TE OGH 2009/5/12 4Ob34/09t

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Veröffentlicht am 12.05.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verwertungsgesellschaft *****, vertreten durch Hon.-Prof. Dr. Michel Walter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Elfriede P*****, vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung (Streitwert 35.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 19. Dezember 2008, GZ 2 R 240/08y-55, mit welchem das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck vom 8. August 2008, GZ 59 Cg 49/07t-48, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil, das in der Abweisung des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens für die Zeit bis November 2004 rechtskräftig geworden ist, wird im Ausspruch über das Unterlassungsbegehren teils bestätigt und teils dahin abgeändert, dass die Entscheidung insofern als Teilurteil wie folgt lautet:

„Die Beklagte ist schuldig, es zu unterlassen, Werke der bildenden Künste, die aufgrund von mit der Klägerin geschlossenen Wahrnehmungsverträgen oder aufgrund von mit ausländischen Gesellschaften eines vergleichbaren Geschäftszwecks abgeschlossenen Gegenseitigkeits- oder Vertretungsverträgen zum Werkbestand der Klägerin gehören, zu verbreiten. Dies gilt insbesondere für Werke von Alfons Walde.

Das Mehrbegehren, der Beklagten auch die Vervielfältigung oder sonstige Verwertung der genannten Werke sowie deren Verbreitung, Vervielfältigung oder sonstige Verwertung 'durch Dritte' zu untersagen, wird abgewiesen."

Im Ausspruch über das Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren für die Zeit ab Dezember 2004 werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben, und die Rechtssache wird insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist eine österreichische Verwertungsgesellschaft, zu deren Werkbestand unter anderem die Bilder von Alfons Walde gehören.

Die Beklagte ist Eigentümerin eines Geschäftslokals in Innsbruck, das sie seit Dezember 2004 ihrem Sohn verpachtet. Dieser vermietet dort Flächen für die Ausstellung und den Verkauf von Handwerksgegenständen und Kunstwerken. Daneben vermittelt er auch den Verkauf der Ausstellungsstücke, „indem er den Verkaufsvorgang vornimmt". Jedenfalls bis April 2007 präsentierte und verkaufte er Kopien von Werken Alfons Waldes. Die Zustimmung des Rechteinhabers hatte er dafür nicht.

Die Beklagte vertrat ihren Sohn, wenn er nicht im Geschäft anwesend war. Sie beriet dabei Interessenten; dass sie selbst ausgestellte Gegenstände verkauft hätte, konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.

Bis November 2004 hatte die Beklagte noch selbst Ausstellungsflächen an Dritte vermietet. Im Juni 2000 war sie von einem Rechtsnachfolger Alfons Waldes aufgefordert worden, keine Kopien von dessen Werken zu verbreiten. Die Beklagte hatte geantwortet, dass sie nur Geschäftsfläche vermiete und nicht für allfällige Urheberrechtsverstöße der Mieter hafte. Der Rechtsnachfolger Alfons Waldes hatte daraufhin keine weiteren Schritte gegen die Beklagte unternommen; auch sie selbst hatte keine Nachforschungen angestellt. Dass damals im Geschäft tatsächlich Plagiate von Werken Alfons Waldes feilgehalten worden wären, konnten die Vorinstanzen nicht feststellen.

Die Klägerin beantragt,

der Beklagten zu verbieten, Werke der bildenden Künste, die aufgrund vertraglicher Regelungen zum Werkbestand der Klägerin gehören, insbesondere Werke Alfons Waldes, „selbst oder durch Dritte zu verbreiten, zu vervielfältigen oder sonst auf eine dem Urheber vorbehaltene Weise zu verwerten";

