TE OGH 2009/3/31 1Ob134/08z

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Veröffentlicht am 31.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton M*****, vertreten durch Lindner & Rock Rechtsanwälte OEG in Graz, gegen die beklagte Partei Juliana U*****, vertreten durch Mag. Gerlinde Goach, Rechtsanwältin in Gratkorn, wegen 195.075 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. April 2008, GZ 5 R 61/08t-41, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 28. Jänner 2008, GZ 22 Cg 155/06b-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das erstinstanzliche Zwischenurteil wiederhergestellt wird. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verrichtete seit seinem Kindesalter bis zum Tod der Lebensgefährtin seines Vaters regelmäßig landwirtschaftliche Arbeiten und Bauarbeiten auf einer ihr gehörigen Liegenschaft. Die Verstorbene versprach dem Vater des Klägers, ihm nach ihrem Tod das Eigentum an der Liegenschaft zu übertragen, und forderte auch den Kläger im Hinblick auf die zukünftige Erbeinsetzung immer wieder zu Arbeitsleistungen auf. Sowohl der Kläger als auch sein Vater verrichteten die Arbeiten auf der Liegenschaft im Hinblick darauf, dass sie ihnen - vorerst dem Vater des Klägers und nach dessen Tod dem Kläger - eines Tages im Erbwege zufallen würde, zumal es in der Verwandtschaft der Verstorbenen auch keine potentiellen Erben gab, die das Anwesen hätten bewirtschaften können. Der Kläger ist nach seinem Vater gemeinsam mit seiner Schwester erbberechtigt und hätte die Liegenschaft jedenfalls weiter bewirtschaftet. Die Verstorbene hatte zu ihrer Schwester, der Beklagten, der einzig noch lebenden Verwandten, keinen engen Kontakt. Sie war sich im Klaren darüber, dass ihre Schwester erbe, wenn sie kein Testament errichtet. Die Liegenschaft sollte nach dem Willen der Verstorbenen nach ihrem Tod in das Eigentum des Vaters des Klägers übergehen und der Kläger und dessen Vater sollten sie weiterhin bewirtschaften, während die Beklagte einen Geldbetrag erhalten sollte. Die Verstorbene konnte sich jedoch letztlich nicht zu einer Hofübergabe zu Lebzeiten entschließen bzw war aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustands zuletzt nicht mehr in der Lage, ihre Verlassenschaft „notariell regeln zu lassen". Schließlich wurde der Beklagten als gesetzlicher Erbin die Verlassenschaft nach ihrer verstorbenen Schwester eingeantwortet.

Der Kläger begehrte den Klagsbetrag aus dem Titel der Bereicherung (§ 1435 ABGB). Die Beklagte sei aufgrund der unentgeltlichen Arbeitsleistungen des Klägers bereichert, da dieser eine Leistung in Erwartung einer sich nicht erfüllenden künftigen Erbseinsetzung erbracht habe.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass der Kläger nie Arbeitsleistungen „gegenüber" der Verstorbenen, sondern lediglich zu Gunsten seines Vaters erbracht habe. Deshalb sei er nicht aktiv klagslegitimiert, sondern allenfalls sein Vater. Selbst wenn es zu einer Übertragung der Liegenschaft an den Vater des Klägers gekommen wäre, wäre der Kläger nicht mit Sicherheit in den Besitz der Liegenschaft gelangt, zumal sein Vater diese bereits zu Lebzeiten hätte veräußern können bzw der Kläger (nur) gemeinsam mit seiner Schwester erbberechtigt gewesen wäre.

Die Beklagte wendete im Übrigen Gegenforderungen ein. Der Vater des Klägers habe nämlich keinerlei Entgelt für das Wohnen auf der Liegenschaft und die Nutzung der Stallungen oder Kostgeld entrichtet, sondern die Verstorbene habe sämtliche Lebenshaltungskosten für sich und ihren Lebensgefährten selbst bestritten. Zusätzlich habe der Vater des Klägers nach dem Tod seiner Lebensgefährtin bis November 2006 Mietzinserlöse lukriert. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Beklagte ihren eigenen, Mitte der 1960er Jahre entstandenen wertgesicherten Erb- und Pflichtteilsbetrag in Höhe von 70.000 ATS nicht erhalten habe. Dies alles ergebe eine Gegenforderung von insgesamt 133.436,70 EUR.

