkaufs-Referenzmenge in Höhe von 20.000 kg in eine Anlieferungs-Referenzmenge für den 12-Monatszeitraum 1998/99 keine Folge gegeben.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Rechtsvorschriften aus, zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Zuteilung einer Direktverkaufs-Referenzmenge am 31. Jänner 1997 habe zwar die Notwendigkeit für eine zusätzliche Direktverkaufs-Referenzmenge bestanden, auch sei durch die Abgabe der Milch an einen anderen Landwirt zur Verfütterung grundsätzlich die Voraussetzung für eine entsprechende endgültige Zuteilung der Direktverkaufs-Referenzmenge mit Wirksamkeit ab 1. April 1998 erreicht worden. Die Einstellung der Abgabe von Milch an einen anderen Landwirt zur Verfütterung könne jedoch nicht als "wesentliche Änderung des Vermarktungsverhaltens" gewertet werden, weil der Vertrag des Beschwerdeführers über die Verfütterungsmenge lediglich auf einen sehr kurzen Zeitraum befristet abgeschlossen worden sei. Somit sei es im Verantwortungsbereich des Beschwerdeführers gelegen, wenn er einen derart kurzfristigen Vertrag abgeschlossen habe und nunmehr keine Möglichkeit bestünde, andere Abnehmer zu finden. Da der Beschwerdeführer anscheinend keine vertragliche Vereinbarung hinsichtlich einer Mindestdauer der Lieferbeziehung getroffen habe, gehe die erstinstanzliche Behörde davon aus, dass bereits von Beginn an beabsichtigt gewesen sei, die Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge umzuwandeln. Eine wesentliche Änderung des Vermarktungsverhaltens sei nicht gegeben. Das Ergebnis einer "Vor-Ort-Kontrolle" sei bei Erlassung des Bescheides vom 19. April 1999 nicht berücksichtigt worden. Dieser Bescheid sei daher aufzuheben gewesen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Er brachte vor, im letztgenannten Bescheid sei der Sachverhalt nicht gemäß § 103 Abs. 1 Z. 1 MOG in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt worden. Bei der in Rede stehenden "Vor-Ort-Kontrolle" sei lediglich festgestellt worden, dass die Milch nicht an Letztverbraucher, sondern an einen anderen Landwirt zur Verfütterung abgegeben worden sei. Nach den entsprechenden Verlautbarungsblättern der AMA stelle aber die Abgabe von Milch an andere Landwirte zur Verfütterung gleichermaßen einen Direktverkauf dar wie die Abgabe an Letztverbraucher. Die Abweisung seines Antrages auf Umwandlung der Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge entbehre einer rechtlichen Grundlage. Die Einstellung der Anlieferung an einen anderen Landwirt im Ausmaß von 20.000 kg stelle für den Beschwerdeführer sehr wohl eine wesentliche Änderung des Vermarktungsverhaltens dar, weil dies immerhin 38 % seiner Anlieferungs-Referenzmenge ausmache. Der Vertrag mit dem anderen Landwirt (A) sei prinzipiell auf unbefristete Zeit abgeschlossen worden. Eine Mindestdauer sei deshalb nicht vereinbart worden, weil A zu dieser Zeit seit Jahren keine Milchkühe mehr gehabt habe und für den Beschwerdeführer auch nicht anzunehmen gewesen sei, dass A je wieder Milchkühe einstellen werde. Es werde daher bestritten, dass von Beginn an beabsichtigt gewesen sei, die in Rede stehende Direktverkaufs-Referenzmenge wieder in eine Anlieferungs-Referenzmenge umzuwandeln.

Über Befragen durch die belangte Behörde gab A an, er habe im Zeitraum April 1997 bis März 1998 stets Milch vom Beschwerdeführer zur Verfütterung an Schafe bezogen. In den Jahren davor habe A von verschiedenen anderen Landwirten Milch zur Verfütterung erhalten. Bei diesen Landwirten sei die Verfütterungsmenge bereits in eine Anlieferungs-Referenzmenge umgewandelt worden.