der Beklagten aufzutragen, der Klägerin binnen 14 Tagen über die Nutzung im Sinne des Unterlassungsbegehrens „richtig und vollständig Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, und zwar insbesondere unter gesonderter Angabe aller betroffenen Werke des Werkbestands der klagenden Partei, des jeweiligen Verkaufspreises, des Zeitpunkts der Veräußerung, der Auflagezahl des Werbeprospektes, der noch auf Lager befindlichen weiteren Kopien insbes. von Werken von Alfons Walde einschließlich der Eigentumsverhältnisse hieran, des erzielten Gewinns und nach Möglichkeit von Namen und Anschrift der Käufer und anderer Kopisten als Dieter K*****, sowie aller sonstigen für die Geltendmachung und Bezifferung der der klagenden Partei zustehenden Ansprüche nach den §§ 82, 86 und 87 UrhG erforderlichen Umstände, sowie in Erfüllung ihrer Rechnungslegungs- und Auskunftspflicht der klagenden Partei - zu Handen des Klagevertreters - die zur Überprüfung der gelegten Rechnung und der erteilten Auskünfte erforderlichen Belege zur Einsicht vorzulegen oder der Rechnungslegung (in Kopie) anzuschließen, in Ermangelung von Belegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der gelegten Rechnung über Antrag der klagenden Partei durch Eidesleistung zu bestätigen."

Mit dem Rechnungslegungsbegehren verbindet die Klägerin ein vorerst noch unbestimmtes Begehren auf Zahlung von Schadenersatz in zumindest doppelter Höhe des angemessenen Entgelts nach § 87 Abs 3 UrhG. Weitere Begehren auf Beseitigung und Urteilsveröffentlichung ließ sie während des Verfahrens fallen. Die Beklagte habe in ihrem Unternehmen trotz einer Abmahnung im Juni 2000 ohne Zustimmung des Rechteinhabers Kopien von Werken Alfons Waldes verkauft. Seit dem Abschluss des Pachtvertrags mit ihrem Sohn wirke sie an dessen Rechtsverletzungen mit, da sie ihm im Geschäft helfe. Darüber hinaus hafte sie als Verpächterin. Sie sei zur Zahlung von Schadenersatz verpflichtet. Dieser Anspruch sei zumindest für den Zeitraum ab Februar 2004 nicht verjährt. Das Rechnungslegungsbegehren bleibe „jedenfalls" für die Zeit bis Dezember 2004 aufrecht (ON 5). Die Klägerin „stehe [...] nicht an", das Unterlassungsbegehren dahin einzuschränken, dass die Worte „bzw sonst auf eine dem Urheber vorbehaltene Weise zu verwerten" entfielen (ON 8).

Die Beklagte wendet ein, sie habe bis November 2004 in ihrem Geschäftslokal Flächen an verschiedene Aussteller vermietet, selbst jedoch mit dem Verkauf nichts zu tun gehabt. Auch an den Verkaufserlösen sei sie nicht beteiligt gewesen. Seit Dezember 2004 habe sie das Lokal ihrem Sohn verpachtet. Sie nehme an dessen Geschäften nicht teil und könne daher auch nicht als mithaftende Unternehmensinhaberin in Anspruch genommen werden. Zudem sei nicht bewiesen, dass im Geschäftslokal tatsächlich Kopien von Werken Alfons Waldes ausgestellt worden seien. Das Unterlassungsbegehren sei zu weit gefasst, da sich das Verbot am konkreten Verstoß orientieren müsse (ON 15).

Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren in der ursprünglichen Form, dh ohne Bedachtnahme auf dessen Einschränkung, statt. Hingegen nahm es beim Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren eine Einschränkung auf die Zeit bis November 2004 an; dieses Begehren und das noch unbestimmte Zahlungsbegehren wies es ab. Der Unterlassungsanspruch bestehe zu Recht, da die Beklagte nach der Verpachtung des Geschäftslokals an ihren Sohn als dessen Gehilfin an der Verletzung von Urheberrechten mitgewirkt habe. Das Rechnungslegungsbegehren bis November 2004 sei abzuweisen, da nicht feststehe, dass in dieser Zeit überhaupt Kopien von Werken Alfons Waldes ausgestellt worden seien.

