TE OGH 2009/4/2 8Ob66/08a

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Veröffentlicht am 02.04.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Klemens D*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S*****, wegen 67.979,37 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 1. Februar 2008, GZ 3 R 6/08m-10, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 22. Oktober 2007, GZ 21 Cg 72/07k-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.044,91 EUR (darin enthalten 340,82 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der im Konkursverfahren einer Liegenschaftsverwaltungsgesellschaft mbH bestellte beklagte Masseverwalter veräußerte mit Kaufvertrag vom 16. 12. 2003 eine zur Konkursmasse gehörende Liegenschaft freihändig um 14.650.843,37 EUR. Die auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Klägerin meldete im Verteilungsverfahren 15.503.551,08 EUR an.

In dem Konkursverfahren verteilte das Rekursgericht den Nettokaufpreis ua aus diesem Verkaufserlös wie folgt:

1.) an den beklagten Masseverwalter 343.058,92 EUR (darin enthalten 57.172,49 EUR USt) sowie 682,83 EUR Zinsen und 2,81 % laufende Zinsen als Sondermassekosten gemäß § 82d KO;

2.) an die Gemeinschuldnerin 5.007,43 EUR an Barauslagen samt 9,72 EUR Fruktifikationszinsen und 0,04 % laufende Fruktifikationszinsen ebenfalls als Sondermassekosten und

3.) an die klagende Absonderungsgläubigerin 84.356,03 EUR samt 167 EUR an Fruktifikationszinsen sowie 0,69 % laufende Fruktifikationszinsen ab 28. 4. 2004 als Sondermassekosten sowie 11.776.613,76 EUR samt 23.439,65 EUR Fruktifikationszinsen zuzüglich 96,46 % laufende Fruktifikationszinsen ab 28. 4. 2004.

