TE OGH 2009/6/24 15Os79/09w

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Veröffentlicht am 24.06.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann S***** und Josef B***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 11. Dezember 2008, GZ 40 Hv 64/07x-86, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann S***** und Josef B***** jeweils der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB, Josef B***** darüberhinaus der Vergehen des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b Abs 2 StGB (A./; richtig: Abs 3) und § 207b Abs 2 und 3 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat bzw haben in T*****/M*****

Johann S***** zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen Jänner 2005 und 12. Mai 2005, in insgesamt drei Angriffen mit dem am 1. Februar 1994 geborenen, mithin unmündigen Ben B***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung, nämlich einen Oralverkehr unternommen;

Josef B*****

A./ in der Zeit zwischen März 2003 und Mai 2005 den am 18. Juli 1987 geborenen Samir B*****, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, unmittelbar durch ein Entgelt in Form von Geschenken und Geldzuwendungen dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen, nämlich mehrfachen Oralverkehr an sich vornehmen zu lassen;

B./ jeweils den am 3. April 1989 geborenen Rachid A***** unter Ausnützung einer Zwangslage, nämlich seiner Armut, durch Entgelt in Form von Geschenken und Geldzuwendungen in mehreren Angriffen dazu verleitet, geschlechtliche Handlungen, nämlich den Oralverkehr an sich vornehmen zu lassen und zwar in der Zeit von Jänner bis 3. April 2005, in der dieser das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, und in der Zeit von 3. April (richtig: 4. April) 2005 bis Mai 2005, in der dieser das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte;

C./ zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen Jänner und Mai 2005 in mehreren Angriffen mit dem am 1. Februar 1994 geborenen, mithin unmündigen Redouane B***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung, nämlich einen Oralverkehr unternommen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich gesondert ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter, die von Johann S***** auf § 281 Abs 1 Z 4, 5a, 9 lit b und 11 StPO, von Josef B***** auf § 281 Abs 1 Z 4 und 9 lit b StPO gestützt werden. Beide Rechtsmittel schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:

Der Angeklagte Johann S***** bemängelt die Abweisung der in der Hauptverhandlung vom 10. Dezember 2008 gestellten Anträge (Z 4), wodurch jedoch seine Verteidigungsrechte nicht verletzt wurden. Jenem auf „Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens hinsichtlich Redouane B***** zum Beweis dafür, dass dessen belastende Aussagen weder auf einer Erinnerungsspur noch auf der Wahrheit basieren" (S 281 f/III.), stand zum einen entgegen, dass Zeugen nicht verpflichtet sind, sich gegen ihren Willen untersuchen zu lassen. Der Antragstellung war auch nicht zu entnehmen, dass sich der minderjährige Zeuge zu einer Befundaufnahme bereit finden und der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung erteilen würde (RIS-Justiz RS0118956). Zum anderen bedarf es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit - die dem erkennenden Gericht vorbehalten ist (§ 258 Abs 2 StPO) - eines Zeugen nur in Ausnahmefällen der Hilfestellung durch einen Sachverständigen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Dass ein solcher Fall vorliege, wurde in dem Antrag ebensowenig dargelegt.

Die in der Beschwerde vorgebrachten Gründe für die Einholung eines solchen Gutachtens sind prozessual verspätet, weil die Berechtigung eines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags stets auf den Zeitpunkt des Antrags bezogen zu prüfen ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Ebenso verfiel der Antrag auf Beischaffung der Einstellungsentscheidung des Gerichts in G***** zum Beweis dafür, dass über die Tatvorwürfe bereits entschieden wurde, zu Recht der Ablehnung, weil das Erstgericht ohnehin davon ausging, dass das in M***** gegen beide Angeklagte geführte Verfahren über Weisung des Generalstaatsanwalts in A***** eingestellt wurde (US 23).

Im Rahmen der Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 5a StPO) versucht der Beschwerdeführer unter Erörterung einzelner, aus dem Zusammenhang gelöster Passagen in der Aussage des Zeugen Redouane B***** während der kontradiktorischen Vernehmung (ON 69) verbunden mit eigenen beweiswürdigenden und hypothetischen Überlegungen die Glaubwürdigkeit desselben in Frage zu stellen und so die erstgerichtlichen Schlussfolgerungen in Zweifel zu ziehen. Er wendet sich hiemit bloß in unzulässiger, einer Schuldberufung im Einzelrichterverfahren gleichenden Weise gegen die Beweiswürdigung der Tatrichter, ohne beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Tatsachen erwecken zu können.

Soweit der Erstangeklagte unter Hinweis auf die Verfahrenseinstellung in M***** seinen Freispruch fordert (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO), übersieht er, dass das „Erledigungsprinzip" des § 65 Abs 4 StGB nur für die dort genannten Delikte gilt, bei denen die österreichische Gerichtsbarkeit stellvertretend in Anspruch genommen wird, nicht aber für die Fälle originärer österreichischer Strafgewalt nach § 64 StGB (Höpfel/U. Kathrein in WK2 § 64 Rz 12, 12a § 65 Rz 2). Die inländische Gerichtsbarkeit für Straftaten nach §§ 206 ff StGB (§ 64 Abs 1 Z 4a StGB) ist sogar dann gegeben, wenn der Täter wegen derselben Tat im Ausland schon bestraft worden ist (vgl RIS-Justiz RS0092272). Ein Verstoß gegen das Verbot des „ne-bis-in-idem" liegt daher nicht vor. Art 4 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK bezieht sich nur auf Strafverfahren ein und desselben Staats; Art 54 SDÜ gilt nur in Bezug auf Mitgliedstaaten des Übereinkommens, zu denen aber M***** nicht zählt.

Mit der im Rahmen der Sanktionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO) aufgestellten Behauptung, das Ausmaß der Strafe sei im Verhältnis zu der über den Zweitangeklagten verhängten Sanktion nicht schuldadäquat, wird kein Rechtsfehler angesprochen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten:

Der Beschwerdeführer rügt - ebenso wie der Erstangeklagte - die Abweisung des Beweisantrags auf Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens hinsichtlich des Zeugen Redouane B***** und begehrt in gleicher Weise seinen Freispruch im Hinblick auf die Einstellung des Strafverfahrens in M*****. Es genügt somit, auf die obigen Ausführungen zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten zu verweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen den hiezu eingelangten Äußerungen der Verteidiger (§ 24 StPO) - daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E91271

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00079.09W.0624.000

Im RIS seit

24.07.2009

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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