TE OGH 2009/3/19 1R44/09m

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Veröffentlicht am 19.03.2009
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Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekurs- und Berufungsgericht in der Rechtssache der klagenden Partei M***** L*****, *****, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen die beklagte Partei Ing. G***** R*****, *****, 1130 Wien, vertreten durch Kosch & Partner, Rechtsanwälte in Wr. Neustadt, wegen EUR 669.856,-- sA, über (richtig:) den Rekurs und die Berufung der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26.11.2008, GZ 20 Cg 121/06g-27 I. durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Schaller und Dr. Rassi in nichtöffentlicher Sitzung den

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 5.427,72 (darin enthalten EUR 904,62 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

und

B e g r ü n d u n g:

Der Kläger begehrte EUR 669.856,00 sA als Anteil des Umsatzes, den die zwischen den Streitteilen gebildete Gesellschaft aus der Ausbeutung von Mineralien und Edelsteinen erzielt hätte. Eine entsprechende Vereinbarung sei zwischen den Streitteilen im Mai 1996 getroffen worden.

Der Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass zwischen den Parteien kein Rechtsverhältnis bestanden hätte. Der Kläger sei Angestellter der MR***** GmbH (im Folgenden: MR*****) gewesen, dessen alleiniger Geschäftsführer der Beklagte gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht die Klage ab. Es traf dabei die auf den Seiten 5 bis 6 der Urteilsausfertigung wiedergegebenen Feststellungen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verweisen wird. Zusammengefasst sei hervorgehoben, dass die vom Kläger behauptete Vereinbarung zwischen den Streitteilen im Mai 1996 nicht festgestellt werden konnte. Der Kläger war ab Mitte der 90er Jahre ein Angestellter der MR*****, dessen Geschäftsführer der Beklagte war. Letzteres war dem Kläger bewusst. Dem für An- und Verkauf zuständigen Kläger wurde eine Provision für den Fall eines erfolgreichen Verkaufs eingeräumt. Der Kläger war bis zu seiner Kündigung im Jahr 2003 (auch) Direktor der E***** Ltd (im Folgenden kurz: E*****), die in Namibia Edelsteine schürfte. Die MR***** und die E***** vereinbarten, dass jene alle Steine um 25% verbilligt bekomme. Die dem Klagsbetrag über EUR 513.820,-- zugrunde liegenden Steine wurden bis dato nicht verkauft.

In rechtlicher Hinsicht stützte das Erstgericht seine Abweisung im Wesentlichen darauf, dass der Kläger die von ihm behauptete mündliche Vereinbarung nicht nachgewiesen habe. Auch ein Verkauf der Steine hinsichtlich des Begehrens über EUR 513.820,-- sei nicht bewiesen worden.

Gleichzeitig wies das Erstgericht den klägerischen Antrag auf Vernehmung der Zeugin M***** M***** beschlussmäßig als im Sinne von § 179 ZPO verspätet zurück. Der Kläger hätte diesen Antrag erst in der letzten Verhandlung gestellt, obwohl es sich beim entsprechenden Beweisthema um den „inhaltlich und evidenter Maßen strittigsten Punkt“ seit der Klagseinbringung handle.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Abänderung des Urteils im stattgebenden Sinn; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Gleichzeitig erhebt der Kläger im Rahmen des Berufungsschriftsatzes auch einen Rekurs gegen den Zurückweisungsbeschluss und beantragt dessen Abänderung dahin, dass die Einvernahme der Zeugin May zugelassen werde.

Der Beklagte beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Text

Beschluss

gefasst:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

II. durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Dr. Jesionek als Vorsitzende sowie den Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Rassi und den KR Ing. Pridt nach öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs und die Berufung sind nicht berechtigt.

Zum Rekurs des Klägers:

Gegen einen Beschluss nach § 179 ZPO ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig (§ 179 Satz 3 ZPO). Gemäß § 515 ZPO können die Parteien bei Ausschluss des abgesonderten Rekurses, diesen Beschluss mit dem gegen die nächstfolgende anfechtbare Entscheidung eingebrachten Rechtsmittel anfechten.