Der Klägerin wurden schließlich am 3. 5. 2005 Fruktifikationszinsen von insgesamt 203.938,10 EUR überwiesen. Hätte der beklagte Masseverwalter gemäß § 94 Z 5 lit a EStG eine Befreiungserklärung für die KESt abgegeben, so wären keine 25 % KESt einbehalten worden und die Klägerin hätte insgesamt 271.917,47 EUR Fruktifikationszinsen überwiesen erhalten.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin diese Differenz an Fruktifikationszinsen von 67.939,37 EUR sA. Sie stützt dies zusammengefasst darauf, dass zwar bei Körperschaften wie der Gemeinschuldnerin Zinserträge als Betriebseinnahmen zu erfassen seien und der Körperschaftsbesteuerung von 25 % unterliegen würden. Die einbehaltene Kapitalertragssteuer werde auf die Körperschaftssteuerveranlagung angerechnet. Werde die Erklärung nach § 94 Z 5 EStG abgegeben, so komme es zu keiner Kapitalertragssteuerpflicht und würden die Zinsen nur noch im Rahmen der Körperschaftssteuerveranlagung berücksichtigt. Der Masseverwalter sei verpflichtet, eine Körperschaftssteuerveranlagung vorzunehmen. Es sei davon auszugehen, dass im Veranlagungszeitraum im Konkurs keinerlei Gewinne erwirtschaftet worden seien. Der Masseverwalter sei verpflichtet, die Masse so zu verwalten und zu verwerten, dass sie eine größtmögliche Befriedigung auch der Absonderungsgläubiger gewährleiste. Andernfalls mache er sich schadenersatzpflichtig. Die Körperschaftssteuer treffe so wie die Einkommensteuer als „Personensteuer" das gesamte Steuersubjekt und könne nicht zu den Sondermassekosten gezählt werden. Die Klägerin habe einen Verwendungsanspruch, da ihr Anspruch auf abgesonderte Befriedigung aus der Sondermasse durch den Steuerabzug gekürzt worden sei. Ihr Anspruch werde nicht nur auf Schadenersatz und einen Verwendungsanspruch, sondern auch auf jeden anderen Rechtsgrund gestützt. Jedenfalls habe die Gemeinschuldnerin im Jahr 2004 unter Berücksichtigung der Verlustvorträge insgesamt keinen über der Mindestkörperschaftssteuer liegenden Körperschaftssteuersatz zu bezahlen gehabt. Es sei im Gegenteil zu einer Kapitalertragssteuerrückerstattung gekommen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass ein isoliertes Herausrechnen der Auswirkungen der Verwertung der Sondermasse aus der Ertragslage der Gemeinschuldnerin nicht möglich sei. Aus der Verwertung der Liegenschaft resultiere auch ein Buchgewinn in Höhe von 1.810.191,64 EUR. Insoweit bestehe auch kein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der Kapitalertragssteuer.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die Zinserträge grundsätzlich der Kapitalertragssteuer unterliegen, soweit nicht eine Befreiungserklärung nach § 94 Z 5 lit a EStG erfolgt. Die Kapitalertragssteuer sei kein eigener Steuertypus, sondern nur eine Erhebungsform im Rahmen auch der Körperschaftssteuer und werde als Körperschaftssteuervorauszahlung behandelt. Der Oberste Gerichtshof habe aber zu 8 Ob 228/00p schon ausgesprochen, dass die Einkommensteuer als direkte Personen-Subjektsteuer das gesamte Vermögen des Steuersubjekts treffe und daher nicht von der Sondermasse, sondern von der gemeinschaftlichen Konkursmasse zu tragen sei. Dies gelte auch für die Körperschaftssteuer. Hier sei der Anspruch der Klägerin auf abgesonderte Befriedigung durch den Steuerabzug gekürzt worden, weshalb diese gegen die allgemeine Konkursmasse einen als Masseforderung zu qualifizierenden Verwendungsanspruch unabhängig davon habe, ob diese einen Teil der Kapitalertragssteuer im Rahmen der Körperschaftssteuerveranlagung zurückerstattet erhalte. Seien doch andernfalls auch Steuerschulden der gemeinschaftlichen Konkursmasse getilgt und Passiva reduziert worden.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten Folge und änderte es im klagsabweisenden Sinne ab. Es ging rechtlich davon aus, dass der Oberste Gerichtshof zwar zu 8 Ob 228/00p ausgesprochen habe, dass die Personen-Subjektsteuern nicht den Sondermassekosten zuzuzählen seien. Der Oberste Gerichtshof habe aber in der Entscheidung 8 Ob 113/06k allgemein die Abgrenzung zwischen Sondermasseforderungen und den von der gemeinschaftlichen Konkursmasse zu befriedigenden Masseforderungen präzisiert. Danach handle es sich um Sondermassekosten, wenn diese durch das Vorhandensein der Sondermasse verursacht würden, also nicht entstanden wären, wenn die Sondermasse nicht zur Konkursmasse gehörte. Hätte hier die mit den Pfandrechten der Klägerin behaftete Liegenschaft keinen Bestandteil der Konkursmasse gebildet, so wäre sie vom beklagten Masseverwalter auch nicht veräußert worden und hätte dieser in weiterer Folge keine Fruktifikationszinsen lukrieren und diese der Kapitalertragssteuer unterwerfen müssen. Im Übrigen werde auch davon ausgegangen, dass die Kapitalertragssteuer Züge einer Objektsteuer trage.

Nach dem Vorbringen der Klägerin sei die Kapitalertragssteuer im Rahmen der Körperschaftssteuerveranlagung rückvergütet worden und somit in die Sondermasse zurückgefallen. Dies erhöhe den Befriedigungsfonds der Klägerin. Für einen Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB iVm § 46 Abs 1 Z 6 KO verbleibe kein Raum. Vielmehr sei im Konkursverfahren eine Nachtragsverteilung durchzuführen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da die Entscheidung des Berufungsgerichts als Abweichung von der zu 8 Ob 228/00p des Obersten Gerichtshofs vertretenen Rechtsansicht verstanden werden könne und im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 Ob 113/06k auch eine Judikaturdivergenz bzw ein Rechtsprechungswandel vorliegen könne.