Das Erstgericht erkannte mit Zwischenurteil die Klagsforderung dem Grunde nach als zu Recht bestehend und sprach aus, dass die Gegenforderungen nicht zu Recht bestünden. Der Kläger habe die Leistungen zwar für seinen Vater erbracht, jedoch primär aufgrund seiner berechtigten Annahme, dass die Liegenschaft nach dem Ableben der Lebensgefährtin seines Vaters zunächst „auf seinen Vater fallen" und nach dessen Tod schließlich auf ihn übergehen werde. Der Kläger habe die Intention gehabt, die Liegenschaft wie bisher gemeinsam mit seinem Vater und zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls auch alleine zu bewirtschaften, was für die Erblasserin sowohl objektiv als auch subjektiv erkennbar gewesen sei. Die Aufrechnungseinrede sei unzulässig, weil die Gegenforderung jedenfalls nicht gegen den Kläger, sondern möglicherweise gegen dessen Vater bestehe. Im Übrigen seien Leistungen, die zwischen Lebensgefährten erbracht wurden, grundsätzlich unentgeltlich und nicht rückforderbar. Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Leistungen von Familienangehörigen eines Ehegatten, die zu dem dem Leistungsempfänger erkennbaren Zweck des künftigen gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens der Ehegatten erbracht wurden, seien nach § 1435 ABGB rückforderbar, wenn dieser Zweck nicht erreicht wurde. Ob der genannte Zweck von den Angehörigen verfolgt wurde, hänge von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründe. Bei Leistungen von Angehörigen eines Lebensgefährten im Zuge der Mitwirkung an einem Hausbau sei am Wahrscheinlichsten, dass der Kläger als Sohn des Lebensgefährten der Verstorbenen eine Leistung an diese ermöglicht und dadurch seinem Vater geleistet habe. Danach habe der Vater des Klägers aus der Arbeit seines Sohnes einen eigenen, nicht abgeleiteten Kondiktionsanspruch gegen die Beklagte. Zu dieser Lösung komme das Berufungsgericht deswegen, weil andere Tatsachengrundlagen dem nicht entgegenstünden, zumal „eine Widmung des Klägers als Drittleistendem auf den anderen Lebensgefährten nicht erfolgt" sei. Damit fehle es dem Kläger an der Aktivlegitimation.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Kläger erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Die condictio causa data non secuta wird mit Analogie zu § 1435 ABGB begründet (Rummel in Rummel3, § 1435 ABGB Rz 1). Kondiziert werden können auch Arbeits- und Geldleistungen, die in Erwartung einer späteren Hofübergabe erbracht wurden, ebenso Aufwendungen auf eine Liegenschaft der Eltern oder Schwiegereltern, die in Erwartung späterer Übereignung gemacht worden sind. Eine Rolle spielen auch Leistungen im Hinblick auf eine versprochene Erbeinsetzung. Die Kondiktion ist zulässig, wenn sich der Leistungsempfänger über den Zweck und den Charakter der Leistungen im Klaren war oder sich hätte im Klaren sein müssen (Mader in Schwimann, ABGB3 § 1435 Rz 20).

2. Mit der Entscheidung 1 Ob 637/84 erkannte der Oberste Gerichtshof Kondiktionsansprüche - einer Klägerin als Zessionarin ihrer Angehörigen - nach § 1435 ABGB für Leistungen von Familienangehörigen eines Ehegatten als zu Recht bestehend, die zu dem dem Leistungsempfänger erkennbaren - und in der Folge nicht erreichten - Zweck des zukünftigen gemeinsamen Wohnens und Wirtschaftens der Ehegatten erbracht wurden.

