TE OGH 2009/7/2 6Nc13/09b

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Veröffentlicht am 02.07.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Kai X*****, wegen § 111 Abs 2 JN, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 29. April 2009, GZ 3 P 159/07f-G12, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Frohnleiten wird nicht genehmigt.

Text

Begründung:

Mit der Obsorge für den mj Kai X***** und dessen Bruder Anton X***** sind die geschiedenen Eltern gemeinsam betraut. Während sich der mj Anton ständig beim Vater im Sprengel des Bezirksgerichts Frohnleiten aufhält, ist der mj Kai mit der Mutter im Jahre 2007 in den Sprengel des Bezirksgerichts Baden übersiedelt. Die Wochenenden verbringt er nach Vereinbarung der Eltern regelmäßig beim Vater. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 5. Oktober 2007 übernahm das Bezirksgericht Baden gemäß § 111 JN vom Bezirksgericht Frohnleiten die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache des mj Kai. Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 29. April 2009 übertrug das Bezirksgericht Baden von Amts wegen seine Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache des mj Kai gemäß § 111 JN wieder an das Bezirksgericht Frohnleiten. Da die Pflegschaftssache des Bruders des Minderjährigen nach wie vor beim Bezirksgericht Frohnleiten anhängig sei, erscheine es sowohl zweckmäßig, als auch der Rechtssicherheit und -einheit dienlich, für beide Geschwister einen Gemeinschaftsakt zu führen. Wegen der regelmäßigen Wochenendbesuche beim Vater bestehe außerdem eine ausreichende örtliche Nahebeziehung.

Mit „Verfügung" vom 12. Mai 2009 stellte das Bezirksgericht Frohnleiten den Pflegschaftsakt dem Bezirksgericht Baden mit der Begründung zurück, die Übertragung der Zuständigkeit liege mangels Änderung des Aufenthaltsorts nicht im Interesse des Minderjährigen. Das Bezirksgericht Baden legte daraufhin den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Wenn es im Interesse eines Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird, kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen (§ 111 Abs 1 JN). Die Übertragung wird wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt. Im Falle der Weigerung des anderen Gerichts bedarf die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der beiden Gerichte zunächst übergeordneten Gerichtshofs, dies ist im vorliegenden Fall der Oberste Gerichtshof.

2. Ein formeller Ablehnungsbeschluss ist im Falle von Meinungsverschiedenheiten über die Übertragung zwischen den beteiligten Gerichten nicht erforderlich (Fucik in Fasching/Konecny² I, § 111 JN Rz 9 mwN). Aus der Begründung der „Verfügung" des Bezirksgerichts Frohnleiten geht die Ablehnung der Übernahme der Zuständigkeit eindeutig hervor.

3. Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung nach § 111 JN ist stets das Kindeswohl. Dabei ist in der Regel das Naheverhältnis zwischen Pflegebefohlenem und Gericht von wesentlicher Bedeutung, sodass im Allgemeinen jenes Gericht am besten geeignet ist, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (RIS-Justiz RS0047074 insb [T7]).

4. In der Regel wird es zweckmäßig sein, wenn die Pflegschaft für mehrere Kinder aus einer Ehe bei einem Gericht geführt wird, sodass eine Aufsplitterung der Pflegschaftsverfahren vermieden werden soll (OGH 6 Nc 10/05f; 4 Nd 507/95; 10 Nd 503/01). Im vorliegenden Fall ist es aber schon im Jahre 2007 durch die einvernehmliche Übertragung der Zuständigkeit zwischen den Bezirksgerichten Frohnleiten und Baden zu einer getrennten Führung der Pflegschaftsverfahren der beiden Brüder gekommen.

5. Es ist nicht erkennbar, welcher Vorteil für den mj Kai, der unverändert seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Bezirksgerichts Baden hat, nunmehr in einer Rückübertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Frohnleiten gelegen sein könnte. Der erste und einzige Antrag im vorgelegten Pflegschaftsakt, gerichtet auf die Genehmigung einer Pfandrechtsauflassung, ist rechtskräftig erledigt. Weder ist eine Ausweitung der auch schon im Jahre 2007 geltenden Wochenendbesuchsregelung ersichtlich, noch sind aktenkundige offene Angelegenheiten zu besorgen, die beide Brüder betreffen und daher tunlichst konforme Entscheidungen der zuständigen Gerichte erfordern würden. Derartige Anträge sind auch in Zukunft nicht mehr zu erwarten, weil der am 4. September 1991 geborene mj Anton schon in wenigen Wochen die Volljährigkeit erlangen wird. Eine Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache des mj Kai an ein anderes Bezirksgericht als das seines gewöhnlichen Aufenthalts dient unter diesen Umständen offenkundig nicht seinem Wohl.

Anmerkung

E913556Nc13.09b

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060NC00013.09B.0702.000

Zuletzt aktualisiert am

24.08.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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