TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/7 2000/16/0083

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Veröffentlicht am 07.12.2000
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Index

E3R E02202000;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;

Norm

31992R2913 ZK 1992 Art221 Abs3;
BAO §116 Abs1;
FinStrG §33;
FinStrG §35 Abs2;
ZollG 1988 §174 Abs3 lita;
ZollG 1988 §3 Abs2;
ZollRDG 1994 §122 Abs2;
ZollRDG 1994 §74 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta über die Beschwerden des P in W, vertreten durch Dr. Christian Haas, Rechtsanwalt in Wien I, Rosengasse 8, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 27. Dezember 1999, Zlen. 1.) ZRV/14-13/98,

2.) ZRV/63-13/98, je betreffend Entstehung einer Zollschuld kraft Gesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 30.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde mit rechtskräftigem Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 16. Mai 1989, Zl. 6a Vr 1567/89, Hv 2179/89- 15 wie folgt verurteilt:

"P ist schuldig, er hat in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgifte

1.) in einer großen Menge in Verkehr gesetzt, indem er in der Zeit von

November 1988 bis Jänner 1989 insgesamt ca. 4 1/2 kg Haschisch verkaufte;

2.) in der Zeit von Anfang 1987 bis 1.5.1989 wiederholt erworben und besessen.

Er hat hiedurch

zu 1.):

das Verbrechen nach dem § 12 Absatz 1 SGG;

zu 2.):

das Vergehen nach dem § 16 Absatz 1 SGG

begangen und wird hiefür unter Anwendung des § 28 StBG nach § 12 Absatz 1 SGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 14 (vierzehn Monaten)

und gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt."

Diesem Urteil lagen folgende Tatsachenfeststellungen des Gerichtes zugrunde:

Der Angeklagte P ist 21 Jahre alt, österreichischer Staatsbürger, er ist von Beruf Messemonteur mit einem Einkommen von ca. S 10.000,--. P ist ledig, er besitzt kein Vermögen, und hat keine Sorgepflichten.

P ist bislang unbescholten.

Im Jahre 1987 kam der Angeklagte P erstmals mit Suchtgift, nämlich mit Haschisch, in Kontakt, wobei er sich vorerst dieses Suchtgift zum eigenen Bedarf in einschlägigen Lokalen der Wiener Szene erwarb.

In weiterer Folge nahm sein Suchtgiftmissbrauch zu, und steigerte sich schließlich bis zur Abhängigkeit.

Im November 1988 lernte der Angeklagte über den abgesondert verfolgten B seine ebenfalls abgesondert verfolgte Lebensgefährtin M kennen.

Relativ kurz nach ihrer ersten Bekanntschaft wurde dem Angeklagten klar, dass M über größere Suchtgiftmengen verfügte, und machte in der Folge M dem Angeklagten auch den Vorschlag, ob er nicht für sie Suchtgift an dritte Personen weiterverkaufen wolle.

Der Angeklagte, der sich aus dem Suchtgiftverkauf finanzielle Mittel zum Erwerb des Suchtgiftes für seinen eigenen Bedarf versprach, erklärte sich bereit, übernahm in weiterer Folge von M tatsächlich ca.3 kg Haschisch, wobei er einen geringen Teil dieses Haschisch für sich selbst verbrauchte, den größten Teil aber an unbekannt gebliebene Personen weiterverkaufte.

Darüber hinaus übernahm der Angeklagte zur Jahreswende 1987/1988 auch noch zumindest 2 kg Haschisch vom abgesondert verfolgten O, wobei er auch von dieser übernommenen Haschischmenge einen Teil an dritte Personen weitergab.

Insgesamt gelangten über den Angeklagten teils von O, teils von W bezogen, zumindest 4 1/2 kg Haschisch in Umlauf.

Im Zuge der polizeilichen Erhebungen wurde der Angeklagte am 23.1.1989 verhaftet, und befand sich bis 6.2.1989 in Untersuchungshaft.

Auch nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft konnte sich der Angeklagte nicht vollkommen vom Suchtgiftkonsum lösen, sondern konsumierte bis zum 1.5.1989 weiterhin Haschisch."

Am 13. Mai 1997 erließ das Hauptzollamt Wien unter den Zlen. 100/48328/97-7-Vo und 100/48328/97-13-Vo, gegen den Beschwerdeführer zwei Bescheide mit - auszugsweise - folgenden Sprüchen:

     1) "Im Zeitraum von Anfang 1987 bis 1.5.1989 brachten Sie das

im beiliegenden Berechnungsblatt genannte Suchtgift als

einfuhrzollpflichtige, zollhängige Ware an sich, obwohl Ihnen die

Zollhängigkeit derselben bekannt oder nur infolge grober

Fahrlässigkeit unbekannt war. Es entstand für Sie gemäß § 174

Abs. 3 lit. a 2 Fall, in Zusammenhalt mit § 3 Abs. 2

Zollgesetz 1988 BGBl. Nr. 644/1988 in der damals geltenden Fassung

(ZollG), die Eingangsabgabenschuld kraft Geseztes im Ausmaß von

     ÖS        30000.-        an Zoll, (ZO)

     ÖS        30000.-        an Einfuhrumsatzsteuer, (EU)

     ÖS          360.-        an Außenhandelsförderungsbeitrag (AF)

     -------------------

zusammen       60360.-

und wurde gleichzeitig gemäß § 175 Abs. 1 ZollG fällig.

