TE OGH 2009/9/1 5Ob166/09m

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Veröffentlicht am 01.09.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Petra M*****, geboren am *****, in Obsorge des Vaters Emmerich M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wegen pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Minderjährigen, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 28. Mai 2009, GZ 16 R 113/09w-G354, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Text

Begründung:

Mit Vertrag vom 5. 12. 1998 hat der Vater seine 111/3747- und 72/3747-Anteile an der Liegenschaft EZ ***** GB ***** jeweils verbunden mit Wohnungseigentum (W 8 und W 9) seiner mj Tochter, geboren *****, geschenkt. Vater und Tochter bewohnen diese Wohnungseigentumsobjekte.

Nunmehr begehrte das Kind (= Antragstellerin) die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zur Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots (BVV) ob den bezeichneten Miteigentumsanteilen zugunsten ihres Vaters.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Antragstellerin macht in ihrem gegen den Beschluss des Rekursgerichts erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage geltend:

1.1. Der Antragstellerin fehlt eine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung im Sinn des § 154 Abs 3 ABGB für ein „singuläres" BVV ob einer dem Pflegebefohlenen schon früher schenkungsweise übertragenen Liegenschaft sowie bei sonstiger Gefahr deren (exekutiver) Pfändung.

1.2. Als Grundsatz muss gelten, dass ein Rechtsgeschäft vom Pflegschaftsgericht nur dann genehmigt werden darf, wenn der Abschluss im Interesse des Pflegebefohlenen liegt und somit dessen Wohl entspricht. Die Frage, ob diese Voraussetzungen für eine ganz bestimmte Vermögensdisposition zutreffen, ist eine zwangsläufig nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilende Ermessensentscheidung und folglich keine Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG (RIS-Justiz RS0048176 [insb T5]).

2.1. Die Antragstellerin meint, dass die Einverleibung eines BVV - entgegen der Ansicht des Rekursgerichts - insbesondere unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Liegenschaftsbewertungsgesetzes nicht per se zu einer Vermögensverringerung führe, weil ein solches Verbot keinen Einfluss auf die maßgeblichen Wertermittlungsmethoden (Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren) habe.

2.2. Fragen der Wertermittlung muss im gegebenen Zusammenhang nicht nachgegangen werden. Die Antragstellerin erkennt nämlich selbst, dass sie durch besagtes BVV auf Lebenszeit des Verbotsberechtigten in ihren Dispositionsmöglichkeiten über die Miteigentumsanteile ganz erheblich eingeschränkt ist. Eine Beschränkung der wirtschaftlichen Gestionsmöglichkeiten des Pflegebefohlenen lässt sich aber schwerlich als eine dessen Wohl entsprechende Begünstigung erkennen. Dass ein Pflegebefohlener, wie die Antragstellerin betont, insbesondere für Maßnahmen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs ohnehin elterlicher und pflegschaftsgerichtlicher Zustimmung bedürfe und daher Dispositionsbeschränkungen unterliege, ändert daran nichts, weil das BVV eben eine zusätzliche, überdies allein vom Gutdünken des Verbotsberechtigten abhängige Beschränkung darstellt.

3.1. Die Antragstellerin verweist darauf, dass sie an der Liegenschaft auch fruchtgenussberechtigt sei und an insgesamt drei Zinshäusern umfangreiche Sanierungsarbeiten veranlassen habe müssen, sodass sie mit andrängenden Werkunternehmern rechnen müsse. Das BVV verhindere den exekutiven Zugriff auf ihre Miteigentumsanteile und diene damit der Erhaltung des Familienbesitzes.

3.2. Das BVV kann seinerseits zur Finanzierung von Sanierungsmaßnahmen sinnvolle Dispositionen behindern und insofern gerade nachteilig sein. Soweit das Verbot gezielt gegen andrängende Gläubiger eingesetzt werden soll, um einen exekutiven Zugriff auf die Miteigentumsanteile der Antragstellerin zu verhindern, kann dies Rechtsmissbrauch darstellen und die Antragstellerin der Gefahr von Anfechtungsprozessen aussetzen (vgl etwa 6 Ob 622/80 = SZ 53/176; 1 Ob 671/87; 5 Ob 111/03i).

4.1. Schließlich habe das Rekursgericht nach Ansicht der Antragstellerin unberücksichtigt gelassen, dass ein BVV auch schon mit dem ursprünglichen Schenkungsvertrag vereinbart hätte werden können und dann auch genehmigt worden wäre.

4.2. Ob der seinerzeitige Schenkungsvertrag mit einem BVV zu genehmigen gewesen wäre, ist nicht zu beurteilen. Entscheidungsgegenstand ist hier nur (mehr) das BVV, welches jedenfalls eine zusätzliche Beschränkung der Dispositionsmöglichkeiten der Antragstellerin begründet. Wenn die Vorinstanzen daraus keine gesicherten Vorteile für die Antragstellerin erkennen konnten, liegt darin jedenfalls keine als unvertretbar aufzugreifende Einzelfallbeurteilung.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig und zurückzuweisen.

Textnummer

E91857

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0050OB00166.09M.0901.000

Im RIS seit

01.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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