Die zweite Instanz hat über den vorbehaltenen Rekurs als Rekursgericht zu entscheiden (Kodek (in Rechberger³ § 515 ZPO Rz 1) und Zechner (in Fasching/Konecny² § 515 ZPO Rz 9; RIS-Justiz RS0108617). Selbst das Vergreifen in der Bezeichnung des Rechtsmittels gegen einen nicht abgesondert anfechtbaren Beschluss hat keine nachteiligen Folgen. Wenn der Rechtsmittelwerber den vorbehaltenen Rekurs daher nicht förmlich erhebe, sondern ihn faktisch einfach als besonderen Beschwerdepunkt im (nachfolgend) zulässigen Rechtsmittel ausführt, ist über ihn gleichwohl abzusprechen, da die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels oder seiner Gründe unbeachtlich ist, solange nur das Begehren deutlich erkennbar ist (Zechner aaO Rz 10).

Gemäß § 179 ZPO können die Parteien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorbringen. Solches Vorbringen kann jedoch vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen zurückgewiesen werden, wenn es, insbesondere im Hinblick auf die Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens (§ 182a ZPO), grob schuldhaft nicht früher vorgebracht wurde und seine Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde. Gegen den Beschluss ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Das Gesetz bekennt sich zum Grundsatz uneingeschränkten Vorbringens während der gesamten Verhandlung und gibt damit der Vollständigkeit der Stoffsammlung Vorrang. Eine zeitliche Begrenzung ergibt sich nur aus dem Schluss der Verhandlung in erster Instanz. Späterem Vorbringen steht das Neuerungsverbot des § 482 ZPO im Weg. Da die Verhandlung bis zur Verkündung ihres Schlusses als Ganzes anzusehen ist (§ 193 Abs 2 ZPO) ist es grundsätzlich, wenn also nicht die weiteren Bestimmungen des § 179 ZPO zum Tragen kommen, gleichgültig, ob ein Vorbringen in mehreren Tagsatzungen erstattet wird. Selbst nach Durchführung des Beweisverfahrens ist neues Vorbringen zulässig; es kann sogar erst durch sein Ergebnis notwendig werden. Eine Präklusion allein aus dem Grund, ein Vorbringen sei nicht zur gehörigen Zeit erstattet worden, ist dem Gesetz nicht bekannt. Für die Zulässigkeit neuen Vorbringens ist es gleichgültig, wie lange das Verfahren bereits gedauert hat; auch die Gründe, die dazu führten, sind irrelevant (Schragel in Fasching/Konecny² § 179 ZPO Rz 3). Hier ist darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht kein neues Vorbringen oder einen damit im Zusammenhang stehenden Beweisantrag zurückgewiesen hat, sondern ein weiteres Beweisanbot zu den bisherigen Behauptungen des Klägers nicht zugelassen hat. Dies ändert aber nichts an der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 179 ZPO. § 179

2. Satz ZPO gilt auch für Anträge von Parteien auf Aufnahme zusätzlicher Beweise, ohne dass neues tatsächliches Vorbringen erstattet wird (vgl dazu Rechberger in Rechberger³ § 275 ZPO Rz 3;

ähnlich M. Bydlinski, ZPO mit Kommentar zur ZVN 2002, 94, 170;

weiters OLG Linz 2 R 56/04z und hg 1 R 242/06z).