Die gegen dieses Urteil erhobene und auf dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Klägerin ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Behandlung von Kapitalertragssteuern aus Fruktifikationszinsen von Erlösen aus dem Verkauf von Sondermassevermögen nicht vorliegt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Wesentlichen releviert die Klägerin, dass die Kapitalertragssteuer als direkte Personen-Subjektsteuer nicht von der Sondermasse zu tragen sei. Auch wenn sie Züge einer Objektsteuer trage, sei sie doch im Ergebnis nur eine Körperschaftssteuervorauszahlung. Diese sei dann, wenn nur eine Mindestkörperschaftssteuer gutgeschrieben werde, auf Antrag zurückzuerstatten. Ob der Steuerpflichtige die höchste Progressionsstufe erreicht habe oder etwa Tarifbegünstigungen in Anspruch nehmen bzw Verlustausgleiche oder Sonderausgaben geltend machen könne, sei nicht der Sphäre der Absonderungsgläubiger zuzurechnen. Daran habe auch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 Ob 113/06k nichts geändert, da sich diese nur auf Verwaltungskosten bezogen habe, die durch die Sondermasse verursacht werden. Dies gelte aber nicht für Kosten, die aus mehreren Faktoren herrührten, wie dies bei direkten Personen-Subjektsteuern der Fall sei. Im Zweifel sei daher von einer allgemeinen Masseforderung auszugehen. Wollte man jeweils die Zufälligkeiten der Versteuerungen aus den persönlichen Verhältnissen des Schuldners mitberücksichtigen, so müssten Kredite im Extremfall mit Hypotheken im doppelten Ausmaß abgesichert werden. Tatsächlich habe hier die allgemeine Masse überhaupt keine Körperschaftssteuer zu tragen gehabt. Es könne nicht angehen, dass die allgemeine Masse die Kapitalertragssteuer erstattet erhalte, die Sondermasse diese jedoch tragen müsse.

Der Senat hat hiezu erwogen:

Sowohl für die Beurteilung der behaupteten Rechtswidrigkeit des Verhaltens des beklagten Masseverwalters als Grundlage für den Schadenersatzanspruch als auch die „Zuweisungswidrigkeit" als Grundlage für den Verwendungsanspruch ist einleitend auf die Kapitalertragssteuer bzw die Körperschafts-/Einkommensteuer, die im Zusammenhang sowohl mit der Verwaltung („Nutzungen") als auch mit der Verwertung („Erlös") des Massevermögens, aber auch des Sondermassevermögens anfallen kann, einzugehen.

Nach § 49 Abs 1 KO sind aus den Nutzungen sowie aus dem Erlös einer zur Sondermasse gehörigen Sache vor der Befriedigung der Absonderungsgläubiger die Kosten der „besonderen Verwaltung, Verwertung und Verteilung" der Sondermasse zu berichtigen. Allgemein gehören zu den Masseforderungen nach § 46 Abs 1 Z 2 KO ua alle Auslagen, die mit der Erhaltung, Verwaltung und Bewirtschaftung der Masse verbunden sind. Sondermassekosten sind solche, die sich auf eine Sondermasse im Sinne des § 48 Abs 1 KO beziehen, den Tatbestand einer Masseforderung nach § 46 KO erfüllen und gemäß § 47 Abs 1 KO aus der Masse zu decken sind, auf die sie sich beziehen (vgl zuletzt etwa 8 Ob 113/06k oder 8 Ob 68/07v, jeweils mwN; ebenso Schulyok in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen § 49 Rz 1). Übereinstimmend wird davon ausgegangen, dass ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Sondermassekosten und dem Absonderungsgut bestehen muss (Schulyok aaO; ebenso in stRsp RIS-Justiz RS0114697 mzwN). Der Oberste Gerichtshof hat dies in seiner Entscheidung vom 18. 12. 2006 zu 8 Ob 113/06k (= RdW 2007, 369 = ZIK 2007/94) dahin präzisiert, dass Verwaltungskosten jedenfalls dann Sondermassekosten darstellen, wenn sie sich auf die Sondermasse beziehen, also durch die Sondermasse verursacht wurden und bei der gebotenen ex ante-Betrachtung nicht unzweckmäßig erschienen (grundsätzlich zust Konecny, Abgrenzung/Bezahlung von Sondermassekosten und besondere Entlohnung, ZIK 2007/126; Riel, Nochmals: Was sind Sondermasseforderungen? Anm zu 8 Ob 113/06k, ZIK 2007/63). Diese Entscheidung hat sich auf Betriebskosten wie Kanalbereitstellungsgebühren, Kehrgebühren, Versicherungsprämien, aber auch die objektbezogene Grundsteuer bezogen.

Mit der Abgrenzung der Sondermassekosten im Zusammenhang mit Steuerbelastungen hat sich der Oberste Gerichtshof grundsätzlich in seiner Entscheidung vom 11. 6. 2001 zu 8 Ob 228/00p auseinandergesetzt (= ZIK 2001/272 = RdW 2001/686). Er hat dabei unter Darstellung der allgemeinen Interessenlage bei der Abgrenzung der Sondermassekosten ausgeführt, dass durch die Sondermasse verursachte Realsteuern, aber auch umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen aus der Verwertung der Sondermasse den Sondermassekosten zuzuordnen seien, nicht jedoch direkte Personen-Subjektsteuern, wie die Einkommensteuer, die etwa im Zusammenhang mit einem aus der Verwertung erzielten Spekulationsgewinn anfällt - betrifft doch die Einkommensteuer das gesamte Vermögen des Steuersubjekts.