Außerdem ist wegen Nichtentrichtung dieser mit ihrem Entstehen bereits fällig gewordenen Schuld bei Fälligkeit gemäß § 175 Zollgesetz in Verbindung mit §§ 217 ff Bundesabgabenordnung 1961, BGBl. Nr. 164/1961 in der geltenden Fassung (BAO) auch die Verpflichtung zur Entrichtung des im Betrage von ÖS 1207.- verwirkten 2 %igen Säumniszuschlag entstanden.

Sie haben daher den Betrag von 61567.- ÖS innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigem Eintritt von Säumnisfolgen mittels beigefügtem Erlagschein auf das Postscheckkonto 5504.006, lautend auf Zollamt Wien, einzuzahlen oder mit Überweisungsauftrag zu überweisen, wobei die oben verzeichnete Geschäftszahl des Zollamtes Wien anzugeben ist."

2) "Im Zeitraum von Anfang 1987 bis 1.5.1989 brachten Sie das im beiliegenden Berechnungsblatt genannte Suchtgift als einfuhrzollpflichtige, zollhängige Ware an sich, obwohl Ihnen die Zollhängigkeit derselben bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Es entstand für Sie gemäß § 174 Abs. 3 lit. a 2 Fall, in Zusammenhalt mit § 3 Abs. 2 Zollgesetz 1988 BGBl. Nr. 644/1988 in der damals geltenden Fassung (ZollG), die Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes im Ausmaß von

ÖS        20000.-        an Zoll, (ZO)

ÖS        20000.-        an Einfuhrumsatzsteuer, (EU)

ÖS          240.-        an Außenhandelsförderungsbeitrag (AF)

-------------------

zusammen   40240.-

und wurde gleichzeitig gemäß § 175 Abs. 1 ZollG fällig.

Außerdem ist wegen Nichtentrichtung dieser mit ihrem Entstehen bereits fällig gewordenen Schuld bei Fälligkeit gemäß § 175 Zollgesetz in Verbindung mit §§ 217 ff Bundesabgabenordnung 1961, BGBl. Nr. 164/1961 in der geltenden Fassung (BAO) auch die Verpflichtung zur Entrichtung des im Betrage von ÖS 805.- verwirkten 2 %igen Säumniszuschlag entstanden.

Sie haben daher den Betrag von 41045.- ÖS innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung dieses Bescheides bei sonstigem Eintritt von Säumnisfolgen mittels beigefügtem Erlagschein auf das Postscheckkonto 5504.006, lautend auf Zollamt Wien, einzuzahlen oder mit Überweisungsauftrag zu überweisen, wobei die oben verzeichnete Geschäftszahl des Zollamtes Wien anzugeben ist."

Begründet wurden diese Bescheide (auszugsweise) jeweils wie folgt:

"Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Zl.: 6a Vr 1567/89 vom 16.5.1989 wurde nachstehender Sachverhalt festgestellt:

Sie brachten die im Spruch bezeichnete Ware als einfuhrzollpflichtige, zollhängige Ware an sich, obwohl Ihnen die Zollhängigkeit derselben bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war. Dadurch entstand für Sie im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung die Eingangsabgabenschuld kraft Gesetzes im Sinne der im Spruch genannten Gesetzesstellen."

Gegen diese Bescheide berief der Beschwerdeführer je mit der Behauptung, es liege Verjährung vor. Außerdem machte er geltend, es sei im Gerichtsurteil nicht festgestellt worden, dass ihm die Zollhängigkeit der erworbenen Waren bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt gewesen sei. Hiezu gebe es im Verfahren keinerlei Nachweise.

Gegen die daraufhin ergangenen abweislichen Berufungsvorentscheidungen stellte der Beschwerdeführer jeweils fristgerecht Anträge auf Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, wobei er jeweils ausführte, es fehlten Tatsachen, die den Schluss zuließen, dass das verfahrensgegenständliche Suchtgift im Wege eine Schmuggels in das Zollgebiet verbracht worden sei.

Die belangte Behörde wies die Berufungen jeweils als unbegründet ab, wobei sie sich auf den Inhalt des oben wiedergegebenen Strafurteiles stürzte. Ausgehend davon führte die belangte Behörde jeweils unter anderem folgendes aus:

Im erstangefochtenen Bescheid:

"Für die Rechtsmittelbehörde steht daher fest, dass der Bw. durch das Ansichbringen von 5.000 Gramm Haschisch als einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware den zweiten Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. a ZollG verwirklicht hat und hiefür die Zollschuld kraft Gesetzes entstanden ist (2.000 Gramm dieser Menge sind Gegenstand der erstinstanzlichen Vorschreibung zur Zahl 100/48328/97-13-Vo bzw. der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde zur Zahl ZRV/63-13/98)."