In seiner Entscheidung 4 Ob 2021/96a gewährte der Oberste Gerichtshof dem dortigen Kläger Kondiktionsansprüche gemäß § 1435 ABGB gegen den Vater seiner ehemaligen Lebensgefährtin für „außergewöhnliche Zuwendungen, die in der erkennbaren Erwartung des Fortbestehens der Lebensgemeinschaft unentgeltlich erbracht wurden". Es sei zwar die Feststellung von Berechtigtem und Verpflichtetem aus einer Leistungskondiktion aufgrund der von den Parteien bei der Leistung vorgestellten Zweckbeziehung zu treffen, sodass gefragt werden müsse, wer nach der Zweckvereinbarung Leistender und wer Leistungsempfänger sein sollte. Allein daraus folge aber nicht, dass nur die ehemalige Lebensgefährtin Leistungsempfängerin gewesen wäre. Den Beteiligten habe bewusst sein müssen, dass der Kläger mit seinen Arbeiten einen Zubau zum Haus des Beklagten ausgebaut und damit das Vermögen des Beklagten vermehrt habe. Wohl habe er nicht zu dem Zweck gehandelt, den Beklagten zu bereichern; vielmehr habe er für sich und seine Lebensgefährtin eine Wohnung schaffen wollen. Dieses Ziel habe er aber nur dadurch erreichen können, dass er mit seinen Leistungen den Beklagten in die Lage versetzt habe, seiner Tochter und ihm eine solche Wohnung zur Verfügung zu stellen. Er habe also die Leistungen - wenn auch im eigenen sowie im Interesse der damaligen Lebensgefährtin - dem Beklagten erbracht.

3. Eine vergleichbare Konstellation weist der hier gegebene Sachverhalt auf. Der Umstand, dass der Kläger die Arbeiten im Hinblick darauf verrichtete, dass die Liegenschaft vorerst seinem Vater - und nach dessen Tod ihm selbst - eines Tages (zumindest zum Teil) im Erbweg zufallen würde, lässt auch hier nicht die Schlussfolgerung zu, dass nur der Vater des Klägers Leistungsempfänger gewesen wäre. Sämtlichen Beteiligten musste bewusst sein, dass der Kläger mit seinen Arbeiten - zunächst - das Vermögen der Lebensgefährtin seines Vaters vermehrte, und es war für die Verstorbene - die den Kläger gerade im Hinblick auf die zukünftige Erbeinsetzung immer wieder zu Arbeitsleistungen aufforderte - auch ersichtlich, dass der Kläger wegen dieser Erbschaft tätig war.

Die vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Rechtsansicht herangezogene Entscheidung 7 Ob 40/00h - wonach bei Leistungen von Angehörigen eines Lebensgefährten bei Mitwirkung an einem Hausbau am Wahrscheinlichsten sei, dass die Angehörigen des einen Lebensgefährten eine Leistung an den anderen ermöglichten und dadurch dem ersteren leisteten, was diesem aus der Arbeit seiner Verwandten einen eigenen, nicht abgeleiteten Kondiktionsanspruch gebe - bietet kein taugliches Gegenargument gegen den Kondiktionsanspruch des Klägers, weil sich aus der oben wiedergegebenen Feststellung eine Widmung seiner Leistungen - auch - auf die Lebensgefährtin seines Vaters ergibt.

Unerheblich ist, dass - gemäß der Annahme der Beteiligten - die Liegenschaft zunächst dem Vater des Klägers und erst in der Folge dem Kläger zufallen sollte, und dass der Kläger nicht der einzige gesetzliche Erbe nach seinem Vater ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Zweck seiner Leistungen verfehlt wurde.

Dem Kläger steht somit ein Kondiktionsanspruch gegen die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Bereicherten (Lebensgefährtin seines Vaters) zu.

4. Was die Gegenforderungen der Beklagten betrifft, hat das Erstgericht zutreffend ausgeführt, dass sich diese ausschließlich auf den Vater des Klägers beziehen (Nutzung der Stallungen, Haushaltsführung, titellose Benützung des Hauses, Mietzinserlöse), und daher diesbezüglich die Passivlegitimation des Klägers fehlt. Nicht nachvollziehbar ist auch die Geltendmachung einer (behaupteten) Schuld der Verstorbenen bzw ihres Nachlasses gegenüber der Beklagten (Erb- und Pflichtteilsbetrag aus einem vor mehreren Jahrzehnten stattgefundenen Erbfall) als Gegenforderung gegen den Klagsanspruch.

5. Die angefochtene Entscheidung ist daher im Sinne der Wiederherstellung des Zwischenurteils des Erstgerichts abzuändern. Das Erstgericht wird den dem Kläger zustehenden Rückforderungsanspruch zu ermitteln haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO iVm § 52 Abs 2 ZPO.

Anmerkung

E906021Ob134.08z

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht iniFamZ 2009/204 S 299 - iFamZ 2009,299XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00134.08Z.0331.000

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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