Riel ist in seiner Besprechung der Entscheidung 8 Ob 113/06k (ZIK 2007/63) davon ausgegangen, dass diese Entscheidung eine Überprüfung des zu 8 Ob 228/00p eingeschlagenen Weges hinsichtlich der „Ertragssteuern" erfordere.

Grundsätzlich hat es aber jedenfalls hinsichtlich des „Erlöses" dabei zu bleiben, dass Personen-Subjektsteuern, wie die Einkommensteuer oder die Körperschaftssteuer, der allgemeinen Masse zuzurechnen sind, weil sie ja auch nach den allgemeinen Einkommensverhältnissen des jeweiligen Steuerpflichtigen zu bezahlen sind. Dabei haben zahlreiche auf die gesamte Masse Bezug habende Momente, wie der Gesamtgewinn oder Abzugsmöglichkeiten, Sonderausgaben udgl Bedeutung. Der Oberste Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass grundsätzlich die Stellung der Absonderungsgläubiger nicht verschlechtert werden darf und im Zweifel jedenfalls von einer Zugehörigkeit der Kosten zur allgemeinen Masse auszugehen ist (vgl zuletzt insb 8 Ob 113/06k, SZ 2006/185 = ZIK 2007/94). Der Wert des verpfändeten „Absonderungs"gutes darf für den „Absonderungs"gläubiger nicht durch Einflüsse aus dem sonstigen Vermögen und wie sich das Absonderungsgut dort darstellt („Buchwert") in unabsehbarer Weise verzerrt werden.

Allenfalls anders gesehen werden könnte dies hinsichtlich der auf die „Nutzungen" entfallenden Körperschafts- und Einkommensteuer - bleibt doch Steuerschuldner insoweit weiter die Gemeinschuldnerin (vgl Engelhart in Kanduth-Kristen/Treer, Insolvenz und Steuern, 69), hat also diese die Steuern zu tragen, während die Nutzungen den Sondermassegläubigern zukommen. Insoweit treffen auch die materiellen Bedenken hinsichtlich der Zurechnung Körperschafts-/Einkommensteuer aus der Veräußerung der Sondermasse - wie etwa Grundsatz der Sachhaftung im Widerspruch zur „Personensteuer", mangelnde Bewertbarkeit von Liegenschaften als Grundlage für die Kreditwürdigkeit, Zurechnung von einkommensteuerrechtlichen Vorteilen aus zu hohen Bewertungen, Trennung der Position von Liegenschaftseigentümer und Schuldner - nicht oder nur eingeschränkt zu. Auch der Sondermassegläubiger hätte wohl regelmäßig - wenngleich nach seinen Verhältnissen - für die Erträge aus der Nutzung Körperschafts-/Einkommensteuer zahlen müssen. Kritisch bleiben eher die formellen Abwicklungsfragen - wie etwa Verteilung auf mehrere Sondermassegläubiger, Abgrenzung, zeitliche Verzögerungen wegen der Dauer des Veranlagungsverfahrens etc. Gerade letztere stellen sich aber im Hinblick auf die besondere Form der Einhebung der Kapitalertragssteuer anders; besteht doch auch eine vom jeweiligen Steuersubjekt unabhängige Berechnungsmöglichkeit.

Es bedarf daher einer Auseinandersetzung mit dem besonderen Charakter der Kapitalertragssteuer und deren Abgrenzbarkeit sowie mit der Frage, ob der Masseverwalter bei der Verwaltung des Vermögens von Körperschaften verpflichtet ist, eine Befreiungserklärung im Sinne des § 94 Z 5 lit a EStG zu veranlassen (vgl in diesem Sinne Prosenz, Kapitalertragssteuer vermeidbare Mehrbelastung für die Masse, ZIK 2002, 120).

