TE OGH 2009/2/23 8Ob154/08t

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Veröffentlicht am 23.02.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Petra B*****, und 2. Markus B*****, beide vertreten durch Mag. Egon Lechner, Rechtsanwalt in Münster, gegen die beklagten Parteien 1. Josef W*****, 2. Elisabeth W*****, und 3. Andreas W*****, alle vertreten durch Mag. Martin Schallhart, Rechtsanwalt in Jenbach, wegen Einräumung einer Dienstbarkeit (in eventu 5.080 EUR sA), über den Rekurs der Kläger gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 1. Oktober 2008, GZ 1 R 215/08m-26, womit die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bezirksgerichts Rattenberg vom 15. Jänner 2008, GZ 1 C 982/06y-18, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Kläger unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen. Die Rekurskosten sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die Kläger waren bereits in erster Instanz durch den nunmehrigen Klagevertreter vertreten. Das Erstgericht wies mit Urteil vom 15. 1. 2007 (richtig: 15. 1. 2008) sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren der Kläger ab. Dieses Urteil wurde dem Klagevertreter am 21. 1. 2008 zugestellt.

Am 19. 2. 2008 langte beim Erstgericht ein Antrag beider Kläger auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang „für das Berufungsverfahren" ein. Neben dem Eingangsvermerk der Einlaufstelle mit dem Datum „19. 2. 2008" findet sich der handschriftliche Zusatz „pers".

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 27. 3. 2008 den Antrag der Kläger auf Gewährung der Verfahrenshilfe für das Berufungsverfahren ab. Dieser Beschluss wurde dem Klagevertreter ebenso wie beiden Klägern persönlich am 8. 4. 2008 zugestellt. Am 5. 5. 2008 gab der Klagevertreter die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende Ersturteil zur Post.

Diese Berufung wies das Berufungsgericht mit dem nun angefochtenen Beschluss als verspätet zurück: Das Berufungsgericht ging davon aus, dass mit Rücksicht auf die Zustellung des Ersturteils an den Klagevertreter am 21. 1. 2008 die Berufungsfrist für die Kläger mit Ablauf des 18. 2. 2008 geendet habe. Der erst am 19. 2. 2008 beim Erstgericht persönlich überreichte Verfahrenshilfeantrag sei daher verspätet und habe die mit Ablauf des 18. 2. 2008 eingetretene Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses nicht mehr beseitigen können. Daran ändere nichts, dass das Erstgericht bei seiner den Verfahrenshilfeantrag abweisenden Entscheidung die Verspätung der Antragstellung offensichtlich übersehen habe.

Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO jedenfalls zulässige (RIS-Justiz RS0042770) und nach ständiger Rechtsprechung einseitige (RIS-Justiz RS0098745) Rekurs der Kläger mit dem Antrag, den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts ersatzlos zu beheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung in der Sache selbst aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Aufgrund des Rekursvorbringens der Kläger trug der Senat dem Erstgericht mit Beschluss vom 16. 12. 2008 Erhebungen zur Rechtzeitigkeit des Verfahrenshilfeantrags auf. Nach Durchführung dieser Erhebungen ist bescheinigt, dass der Zweitkläger am 18. 2. 2008 einen Antrag beider Kläger auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang beim Postamt in Jenbach als Einschreibsendung aufgegeben hat. Ungeachtet dessen, dass auf dem Postaufgabeschein zwar die richtige Postleitzahl „6240" (des Erstgerichts) vermerkt, allerdings als unrichtiger Ort „Brixlegg" eingetragen wurde, langte die Einschreibsendung mit den Verfahrenshilfeanträgen beider Kläger am 19. 2. 2008 beim Erstgericht ein. Offenbar irrtümlich unterließ der zuständige Beamte des Erstgerichts den Vermerk, dass das Schriftstück am 18. 2. 2008 bei der Post aufgegeben wurde. Ebenfalls offenkundig irrtümlich wurde das entsprechende Kuvert nicht angeschlossen und der Vermerk „pers" angebracht.

Dieser bescheinigte Sachverhalt ergibt sich unbedenklich aus den Ergebnissen des vom Erstgericht durchgeführten Erhebungsverfahrens. Der Zweitkläger sagte dezidiert aus, er habe das Schriftstück am 18. 2. 2008 beim Postamt Jenbach eingeschrieben aufgegeben. Er versicherte ebenfalls, dass andere ihn betreffende Verfahren beim Erstgericht nicht anhängig seien. Diese Aussage in Verbindung mit dem vom Zweitkläger vorgelegten Postaufgabeschein vom selben Tag sowie der Tatsache, dass die vom Erstgericht befragten zuständigen Beamten des Erstgerichts nicht mit Sicherheit angeben konnten, ob das Schriftstück mit der Post kam oder persönlich überreicht wurde, haben zur Beurteilung zu führen, dass wesentliche Indizien dafür bestehen, dass der Zweitkläger das Schriftstück tatsächlich fristgerecht bei der Post eingeschrieben abfertigte. Dabei ist hervorzuheben, dass jener Beamte, der das Schriftstück entgegennahm, sich an den konkreten Zustellvorgang nicht erinnern kann; die Beamtin, die den Einlaufstempel am Schriftstück anbrachte, sagte ausdrücklich aus, sie vermute, dass das Schriftstück mit der Post gekommen sei. Ausgehend davon, dass somit bescheinigt ist, dass die Kläger den Verfahrenshilfeantrag am 18. 2. 2008, also am letzten Tag der Berufungsfrist, zur Post gaben, erweist sich die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts als unzutreffend. Die Zurückweisung der Berufung durch das Berufungsgericht erfolgte daher zu Unrecht, weshalb der angefochtene Beschluss ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung aufzutragen war. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E901748Ob154.08t-2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00154.08T.0223.000

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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