TE OGH 2009/12/16 7Ob194/09v

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Veröffentlicht am 16.12.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erhard E*****, vertreten durch S***** Rechtsanwalts GmbH in S*****, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch Mag. Martin Paar, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Versicherungsdeckung, Feststellung der Unwirksamkeit einer Klausel und Zahlung von 833,33 EUR, über die Revision (richtig: Rekurs und Revision) der klagenden Partei gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Oktober 2007, GZ 1 R 100/07t-14, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 12. März 2007, GZ 6 Cg 114/06b-8, infolge Berufung der klagenden Partei teilweise als nichtig aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und mit Teilurteil zu Recht erkannt:

Spruch

I. Das Verfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

II. Dem Rekurs gegen die Nichtigerklärung des Ersturteils im Umfang der Klagsabweisung von 833,33 EUR sA und Zurückweisung des Begehrens auf Zuspruch von 833,33 EUR samt 4 % Zinsen ab 9. 2. 2007 wird nicht Folge gegeben.

III. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

1.) Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil einschließlich seiner bestätigten Teile als Teilurteil lautet:

„a) Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger in der Rechtssache A***** die künftig anfallenden Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung in den Konkursverfahren GZ 36 S 41/05z und 36 S 42/05x, je Handelsgericht Wien, der Vertretung im Strafverfahren gegen Funktionäre der A*****, GZ 274 Ur 363/05a des Landesgerichts für Strafsachen Wien sowie der gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Anlegerentschädigung von W***** GmbH (nun A***** GmbH) durch die S***** Rechtsanwalts-GmbH in Höhe der Tarife eines im Sinn des § 158k VersVG ortsansässigen Rechtsanwalts zu ersetzen.

b) Festgestellt wird, dass die Bestimmung des Art 6.7.3. ARB 1995 unwirksam und nicht Bestandteil des zwischen den Streitteilen geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags ist.

c) Die Mehrbegehren, die in Punkt a) genannten Kosten seien ohne die Beschränkung auf die Tarife eines im Sinn des § 158k VersVG ortsansässigen Rechtsanwalts zu ersetzen, und die Beklagte sei schuldig, dem Kläger in der Rechtssache A***** die künftig anfallenden Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung für die außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Anlegerentschädigung von W***** GmbH und für die Anmeldung und Geltendmachung der Forderung im Liquidationsverfahren hinsichtlich der SICAV-Fonds in Luxemburg durch die S***** Rechtsanwalts-GmbH zu ersetzen, werden abgewiesen.

d) Die Entscheidung über die den damit entschiedenen Teilbegehren zuzurechnenden Verfahrenskosten aller drei Instanzen (einschließlich der entsprechenden Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens) bleibt dem Endurteil vorbehalten."

2.) Im übrigen Umfang, nämlich hinsichtlich der Abweisung der Begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, dem Kläger in der Rechtssache A***** die künftig anfallenden Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung für ein allfälliges Vorgehen gegen den Vermittler, die Republik Österreich und die B***** GmbH durch die S***** Rechtsanwalts-GmbH zu ersetzen, werden die Urteile der Vorinstanzen einschließlich der Kostenentscheidungen aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die auf die von der Aufhebung betroffenen Teilbegehren entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens (einschließlich der entsprechenden Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens) sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der in S***** wohnhafte Kläger ist bei der Beklagten, einem österreichischen Versicherungsunternehmen, rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 1995)" zugrunde. Diese enthalten folgende hier maßgebenden Bestimmungen:

Artikel 4

Wo gilt die Versicherung?

(Örtlicher Geltungsbereich)

1. Im Fahrzeug- und Fahrzeug-Vertrags-Rechtsschutz (Artikel 17), Lenker-Rechtsschutz (Artikel 18) sowie im Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz (Artikel 19) besteht Versicherungsschutz für Versicherungsfälle, die in Europa (im geographischen Sinn), den außereuropäischen Mittelmeeranrainerstaaten, auf den Kanarischen Inseln, Madeira und den Azoren -- auch auf Flug- und Schiffsreisen innerhalb der äußeren Grenzen dieses Geltungsbereiches -- eintreten, wenn auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in diesem Geltungsbereich erfolgt.

2. In den übrigen Fällen besteht Versicherungsschutz, wenn der Versicherungsfall im Geltungsbereich gemäß Pkt. 1. eintritt, die Wahrnehmung rechtlicher Interessen jedoch in Österreich erfolgt und dafür die Zuständigkeit eines staatlichen österreichischen Gerichtes oder einer österreichischen Verwaltungsbehörde gegeben ist.

