TE OGH 2009/3/26 12Os120/08a

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Veröffentlicht am 26.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. März 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab und Dr. T. Solé sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter, in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Böhm als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Wolfgang K***** und Etel G***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Mai 2008, GZ 16 Hv 35/08g-57, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Wolfgang K***** und Etel G*****

von der Anklage, „es hätten

I./ Wolfgang K***** am 24. Jänner 2008 in Graz

1./ Nikoletta H***** durch Faustschläge gegen den Kopf und Nacken, durch Fußtritte, durch Reißen an den Haaren, durch gewaltsame Verbringung in ein anderes Zimmer und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, nämlich, dass sie und ihre Familie sterben werden und er sie ins Wasser werfen und ihr die Kehle durchschneiden werde sowie durch die Andeutung von Schlägen mit einem Gürtel für den Fall, dass sie sich weigern würde, an ihm und einem unbekannten Gast den Oralverkehr durchzuführen,

a./ zur Vornahme des Oralverkehrs, somit einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung an einem unbekannten Gast ('Glatzkopf') und

b./ zur Vornahme des Oralverkehrs, somit einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung an ihm genötigt; 2./ nachstehende Personen mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu nachstehenden Handlungen und Unterlassungen, genötigt bzw zu nötigen versucht, nämlich

a./ Maria S***** durch das Versetzen von Ohrfeigen und durch die Äußerung, er werde sie und Nikoletta H***** in einem Fluss versenken und ihnen die Kehle durchschneiden, wenn sie nicht geschlechtliche Handlungen an Kunden des Bordells 'C*****' vornähme, zur Durchführung von sexuellen Handlungen als Prostituierte mit Kunden des Bordells 'C*****',

b./ Nikoletta H***** durch die Äußerung, er werde sie und ihre Familie umbringen, wenn sie das Lokal verließe und Anzeige gegen ihn erstatte, zur Unterlassung der Flucht und der Anzeigenerstattung; II./ Etel G***** zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen Mitte Jänner und 20. Jänner 2008 in Graz über die in ihren Vorsatz nicht eingebundene Sandorne Sa***** die ungarischen Staatsangehörigen Nikoletta H***** und Maria S***** mit dem Vorsatz, dass sie in einem anderen Staat, als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen und in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nämlich in Österreich, der Prostitution nachgehen, durch Täuschung über dieses Vorhaben verleitet, indem sie vorgab, Nikoletta H***** und Maria S***** würden im 'C*****' in Graz nur als Tänzerinnen beschäftigt", gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Diese Freisprüche bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Die von der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) vermisste Auseinandersetzung mit der - in ungarischer Sprache abgefassten (eine Übersetzung ins Deutsche wurde weder im Ermittlungsverfahren [von der Staatsanwaltschaft] noch in der Hauptverhandlung [vom Erstgericht] veranlasst [bzw von der Staatsanwaltschaft oder von den Angeklagten beantragt]) - „Verletzungsanzeige" vom 25. Jänner 2008 („Ambuláns Kezelölap", s S 53 in ON 2) und den darin - laut Beschwerde - dokumentierten Verletzungen der Nikoletta H***** konnte sanktionslos unterbleiben.

Die Gerichtssprache ist gemäß Art 8 B-VG und § 53 Abs 1 Geo die deutsche Sprache. Das bedeutet, dass die deutsche Sprache - abgesehen von (hier nicht relevanten) Rechten der Minderheiten - die offizielle Sprache ist, in der alle Anordnungen der Staatsorgane zu ergehen und mittels der die Staatsorgane mit den Parteien und untereinander zu verkehren haben (Danzl, Geo § 53 Anm 1).

Nach § 258 Abs 1 StPO dürfen Aktenstücke nur dann bei der Entscheidung berücksichtigt werden, wenn sie in der Hauptverhandlung vorgelesen oder vom Vorsitzenden vorgetragen worden sind; darin kommt der auch verfassungsrechtlich verankerte (Art 90 Abs 1 B-VG) Grundsatz der Mündlichkeit des Verfahrens zum Ausdruck (Fabrizy StPO10 § 258 Rz 2). Demgemäß wurde der Inhalt des in Rede stehenden, in einer nicht gerichtsüblichen Sprache abgefassten (und auch nicht in die deutsche Sprache übersetzten [vgl § 126 Abs 1 StPO]) Schriftstücks ungeachtet der Protokollierung, wonach „der gesamte Akteninhalt mit Ausnahme der enthaltenen Niederschriften" verlesen wurde (S 29 in ON 56), gar nicht zum Gegenstand des Beweisverfahrens (iSd § 258 Abs 1 StPO). Umstände, die in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sind, bedürfen aber keiner Erörterung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 427).

Bleibt anzumerken, dass die Frage, ob alle möglichen Beweisquellen ausgeschöpft wurden, nicht Gegenstand der Mängelrüge ist. Eine diesbezügliche Mangelhaftigkeit der Beweisaufnahme könnte nur mit Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft werden, wenn in der Hauptverhandlung entsprechende (Beweis-)Anträge gestellt worden sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 426; Fabrizy aaO § 281 Rz 44).

Ebenso fehl geht der Vorwurf einer unrichtigen Wiedergabe der Angaben der Zeugin Nikoletta H*****. Denn die solcherart angesprochene Aktenwidrigkeit (Z 5 letzter Fall) liegt nur dann vor, wenn das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467), nicht aber, wenn - wie im vorliegenden Fall - anhand eines Vergleichs der zu verschiedenen Zeitpunkten getätigten und in den Urteilsgründen nur auszugsweise (bezogen auf die Drohung des Erstangeklagten, ihre Familie werde sterben, gegenüber ihren späteren Angaben zur konkreten Bedrohung ihres Kindes), aber im Kern korrekt wiedergegebenen (US 11) Angaben der Zeugin H***** deren Glaubwürdigkeit erörtert wird. Zu einem vollständigen, wörtlichen Zitat der Aussagen der Genannten (also auch zu der ihr gegenüber geäußerten Todesdrohung) war das Erstgericht dabei jedoch nicht verpflichtet.

Das abschließende Vorbringen, der vom Erstgericht aus einem bloß vermeintlichen Widerspruch (in der Aussage der Zeugin H*****) abgeleitete Schluss auf die nicht hinreichende Glaubwürdigkeit der beiden Belastungszeuginnen wäre „bei richtiger Wiedergabe der Angaben der Zeugin Nikoletta H*****" unzulässig gewesen, weshalb - so die Beschwerde weiter - „unter Zugrundelegung der belastenden Angaben der Zeuginnen eine anklagekonforme Verurteilung der beiden Angeklagten zu erwarten gewesen wäre", vernachlässigt die weiteren eingehenden Erwägungen zur Glaubwürdigkeit von Nikoletta H***** und Maria S***** (US 11 bis 13), orientiert sich solcherart nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe und lässt sohin eine gesetzmäßige Darstellung vermissen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Anmerkung

E9052312Os120.08a

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00120.08A.0326.000

Zuletzt aktualisiert am

22.05.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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