TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/29 98/09/0031

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Veröffentlicht am 29.11.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

ArbIG 1993 §1 Abs3;
ArbIG 1993 §15 Abs1;
ArbIG 1993 §15 Abs8;
AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §28a Abs1;
AVG §13 Abs4;
VStG §51 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des K in Nürnberg, vertreten durch Dr. Josef Peissl und Mag. Klaus Rieger, Rechtsanwälte in 8580 Köflach, Judenburgerstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 18. Dezember 1997, Zlen. UVS 30.11-116/96-20 und UVS 30.11-4/97- 20, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz vom 27. September 1996 wurde der Beschwerdeführer der Begehung von drei Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) dahingehend schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K Gesellschaft mbH mit dem Sitz in G zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin am 9. Mai 1996 in näher bezeichneten Räumlichkeiten in I drei namentlich genannte jugoslawische Staatsangehörige ohne arbeitsmarktbehördliche Genehmigung mit Reinigungsarbeiten beschäftigt habe. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer drei Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen jeweils zwei Tage) und ein Kostenbeitrag für das erstinstanzliche Verfahren von insgesamt S 3.000,-- verhängt.

Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Beschwerdeführer als auch das Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk (in Innsbruck) Berufung.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 1997 wurde unter Spruchpunkt I. die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und dem Beschwerdeführer ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren von insgesamt S 6.000,-- auferlegt sowie unter Spruchpunkt II. der Berufung des Arbeitsinspektorates dahingehend Folge gegeben, dass die über den Beschwerdeführer in erster Instanz verhängten Geldstrafen auf jeweils S 25.000,-- hinaufgesetzt wurden. Des Weiteren präzisierte die belangte Behörde den Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses insoferne, als der Beschwerdeführer die angelasteten Verwaltungsübertretungen als inländischer Vertreter der Niederlassung S der K Gesellschaft mbH mit dem Sitz in S zu verantworten habe, wobei die tatsächlichen Geschäfte über das näher bezeichnete Büro in G ausgeübt worden seien.

Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darlegung des bisherigen Verfahrensverlaufes, der maßgebenden Rechtslage und der für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der Verwaltungsübertretungen entscheidenden Erwägungen zur subjektiven Tatseite (Schuld) des Beschwerdeführers wie folgt aus:

"Der Zeuge G gab bei seiner Vernehmung an, dass M seit 1992 als Vorarbeiter für den Bereich I zuständig gewesen sei. Im Bereich I gebe es zwei größere Objekte zu betreuen, und zwar einerseits das W Einkaufszentrum in I und zweitens die Firma A in N. Herr M sei als Vorarbeiter für die Personaleinstellungen und Entlassungen zuständig und auch für die Abwicklung des Ablaufes an Ort und Stelle. Wenn Herr M die Absicht habe jemanden aufzunehmen oder zu entlassen, so habe er dies dem Büro im G gemeldet und von dort seien dann die formellen Schritte durchgeführt worden, wie z. B. ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung, wenn eine ausländische Arbeitskraft aufgenommen werden soll. Diese Vorgangsweise habe bis zum Vorfall am 9.5.1996 gut funktioniert. Insgesamt seien bei den beiden Objekten in Tirol 20 Arbeitnehmer beschäftigt. Einmal jährlich gebe es Mitarbeiterschulungen in G, an denen die Vorarbeiter und Objektleiter teilnehmen würden. Dann gebe es noch ca. einmal jährlich allgemeine Rundschreiben sowie Rundschreiben bei besonderen Anlässen, wie z.B. im vorliegenden Fall. Bei den Mitarbeiterschulungen und Rundschreiben werde darauf hingewiesen, dass die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten seien. Wenn ein Projektleiter bzw. Vorarbeiter neu eingestellt werde, dann werde er entsprechend eingeschult und würden ihm die wichtigsten Dinge erklärt. Der Zeuge G ist ca. einmal im Monat in I. Der Beschuldigte war seit 1994 einmal in I. Der Zeuge G gab weiters an, dass sich der Beschuldigte im Wesentlichen auf ihn verlasse sowie er auf Herrn M für den Bereich I verlasse.

