TE Vwgh Erkenntnis 2000/11/29 99/13/0046

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Veröffentlicht am 29.11.2000
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §165;
FinStrG §187;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Urtz, über die Beschwerde der H M in W, vertreten durch Dr. Reinhard Langner, Rechtsanwalt in Wien XIV, Hütteldorfer Straße 124, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 16. November 1998, Zl. GA 10-1015/1/98, betreffend Nachsicht einer Geldstrafe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach dem Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten war die Beschwerdeführerin seit dem Jahre 1994 geschäftsführende Gesellschafterin der M. OEG. Aus diesen Akten, insbesondere der darin enthaltenen Wahrnehmungsberichte der Wirtschaftskammer Niederösterreich ist ersichtlich, dass die M. OEG mit Hilfe von sich illegal in Österreich aufhaltenden Personen polnischer Herkunft ohne entsprechende behördliche Genehmigungen Bauarbeiten insbesondere im Bereich von Niederösterreich durchführte.

Nach einer entsprechenden Aufforderung vom 2. August 1996, die Lohnkonten vorzulegen, wurde am 26. September 1996 eine Lohnsteuerprüfung vorgenommen. Anlässlich dieser Prüfung wurde dem Prüfungsorgan ein Schriftsatz übergeben, in dem ausgeführt wurde, es seien in den Jahren 1994, 1995 und 1996 Umsätze getätigt worden, die "wegen laufender Probleme bezüglich der Führung der Bücher nicht rechtzeitig" gemeldet worden seien. Nach Aufbuchung sämtlicher Belege hätten sich folgende Nachzahlungen gegenüber dem Finanzamt ergeben:

Umsatzsteuer 1995

S 506.769,57

Umsatzsteuer 01-07/1996

S 391.988,08

Lohnsteuer 1995

S 166.099,--

Lohnsteuer 1996

S 229.516,--

DB, DZ 1995

S 87.823,--

DB, DZ 1996

S 120.811,--

Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass über das Vermögen der M. OEG der Konkurs (nach dem Akteninhalt am 4. September 1996) eröffnet worden sei. Es sei daher die Entrichtung des geschuldeten Betrages von S 1,503.006,65 nicht möglich.

Hinsichtlich der Jahre 1994 und 1994 wurden von der OEG keine Abgabenerklärungen eingebracht. Am 7. Oktober 1996 wurde bei der OEG eine Prüfung betreffend Umsatzsteuervorauszahlungen von Juli 1994 bis August 1996 vorgenommen.

Aus einer mit dem Lohnsteuerprüfer Klemens B. am 9. Oktober 1997 aufgenommenen Niederschrift geht hervor, dass Lohnkonten nur für die Jahre 1995 und 1996 vorgelegt wurden. Für den Zeitraum September bis November 1994 seien keine Lohnkonten vorgelegen. Die Beschwerdeführerin habe angegeben, dass in diesem Zeitraum drei Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien.

Bei einer am 3. November 1997 vorgenommenen Einvernahme gab die Beschwerdeführerin als Beschuldigte im Finanzstrafverfahren auf die Frage, warum im gesamten Tatzeitraum keine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben worden seien, an, auf Grund der schleppenden Zahlungseingänge, der knappen Kalkulation, und der Notwendigkeit, Waren gegen Barzahlung einzukaufen, seien keinerlei liquide Mittel vorhanden gewesen, um die selbst zu berechnenden Abgaben - Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeiträge - zu entrichten. Bezüglich der angelasteten Finanzordnungswidrigkeit lege sie daher ein Geständnis ab.

Mit Erkenntnis des Spruchsenates beim Finanzamt für den ersten Bezirk in Wien wurde die Beschwerdeführerin in der Folge der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 FinStrG für schuldig erkannt. Die Beschwerdeführerin sei schuldig, vorsätzlich Lohnsteuer für Jänner 1994 bis August 1996 in Höhe von S 368.084,-- , Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe in Höhe von S 193.241,-- sowie für die Jahre 1996 bis 1996 Umsatzsteuervorauszahlungen in Höhe von S 1,310.975,-- nicht spätestens am fünften Tage nach Fälligkeit entrichtet zu haben. Sie wurde damit zu einer Geldstrafe von S 120.000,-- "verurteilt". Das Straferkenntnis erwuchs in Rechtskraft. Eine gegen das Erkenntnis gerichtete Berufung wurde (rechtskräftig) als verspätet zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 28. September 1998 beantragte die Beschwerdeführerin die gnadenweise Nachsicht der ihr auferlegten Geldstrafe von S 120.000,--. In der Begründung wandte sie sich gegen den Vorwurf eines vorsätzlichen Handelns und behauptete, alles getan zu haben, "um zu einer ordentlichen Buchhaltung zu kommen". Sie habe einige Steuerberater damit beauftragt. Zusätzlich sei noch die Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin anzuführen. Außerdem sei ihr keineswegs Hinterziehungsabsicht vorgeworfen worden. Die finanzielle Lage der Beschwerdeführerin sei "mehr als trist". Sie habe nach der Notstandshilfe jetzt eine Pension in Höhe von monatlich S 8.900,-- erreicht. Außerdem stehe sie in ständiger ärztlicher Behandlung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Gnadengesuch als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde wies in der Begründung darauf an, dass das Gnadenrecht nicht dazu dient, versäumte Rechtsmittel "nachzuholen". Die Beschwerdeführerin sei dafür verantwortlich gewesen, dass die im Spruch des Erkenntnisses angeführten Angaben nicht fristgerecht entrichtet worden sind. Bereits im Vorverfahren sei ein Geständnis abgelegt worden; als Ursache für die Verfehlungen seien die wirtschaftlichen Schwierigkeiten angegeben worden. Obwohl nach Auffassung des Spruchsenates Anhaltspunkte für das Vorliegen eines "bedingten" Vorsatzes vorgelegen seien, sei eine Hinterziehungsabsicht nicht unterstellt worden, wobei die Strafe weit höher ausgefallen wäre. Die belangte Behörde erblickte weiters zwar in den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem schlechten Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin berücksichtigungswürdige Umstände, verneinte aber eine Nachsicht aus Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Dabei sei zu bedenken, dass die Beschwerdeführerin sich weder um eine Anmeldung ihrer Tätigkeit noch um andere abgabenrechtliche Verpflichtungen gekümmert habe, sodass eine Nachsicht bedeuten würde, dass ihre steuerlichen Verfehlungen ohne jede Sanktion bleiben würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände kann das Bundesministerium (richtig wohl: der Bundesminister) für Finanzen bzw die ermächtigte Finanzlandesdirektion gemäß § 187 FinStrG über Ansuchen des Bestraften durch die Finanzstrafbehörden verhängte Strafen ganz oder teilweise nachsehen.