Im zweitangefochtenen Bescheid:

"Für die Rechtsmittelbehörde steht daher fest, dass der Bw. durch das Ansichbringen von 5.000 Gramm Haschisch als einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware den zweiten Tatbestand des § 174 Abs. 3 lit. a ZollG verwirklicht hat und hiefür die Zollschuld kraft Gesetzes entstanden ist (3.000 Gramm dieser Menge sind Gegenstand der erstinstanzlichen Vorschreibung zur Zahl 100/48328/97-7-Vo bzw. der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde zur Zahl ZRV/14-13/98)."

In beiden Bescheiden übereinstimmend gelangte die belangte Behörde dann zu folgenden Schlussfolgerungen:

"Die Bestimmung des § 174 Abs. 3 lit. a zweiter Tatbestand ZollG knüpft das Entstehen der Zollschuld an das bösgläubige Ansichbringen einer zollhängigen Ware; der betreffenden Person muss also zum Zeitpunkt des Ansichbringens die Zollhängigkeit bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sein.

Suchtgifte, wie etwa Haschisch oder Heroin, weisen insoweit besondere Merkmale auf, als ihre Schädlichkeit für das Leben oder die Gesundheit von Menschen allgemein bekannt und ihre Einfuhr, ihr Erwerb und Besitz verboten ist (vgl. §§ 2, 3 und 12 Suchtgiftgesetz). In Hinblick auf das Fehlen einer (selbst illegalen) Erzeugung des streitverfangenen Suchtgiftes in Österreich (vgl. etwa das Erkenntnis des VwGH vom 20. September 1984, Zl. 84/16/0089, vom 30. Juni 1988, Zl. 88/16/0020 und vom 14. Februar 1991, Zl. 90/16/0164) ist zu schließen, dass es nur illegal - somit unter Umgehung der Stellungspflicht im Wege des Schmuggels - in das Zollgebiet gelangt sein konnte und seine zollredliche Einbringung in das Zollgebiet daher auszuschließen ist. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist dies jedermann bekannt."

Ausgehend davon nahm die belangte Behörde jeweils das Vorliegen hinterzogener Abgaben an, lastete dem Beschwerdeführer an, er habe das geschmuggelte Suchtgift "zumindest bedingt vorsätzlich an sich gebracht" und ging daher von einer Verjährungsfrist von zehn Jahren aus.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerden je wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich jeweils in seinem Recht darauf verletzt, für das an sich gebrachte Suchtgift keine Eingangsabgaben zu schulden

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete Gegenschrift, in denen die Abweisung der Beschwerden als unbegründet beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Auf die Beschwerdefälle ist noch das Zollgesetz 1988 anzuwenden.

Gemäß § 174 Abs. 3 lit. a ZollG 1988 entsteht die Zollschuld kraft Gesetzes für den, der über eine einfuhrzollpflichtige zollhängige Ware erstmalig vorschriftswidrig so verfügt, als wäre sie im freien Verkehr, oder der eine solche Ware an sich bringt, obwohl ihm die Zollhängigkeit bekannt oder nur in grober Fahrlässigkeit unbekannt war.

Gemäß dem nach § 122 Abs. 2 ZollR-DG iVm Art. 221 Abs. 3 ZK auf den Beschwerdefall anzuwendenden § 74 Abs. 2 ZollR-DG beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben zehn Jahre.

Diesbezüglich hat die belangte Behörde betreffend die Frage des Vorliegens einer hinterzogenen Abgabe, ohne dass es dafür in den Verwaltungsakten irgendeine sachliche Grundlage gäbe einen begangenen Schmuggel angenommen und dem Beschwerdeführer dabei zumindest bedingten Vorsatz angelastet.

Ob eine Abgabe als hinterzogen anzusehen ist, ist eine Vorfrage, deren Beurteilung eine eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellung über die Abgabenhinterziehung voraussetzt, in der die maßgeblichen Hinterziehungskriterien von der Abgabenbehörde darzulegen sind (vgl. die erst jüngst ergangenen hg. Erkenntnisse vom 9. November 2000, Zl. 99/16/0395 und vom 31. August 2000, Zl. 99/16/0110 und die dort zitierten weiteren Belegstellen).

Mit Rücksicht darauf, dass sich für den von der belangten Behörde angenommenen Schmuggel und den dem Beschwerdeführer angelasteten dolus eventualis in den Verwaltungsakten keinerlei Grundlagen finden, hat die belangte Behörde durch die Annahme des Vorliegens einer hinterzogenen Verjährung ohne entsprechende Grundlage ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Die angefochtenen Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, wobei die Entscheidung im Hinblick auf die durch die oben angeführten Belegstellen klargestellte Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 7. Dezember 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000160083.X00

Im RIS seit

02.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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