TE OGH 2009/1/28 1Ob3/09m

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Veröffentlicht am 28.01.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Sabrina S*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Margit S*****, ebendort, vertreten durch Mag. Robert Steinacher, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom 17. Oktober 2008, GZ 2 R 109/08d-41, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 14. Juli 2008, GZ 21 P 64/07f-26, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Am 10. 4. 2007 wurde vom Jugendamt ein Verfahren zur Prüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters für die Betroffene angeregt. Mit Beschluss vom 26. 3. 2008 bestellte das Erstgericht nach Erstanhörung die Mutter der Betroffenen (die nunmehrige Revisionsrekurswerberin) zur Verfahrenssachwalterin gemäß § 119 AußStrG.

Mit Beschluss vom 14. 7. 2008 wurde sie ihres Amtes als Verfahrenssachwalterin enthoben und der NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung zum (neuen) Verfahrenssachwalter und gleichzeitig auch zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 120 AußStrG bestellt. Das Erstgericht begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass aufgrund der Ergebnisse eines (weiteren) psychologischen Sachverständigengutachtens nunmehr feststehe, dass die Mutter als Verfahrenssachwalterin doch nicht die erforderliche Eignung aufweise. Da die Erkrankung der Betroffenen einen progressiven Verlauf habe und nach Abmeldung der Betroffenen von der Tagesstätte eine strukturierte Pflege und notwendige Förderung nicht mehr gewährleistet sei, sei zur Wahrung deren Wohls eine Umbestellung des Verfahrenssachwalters vorzunehmen und ein einstweiliger Sachwalter zur Besorgung bestimmter - im einzelnen aufgezählter - dringender Maßnahmen zu bestellen.

Wie sich aus der Aktenlage ergibt, hatte das Erstgericht vor Beschlussfassung das psychologische Sachverständigengutachten weder der (bisherigen) Verfahrenssachwalterin noch der Betroffenen selbst zugestellt. Die (bisherige) Verfahrenssachwalterin erhielt das Gutachten (erstmals) mit gleicher Post wie die Ausfertigung des erstinstanzlichen Beschlusses.

In ihrem selbstverfassten Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Beschluss brachte die (bisherige) Verfahrenssachwalterin vor, die Entscheidung des Erstgerichts sei nur „durch üble Verleumdung" zustande gekommen, weswegen sie „bei der Staatsanwaltschaft Wien Klage einreiche". Sie lege entschieden gegen alle in dem Beschluss angeführten Punkte „Berufung" ein. Nachdem sie von der Erstrichterin zwecks Verbesserung des Rekurses zu Gericht geladen und über die Möglichkeit der Anführung von Rekursgründen belehrt worden war, brachte sie vor, sie habe ihren schriftlichen Ausführungen nichts mehr hinzuzufügen. Das Gutachten sei „falsch"; die aus dem Gutachten ersichtlichen, gegen sie erhobenen Vorwürfe seien unrichtig.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es bestehe die (objektive) Möglichkeit bzw Gefahr einer erheblichen Interessenkollision, weil der Mutter mangelnde Pflege und die nicht hinreichende Verwendung des Pflegegelds für die Betroffene vorgeworfen werde; außerdem seien an der Betroffenen wiederholt Verletzungen festgestellt worden, weshalb die Bestellung des NÖ Landesvereins für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung als (neuem) Verfahrenssachwalter und zugleich als einstweiligem Sachwalter dem Wohl der Betroffenen entspreche. Eine mündliche Verhandlung sei wegen der Dringlichkeit der zu setzenden Maßnahmen nicht anzuberaumen gewesen.