Über Vorhalt dieses Beweisergebnisses äußerte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dass A ihm mitgeteilt habe, dass er Kuhmilch benötige. Da es eine bessere Lösung gewesen sei, die Milch an A statt an die Molkerei zu liefern, habe er die Direktverkaufs-Referenzmenge beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 2000 wies diese die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich III der AMA vom 25. Juni 1999 ab.

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der maßgeblichen Rechtsvorschriften Folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe im 12-Monatszeitraum 1996/97 über eine Anlieferungs-Referenzmenge von 51.912 kg verfügt und eine fettkorrigierte Anlieferung von 58.179 kg gehabt. Über eine Direktverkaufs-Referenzmenge habe er nicht verfügt. Im 12- Monatszeitraum 1997/98 habe der Beschwerdeführer bei einer Anlieferungs-Referenzmenge von unverändert 51.912 kg eine fettkorrigierte Anlieferung von 57.518 kg gehabt. Zum 1. April 1997 sei dem Beschwerdeführer auf Grund seines Antrages eine provisorische Direktverkaufs-Referenzmenge von 20.000 kg zugeteilt worden, wobei er laut seiner Meldung diese Menge im Wege der Direktvermarktung abgegeben habe. Er habe im Zeitraum April 1997 bis März 1998 19.900 l Milch an A geliefert. Seit November 1997 habe A wieder selbst Milchkühe gehalten und habe auch aus eigener Produktion Kuhmilch zur Verfütterung zur Verfügung gehabt.

Die erstinstanzliche Behörde habe den Bescheid vom 19. April 1999 zutreffend aufgehoben, weil dieser im Sinne des § 103 Abs. 1 Z. 3 MOG mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet gewesen sei:

Die vom Beschwerdeführer praktizierte Lieferung von Milch zur Verfütterung seit vor allem erfolgt, um eine zusätzliche Direktverkaufs-Referenzmenge endgültig zugeteilt zu erhalten, und zwar zum Zwecke der spätere Umwandlung in eine Anlieferungs-Referenzmenge. Es liege daher keine von den Gemeinschaftsrechtsvorschriften geforderte begründete Änderung des Vermarktungsverhaltens vor, sondern die Änderung desselben sei von Anfang an bezweckt gewesen. Die vom Beschwerdeführer gewählte Form der Direktvermarktung sei gemäß § 21 BAO auf Grund des wahren wirtschaftlichen Gehalts zu beurteilen. In ähnlicher Weise schreibe Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor, einen Vorteil nicht zu gewähren, bzw. zu entziehen, wenn Handlungen, die nachgewiesenermaßen die Erlangung eines den Zielsetzungen der einschlägigen Gemeinschaftsrechtsvorschriften zuwiderlaufenden Vorteils zum Ziel haben, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung des Vorteils geschaffen werden, gesetzt worden sind.

