TE OGH 2009/3/24 11Os30/09k

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Veröffentlicht am 24.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schörghuber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter G***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB, AZ 11 Hv 125/08h des Landesgerichts Wels, über die von der Generalprokuratur gegen die Anordnung und Durchführung der Hauptverhandlung durch die Einzelrichterin sowie gegen deren Urteil vom 13. Oktober 2008, ON 6, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Verurteilten zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren AZ 11 Hv 125/08h des Landesgerichts Wels gegen Walter G***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB verletzen die Anordnung und Durchführung der Hauptverhandlung durch die Einzelrichterin sowie die nachfolgende Fällung des (Sach-)Urteils vom 13. Oktober 2008 (ON 6) § 31 Abs 3 Z 1 iVm § 29 Abs 2 StPO sowie § 485 Abs 1 Z 1 iVm § 450 und § 488 Abs 3 StPO.

Dieses Urteil wird aufgehoben und die Unzuständigkeit des Einzelrichters ausgesprochen.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 24. Oktober 1947 geborene, wegen Vermögensdelikten mehrfach vorbestrafte Walter G***** wurde ua mit Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 17. Dezember 1997, GZ 7 Hv 23/97-60, des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt, aus welcher er am 12. Mai 1999 gemäß § 46 Abs 2 StGB bedingt entlassen wurde (ON 69). Wegen weiterer - nach dieser bedingten Entlassung begangener - einschlägiger Straftaten wurde der Genannte in der Folge mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 2. Dezember 2002, GZ 14 Hv 135/02t-62, des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1, 130 vierter Fall und 15 StGB sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis zu seiner (neuerlichen) bedingten Entlassung am 25. Oktober 2004 teilweise verbüßte (ON 74).

Ungeachtet dieser vollzogenen Vorstrafen wurde - der nicht durch einen Verteidiger vertretene - Walter G***** aufgrund des Strafantrags der Staatsanwaltschaft Wels vom 14. August 2008 (ON 3) mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Wels vom 13. Oktober 2008, GZ 11 Hv 125/08h-6, des am 6. Juni 2008 begangenen Verbrechens des (versuchten) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt. Über die gegen dieses Urteil vom Angeklagten erhobene Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe hat das Oberlandesgericht Linz noch nicht entschieden.

Rechtliche Beurteilung

Die Anordnung und Durchführung der Hauptverhandlung vom 13. Oktober 2008 sowie die Fällung des angeführten Sachurteils durch die Einzelrichterin stehen - wie die Generalprokuratur zutreffend ausführt (§ 23 Abs 1 StPO) - mit dem Gesetz nicht im Einklang. Gemäß § 31 Abs 3 Z 1 StPO obliegt das Hauptverfahren wegen Straftaten, die mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, dem Schöffengericht. Auf die Möglichkeit einer Überschreitung des Höchstmaßes der Strafe nach § 39 StGB ist dabei Bedacht zu nehmen (§ 29 Abs 2 StPO). Die hier relevante Strafdrohung des § 129 StGB reicht von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Gemäß § 39 StGB kann das Höchstmaß um die Hälfte überschritten werden, wenn der Täter schon zwei Mal wegen Taten, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, diese Strafen wenigstens zum Teil verbüßte und nach Vollendung des 19. Lebensjahres neuerlich aus der gleichen schädlichen Neigung eine strafbare Handlung begeht. Frühere Strafen bleiben nur dann außer Betracht, wenn seit ihrer Verbüßung bis zur folgenden Tat mehr als fünf Jahre vergangen sind, wobei Zeiten der behördlichen Anhaltung nicht eingerechnet werden (§ 39 Abs 2 StGB).

Die Voraussetzungen der Strafschärfung lagen im Gegenstand vor: Der zum Tatzeitpunkt bereits 60-jährige Angeklagte hatte schon (mehr als) zwei - dem § 39 Abs 2 StGB nicht unterfallende - Freiheitsstrafen wegen einschlägiger Vermögensdelikte verbüßt. Die nach §§ 31 Abs 1 Z 3, 29 Abs 2 StPO, § 39 StGB maßgebliche Strafdrohung reichte daher bis zu 7 1/2 Jahren Freiheitsstrafe, sodass zur Durchführung des Hauptverfahrens (Hauptverhandlung und Urteilsfällung) das Schöffengericht zuständig gewesen wäre. Demzufolge hätte die Einzelrichterin - anstatt eine Hauptverhandlung anzuordnen - gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 450 StPO ihre sachliche Unzuständigkeit mit Beschluss aussprechen müssen. Keinesfalls durfte sie aber in der Hauptverhandlung ein Sachurteil fällen; vielmehr wäre sie verpflichtet gewesen, gemäß § 488 Abs 3 StPO mit Urteil ihre Unzuständigkeit auszusprechen.

Da der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten war, gereichte ihm die gesetzwidrige Verhandlungsführung vor der Einzelrichterin schon deshalb zum Nachteil, weil im Verfahren vor dem Schöffengericht Verteidigerzwang (§ 61 Abs 1 Z 4 StPO) bestanden hätte (vgl RIS-Justiz RS0100513). Gemäß § 292 letzter Satz StPO sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, neben der Feststellung der Gesetzesverletzung das Sachurteil der Einzelrichterin aufzuheben und deren Unzuständigkeit auszusprechen. Gemäß § 488 Abs 3 letzter Satz StPO obliegt es dem Ankläger, die zur Fortführung des Verfahrens erforderlichen Anträge zu stellen.

Der Angeklagte war mit seiner Berufung auf die Kassation der bekämpften Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E9037811Os30.09k

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0110OS00030.09K.0324.000

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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