Auf Grund des Ermittlungsverfahrens hat sich herausgestellt, dass den Vorarbeitern ein großer Verantwortungsbereich übertragen wurde und diese auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen wurden. Es ist dem Beschuldigten aber nicht gelungen, im Ermittlungsverfahren ein funktionierendes Kontrollsystem darzulegen, aus dem sich ergeben hätte, dass die Einhaltung der Weisungen auch entsprechend kontrolliert worden wäre. Der Beschuldigte konnte somit nicht glaubhaft machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschriften kein Verschulden treffe".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem gesamten Beschwerdevorbringen in dem Recht verletzt, wegen fehlenden Verschuldens nicht der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nach dem AuslBG schuldig erkannt bzw. auf Grund der Berufung des Arbeitsinspektorates nicht über die in erster Instanz verhängten Geldstrafen hinaus bestraft zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Erfüllung des objektiven Tatbestandes der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretungen wird in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Der Beschwerdeführer meint aber, die belangte Behörde hätte sein Verschulden an diesen Verwaltungsübertretungen nicht annehmen dürfen, weil seit der Tätigkeit des G ein ausreichendes Kontrollsystem bestanden habe.

Dem Beschwerdeführer ist zu erwidern, dass nach dem von der belangten Behörde (unbestrittenermaßen) festgestellten Sachverhalt der Vorarbeiter M für Personaleinstellungen und die örtliche Abwicklung (nach der internen Betriebsstruktur) zuständig war und danach - entsprechend den Meldungen des Vorarbeiter - das "Büro in G" die "formellen Schritte" durchführte. In welcher Weise angesichts dieser in seinem Unternehmen gegebenen arbeitsteiligen Besorgung der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte der Beschwerdeführer Vorsorge getroffen habe, seine Verpflichtung zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften (hier: über die Beschäftigung von Ausländern im Sinne des AuslBG) sicherzustellen, vermag er nicht hinreichend darzulegen. Er lässt dabei außer acht, dass derjenige, der sich bei der Erfüllung einer ihm obliegenden gesetzlichen Verpflichtung der Hilfe eines Dritten bedient, soweit ihn ein Verschulden trifft, strafrechtlich verantwortlich bleibt (vgl. hiezu für viele etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Februar 1997, Zl. 96/04/0188).

Insoweit der Beschwerdeführer auf jährliche Mitarbeiterschulungen und jährliche allgemeine Rundschreiben verweist, kann von einem Kontrollsystem nicht die Rede sein. Der Ansicht des Beschwerdeführers, die seit 1994 bestehende Überlassung der faktischen Geschäftsführung an den Angestellten G habe sich bewährt und sei als "ausreichendes Kontrollsystem" anzusehen, ist zu erwidern, dass die Effizienz eines Kontrollsystems nicht an der subjektiven Meinung des Berufungswerbers (Beschwerdeführers) oder der im Kontrollsystem eingebundenen Personen, sondern nach einem objektiven Maßstab gemessen wird (vgl. in dieser Hinsicht die hg. Erkenntnisse vom 27. Februar 1996, Zl. 94/04/0214, und vom 9. Dezember 1997, Zl. 97/04/0107, und die darin angegebene Judikatur). Wie der Beschwerdeführer in dieser Hinsicht in seiner Beschwerde jedoch vorbringt, bestanden die von ihm getroffenen Maßnahmen nur darin, dass er vom Angestellten G "sich regelmäßig berichten lässt und bei periodischen Besuchen in Österreich den Geschäftsverlauf auch im tatsächlichen kontrolliert". Bei Anlegung eines objektiven Maßstabes hat nach dem vom Beschwerdeführer erstatteten Vorbringen kein wirksames Kontrollsystem bestanden (vgl. auch die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze, Band II, zweite Auflage 2000, Seiten 105 ff, E 250 ff und Seiten 113 ff E 286 ff wiedergegebene Judikatur). Der belangten Behörde kann daher keine Rechtswidrigkeit vorgeworfen werden, wenn sie das Vorbringen des Beschwerdeführers als rechtlich nicht ausreichend erachtete, die ihm gegenüber bestehende Verschuldensvermutung zu widerlegen.

Gemäß § 28a Abs. 1 AuslBG (in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 895/1995) hat das Arbeitsinspektorat im Verwaltungsstrafverfahren u.a. nach § 28 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. Parteistellung und ist berechtigt, Berufung gegen Bescheide sowie Einspruch gegen Strafverfügungen zu erheben.