Berücksichtigungswürdig sind dabei alle Gründe, die eine mildere Beurteilung der Tat erlauben und die nicht schon bei der Strafzumessung herangezogen hätten werden müssen (vgl z.B. das hg Erkenntnis vom 22. Februar 1989, Zl 87/13/0124). Dabei sind bei der Beurteilung der Berücksichtigungswürdigkeit aller die Sache als solche und die Person des Bestraften betreffenden Umstände, somit auch der schon im Strafverfahren gewürdigten Tatelemente, an sich keine Schranken gesetzt, wobei allerdings davon auszugehen ist, dass der Gnadenweg eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht ersetzen oder vorwegnehmen darf (vgl das hg Erkenntnis vom 7. Juli 1978, Zl 1265/77).

Wenn dabei die Beschwerdeführerin auf einzelne Tatelemente verweist, so kann ihr nicht gefolgt werden: Die von der Finanzstrafbehörde vorgenommene Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes ist jedenfalls hinsichtlich Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträge für 1994 sowie hinsichtlich sämtlicher Umsatzsteuer-Vorauszahlungen als verfehlt zu betrachten. Die Beschwerdeführerin hat selbst bei ihrer Vernehmung am 3. November 1997 zugestanden, dass für die Entrichtung der selbst zu berechnenden Abgaben keine liquiden Mittel vorhanden gewesen sind. Daraus folgt aber, dass die Entrichtung dieser Abgaben - entgegen der Auffassung der Finanzstrafbehörde - mit direktem Vorsatz unterblieben ist. Die Beschwerdeführerin hat somit hinsichtlich der lohnabhängigen Abgaben für 1994 - in diesem Jahr wurden nach den abgabenbehördlichen Feststellungen keine Lohnkonten geführt - sowie hinsichtlich der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen 1994 bis 1996 -

Voranmeldungen wurden von der Beschwerdeführerin überhaupt nicht abgegeben -, allenfalls hinsichtlich der Jahresumsatzsteuer 1994 und 1995 Hinterziehungsdelikte nach § 33 Abs 2 lit a und b FinStrG, allenfalls nach § 33 Abs. 1 FinStrG gesetzt. Die über die Beschwerdeführerin nach dem bloß subsidiären Tatbestand des § ?9 Abs. 1 FinStrG verhängte Geldstrafe trägt dem Unrechtsgehalt der von ihr verübten Tathandlungen in unzureichender Weise Rechnung, zumal bei der Strafbemessung unberücksichtigt blieb, welcher außerordentliche Schaden durch Straftaten der vorliegenden Art, also einem Konglomerat von verschiedenen Wirtschaftsdelikten, der österreichischen Volkswirtschaft zugefügt wird. Da mit der gegenständlichen Geldstrafe die von der Beschwerdeführerin begangenen strafbaren Handlungen somit nur unzureichend geahndet wurden, liegen in den Tatelementen berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 187 FinStrG nicht vor.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist aus den Verwaltungsakten auch eine Bereitschaft der Beschwerdeführerin, die ihre abgabenrechtlichen Verpflichtungen durch lange Zeit hindurch völlig vernachlässigt hat, zur Aufklärung der Finanzstrafsache nicht erkennbar. Von einem "reumütigen Geständnis" (nämlich in Bezug auf den tatsächlichen Umfang der strafbaren Handlungen) kann unter diesen Umständen keine Rede sein.

Soweit die Beschwerdeführerin auf die am 4. September 1996 erfolgte Konkurseröffnung verweist, ist ihr zu entgegnen, dass die Tatsache, dass jemand aus einer schlechten Vermögenslage heraus die rechtskräftig über ihn verhängte Geldstrafe nicht bezahlen kann und deshalb eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten muss, für sich allein keinen gnadenwürdigen Grund darstellt (vgl z.B. das hg Erkenntnis vom 11. September 1997, Zl 97/15/0042). Die Frage, ob der Gesundheitszustand eines Bestraften die Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe gestattet, ist dabei nicht im Rahmen eines Gesuches um Nachsicht einer Geldstrafe zu prüfen.

Soweit die Beschwerdeführerin letztlich ohne nähere Begründung auf das Erfordernis generalpräventiver und spezialpräventiver Erwägungen verweist, ist ihr entgegenzuhalten, dass in ihrem Fall gerade Präventionsüberlegungen verbieten, eine Geldstrafe im bezeichneten Ausmaß im Gnadenweg nachzusehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999130046.X00

Im RIS seit

20.02.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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