Gegen diese Entscheidung richteten sich Berufungen beider Parteien. Das Berufungsgericht bestätigte das Unterlassungsgebot und die Abweisung des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens für die Zeit bis November 2004, verpflichtete die Beklagte jedoch zur Auskunft und Rechnungslegung ab Dezember 2004 und behob die (aus diesem Grund verfrühte) Entscheidung über das Zahlungsbegehren. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Die Beklagte habe die Problematik von Urheberrechtsverstößen im Zusammenhang mit Kopien von Werken Alfons Waldes aufgrund der im Juni 2000 erfolgten Abmahnung gekannt. Da sie ihren Sohn im Geschäft unterstützt habe und dort solche Werke angeboten worden seien, habe für sie eine Prüfpflicht bestanden. Sie habe dafür sorgen müssen, dass die Plagiate weder ausgestellt noch verkauft würden. Durch das Vertreten ihres Sohnes habe sie dessen Urheberrechtsverstoß bewusst oder doch zumindest in Verletzung einer Prüfpflicht gefördert.

Eine Einschränkung des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens auf die Zeit vor Dezember 2004 sei dem Vorbringen der Klägerin nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Bis November 2004 sei keine Urheberrechtsverletzung festgestellt, weswegen die Abweisung zu bestätigen sei. Hingegen lägen ab Dezember 2004 alle Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten vor. Urheberrechtliche Ansprüche richteten sich gegen den unmittelbaren Täter (Störer) und gegen dessen Mittäter, Anstifter und Gehilfen (mittelbare Täter). Da die Beklagte eine Prüfpflicht verletzt habe, hafte sie für Schadenersatz nach § 87 UrhG. Damit sei auch der Rechnungslegungsanspruch nach § 87a UrhG begründet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zum Begriff des „Feilhaltens" in § 16 UrhG fehlt und die von der Klägerin formulierten Begehren über die materiellrechtlich bestehenden Ansprüche hinausgehen; sie ist aus dem zweitgenannten Grund teilweise berechtigt.

1. Zum Unterlassungsbegehren

1.1. Nach § 16 Abs 1 Satz 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, Werkstücke zu verbreiten. Kraft dieses Rechts dürfen Werkstücke ohne seine Einwilligung weder feilgehalten noch auf eine Art, die das Werk der Öffentlichkeit zugänglich macht, in Verkehr gebracht werden.

Der Tatbestand des Verbreitens ist daher bereits mit dem Feilhalten erfüllt. Darunter ist das (öffentliche) Anbieten eines Werkstücks oder von Kopien eines Werkstücks zu verstehen (Anderl in Kucsko, urheber.recht [2008] 230; Walter, Österreichisches Urheberrecht I [2008] 564; OLG Wien 26 Bs 558/85 = MR 1986 H2, 23 - Raubkopien II).

1.2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Sohn der Beklagten Kopien von Werken Alfons Waldes im Geschäftslokal der Öffentlichkeit anbot, also feilhielt. Denn seine Tätigkeit beschränkte sich - anders als allenfalls jene der Beklagten in der Zeit vor Dezember 2004 - nicht auf die Vermietung von Ausstellungsflächen, sondern er „wickelte selbst Verkaufsvorgänge ab". Das setzt ein ihm zurechenbares „Feilhalten", dh (öffentliches) Anbieten der Kopien voraus. Auf die zivilrechtliche Konstruktion der Verkaufsvorgänge (Kommission, Vermittlung, Vertretung) kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass der Sohn der Beklagten die Kopien der Öffentlichkeit faktisch zum Erwerb anbot. Ein Angebot im zivilrechtlichen Sinn ist dafür nicht erforderlich (Walter aaO).

