TE OGH 2009/7/14 4Ob87/09m

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Veröffentlicht am 14.07.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 36.000 EUR), im Verfahren über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. März 2009, GZ 4 R 56/09x-8, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 3. Februar 2009, GZ 12 Cg 6/09v-3, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über den Revisionsrekurs wird bis zur Erledigung des vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 154/08p (Rs C-540/08) gestellten Vorabentscheidungsersuchens unterbrochen.

Eine Fortsetzung erfolgt nur auf Antrag einer Partei.

Text

Begründung:

Die Beklagte, die ebenso wie die Klägerin österreichweit Sportartikelfachgeschäfte betreibt, bot in einer ihrer Filialen im verglasten Eingangsbereich auf einem Plakat jedem Käufer eines Kinderskis eine kostenlose Kinderskitageskarte für ein bestimmtes Skigebiet im Wert von 19 EUR an.

Das Erstgericht erließ über Antrag der Klägerin gestützt auf § 9a UWG ein Unterlassungsgebot.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag hingegen ab, weil die Klägerin kein Vorbringen zur Eignung zur Nachfrageverlagerung erstattet habe; auch würde eine Nachfrageverlagerung begrifflich zumindest einen weiteren Anbieter im Einzugsbereich der die beanstandete Werbung betreibenden Filiale der Beklagten voraussetzen. Weiters fehle Vorbringen dazu, zu welchem Preis Kinderski angeboten würden. Die beanstandete Werbung schließe ihrer Art nach aus, dass Kinder veranlasst werden sollten, ihre Eltern zum Kauf zu bewegen.

Rechtliche Beurteilung

Das Verfahren über den Revisionsrekurs der Klägerin ist zu unterbrechen.

1. Die Entscheidung im vorliegenden Verfahren hängt davon ab, ob das Zugabenverbot des § 9a UWG mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) vereinbar ist.

Trifft das zu, so wäre die beanstandete Werbung der Beklagten als unzulässiges Zugabenangebot anzusehen. Die Zugabeneigenschaft ist nach bisheriger Rechtsprechung im Hinblick auf die objektive Eignung, den Kunden in seinem Entschluss zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen (RIS-Justiz RS0081417) sowie der Eignung zur nicht bloß unerheblichen Nachfrageverlagerung zu bejahen (RIS-Justiz RS0113000). Des vom Rekursgericht vermissten Vorbringens bedurfte es nicht, ist doch sowohl die Existenz von Mitbewerbern als auch der Preisbereich für Kinderski offenkundig.

Der Standpunkt der Klägerin, die beanstandete Zugabenankündigung sei auch eine aggressive Geschäftspraktik, weil Kinder dazu veranlasst werden sollten, eine Kaufentscheidung ihrer Eltern herbeizuführen, ist nicht haltbar. Die Ankündigung, beim Erwerb von Kinderski unentgeltlich eine Kindertageskarte für ein bestimmtes Skigebiet zu erhalten, richtet sich nicht direkt an die Kinder, sondern an deren finanzierende Eltern. Die Aufmachung des Werbeplakats wendet sich sowohl nach Gesamteindruck als auch nach Anrede („Sie") an Erwachsene und nicht an Kinder. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist mit dem 4 Ob 57/08y - Pony Club- zugrundeliegenden nicht vergleichbar.

2. Der Senat hat die Frage, ob das Zugabenverbot mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, dem Europäischen Gerichtshof im Verfahren 4 Ob 154/08p (MR 2008, 315 - Fussballer des Jahres II; EuGH Rs C-540/08) zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die dort geäußerten Zweifel gelten auch hier: Ist die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken dahin auszulegen, dass sie das Verbot bestimmter Geschäftspraktiken auch dann erfasst, wenn dieses Verbot (auch) mit Erwägungen des Mitbewerberschutzes begründet ist, so verstieße § 9a UWG gegen den taxativen Charakter der Liste jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken im Anhang der Richtlinie.

Da die zu erwartende Vorabentscheidung über den Anlassfall hinaus zu beachten sein wird (zuletzt 4 Ob 32/09y mwN), wäre ein späteres Verfahren, das dieselbe Rechtsfrage betrifft, nach ständiger Rechtsprechung aus prozessökonomischen Gründen zu unterbrechen (RIS-Justiz RS0110583; zuletzt 4 Ob 32/09y mwN). Von der Auffassung, dass eine solche Unterbrechung im Sicherungsverfahren nicht zulässig sei, ist der Senat in der Entscheidung 4 Ob 211/08w abgegangen. Danach ist auch in solchen Verfahren zu prüfen, ob die Unterbrechung im Einzelfall zweckmäßig ist. Das wird insbesondere dann zutreffen, wenn die Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts so schwerwiegend sind, dass - läge noch kein Vorabentscheidungsersuchen vor - ein solches Ersuchen auch in einem Sicherungsverfahren angezeigt wäre.

3. Das den Anlass der Unterbrechung bildende Vorabentscheidungsersuchen 4 Ob 154/08p ist ebenfalls in einem Sicherungsverfahren ergangen. Aus den dort zitierten Schlussanträgen der Generalanwältin in den Verfahren C-261/07 und C-299/07 folgt, dass beträchtliche Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität des Zugabenverbots bestehen. Das spricht für die Unterbrechung (4 Ob 32/09y).

4. Inzwischen verneinte der Europäische Gerichtshof die Zulässigkeit des belgischen Verbots von Koppelungsgeschäften, weil die Liste ausdrücklich missbilligter Geschäftspraktiken im Anhang zur RL-UGB abschließenden Charakter habe. Offen blieb allerdings, ob dies auch für Verbote gilt, die nicht bloß dem Verbraucherschutz, sondern zumindest in gleicher Weise auch dem Mitbewerberschutz dienen. Die vom Obersten Gerichtshof zu 4 Ob 154/08p gestellte Frage ist damit nicht geklärt.

5. Das Verfahren ist daher bis zur Erledigung dieses Vorabentscheidungsersuchens zu unterbrechen. Eine amtswegige Fortsetzung ist nicht erforderlich, weil (auch) Sicherungsverfahren der Disposition der Parteien unterliegen. Diese können daher zum gegebenen Zeitpunkt zunächst selbst ihre Schlüsse aus der dann vorliegenden Vorabentscheidung des EuGH ziehen (4 Ob 32/09y, 4 Ob 211/08w).

Anmerkung

E915274Ob87.09m

Schlagworte

Kennung XPUBL - XBEITRDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inwbl 2009,520/225 (Schuhmacher) - wbl 2009/225 (Schuhmacher) -Kinderskitageskarte XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0040OB00087.09M.0714.000

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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