Die Zulassung neuen Vorbringens und neuer Beweisanträge bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz dient zwar, wenn es zur Sache erstattet wird, der Richtigkeit des Verfahrensergebnisses, schadet aber der anzustrebenden Raschheit der Entscheidungsfindung. Die großzügige Zulassung neuen Vorbringens und neuer Beweisanträge muss also eine Grenze finden. § 179 Satz 2 ZPO zieht eine solche Grenze. Eine wichtige Voraussetzung für die Zurückweisung von Beweisanträgen ist es, dass diese schon früher hätten vorgebracht werden können, also verspätet sind. Unbedenklich sind allerdings spätere Beweisanträge insbesondere wenn sie sich aus dem Entstehen oder Hervorkommen wesentlicher Umstände im Verfahren rechtfertigen; so können die Ergebnisse der geführten Beweise neue Beweisanbote erfordern, wenn deren unerwarteter Inhalt einer Widerlegung bedarf. Nicht verspätet ist auch ein Beweisantrag, der zu einem zugelassenen neuen Vorbringen der Gegenseite nicht sofort, sondern erst nach Einholung der erforderlichen Informationen erstattet wird (Schragel aaO Rz 5). Neue Beweisanträge dürfen vom Gericht nur dann zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde. Eine solche Verzögerung kann nur eintreten, wenn die Zulassung die Entscheidung der Sache dadurch hinausschieben würde, der Schluss der Verhandlung also auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden müsste. Um den neuen Beweisantrag zu erledigen, müsste zumindest noch eine sonst nicht erforderliche zusätzliche Tagsatzung stattfinden oder ein anderer Verfahrensschritt erforderlich sein, der eine Hinausschiebung der Entscheidung zur Folge hätte. Ist schon aus anderen Gründen eine weitere Tagsatzung erforderlich um die Sache entscheidungsreif zu machen, kann ein neues Beweisanbot die Erledigung des Verfahrens grundsätzlich nicht verzögern, auch wenn sich in der nächsten Tagsatzung herausstellen sollte, dass allein wegen des neuen Beweisantrags noch eine neue Tagsatzung notwendig wird. Das Gesetz verlangt überdies, dass die Verzögerung eine erhebliche sein muss; nicht jede Verzögerung macht einen neuen Beweisantrag unzulässig (Schragel aaO Rz 6). Gegenüber der älteren Rechtslage hat die ZVN 2002 die Möglichkeit erweitert, neues Vorbringen oder neue Beweisanträge zurückzuweisen. Pönalisiert wird nunmehr die Verletzung der Prozessförderungspflicht. Ob allerdings ein Beweisantrag als grob schuldhaft verspätet zurückgewiesen werden kann, ist nach der Formulierung des Gesetzes unter Bedachtnahme auf die Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens (§ 182a ZPO), zu beurteilen (Schragel aaO Rz 7 f).

Grob schuldhaft verspätet beantragte Beweise können vom Gericht von Amts wegen oder über Antrag zurückgewiesen werden. Mit der Bestimmung, dass Vorbringen auch von Amts wegen zurückgewiesen werden kann, will das Gesetz wohl zum Ausdruck bringen, dass es auch Aufgabe des Gerichtes ist, im Sinne der ihm obliegenden straffen Prozessführung unnötige Verzögerungen zu unterbinden. Über die Absicht des Gerichtes, Beweisanträge von Amts wegen als verspätet zurückzuweisen, sind die Parteien zu hören (Schragel aaO Rz 10). Unter Berücksichtigung der aufgezeigten Grundsätze ist der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden.

Die Zulassung des beantragten Zeugenbeweises hätte das (damals) bereits zwei Jahre dauernde Verfahren erheblich verzögert, weil jedenfalls die Anberaumung einer weiteren Tagsatzung notwendig gewesen wäre.