Ohne die bewusste extensive Ausnutzung der Referenzmengenregelung sowie der Umwandlungsmöglichkeit hätte der Beschwerdeführer nicht von einer mangelnden Rechtsgrundlage (gemeint wohl: für die Aufhebung des Bescheides der erstinstanzlichen Behörde vom 19. April 1999) gesprochen. Der Beschwerdeführer habe seine Absatzmöglichkeiten für den Zeitraum April 1997 bis März 1998 künstlich ausgeweitet, um letztendlich den Vorteil einer zusätzlichen Anlieferungs-Referenzmenge zu erlangen. Entgegen seinen Ausführungen habe er im 12- Monatszeitraum 1996/97 kaum wesentlich mehr als im 12- Monatszeitraum 1997/98, in welchem er die Direktvermarktung im Wege der Verfütterung genützt habe, angeliefert. Der Beschwerdeführer habe aber die vorher zur Verfütterung der auf dem eigenen Betrieb gehaltenen Kälber benötigte Milch im Zeitraum April 1997 bis März 1998 an den Betrieb A zur Verfütterung an Lämmer abgegeben. Somit sei von einer künstlichen Schaffung der Voraussetzungen für die Direktvermarktung zu sprechen, die keinesfalls dazu führen könne, dass eine begründete Änderung des Vermarktungsverhaltens vorliege. Dies werde auch durch die Angaben des A bekräftigt, wonach auch anderen Landwirten, die ihm vor 1997 Milch geliefert hätten, die Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge umgewandelt worden sei. Damit zeige sich klar, dass ein Automatismus zur Erhöhung der Anlieferungs-Referenzmenge im Wege einer kurzfristigen Direktvermarktung bezweckt worden sei. Bei den vor 1997 erfolgten Verfütterungslieferungen seien jedoch "besondere Begleitumstände" vorhanden gewesen, die zu einer anderen Beurteilung geführt hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Bewilligung der Umwandlung einer Direktverkaufs-Referenzmenge in eine Anlieferungs-Referenzmenge im gesamten von ihm beantragten Umfang verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor lautet:

"Artikel 4

...

(2) Eine einzelbetriebliche Referenzmenge wird auf begründeten Antrag des Erzeugers erhöht oder zugeteilt, um Änderungen bei seinen Lieferungen bzw. Direktverkäufen Rechnung zu tragen. Voraussetzung für die Erhöhung oder Zuteilung einer Referenzmenge ist die entsprechende Senkung oder Aufhebung der jeweiligen anderen Referenzmenge des Erzeugers. Diese Anpassungen dürfen für den betreffenden Mitgliedstaat keine Erhöhung der in Artikel 3 genannten Gesamtmengen für Lieferungen und Direktverkäufe bewirken."

Art. 4 der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2988/95 lautet:

"Artikel 4

     (1) Jede Unregelmäßigkeit bewirkt in der Regel den Entzug des

rechtswidrig erlangten Vorteils

     -        durch Verpflichtung zur Zahlung des geschuldeten

oder Rückerstattung des rechtswidrig erhaltenen Geldbetrags;

     -        durch vollständigen oder teilweisen Verlust der

Sicherheit, die für einen Antrag auf Gewährung eines Vorteils oder bei Zahlung eines Vorschusses geleistet wurde.

...

(3) Handlungen, die nachgewiesenermaßen die Erlangung eines Vorteils, der den Zielsetzungen der einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zuwiderläuft, zum Ziel haben, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden, haben zur Folge, dass der betreffende Vorteil nicht gewährt bzw. entzogen wird."

§ 103 Abs. 1 MOG lautet (auszugsweise):

     "§ 103. (1) Bescheide können von Amts wegen von der Behörde,

die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des

Aufsichtsrechts vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft

aufgehoben oder abgeändert werden,

     1.        wenn der dem Bescheid zu Grunde liegende

Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unrichtig festgestellt

oder aktenwidrig angenommen wurde,

     2.        wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen

wurden, bei deren Einhaltung ein anders lautender Bescheid hätte

erlassen werden können, oder

     3.        wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

..."

Die belangte Behörde hat die ihres Erachtens vorliegende inhaltliche Rechtswidrigkeit des Bescheides der erstinstanzlichen Behörde vom 19. April 1999 sowie die ihres Erachtens gebotene Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Umwandlung der Direktverkaufs-Referenzmenge zunächst damit begründet, dass keine "von den Gemeinschaftsrechtsvorschriften geforderte begründete Änderung des Vermarktungsverhaltens" vorliege, sondern die Änderung des Vermarktungsverhaltens von Beginn an bezweckt gewesen sei. Unter Hinweis auf § 21 BAO, der eine Beurteilung des Sachverhaltes auf Grund des wahren wirtschaftlichen Gehalts erfordere und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften wird darüber hinaus geschlossen, dass keine begründete Änderung des Vermarktungsverhaltens vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Oktober 2000, Zl. 2000/17/0058, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, zur Auslegung des Begriffes "begründeter Antrag" in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 zusammengefasst folgende Auffassung vertreten:

Der Begriff "begründeter Antrag" in der in Rede stehenden Verordnungsbestimmung stellt auf das Erfordernis einer inhaltlichen Begründetheit des Antrages ab. Allein das Faktum der Änderung in den Lieferungen bzw. Direktverkäufen bildet daher noch keinen Anlass für die Umwandlung. Andererseits ergibt sich aus der in Rede stehenden Bestimmung keineswegs, dass im Falle der Beendigung einer Lieferbeziehung durch die Kündigung des Vertrages durch den Vertragspartner keine derartige begründete Änderung vorliegt, wenn - was die belangte Behörde im Beschwerdefall als gegeben unterstellt - nur eine kurzfristige Lieferbeziehung intendiert war. Es ist unzutreffend anzunehmen, eine "Änderung bei seinen Lieferungen und Direktverkäufen" im Sinne des Art. 4 Abs. 2 der in Rede stehenden Verordnung liege nur dann vor, wenn langfristige Lieferbeziehungen ausliefen oder vom Vertragspartner des Milcherzeugers gekündigt würden. Vielmehr kann die Notwendigkeit der Erschließung einer neuen Absatzmöglichkeit nach Beendigung einer Lieferbeziehung durch den Vertragspartner des Milcherzeugers, jedenfalls dann, wenn Letzterer durch sein Verhalten keinen Anlass für die Beendigung gegeben hat, auch in diesem (materiellen) Sinn durchaus als ausreichend für das Vorliegen des Tatbestandes "Änderung bei den Direktverkäufen" angesehen werden.

Genau dieser Fall liegt aber hier vor. Nach Beendigung der Lieferbeziehung durch A war der Beschwerdeführer vorliegendenfalls gezwungen, neue Absatzmöglichkeiten für seine Milch zu erschließen. Die Berufung auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Umwandlung nach Art. 4 Abs. 2 der in Rede stehenden Verordnung war damit verfehlt.

Streitentscheidend ist daher, ob die Argumentation der belangten Behörde im Zusammenhang mit § 21 BAO und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 zutreffend ist, da diesfalls der Bescheid ungeachtet der aufgezeigten verfehlten grundsätzlichen Rechtsansicht der Behörde betreffend Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 nicht rechtswidrig wäre.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 23. Oktober 2000 weiters ausführte, ist Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 nicht nur im Falle von Beihilfenregelungen im engeren Sinn, sondern auch im Zusammenhang mit Marktordnungsregelungen, bei denen die Wirtschaftstätigkeit wie im Falle der Referenzmengen für Milch und der für Überlieferungen zu zahlenden Abgabe reglementiert ist, anwendbar. Geht man nun den obigen Ausführungen folgend davon aus, dass das Vorliegen der Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 im Beschwerdefall grundsätzlich nicht bestritten werden kann, käme eine Versagung der Anwendung des Art. 4 Abs. 2 der genannten Verordnung nur in Betracht, wenn die "künstliche Schaffung der Voraussetzungen für die Erlangung des Vorteils" im Sinn des Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2988/95 nachgewiesen wäre. Das Vorliegen der diesbezüglichen Voraussetzungen kann aber nach dem Vorgesagten nicht schon allein mit Hinweis auf eine kurzfristige Lieferbeziehung begründet werden, hieße dies doch den Anwendungsbereich des Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 deutlich einzuschränken, weil nur in den seltensten Fällen der von der Behörde offenbar verlangte Nachweis von (erwartungsgemäß) dauerhaften Lieferbeziehungen gelingen wird.