Vorweg ist dazu darauf einzugehen, dass nach den Feststellungen der Masseverwalter Kontoinhaber ist (vgl hiezu auch § 114 Abs 1 KO, wonach der Masseverwalter die Veräußerungserlöse zu veranlagen hat). Grundsätzlich ist zwar nach § 95 Abs 2 EStG der Empfänger (Gläubiger; Kontoinhaber ist der Masseverwalter) der Kapitalerträge auch Steuerschuldner. Es wird jedoch durch den Konkurs nichts am Steuersubjekt geändert. Das bedeutet, dass Steuerschuldner insoweit weiter die Gemeinschuldnerin bleibt (vgl Engelhart in Kandut-Kristen/Treer, Insolvenz und Steuer, 69; VwGH 2005/14/0033; VwGH 96/15/0182; VwGH 95/12/0099). Im Ergebnis ist also davon auszugehen, dass die Kapitalerträge steuerrechtlich der (Sonder-)Masse und in weiterer Folge der Gemeinschuldnerin zuzurechnen sind.

Konkret handelt es sich hier um Kapitalerträge im Sinne des § 93 Abs 2 Z 3 EStG, und zwar um Zinserträge aus Geldeinlagen bei einem Kreditinstitut. Diese sind Einkünfte aus Kapitalvermögen im Sinne des § 2 Abs 3 Z 5 und § 27 EStG, die ja als solche einkommensteuerrechtlich subsidiär zu den Einkunftsarten nach § 2 Z 1 bis 4 EStG, also insbesondere den betrieblichen Einkünften, sind (vgl § 27 Abs 1 EStG). Für bestimmte Kapitalerträge wurde aber eine eigene Erhebungsform, die Kapitalertragssteuer im Sinne der §§ 93 ff EStG vorgesehen. Diese hat teilweise nur Vorauszahlungswirkung für die Einkommen- bzw Körperschaftssteuer, teilweise stellt sie aber auch eine abschließende Besteuerung (Endbesteuerung) dar (Kirchmayr in Doralt [Hrsg] EStG Kommentar, § 93 Rz 2; ähnlich Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts9 [2007], 749 ff). Im Rahmen der Kapitalertragsbesteuerung wird die Kapitalertragssteuer von 25 % (§ 95 Abs 1 EStG) durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (§ 93 EStG). § 94 Z 5 EStG sieht eine Befreiung von der Kapitalertragssteuer vor, wenn der Empfänger dem Kreditinstitut unter Nachweis seiner Identität schriftlich erklärt, dass diese Zinserträge als Betriebseinnahmen eines in- oder ausländischen Betriebs zu erfassen sind (vgl zur Subsidiarität auch § 27 Abs 1 EStG) und der Empfänger davon eine Gleichschrift unter Angabe der Steuernummer über das Kreditinstitut dem zuständigen Finanzamt zuleitet. Die Befreiung beginnt mit dem Vorliegen sämtlicher Umstände.

Unstrittig wurde hier nun keine solche Erklärung abgegeben, sodass für den relevanten Zeitraum auch die Voraussetzungen für die Befreiung von der Kapitalertragssteuer nicht vorlagen. Mit der Kapitalertragssteuer „endbesteuerte" Zinserträge sind bei der Feststellung der Körperschaftssteuer nur dann nicht zu berücksichtigen (vgl § 97 Abs 1 bis 3 EStG), soweit die Körperschaften die Kapitalerträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht, wie etwa Vereine oder Privatstiftungen. Fallen jedoch die Zinserträge bei Körperschaften im betrieblichen Bereich an, so bewirkt die Kapitalertragssteuer keine Endbesteuerung, sondern ist eine Veranlagung im Rahmen der Körperschaftssteuer vorzunehmen (vgl auch § 7 Abs 3 KStG; Kirchmayr in Doralt [Hrsg] EStG Kommentar, § 97 Rz 5; ähnlich Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts9 [2007], 763 ff; Prosenz, Kapitalertragssteuer-vermeidbare Mehrbelastung für die Masse, ZIK 2002, 120).

§ 7 Abs 3 KStG bestimmt Folgendes:

„(3) Bei Steuerpflichtigen, die auf Grund der Rechtsform nach unternehmensrechtlichen Vorschriften zur Rechnungslegung verpflichtet sind, bei rechnungslegungspflichtigen Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften und bei vergleichbaren unbeschränkt steuerpflichtigen ausländischen Körperschaften sind alle Einkünfte (§ 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1988) den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 23 Z 1 des Einkommensteuergesetzes 1988) zuzurechnen ...".