Daneben ist dem Kläger vorzuwerfen, dass er seinen Beweisantrag im Sinne der obigen Ausführungen grob schuldhaft nicht früher gestellt hat. Die Einvernahme der Zeugin M***** wurde erst am 12.09.2008 gegen Ende der bisher fünften Tagsatzung zur Streitverhandlung gestellt. Der Kläger brachte bereits in seiner am 27.09.2006 verfassten Klage vor, die Streitteile hätten mündlich vereinbart, dass der Kläger 25% bzw 50% des Umsatzes aus dem Verkauf von Mineralien und Edelsteinen erhalten sollte, wobei es in der Folge zu Verkäufen gekommen sein soll, die die Umsatzbeteiligung des Klägers ausgelöst hätten. Die Zeugin wurde vom Kläger zum Beweis der behaupteten Vereinbarungen bzw Verkäufe beantragt. In der Erörterung mit dem Erstgericht konnte der Kläger nicht schlüssig darlegen, warum ihm bislang nicht bekannt gewesen sei, dass die Zeugin M***** über das geschilderte Beweisthema Auskunft geben kann. Auszuschließen ist jedenfalls, dass der Kläger eine entsprechende (potentielle) Kenntnis der beantragten Zeugin erst in der Tagsatzung am 12.09.2008 erlangt hat. Insbesondere ergibt sich aus der (vor dem klägerischen Beweisantrag durchgeführten) Vernehmung des Beklagten am 12.09.2008 kein entsprechender (insbesondere kein neuer) Hinweis. Zudem brachte der Kläger nur vage vor, dass M***** M***** seiner Ex-Schwiegermutter „entsprechend berichtet“ habe, worauf die Ex-Schwiegermutter des Klägers diesem „selbst darüber berichtet habe“. Im Widerspruch zu seinen Erklärungsversuchen wies der Kläger darauf hin, dass er die Zeugin aufgrund ihres Dienstverhältnisses für befangen gehalten hätte. Damit ist aber klar dokumentiert, dass der Kläger den Beweisantrag deshalb nicht früher gestellt hat, weil er sich keine vorteilhafte Aussage von M***** M***** erwartet hat. Zutreffend zieht das Erstgericht daraus den Schluss, dass dem Kläger durchaus schon vor der Tagsatzung am 12.09.2008 bewusst war, dass die Zeugin zum entsprechenden Beweisthema aussagen könnte. Der Kläger räumte zuletzt auch ein, dass

M***** M***** bei den Abrechnungen manchmal dabei war. Das zeigt, dass der Kläger bereits zu Beginn des Verfahrens von einer Kenntnis der Zeugin von allfällig relevanten Tatsachen ausgehen musste. Schließlich hat der Beklagte bereits in der Klagebeantwortung zu bestimmten Themenkomplexen, die sich auch mit dem Tatsachensubstrat des Klagsvorbringens schneiden, die Vernehmung von M***** M***** beantragt. Darauf wurde letztendlich verzichtet (vgl ON 11), der gegnerische Beweisantrag war für den Kläger jedoch ein weiterer Hinweis für die potentielle Kenntnis der von ihm zuletzt beantragten Zeugin.

Entgegen den Ausführungen in der Berufung konnten den Kläger auch nicht die Ergebnisse der Beweise derart überraschen, dass deshalb ein neues Beweisanbot für ihn erforderlich war. Insbesonders konnte es für ihn nicht unerwartet sein, dass der Beklagte im Sinne des Beklagtenvorbringens aussagte.

Wenn der Kläger auf Seite 3 seiner Berufung den wahren Hintergrund des verspäteten Antrags andeutet, wonach es zur Verhinderung von Zeugenabsprachen zulässig sein soll, einen Zeugen erst nach durchgeführter Vernehmung der gegnerische Partei zu beantragen, ist ihm nicht zuzustimmen. Ein derartiges von reiner Prozesstaktik und unbegründeten Spekulationen gelenktes Verhalten widerspricht den Grundsätzen der Mitwirkungspflicht der Parteien an einer ökonomischen Verfahrensgestaltung.

Aus diesen Erwägungen war dem Rekurs des Klägers nicht Folge zu geben.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf die §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 2, 528 Abs 2 Z 2 ZPO. Der Kläger hat keine gesonderten Rekurskosten verzeichnet. Ein Kostenzuspruch scheidet aber auch deshalb aus, weil der Rekurs erfolglos blieb.

Zur Berufung des Klägers:

Im Hinblick auf den vom Erstgericht zutreffend gefassten Zurückweisungsbeschluss zur beantragten Einvernahme der Zeugin M***** M***** geht der (allein) darauf gestützte Berufungsgrund eines Verfahrensmangels ins Leere, wobei auf die obigen Ausführungen verwiesen werden kann.