1.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen vertrat die Beklagte ihren Sohn während dessen Abwesenheit im Geschäft. Zwar steht nicht fest, dass sie tatsächlich einzelne Kopien verkauft hätte. Wohl aber folgt aus der (nicht weiter beschränkten) „Vertretung", dass auch die Beklagte die strittigen Kopien der Öffentlichkeit anbot, also feilhielt. Darin liegt ein tatbestandsmäßiges Handeln im Sinn des § 16 Abs 1 UrhG. Damit haftet die Beklagte als (Mit-)Täterin des Urheberrechtsverstoßes (RIS-Justiz RS0079462 [T13], RS0079765 [T30]; zuletzt 17 Ob 34/08m; Griss, Haftung für Dritte im Wettbewerbsrecht und im allgemeinen Zivilrecht, JBl 2005, 69, 73; Ofner in Kucsko [Hrsg], urheber.recht 1159).

Auf das bewusste Fördern des unmittelbaren Täters oder das Verletzen einer Prüfpflicht kommt es daher für den Unterlassungsanspruch nicht an. Diese Fragen wären nur erheblich, wenn die Beklagte selbst nicht tatbestandsmäßig gehandelt hätte. Gegen ein solches Verhalten - etwa gegen das Zurverfügungstellen des Geschäftsraums in Kenntnis der dort begangenen Urheberrechtsverstöße - ist das Unterlassungsbegehren aber nicht gerichtet. Zwar begehrt die Klägerin auch ein Verbot des Verbreitens (oder sonstigen Verwertens) „durch Dritte". Das erfasst allerdings nur Fälle, in denen der unmittelbare Täter - dh derjenige, von dem die Beeinträchtigung ausgeht und auf dessen maßgeblichen Willen sie beruht (RIS-Justiz RS0079765 [T20, T33]; zuletzt etwa 4 Ob 83/08x = MR 2008, 197 [Walter] - Möbelstücke) - die (eigentliche) Eingriffshandlung von einem anderen vornehmen lässt, dessen Verhalten ihm zuzurechnen ist. Das bloße Fördern eines von einem andern im eigenen Interesse und aufgrund eigenen Entschlusses vorgenommenen Eingriffs kann nicht darunter subsumiert werden.

1.4. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin besteht daher dem Grunde nach zu Recht. Allerdings geht das konkrete Begehren über den materiell-rechtlichen Anspruch hinaus.

1.4.1. Der Unterlassungsanspruch wird durch zwei Elemente konkretisiert: eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird (RIS-Justiz RS0037660; vgl auch RS0037456). Bei der Gefahr des Zuwiderhandelns ist zu unterscheiden, ob der zu einer bestimmten Unterlassung Verpflichtete bereits einmal zuwidergehandelt oder ob er sich bisher rechtmäßig verhalten hat. Im ersten Fall wird vermutet, dass er neuerlich zuwiderhandeln werde; es ist daher Sache des Beklagten, Umstände zu behaupten und zu beweisen, denen gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RIS-Justiz RS0037661; vgl auch RS0080065, RS0080119, RS0079782).

1.4.2. Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob tatsächlich Wiederholungsgefahr (a) in Bezug auf alle Werke des Repertoires der Klägerin und (b) in Bezug auf alle im Begehren genannten Verwertungshandlungen besteht.

(a) Verwertungsgesellschaften wird das Recht auf Repertoireklagen zugestanden (6 Ob 159/71 = SZ 33/46 = ÖBl 1960, 76 [Schönherr]; 4 Ob 7/88 = SZ 61/83 - AKM-Vermutung; 1 Ob 28/91 = MR 1992, 156 [Walter] - Bundesheer-Ausbildungsfilme II; offen gelassen in 4 Ob 353/86 = SZ 59/119 = MR 1986, 14 [Walter] - Weihnachtslieder), soweit nicht - anders als hier - ausschließlich eine bestimmte Rechtsverletzung verfolgt wird (4 Ob 353/86 - Weihnachtslieder; 4 Ob 1123/93). Dies folgt - jedenfalls bei Urheberrechtsverletzungen im Rahmen eines Gewerbebetriebs - daraus, dass die Vermutung der Wiederholungsgefahr, die durch den Eingriff in ein bestimmtes Verwertungsrecht begründet wurde, in der Regel nicht auf die Werke des konkret betroffenen Urhebers beschränkt ist. Vielmehr ist - bis zum Beweis (der Bescheinigung) des Gegenteils - anzunehmen, dass der Täter auch Werke anderer Urheber in gleicher Weise verwerten wird. An der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Repertoireklagen ist daher zumindest bei gewerbsmäßiger Begehung festzuhalten. Das alle Werke ihres Repertoires erfassende Begehren der Klägerin ist daher auch im vorliegenden Fall gerechtfertigt.