War im Beschwerdefall somit eine andere Verfahrenspartei rechtlich nicht gehindert, in ihrer Berufung auch eine höhere Strafe als die von der Behörde erster Instanz verhängte zu verlangen und machte sie davon Gebrauch, dann bestand in diesem Fall das Verbot der reformatio in peius nicht (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1995, Zl. 94/09/0306).

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die Berufung des Arbeitsinspektorates nicht verspätet erhoben worden, wurde doch das erstinstanzliche Straferkenntnis entsprechend einer Zustellverfügung vom 4. Dezember 1996 dem Arbeitsinspektorat erst am 9. Dezember 1996 unter seiner Anschrift I, A-Straße 43a, wirksam zugestellt; die unter der Anschrift Innsbruck, H-Straße 5 verfügte und am 23. Oktober 1996 vorgenommene Zustellung blieb hingegen unwirksam, weil sich an dieser Abgabestelle nicht das Arbeitsinspektorat, sondern der Stadtmagistrat Innsbruck (bzw. dessen Einlaufstelle) befand.

Dem Einwand des Beschwerdeführers, ein nach dem Tatort der Verwaltungsübertretungen unzuständiges Arbeitsinspektorat habe vorliegend Berufung erhoben, ist zu erwidern, dass die örtliche Zuständigkeit der Arbeitsinspektorate im AuslBG nicht geregelt ist. Da ein Verwaltungsstrafverfahren im Sinne der §§ 11 und 12 des Bundesgesetzes über die Arbeitsinspektion (ArbIG, BGBl. Nr. 27/1993 in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 871/1995) im Beschwerdefall nicht vorgelegen ist, standen zufolge der für die örtliche Zuständigkeit allgemein geltenden Regelung des § 15 Abs. 1 ArbIG die Befugnisse der Arbeitsinspektion jenem allgemeinen Arbeitsinspektorat zu, in dessen Aufsichtsbezirk sich die Betriebsstätte oder Arbeitsstelle (vgl. hiezu § 1 Abs. 3 ArbIG) befindet. Nach den Feststellungen der belangten Behörde entfaltete die K Gesellschaft mbH mit Sitz in G im Tatzeitpunkt keine Geschäftsaktivität; die vorliegend angelasteten Beschäftigungen sind vielmehr im Namen der Niederlassung S erfolgt bzw. dieser zuzurechnen. Nach den Feststellungen der belangten Behörde ist aber auch der Sitz der Filiale S nicht Tatort gewesen, weil diese Niederlassung ihre Aktivität Anfang 1996 eingestellt hat. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangte, dass das nach der Arbeitsstelle I zuständige Arbeitsinspektorat im Sinne des § 15 Abs. 1 und Abs. 8 letzter Satz ArbIG zur Erhebung der Berufung (in örtlicher Hinsicht) befugt gewesen sei, zumal die Arbeitgeberin K Gesellschaft mbH in S ihre Betriebsstätte nicht aufrecht erhalten hat und die mit dem Sitz in G registrierte Gesellschaft vorliegend nicht Arbeitgeberin gewesen ist. Demnach ist die örtliche Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde nicht ident mit der örtlichen Zuständigkeit des zur Berufungserhebung legitimierten Arbeitsinspektorates.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bildete die auf der Berufung des Arbeitsinspektorates fehlende eigenhändige und urschriftliche Unterschrift (des Berufungswerbers bzw. hier des zur Vertretung dieser Organpartei befugten Vertreters) keinen Formmangel, sondern die Behörde hatte in dieser Hinsicht allenfalls gemäß § 13 Abs. 4 AVG mit einem Bestätigungsauftrag vorzugehen. Auch im Falle der Bestätigung gemäß § 13 Abs. 4 AVG hat das Anbringen (hier: die Berufung) als ursprünglich richtig eingebracht zu gelten. Nach dem Protokoll über die Verhandlung vom 25. November 1997 hat der anwesende Vertreter des Arbeitsinspektorates der Behörde aus dem Originalakt die unterfertigte Berufung des Arbeitsinspektorates vorgelegt. Zweifel der Behörde darüber, ob die Berufung vom Arbeitsinspektorat stammt, wurden demnach hinreichend beseitigt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998090031.X00

Im RIS seit

23.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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