TE OGH 2009/6/9 1Ob73/09f

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Veröffentlicht am 09.06.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, gegen die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch Achammer Mennel Welte Achammer Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, wegen 39.256,93 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. Februar 2009, GZ 4 R 245/08y-22, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der für das Revisionsverfahren maßgebliche Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Im Jahr 2001 tätigte die Rechtsvorgängerin der beklagten Partei an die klagende Partei eine als Gewinnausschüttung bezeichnete Zahlung. Als nach § 95 Abs 3 Einkommenssteuergesetz 1988 zum Abzug Verpflichtete führte sie davon 12,5 % Kapitalertragsteuer in Höhe von 39.256,39 EUR an das Finanzamt Feldkirch ab.

Am 29. 7. 2004 schlossen die klagende und die beklagte Partei einen Generalvergleich, mit dem alle wechselseitigen Forderungen und Ansprüche zwischen dem Stifter der klagenden Partei und der klagenden Partei einerseits sowie den Aktionären S***** und der beklagten Partei bzw deren Rechtsvorgängerin andererseits bereinigt werden sollten. Über die abgeführte KESt in Höhe von 39.256,39 EUR wurde nicht gesprochen; ebenso wurde nicht besprochen, was im Falle einer allfälligen Rückerstattung durch das Finanzamt mit diesem Betrag geschehen sollte.

Nach dem 25. 11. 2004 erstattete das Finanzamt die 39.256,39 EUR an Kapitalertragsteuer zurück, da mittlerweile davon ausgegangen wurde, dass für deren Abfuhr keine gesetzliche Grundlage bestanden hatte. Die Rückerstattung erfolgte jedoch nicht an die klagende Partei als (vermeintliche) Steuerschuldnerin, sondern an die (vermeintlich) zum Abzug verpflichtete beklagte Partei. Dies allein aus dem Grund, weil der zuständige Referent des Finanzamts den Rückerstattungsantrag irrtümlicherweise so auffasste, dass die klagende Partei vorab ihre Zustimmung zur Auszahlung an die beklagte Partei erteilt hätte. Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei, die beklagte Partei zur (Rück-)Zahlung der 39.256,39 EUR sA zu verpflichten. In Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung gab das Berufungsgericht dem Klagebegehren in der Hauptsache statt. Die Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens ist in Rechtskraft erwachsen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist nicht zulässig.

1. Liegt in einer Gewinnausschüttung ein steuerabzugspflichtiger Kapitalertrag im Sinn des § 93 EStG 1988 wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer). Der zum Abzug Verpflichtete hat die Kapitalertragsteuer im Zeitpunkt des Zufließens der Kapitalerträge abzuziehen (§ 95 Abs 4 EStG); er haftet dem Bund gegenüber für die Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer. Er führt mit der Kapitalertragsteuer nicht eine eigene, sondern die Steuerschuld des Empfängers des Kapitalertrags ab (Marschner in Jakom, Einkommensteuergesetz2 § 95 Rz 8). Seine Stellung entspricht grundsätzlich jener des Arbeitgebers im Lohnsteuerrecht (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - III D, § 95 Rz 3 mwN). Eigentlicher Schuldner der Kapitalertragsteuer ist gemäß § 95 Abs 2 EStG der Empfänger der Kapitalerträge. Allenfalls zu viel abgeführte Kapitalertragsteuer ist von der Republik demnach an diesen - und nicht an den (lediglich) zur Abfuhr Verpflichteten - rückzuerstatten bzw zur Auszahlung zu bringen. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, die Klageforderung sei von der Bereinigungswirkung des vorliegenden „Generalvergleichs" nicht umfasst:

Da die beklagte Partei eine fremde Schuld bezahlt hat, steht der Anspruch auf Rückerstattung gegenüber der Republik Österreich der klagenden Partei als (vermeintlicher) Steuerschuldnerin zu. Unterlief dem zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamts bei Rückerstattung der abgeführten Kapitalertragsteuer insofern ein Irrtum, als er die Rückerstattung an die beklagte Partei anstatt - richtigerweise - an die klagende Partei veranlasste, ist die beklagte Partei bereicherungsrechtlich zur Herausgabe des Empfangenen verpflichtet. Ihr Einwand, dem Vergleich komme Bereinigungswirkung zu, ist nicht erfolgreich. Zwar ist grundsätzlich von einer umfassenden Bereinigungswirkung jedes Vergleichs auszugehen und werden auch allfällige steuerliche Nachteile oder Vorteile aus einer geänderten Besteuerung vom Vergleich erfasst (vgl dazu allgemein RIS-Justiz RS0032589, insb 6 Ob 712/81; RIS-Justiz RS0032453, insb 4 Ob 79/80). Im vorliegenden Fall kam es aber nicht (bloß) zu einer geänderten Besteuerung, sondern zu einer irrtümlichen Vorgangsweise des beim Finanzamt tätigen Sachbearbeiters, die für die klagende Partei im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses nicht voraussehbar war. Den daraus gegenüber der beklagten Partei resultierenden Rückforderungsanspruch konnte die klagende Partei auch bei pflichtgemäßer Sorgfalt nicht bedenken (RIS-Justiz RS0032453 [T2]). Zum Abschlusszeitpunkt ungewisse Änderungen, die erst nach Vergleichsabschluss eingetreten sind, werden vom Vergleich nicht umfasst (9 ObA 132/90).

Der Sachverhalt der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Entscheidung 1 Ob 239/05m ist anders gelagert, weil es dort die Klägerin unterließ, zu behaupten und unter Beweis zu stellen, dass bestimmte Ansprüche vom Generalvergleich ausgenommen gewesen seien. Im Übrigen stellt die Auslegung eines Vergleichs im Einzelfall regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (1 Ob 3/05f).

2. Das Berufungsgericht hat die Stattgebung des Klagebegehrens weiters darauf gestützt, die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer lasse ein krasses Missverhältnis zwischen der Höhe des im Generalvergleich enthaltenen Kaufpreises der Geschäftsanteile und deren Wert unter Bedachtnahme auf die Höhe des Rückforderungsanspruchs entstehen. Diese Rechtsansicht rügt die Revisionswerberin als überraschend. Ist die Stattgebung des Klagebegehrens aber schon aus den oben zu Punkt 1. angeführten Gründen gerechtfertigt, bleibt der von der Revisionswerberin behauptete Verfahrensmangel ohne Relevanz für den Ausgang des Verfahrens, weshalb sich Ausführungen dazu erübrigen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.

Anmerkung

E910181Ob73.09f

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00073.09F.0609.000

Zuletzt aktualisiert am

23.07.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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