(b) Anderes gilt für die im Begehren genannten Verwertungshandlungen. Die Beklagte hat durch das Feilhalten der Kopien ausschließlich den Tatbestand des Verbreitens iSv § 16 UrhG erfüllt. Sie hat weder eine Vervielfältigungs- noch eine andere dem Urheber vorbehaltene Verwertungshandlung gesetzt, noch hat sie Verwertungshandlungen „durch Dritte vorgenommen", dh deren Vornahme durch Dritte im eigenen Interesse veranlasst. Da sie selbst nicht mehr gewerblich tätig ist, sondern nur im Geschäft ihres Sohnes aushilft, ist auch nicht zu befürchten, dass sie in Zukunft das Verbot des Verbreitens umgeht, indem sie andere zu diesem Verhalten veranlasst. Es ist ihr daher nur das Verbreiten von Werken zu verbieten, im Übrigen ist das Unterlassungsbegehren abzuweisen.

Die Klägerin ließ zwar in erster Instanz das Begehren „fallen", der Beklagten auch das Verwerten auf eine „sonst [...] dem Urheber vorbehaltene Weise" zu verbieten. Dennoch untersagten die Vorinstanzen auch dieses Verhalten. Da die Klägerin in ihren Rechtsmittelbeantwortungen beantragte, das Unterlassungsgebot zur Gänze zu bestätigen, ist auch dieses Teilbegehren weiterhin strittig. Es ist daher ebenfalls abzuweisen. Grund dafür ist seine mangelnde sachliche Berechtigung, nicht der - ungerügt gebliebene (RIS-Justiz RS0041240) - Verstoß des Erstgerichts gegen § 405 ZPO.

2. Zum Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren

2.1. Die Klägerin begehrt in der Sache nicht nur Rechnungslegung nach § 87a UrhG, sondern - in Bezug auf die Namen und Anschriften von Käufern und Kopisten - auch Auskunft nach § 87b Abs 2 und 2a UrhG. Dieses Begehren richtet sich nach § 87b Abs 2 UrhG (jedenfalls) gegen den Verletzer (Walter, Urheberrechtsgesetz 2006 [2007] § 87b Anm 2.3); die Beklagte ist daher grundsätzlich zur Auskunftserteilung verpflichtet.

2.2. Das Rechnungslegungsbegehren dient der Vorbereitung der nach §§ 86 und 87 UrhG gebührenden Ansprüche (4 Ob 311/97g = ÖBl 1998, 363 - Lola Blau; vgl in markenrechtlichem Zusammenhang 17 Ob 40/08v). Es ist daher nur berechtigt, soweit solche Ansprüche aus dem Vorbringen der Klägerin und dem festgestellten Sachverhalt zumindest dem Grunde nach abzuleiten sind.

Die Beklagte hat nicht nur selbst in das Urheberrecht von Alfons Walde eingegriffen, sondern durch die Verpachtung des Geschäftslokals auch die Eingriffe ihres Sohnes ermöglicht. Aufgrund der Abmahnung im Juni 2000 musste ihr die Problematik der Walde-Kopien bewusst sein; zudem war sie durch die regelmäßige Vertretung in den Geschäftsbetrieb ihres Sohnes eingebunden. Unter diesen besonderen Umständen war sie verpflichtet, die von ihrem Sohn vorgenommenen Eingriffe in das Urheberrecht von Alfons Walde zu verhindern. Sie haftet daher nach § 87 UrhG für den dadurch verursachten Schaden. Damit kann offen bleiben, ob schon das bloße Feilhalten Schadenersatzansprüche begründet und ob Bedienstete und Beauftragte eines Unternehmens auch für ein angemessenes Entgelt iSv § 86 UrhG haften (vgl dazu St. Korn in Kucsko, urheber.recht [2008] 1304; aus der Rsp zuletzt in markenrechtlichem Zusammenhang 17 Ob 40/08v).