Die Einkünfte einer GmbH - wie hier der Gemeinschuldnerin - sind demnach jedenfalls im Rahmen der Veranlagung bei der Körperschaftssteuer zu erfassen (Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger, Die Körperschafts- steuer § 7 Rz 341 ff). Dies ist jedoch erst der zweite Schritt. Vorweg geht es um den ersten Schritt, die Beurteilung der Einhebung der Kapitalertragssteuer.

§ 114 KO ordnet an, dass das Geld, das zur Berichtigung der Masseforderungen nicht benötigt wird, bis zur Verteilung bestmöglich fruchtbringend anzulegen ist, damit wohl auch jenes Geld, das aus der Verwertung der Sondermasse erzielt wurde. Die Kapitalertragssteuer aus den daraus erzielten Zinsen stellt unter dem Aspekt der Abgrenzung der Sondermassekosten nach der Verursachung durch die Sondermasse jedenfalls insoweit einen Sonderfall dar, als sie vorweg losgelöst vom übrigen Vermögen und der Bewertung des verpfändeten Vermögenswerts im Vermögen des Gemeinschuldners - etwa vergleichbar einer Gebühr - anfällt und den Erträgnissen des Sondermassevermögens klar zuordenbar ist. Auch in der Lehre und der Rechtsprechung des VwGH wird der objektbezogene Charakter der Kapitalertragssteuer betont (Kirchmayr in Doralt [Hrsg], EStG Kommentar, § 93 Rz 4; Doralt/Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts9 [2007], 749 ff, insb zum Abzugsverbot hinsichtlich Aufwendungen und Werbungskosten Rz 769 f; VwGH 96/13/0034). Da die Kapitalertragssteuer also völlig abgegrenzt vom sonstigen Massevermögen anfällt und allein durch die Einkünfte aus der Sondermasse verursacht wird, ist auch eine Zuordnung als Sondermassekosten gerechtfertigt (vgl im Übrigen zur Frage des fehlenden Bezugs der Steuer zur Masse auch 8 Ob 92/02s). Das Problem von „Sondermassekosten" stellt sich bei der Kapitalertragssteuer hier auch deshalb in anderer Form, weil der Auszahlungsanspruch gegenüber dem Kreditinstitut zufolge der Regelungen der §§ 93 ff EStG um die Kapitalertragssteuer reduziert wird. Insoweit handelt es sich bei dieser Besteuerung in Form des Abzugs vor der Auszahlung an den Masseverwalter um besondere „Kosten", die klar allein der Sondermasse zugeordnet sind, einfach um einen verringerten Ertrag.

Im Ergebnis ist also eine Zurechnung der Kapitalertragssteuer zur Sondermasse schon deshalb zu bejahen, weil deren Ertrag im Rahmen der Verwaltung des Sondermassevermögens durch den Masseverwalter durch diese gesetzlichen Regelungen klar zugeordnet und in einer für jeden Absonderungsgläubiger völlig vorhersehbaren Weise einfach verringert wird.

Im Wesentlichen bestreitet dies die Klägerin auch nicht weiter, sondern stützt sich auf einen allfälligen Vorteil aus einer Anrechnung der Kapitalertragssteuer im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftssteuer. Sie macht einen Verwendungsanspruch im Sinne des § 1041 ABGB geltend. Dieser setzt aber voraus, dass der Bereicherte aus einem dem „Entreicherten" eindeutig zuordenbaren Rechtsgut zuweisungswidrig einen Vorteil erhalten hat (Rummel in Rummel ABGB3 § 1041 Rz 3f; Koziol in KBB2 § 1041 Rz 1; Engelhart in Konecny/Schubert Insolvenzgesetze, § 46 Rz 296). Der Verwendungsanspruch wird nach dem Vorbringen der klagenden Sondermassegläubigerin (vgl auch RIS-Justiz RS0013882) im Ergebnis darauf gestützt, dass die Vorteile aus der Anrechnung der Kapitalertragssteuer zwar der allgemeinen Masse zuzurechnen sind, die Sondermassegläubigerin nach Verteilung der Sondermasse aber insoweit widmungswidrig entreichert sei.

Die korrekte Anwendung der steuerrechtlichen Regelungen durch die zur Abfuhr verpflichtete Bank im Rahmen der Kapitalertragssteuer lässt hier eine widmungswidrige Zuweisung nicht erkennen. Entscheidend ist vielmehr, ob ein allfälliger Vorteil aus der Anrechnung der so einbehaltenen Kapitalertragssteuersteuer für die allgemeine Masse im Rahmen der Veranlagung zur Körperschaftssteuer als widmungswidrig anzusehen wäre.