Insoweit die belangte Behörde aber im angefochtenen Bescheid dem Beschwerdeführer vorwirft, die Anlieferung der Milch an A sei von vornherein vor allem erfolgt, um letztendlich seine Anlieferungs-Referenzmenge auszuweiten, entbehrt diese Annahme einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung. Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens wurde eine diesbezügliche unbefristete, jedoch vom Abnehmer kündbare, Vereinbarung geschlossen und im 12-Monatszeitraum 1997/98 auch vollzogen. Die Auflösung der getroffenen Liefervereinbarung hatte seine Gründe darin, dass A in der Periode 1998/99 nunmehr selbst Milchkühe gehalten hatte. Das Erfordernis, die in der Periode 1997/98 direkt vermarktete Milch anders abzusetzen, resultierte demnach aus Umständen, die in der Sphäre des A lagen. Nach dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, mit dem sich die belangte Behörde nicht argumentativ auseinander gesetzt hat, war für ihn auch im Zeitpunkt des Abschlusses der Liefervereinbarung mit A nicht absehbar, dass A zu einem späteren Zeitpunkt wieder Milchkühe einstellen werde.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann ihre Annahme, der Beschwerdeführer habe die in Rede stehende Vereinbarung vor allem deshalb geschlossen, um künstlich die Voraussetzungen für den späteren Erwerb einer Anlieferungs-Referenzmenge zu schaffen, nicht schlüssig aus seinem Berufungsvorbringen abgeleitet werden, wonach es an einer Rechtsgrundlage für die Versagung der beantragten Umwandlung bzw. für die Aufhebung des Bescheides vom 19. April 1999 fehle. Auch der ins Treffen geführte Umstand, dass der Beschwerdeführer vor dem Zeitraum April 1997 bis März 1998 überschüssige Milch an eigene Kälber verfütterte, vermag diese Schlussfolgerung nicht zu begründen, zumal sich dem Beschwerdeführer eben für den Folgezeitraum die Möglichkeit einer Direktvermarktung angeboten hat. Feststellungen des Inhaltes, dass diese Direktvermarktung im Verhältnis zur Verfütterung der Milch an eigene Kälber unwirtschaftlich gewesen wäre, wurden nicht getroffen. Auch der Umstand, dass - wie die belangte Behörde auch ausdrücklich feststellt zu Recht - anderen Landwirten, die vor 1997 an A Milch geliefert hatten, die diesbezüglichen Direktverkaufs-Referenzmengen in Anlieferungs-Referenzmengen umgewandelt wurden, vermag die im angefochtenen Bescheid getroffene Annahme, die Liefervereinbarung des Beschwerdeführers mit A habe der künstlichen Schaffung der Voraussetzungen für den Erwerb weiterer Anlieferungs-Referenzmengen gedient, nicht zu begründen.

Damit kann es im vorliegenden Fall aber auch dahingestellt bleiben, ob § 21 BAO hier anwendbar ist (nach der hg. Rechtsprechung sind die Vorschriften der BAO auch im Verfahren betreffend die Anlieferungs-Referenzmengen anwendbar, Gleiches muss für das Verfahren betreffend die Direktverkaufs-Referenzmengen bzw. das vorliegende Umwandlungsverfahren gelten) oder ob dies, weil die in Rede stehende Norm als Auslegungsregel für die "Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen" eine Vorschrift des materiellen Rechts darstellt, auch bei grundsätzlicher Anwendung der Verfahrensbestimmungen der BAO nicht der Fall ist. Es ist nämlich nicht ersichtlich, zu welcher anderen Beurteilung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalts im Beschwerdefall eine wirtschaftliche Betrachtungsweise führen sollte. Die Tatsache des Vertragsabschlusses und der Lieferungen an den Abnehmer der Milch sowie die nachfolgende Beendigung des Vertrages kann auch unter Anlegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht anders beurteilt werden. Auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ist die Tatsache, dass sich Änderungen ergeben haben, die die Direktverkäufe und Lieferungen des Beschwerdeführers betreffen, nicht zu leugnen.

Nach dem Vorgesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 27. November 2000

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 begründeter Antrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000170056.X00

Im RIS seit

01.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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