In ihrem Revisionsrekurs macht die Revisionsrekurswerberin Nichtigkeit des Verfahrens mit der Begründung geltend, es sei in das ihr als Verfahrenssachwalterin zustehende Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs eingegriffen worden, indem ihr das zu ihrer Enthebung Anlass gebende psychologische Sachverständigengutachten vor Beschlussfassung nicht zur Kenntnis gebracht worden sei. Als Mutter und Verfahrenssachwalterin sei ihr ein materielles Interesse am Verfahrensausgang zuzubilligen, weshalb sie vor Enthebung als Verfahrenssachwalterin zur Wahrung des rechtlichen Gehörs anzuhören oder ihr sonst eine Möglichkeit zu geben gewesen wäre, zum Gutachten Stellung zu nehmen. Diesfalls hätte sie sämtliche Misshandlungsvorwürfe aufklären, entkräften und die von ihr veranlasste Abmeldung der Betroffenen von der Tagesstätte ausreichend begründen können. Weiters hätte sie vorbringen können, warum es dem Wohl der Betroffenen entspreche, zu Hause gepflegt zu werden. Vor allem hätte sie die Behauptung, ihre Beziehung zur Betroffenen sei mit starken Konflikten belastet und eine externe Unterbringung würde sich positiv auswirken, wirksam entkräften und darlegen können, dass sie ihre Tochter liebe und nur das Beste für sie wolle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen.

1. Mit dem erstgerichtlichen Beschluss wurde die bisherige - gemäß § 119 AußStrG bestellte - Verfahrenssachwalterin unter gleichzeitiger Neubestellung eines anderen Verfahrenssachwalters enthoben („Umbestellung"), sodass zu prüfen ist, ob der bisherigen Verfahrenssachwalterin weiterhin Vertretungsmacht (und Rechtsmittellegitimation) zukommt oder ob diese erloschen ist. Dafür maßgeblich ist, ob der Bestellungsbeschluss des neuen Verfahrenssachwalters sofortige Wirksamkeit entfaltet. Grundsätzlich geht das neue AußStrG, BGBl I 2003/111 (im Gegensatz zur früheren Rechtslage), davon aus, dass der Eintritt der Wirkungen eines Beschlusses bis zu dessen Rechtskraft gehemmt wird. Eine Ausnahme von dieser Grundregel besteht ua für den einstweiligen Sachwalter gemäß § 120 AußStrG, der - im Hinblick auf die Dringlichkeit der von ihm zu besorgenden Angelegenheiten - kraft gesetzlicher Anordnung (§ 120 Abs 1 Satz 1 AußStrG) mit sofortiger Wirksamkeit bestellt wird. Für den Verfahrenssachwalter fehlt eine vergleichbare Ausnahmeregelung.

Wie der Oberste Gerichtshof jüngst ausgesprochen hat, wird aber auch nach dem Inkrafttreten des neuen AußStrG die Bestellung eines Verfahrenssachwalters bereits mit der Zustellung des Bestellungsbeschlusses wirksam. Eine unterschiedliche Bewertung des Rechtsschutzbedürfnisses der betroffenen Person je nachdem, ob ein Verfahrenssachwalter oder ein einstweiliger Sachwalter bestellt wurde, sei nicht gerechtfertigt. In beiden Fällen seien in der Regel dringende Maßnahmen geboten, die keinen Aufschub dulden. Auch die Erläuterungen des Gesetzgebers zu den §§ 119 und 120 AußStrG würden darauf hindeuten, dass bei beiden Instituten im Wesentlichen eine inhaltliche Bestätigung der früheren Rechtslage angestrebt wurde. Das Fehlen einer klarstellenden Regelung über den Eintritt der Wirksamkeit der Bestellung eines Verfahrenssachwalters stelle eine planwidrige Unvollständigkeit des § 119 AußStrG dar, die eine analoge Anwendung des § 120 Abs 1 Satz 1 AußStrG erfordere (2 Ob 173/08t; Zankl/Mondel in Rechberger, AußStrG § 119 Rz 2).

Wird der Beschluss über die Bestellung eines neuen Verfahrenssachwalters also bereits mit der Zustellung wirksam, ist ab diesem Zeitpunkt der neu bestellte Verfahrenssachwalter befugt und verpflichtet, die Interessen der Betroffenen zu wahren, woraus folgt, dass die Vertretungsmacht der bisherigen Verfahrenssachwalterin erloschen ist. Diese ist ab dem Zeitpunkt, in dem sie von ihrem Amt enthoben wurde, nicht mehr legitimiert, gegen den „Umbestellungsbeschluss" Rechtsmittel zu erheben. Das Gericht hat nur noch den neu bestellten Verfahrenssachwalter als solchen zu behandeln.