2.3. Sowohl das Rechnungslegungs- als auch das Auskunftsbegehren bestehen daher dem Grunde nach zu Recht. Allerdings gehen sie ebenso wie das Unterlassungsbegehren über den materiell-rechtlichen Anspruch hinaus.

2.3.1. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass der Sohn der Beklagten Kopien von anderen Werken als jenen Alfons Waldes verbreitet hätte. Damit fehlt ein Vorbringen, das einen Schadenersatzanspruch wegen des Eingriffs in Rechte an Werken anderer Urheber trüge. Der Rechnungslegungsanspruch kann aber als Hilfsanspruch nicht weiter reichen als der damit verfolgte Hauptanspruch (oben 2.2.). Er ist daher auf Verwertungshandlungen im Zusammenhang mit Werken Alfons Waldes beschränkt.

2.3.2. Gleiches gilt für den Auskunftsanspruch nach § 87b Abs 2 UrhG. Dieser erfasst nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur die Vertriebswege „der" rechtsverletzenden Waren. Die Klägerin behauptet nicht, dass im Geschäftslokal auch Plagiate von Werken anderer Urheber feilgehalten wurden. Daher ist auch der Auskunftsanspruch auf die Werke Alfons Waldes beschränkt.

Die Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 87b Abs 2a lit a UrhG erfasst zudem nur Name und Anschrift der „gewerblichen" Abnehmer. Das ist folgerichtig, gehören doch nur Abnehmer, bei denen aufgrund ihrer gewerblichen Tätigkeit mit einer Weiterveräußerung zu rechnen ist, zu den „Vertriebswegen" iSv § 87b Abs 2 UrhG. Anderes gilt für private Erwerber. Sie sind nicht Bestandteil der Vertriebswege, sondern stehen an deren Ende. Ein Auskunftsanspruch besteht daher insofern nicht.

2.4. In zwei weiteren Punkten erfüllt das Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren nicht das Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO.

2.4.1. Nach § 226 Abs 1 ZPO hat die Klage ein bestimmtes Begehren zu enthalten. Es muss ihr daher der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der geschuldeten Leistung oder Unterlassung zu entnehmen sein (1 Ob 142/72 = GesRZ 1973, 80; RIS-Justiz RS0000466). Das ist für Leistungsklagen schon deshalb erforderlich, weil das Urteil einen ausreichend bestimmten Exekutionstitel und damit eine zuverlässige Grundlage für die zwangsweise Durchsetzung der zugesprochenen Leistung bilden muss (Fasching in Fasching/Konecny2 § 226 ZPO Rz 37).

2.4.2. Aus § 226 ZPO folgt zunächst die grundsätzliche Bedingungsfeindlichkeit des Klagebegehrens (9 ObA 13/95 = SZ 68/31; Rechberger/Klicka in Rechberger, § 226 ZPO Rz 6 mwN). Das gilt zwar nicht für innerprozessuale Bedingungen, sodass insbesondere Eventualbegehren und Eventualanträge zulässig sind (RIS-Justiz RS0006441, RS0037502). Eine Klage kann aber - ebenso wie andere Prozesshandlungen (RIS-Justiz RS0006954) - nicht von einer außerprozessualen Bedingung abhängig gemacht werden.