Zur Beweisrüge ist dem Kläger zunächst Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Richter. Dieser hat nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Dabei ist der Richter, anders als nach früheren Prozessordnungen, an keine gesetzlichen Beweisregeln gebunden. Der persönliche Eindruck des Richters, seine Kenntnisse der Lebensvorgänge, seine Erfahrungen in der menschlichen Gemeinschaft und seine Menschenkenntnis werden zur entscheidenden Grundlage für die Wahrheitsermittlung. An die Stelle der generalisierenden Gesetzesvorschriften früherer Verfahrensordnungen ist damit die konkrete richterliche Überzeugung von der Wahrheit im Einzelfall getreten (Fasching, Lehrbuch² Rz 813). Dabei kommt dem anlässlich der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck des Richters von der Glaubwürdigkeit der vernommenen Personen naturgemäß maßgebliche Bedeutung zu, sodass einer Beweisrüge erst dann ein Erfolg beschieden sein kann, wenn stichhaltige Bedenken gegen die Richtigkeit der vom Erstgericht vorgenommenen Beweiswürdigung ins Treffen geführt werden können. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass es einzelne Beweisergebnisse gibt, die für den Prozessstandpunkt des Berufungswerbers sprechen, reicht demgegenüber nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung aufzuzeigen. Vielmehr ist es Wesen der freien Beweiswürdigung, gegebenenfalls auch mehrere einander widersprechende Beweismittel zu würdigen und den ihnen jeweils im Einzelfall zukommenden Beweiswert zu beurteilen.

Das Erstgericht hat nachvollziehbar begründet, aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen es zu seinen Feststellungen gelangte. Dem kann der Kläger in seiner Berufung keine nachvollziehbaren Argumente entgegenzuhalten. Es gelingt ihm nicht, beim Berufungssenat erhebliche Zweifel an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung zu erwecken.

Die Berufung bekämpft die Feststellung des Erstgerichtes, dass Basil Bloch für den Beklagten nicht als Treuhänder tätig war. Das Berufungsgericht kann bei der Beurteilung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung die erst in der Berufung vorgelegte Urkunde wegen des Verstoßes gegen das Neuerungsvervobot (§ 482 ZPO) nicht berücksichtigen. Das Argument des Klägers, dass das Erstgericht bei der Überprüfung der Verfahrenshilfe ihm und nicht dem Beklagten Glauben geschenkt habe, geht schon deshalb ins Leere, weil aus dem der Überprüfung der Verfahrenshilfe zugrunde liegende Verfahren nicht per se auf eine höhere Glaubwürdigkeit des Klägers im Hauptverfahren zu schließen ist. Das Erschleichen der Verfahrenshilfe durch unrichtige oder unvollständige Angaben im Vermögensbekenntnis steht – anders als die falsche unbeeidete Parteiaussage – unter strengen Sanktionen (§ 69 ZPO). Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Beklagte bei der Frage zur Vermögenssituation des Klägers bei der Überprüfung der Verfahrenshilfe keine zweckdienlichen Angaben machen konnte und nicht per se als unglaubwürdig betrachtet wurde. Der Kläger rügt die Feststellung, dass die dem Klagsbetrag über EUR 513.820,-- zugrunde liegenden Steine noch nicht verkauft worden sind. Hier konnte sich das Erstgericht ua auf die Aussage des Klägers stützen, wonach die Steine „zum Großteil“ nicht verkauft wurden (vgl Seite 9 im Protokoll ON 19). Der Kläger wies in seiner Aussage als Partei dabei darauf hin, dass sich die letzten drei Posten lt Pkt 4. der Klage noch in Namibia befänden. Die ersten drei Positionen würden sich noch bei der MRD befinden. Rechnet man diese Positionen zusammen, kommt man auf den Betrag von EUR 513.820,--, sodass die erstgerichtlichen Feststellungen auch hier nicht zu beanstanden sind. Der lapidare Hinweis auf die Beilage ./11 vermag nicht zu überzeugen. Daraus ist für den Berufungssenat nicht ersichtlich, inwieweit hier eine Vermarktung von Edelsteinen tatsächlich erfolgt ist. Vielmehr ist aus dieser Urkunde nur eine Vereinbarung zu entnehmen, wie die Vermarktung geschehen soll (vgl auch „bei Verkauf“, „die Vermarktung soll...“ und „bei raschem Verkauf“). Das Beweisverfahren kann daher die begehrte Ersatzfestellung, dass die Steine bereits verkauft sind, nicht stützen.