2. Wenngleich einem Verfahrenssachwalter grundsätzlich das Rekursrecht gegen die Bestellung eines einstweiligen Sachwalters zukommt, ist auch diese Befugnis nur so lange gegeben, als die Vertretungsmacht des Verfahrenssachwalters nicht erloschen ist (Zankl/Mondel aaO § 120 Rz 7; Maurer, Das Österreichische Sachwalterrecht in der Praxis3, § 119 Rz 26). Wie vorhin ausgeführt, ist Letzteres zufolge der sofortigen Wirksamkeit des Beschlusses, mit dem der NÖ Landesverein für Sachwalterschaft und Bewohnervertretung zum Verfahrenssachwalter bestellt wurde, aber der Fall.

3. Ein weiterer Grund für die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses ergäbe sich aus folgenden Erwägungen:

Im Sachwalterverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung die Rechtsmittelbefugnis des (endgültig bestellten) Sachwalters auf im Interesse des Betroffenen erhobene Rekurse eingeschränkt. Diese Einschränkung findet ihre Begründung darin, dass die Wahrung dessen Wohls oberste Maxime ist, weshalb ein Sachwalter grundsätzlich nur im Interesse des Betroffenen tätig zu werden hat. Er erwirbt durch die Bestellung keine eigenen Rechte, in die eingegriffen werden könnte (1 Ob 607/87 = SZ 60/103; 1 Ob 532/86; 1 Ob 542/82). Es besteht daher kein gesetzlich verankertes Recht, in der Funktion des Sachwalters zu verbleiben (7 Ob 213/01a). Diese - auf endgültig bestellte Sachwalter zutreffenden - Grundsätze müssen ebenso für den Verfahrenssachwalter Geltung haben, liegt doch auch dessen einzige Aufgabe darin, ausschließlich Interessen des Betroffenen während der Dauer des Verfahrens wahrzunehmen (1 Ob 63/01y). Dessen ungeachtet erhebt die Revisionsrekurswerberin den Revisionsrekurs im eigenen Namen (ausschließlich) zur Wahrung ihrer Stellung als Verfahrenssachwalterin. Dies ergibt sich nicht nur daraus, dass sie in ihrem Rechtsmittel ausdrücklich sich selbst - und nicht die Betroffene - als Revisionsrekurswerberin bezeichnet, sondern auch aus dem Inhalt ihres Rechtsmittelvorbringens, nach dem sie - zusammengefasst - die Wahrung des ihr als Verfahrenssachwalterin zustehenden Rechts auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 15 AußStrG) mit dem Ziel einfordert, die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu entkräften und ihre Stellung als Verfahrenssachwalterin zu wahren. Ein nicht im Namen und im Interesse der Betroffenen eingebrachter Revisionsrekurs eines Verfahrenssachwalters ist mangels Rechtsmittellegitimation zurückzuweisen.

4. Letztlich kann auch der Umstand, dass die Revisionsrekurswerberin auf ihre Stellung als Mutter der Betroffenen Bezug nimmt, nicht zu einer Entscheidung in der Sache führen. Die Judikatur, nach der Dritte - auch die Eltern eines Betroffenen - kein Rekursrecht haben, ist im Hinblick auf den klaren Gesetzeswortlaut des § 127 AußStrG fortzuschreiben (6 Ob 284/05s). Durch das auf den vorliegenden Fall bereits anzuwendende SWRÄG 2006 ergab sich eine Änderung nur insofern, als nunmehr im Bestellungsverfahren auch den nächsten Angehörigen dann ein Rekursrecht zukommt, wenn ihre Vertretungsbefugnis im Österreichischen Zentralen Vertretungsverzeichnis registriert ist (1 Ob 173/07h). Dass dieses Erfordernis erfüllt wäre, hat die Revisionsrekurswerberin nicht behauptet.

Ist ein Revisionsrekurs aus einem anderen Grund als wegen Fehlens der Voraussetzungen nach § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig, ist er bereits vom Gericht erster Instanz, allenfalls auch vom Gericht zweiter Instanz, zurückzuweisen (§ 67 AußStrG). Dies ist vom Obersten Gerichtshof nachzuholen, ohne dass auf die Rechtsmittelausführungen inhaltlich einzugehen wäre.

Dies führt zur Zurückweisung des Revisionsrekurses mangels Rechtsmittellegitimation.

Textnummer

E90099

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00003.09M.0128.000

Im RIS seit

27.02.2009

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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