TE OGH 2009/3/24 11Os13/09k

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Veröffentlicht am 24.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Klaus S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 9. Oktober 2008, GZ 039 Hv 102/08d-113, sowie über dessen Beschwerde gegen den unter einem gefassten Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Klaus S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (A./) und des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B./) schuldig erkannt

Danach hat er am 27. Februar 2008 in Salzburg

A./ Engela N***** mit Gewalt, indem er sie auf die Wohnzimmercouch stieß und mit beiden Händen massiv würgte, und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, indem er wiederholt erklärte, wenn sie nicht still sei bzw nicht mache, was er ihr sage, werde er sie umbringen, er werde das Messer nehmen und in ihren Bauch stechen und sie 10 Minuten lang würgen und zu ihr wiederholt äußerte, wenn sie seinen Penis nicht in den Mund stecke, werde er sie umbringen und das Messer holen, zur Duldung eines Analverkehrs und zur Vornahme eines Oralverkehrs, mithin zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei die Tat bei Engela N***** Stauungsblutungen infolge Gefäßkompression durch Würgen sowie eine posttraumatische Belastungsstörung, verbunden mit massiven Angstzuständen, einer ausgeprägten depressiven Symptomatik, Schlafstörungen, Wiedererlebenssymptome in Form von Träumen sowie Konzentrationsschwierigkeiten, sohin eine an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;

B./ mit der am 1. Dezember 1996 geborenen, sohin unmündigen Engela N***** in Form eines Analverkehrs und eines Oralverkehrs eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Das Unterbleiben einer Zusatzfrage zum Rücktritt vom Versuch (ersichtlich in Ansehung der in Richtung des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB gestellten Eventualfrage A./ und der in Richtung des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 206 Abs 1 StGB gestellten Eventualfragen B./) kann zum Vorteil des Angeklagten schon deshalb nicht geltend gemacht werden (§ 345 Abs 3 StPO), weil die Beantwortung der Eventualfragen a./ und b./ infolge Bejahung der Hauptfragen A./ und B./ unterblieben ist (11 Os 143/04). Überdies vermag die Fragenrüge (Z 6) mit der Bezugnahme auf einen - verkürzt wiedergegebenen - Teil der Verantwortung des Angeklagten die Indizwirkung für die begehrten Zusatzfragen nicht darzutun, mangelt es ihr doch angesichts der Einlassung des Angeklagten, wonach es deshalb nicht dazu kam, dass er dem Mädchen den Penis in den Mund steckte, weil es geschrien habe und er daher aus Angst, dass die Eltern oder Nachbarn der Unmündigen in die Wohnung kommen könnten, „abgehaut" sei (S 117 f/ON 112 iVm S 67/ON 15), an einem tauglichen Verfahrenssubstrat. Solcherart verfehlt sie den gesetzlichen Bezugsrahmen.

Das weitere Vorbringen, das eine Eventualfrage in Richtung des durch Streicheln des Gesäßes des Tatopfers begangenen Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB reklamiert, übergeht, dass der Angeklagte nicht nur zugestanden hat, die Unmündige am nackten Gesäß (und an der Scheide) gestreichelt, sondern im unmittelbaren Anschluss auch deren Kopf nach unten zu seinem Penis „getaucht" zu haben (S 117/ON 112 iVm S 67/ON 15). Weshalb angesichts dieses (nach der eigenen Verantwortung keineswegs freiwillig beendeten) Versuchs der Nötigung der Unmündigen zum Oralverkehr der unmittelbar vorangegangenen geschlechtlichen Handlung (Streicheln des Gesäßes) - die als Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB subsumierbar wäre, im Regelfall aber von § 206 Abs 1 StGB infolge Scheinkonkurrenz verdrängt wird (vgl RIS-Justiz RS0115643 [T1]) - ausnahmsweise (und für den Angeklagten nicht von Vorteil) selbständige Bedeutung zukäme, legt die Beschwerde nicht dar. Der Instruktionsrüge (Z 8) zuwider enthält die schriftliche Rechtsbelehrung umfängliche Ausführungen zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (S 13 ff) sowie zum (für die Abgrenzung von Versuch und Vollendung dieser Delikte entscheidenden) Begriff des „Unternehmens" des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung (S 15 und 19 iVm 9). Soweit die Rüge Ausführungen zum freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 StGB) vermisst, übersieht sie, dass eine Zusatzfrage nach dem Vorliegen dieses Strafaufhebungsgrundes gar nicht gestellt worden ist. Die Instruktion zu tatsächlich nicht gestellten Fragen kann aber aus der Z 8 nicht bekämpft werden (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 63). Indem die Beschwerde weiters eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung mangels darin enthaltener Ausführungen zum „Zweifelsgrundsatz" moniert, orientiert sie sich nicht an den relevanten Bestimmungen der Strafprozessordnung, sondern steht im direkten Gegensatz zum Wortlaut des § 321 Abs 2 StPO, weil die Rechtsbelehrung nach dieser Norm nur die in den gestellten Fragen aufscheinenden Rechtsbegriffe zu erläutern, jedoch keine Beweisgrundsätze wie den Hinweis auf den Grundsatz „in dubio pro reo" zum Gegenstand hat (Philipp, WK-StPO § 321 Rz 15; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 53 f; RIS-Justiz RS0098508). Diese zu erläutern, ist Gegenstand der - nicht mit Nichtigkeit bewehrten (RIS-Justiz RS0100718) - mündlichen Besprechung nach § 323 Abs 2 StPO.

Entgegen dem - gleichfalls nicht aus dem Gesetz abgeleiteten - Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde ist in der Rechtsbelehrung auf unterschiedliche Rechtsmeinungen nicht einzugehen (RIS-Justiz RS0101123; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 60; Fabrizy, StPO10 § 321 Rz 2). Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag durch den Hinweis auf (fehlende) Ergebnisse der medizinischen und molekulargenetischen Untersuchungen und (behauptete) Widersprüchlichkeiten zu Zeugenaussagen sowie mit Erwägungen zum Beweiswert der Angaben der Eltern des Tatopfers keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der festgestellten (von den Geschworenen vor allem auf die als glaubwürdig erachtete Aussage der kontradiktorisch einvernommenen Zeugin Engela N***** [ON 33] gestützten) entscheidenden Tatsachen zu erwecken; insbesondere schließt auch das relevierte Fehlen „gesicherter Beweisergebnisse" das von Engela N***** geschilderte Tatgeschehen keineswegs aus (SV Dr. T***** S 68 ff/ON 112).

Soweit der Beschwerdeführer ein „vernehmungspsychologisches Gutachten" der Geschädigten vermisst, macht er nicht deutlich, wodurch er an der Ausübung seines Rechtes, diese Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung und Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 iVm § 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9036411Os13.09k

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00013.09K.0324.000

Zuletzt aktualisiert am

05.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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