Auf die Beweisrüge zum angefochtenen non-liquet betreffend die Fälligstellung (Punkt B.3. der Berufung) des behaupteten Anteils musste mangels wirksamer Vereinbarung zwischen den Streitteilen (dazu sogleich) nicht näher eingegangen werden.

In seiner Beweisrüge in Punkt B.4. bekämpft der Kläger, dass das Erstgericht eine persönliche Vereinbarung zwischen den Streitteilen nicht feststellen konnte. Auch hier überzeugt die Beweisrüge nicht. Das Erstgericht hat zutreffend auf die Widersprüche in der klägerischen Aussage hingewiesen. Zum einem sprach der Kläger von einer Kooperationsvereinbarung zwischen der MRD und der Eximus. Alle Steine seien von der Eximus abgebaut worden. Zum anderen berief er sich auf eine „ursprüngliche Vereinbarung“ zwischen den Streitteilen. Aus der Beilage ./11 kann zugunsten des Klägers keine Vereinbarung zwischen den Streitteilen über einen allfälligen Anteil an einem Verkaufserlös abgeleitet werden. Die diesbezüglich bloß spekulativen Annahmen des Berufungswerbers können die Unbedenklichkeit der Beweiswürdigung nicht erschüttern.

Das Berufungsgericht übernimmt daher die aufgrund einer unbedenklichen Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen und legt sie seiner weiteren rechtlichen Beurteilung zugrunde. Daran anknüpfend versagt auch die Rechtsrüge. Entgegen der Berufung (vgl Punkt C.1.) kann das Berufungsgericht aus den getroffenen Feststellungen nicht ansatzweise ableiten, dass zwischen den Streitteile „zumindest konkludent aufgrund der Zusammenarbeit eine entsprechende Vereinbarung zustande gekommen ist, aufgrund der der Kläger Anspruch auf die begehrten Beträge hat.“ Abgesehen davon, dass die der Klage (jedenfalls im Ausmaß von EUR 513.820,--) zugrunde liegenden Steine ohnedies noch nicht verkauft wurden, ist insbesondere nicht ersichtlich, woraus eine (wenn auch schlüssig getroffene) Umsatzbeteiligung des Klägers abgeleitet werden kann. Auch der geltend gemachte sekundäre Feststellungsmangel zur Frage des Verkaufs liegt nicht vor. Hier hat das Erstgericht nämlich ausdrücklich festgestellt, dass jedenfalls die dem Klagsbetrag über EUR 513.820,-- zugrunde liegenden Steine nicht verkauft wurden. Betreffend die übrigen Steine reichen die Feststellungen des Erstgerichts aber deshalb aus, weil daraus eine anspruchsbegründende Vereinbarung zwischen den Streitteilen nicht zu entnehmen ist. Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision beruht auf den §§ 500 Abs 2 Z 3, 502 Abs 1 ZPO. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Bedeutung der Entscheidung über den Einzelfall nicht hinausgeht, zumal die Beweisrüge im Zentrum der Berufungsentscheidung stand.

Oberlandesgericht Wien

1016 Wien, Schmerlingplatz 11

Anmerkung

EW006871R44.09m

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2009:00100R00044.09M.0319.000

Zuletzt aktualisiert am

21.07.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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