Im vorliegenden Fall soll der Beklagten aufgetragen werden, „nach Möglichkeit" Namen und Anschrift von Käufern und Kopisten bekannt zu geben. Damit macht die Klägerin zwar nicht das Erheben der Klage von einer Bedingung abhängig, wohl aber die damit begehrte Leistung. Ein solcher Titel führte zu Schwierigkeiten im Vollstreckungsverfahren. Denn die Klägerin müsste den Eintritt der Bedingung - dh die Möglichkeit der Auskunftserteilung - nach § 7 EO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen oder eine Titelergänzungsklage nach § 10 EO einbringen. Das in § 226 ZPO vorgesehene Bestimmtheitserfordernis soll gerade das verhindern. Die Verurteilung zu einer Leistung „nach Möglichkeit" hat daher zu unterbleiben; die allfällige Unmöglichkeit der Leistung wäre nur aufgrund eines Einwands der Beklagten zu prüfen. Ein unbedingter Zuspruch ist nicht möglich, da er über das von der Klägerin Begehrte hinausginge (§ 405 ZPO).

2.4.3. Ebenfalls nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt das Begehren auf Bekanntgabe „aller sonstigen für die Geltendmachung und Bezifferung der der klagenden Partei zustehenden Ansprüche nach den §§ 82, 86 und 87 UrhG erforderlichen Umstände". Diese Formulierung lässt gänzlich offen, welche weiteren Auskünfte die Beklagte tatsächlich erteilen soll. Eine Exekution wäre daher auch hier nur möglich, wenn der unbestimmte Titel durch eine Titelergänzungsklage einen konkreten Inhalt erhielte. Aus diesem Grund steht § 226 ZPO auch diesem Teilbegehren entgegen.

2.5. Im soeben (Punkte 2.2 bis 2.4.) genannten Umfang wäre das Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren daher abzuweisen. Allerdings darf auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die das Gericht sie auch nicht hingewiesen hat (4 Ob 53/07h = ÖBA 2008, 140 mwN; zuletzt etwa 4 Ob 151/07w = ecolex 2008, 438 und 10 ObS 99/08v; allgemein RIS-Justiz RS0037300). Daher sind die Urteile im Ausspruch über das Rechnungslegungsbegehren für die Zeit ab 1. Dezember 2004 aufzuheben. Eine Teilbestätigung erscheint dem Senat wegen des engen inhaltlichen Zusammenhangs nicht zweckmäßig. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht mit der Klägerin die oben genannten Punkte zu erörtern und allenfalls ein ergänzendes Vorbringen entgegenzunehmen haben; die neue Entscheidung wird dann unter Bindung an die diesem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht zu treffen sein.

3. Ergebnis und Kosten

3.1. Aus den oben dargestellten Gründen ist das angefochtene Urteil im Ausspruch über das Unterlassungsbegehren teilweise abzuändern; im Ausspruch über das Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren für die Zeit ab Dezember 2004 sind die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben, und die Rechtssache ist insofern zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Unberührt bleibt die bereits rechtskräftige Abweisung des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens für die Zeit bis November 2004.

3.2. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

In das Verbreitungsrecht des Urhebers wird schon durch das Feilhalten, dh das öffentliche Anbieten, von Werkstücken oder Kopien (Plagiaten) eingegriffen; eine tatsächliche Veräußerung ist nicht erforderlich.

Ein Rechnungslegungsbegehren ist nur berechtigt, soweit die Zahlungsansprüche, zu deren Bezifferung es dient, aus dem Vorbringen des Klägers und dem festgestellten Sachverhalt zumindest dem Grunde nach abzuleiten sind.

Der Auskunftsanspruch nach § 87b Abs 2 UrhG ist auf die Vertriebswege der im konkreten Fall rechtsverletzenden Ware beschränkt. Er umfasst auch nicht die Bekanntgabe privater Endabnehmer.

Das Bestimmtheitserfordernis des § 226 ZPO ist nicht erfüllt, wenn der Kläger eine Leistung „nach Möglichkeit" oder die Bekanntgabe „aller" für eine Anspruchsverfolgung „erforderlichen Umstände" begehrt.

3.3. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 und 2 ZPO.

Schlagworte

Alfons Walde,

Textnummer

E90844

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00034.09T.0512.000

Im RIS seit

11.06.2009

Zuletzt aktualisiert am

19.12.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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