Verkürzt gesagt geht es darum, inwieweit der durch die Anrechnung der Sondermasse„kosten" - Kapitalertragssteuer im Rahmen der Körperschaftssteuerveranlagung entstehende Vorteil der Sondermasse zuzuweisen ist.

Bei dieser Abgrenzungsfrage zwischen allgemeinem Massevermögen und Sondermassen (die eben kein eigenes Steuersubjekt darstellt) ist es wohl angemessen, auf die allgemeinen Grundsätze der Abgrenzung, wie sie bei der Zuordnung von Sondermassekosten bereits herausgearbeitet wurden, zurückzugreifen. Bei den Kosten wurde darauf abgestellt, ob diese klar allein durch die Sondermasse verursacht wurden und bei der gebotenen ex ante-Betrachtung nicht unzweckmäßig erschienen (8 Ob 113/06k = RdW 2007, 369 = ZIK 2007/94; 8 Ob 228/00p zu durch die Sondermasse verursachte Realsteuern, aber auch umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen).

Geht man davon aus, dass bloß klar der Sondermasse zugeordnete Kosten diese als Sondermassekosten belasten sollen, so ist es auch angemessen, diesen Maßstab bei der Zuordnung von Vorteilen zur Sondermasse anzulegen. Nun betrifft die Körperschaftssteuer das gesamte Vermögen. Wollte man einfach davon ausgehen, dass der Vorteil aus der Anrechnung der Kapitalertragssteuer in dieser Höhe noch der Sondermasse zuzurechnen wäre, so würde zwar die Sondermasse die Zinsen lukrieren, hingegen wäre die auf die Zinsen aus der Veranlagung des Sondermassevermögens entfallende Körperschaftssteuer von der allgemeinen Masse zu tragen. Sollte die allgemeine Masse etwa wiederum durch andere Verluste die Einkünfte aus möglicherweise verschiedenen - und allenfalls auch zu unterschiedlichen Zeitpunkte auszuzahlenden - Sondermassen teilweise kompensieren, sodass es nur teilweise zum Anfall von Körperschaftssteuer kommt, so könnten sich kaum lösbare Fragen der Zuordnung eines allfälligen Vorteils aus der „steuerlichen Verwendung" der abgeführten Kapitalertragssteuer ergeben. Gerade die steuerrechtliche Zuordnung der Zinsen zu den gesamten betrieblichen Einkünften in § 7 Abs 3 KStG zeigt, dass in diesem zweiten Schritt der Versteuerung eine Zuordnung von Vorteilen allein zur Sondermasse nicht mehr möglich ist.

Es hat daher bei der durch das Steuerrecht - wenngleich durch den Einhebungsmodus - in einer den Abwicklungsmechanismen des Konkursverfahrens angemessenen und klaren Zuordnung der Kapitalertragssteuer aus den im Rahmen der Verwaltung der Sondermasse erzielten Zinsen zum Sondermassevermögen zu bleiben.

Keine taugliche Grundlage bietet der Klägerin auch der behauptete Schadenersatzanspruch gegen den beklagten Masseverwalter. Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt betont, dass die Verwaltung des Masseverwalters sowohl die Interessen der Absonderungsgläubiger als auch der anderen Masse- und Konkursgläubiger zu berücksichtigen hat (vgl insb 8 Ob 113/06k mzwN). Eine unausgewogene Berücksichtigung der Interessen kann nach den gerade ausgeführten Überlegungen auch dann nicht angenommen werden, wenn der Masseverwalter keinen Antrag nach § 94 Z 5 lit a EStG (Unterlassen des Abzugs der Kapitalertragssteuer durch das Kreditinstitut) stellt, weil Chancen wie Risken der allgemeinen einkommens- bzw körperschaftssteuerrechtlichen Situation grundsätzlich zu Lasten der allgemeinen Masse gehen. Unberührt davon bleibt, dass allfällige Leistungen des Finanzamts im Rahmen einer Nachtragsverteilung der allgemeinen Masse zu berücksichtigen sind und die Klägerin im Rahmen der allgemeinen Konkursquote auch dort zum Zuge kommt (vgl dazu auch 8 Ob 68/07v = JBl 2008, 261 zur Sondermasse).

Insgesamt war daher der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.

Textnummer

E90552

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0080OB00066.08A.0402.000

Im RIS seit

02.05.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2014
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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