[...]

Artikel 6

Welche Leistungen erbringt der Versicherer?

[...]

7.3. Genießen mehrere Versicherungsnehmer zur Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen Versicherungsschutz aus einem oder mehreren Versicherungsverträgen und sind ihre Interessen aufgrund der gleichen oder einer gleichartigen Ursache gegen den/dieselben Gegner gerichtet,

ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung vorerst auf die außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Versicherungsnehmer und die Führung notwendiger Musterprozesse durch von ihm ausgewählte Rechtsvertreter zu beschränken.

Wenn oder sobald die Versicherungsnehmer durch diese Maßnahmen nicht ausreichend gegen einen Verlust ihrer Ansprüche, insbesondere durch drohende Verjährung, geschützt sind, übernimmt der Versicherer darüber hinaus die Kosten für Gemeinschaftsklagen oder sonstige gemeinschaftliche Formen außergerichtlicher und gerichtlicher Interessenwahrnehmungen durch von ihm ausgewählte Rechtsvertreter.

[...]

Artikel 8

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

1.1. den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen;

[...]

1.5.3. soweit seine Interessen nicht unbillig, insbesondere durch drohende Verjährung beeinträchtigt werden, vor der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen die Rechtskraft eines Strafverfahrens oder eines anderen Verfahrens abzuwarten, das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann, oder vorerst nur einen Teil der Ansprüche geltend zu machen und die Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Teilanspruch zurückzustellen.

[...]

Artikel 9

Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?

Was hat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Art der Vorgangsweise oder die Erfolgsaussichten zu geschehen? (Schiedsgutachterverfahren)

1. Der Versicherer hat binnen zwei Wochen nach Geltendmachung des Deckungsanspruchs durch den Versicherungsnehmer und Erhalt der zur Prüfung dieses Anspruches notwendigen Unterlagen und Informationen dem Versicherungsnehmer gegenüber schriftlich den Versicherungsschutz grundsätzlich zu bestätigen oder begründet abzulehnen.

Der Versicherer ist innerhalb der in Absatz 1 genannten Frist berechtigt, diese durch einseitige Erklärung um weitere zwei Wochen zu verlängern.

2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis,

2.1. dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren im angestrebten Umfang zu obsiegen, hat er sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Artikels 6 (Versicherungsleistungen) bereit zu erklären;

2.2. dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d.h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;

[...]

Artikel 10

Wer wählt den Rechtsvertreter aus, durch wen und wann wird dieser beauftragt und was hat bei Vorliegen einer Interessenkollision zu geschehen?

1. Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, zu seiner Vertretung vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person (Rechtsanwalt, Notar etc.) frei zu wählen. Der Versicherer ist verpflichtet, den Versicherungsnehmer auf sein Wahlrecht hinzuweisen, sobald dieser Versicherungsschutz für die Einleitung eines Gerichts- oder Verwaltungsverfahrens verlangt.

[...]

3. Das Wahlrecht nach Pkt. 1. und 2. bezieht sich nur auf Personen, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Wenn am Ort dieses Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde nicht mindestens vier solcher Personen ihren Kanzleisitz haben, erstreckt sich das Wahlrecht auf eine im Sprengel des zuständigen Landesgerichtes ansässige vertretungsbefugte Person.

4. Der Versicherer ist berechtigt, einen Rechtsvertreter auszuwählen:

[...]

4.4. in den Fällen des Artikels 6 Pkt. 7.3.

[...]

Artikel 19

Schadenersatz- und Straf-Rechtsschutz für den Privat-, Berufs- und Betriebsbereich

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Privat-, Berufs- und/oder Betriebsbereich.

[...]

2. Was ist versichert?

Der Versicherungsschutz umfasst

2.1. Schadenersatz-Rechtsschutz für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Personen-, Sach- oder Vermögensschadens;

[...]

Artikel 23

Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz

Der Versicherungsschutz erstreckt sich je nach Vereinbarung auf den Privat- und/oder Betriebsbereich.

[...]

2. Was ist versichert?

2.1. Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers über bewegliche Sachen sowie aus Reparatur- und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen.

[...]"

Der Kläger hatte bei den Wertpapierdienstleistungsunternehmen A***** F***** AG und A***** A***** AG (Kurzbezeichnung „A*****") Geld veranlagt. Infolge Insolvenz beider Unternehmen wurde der Kläger - wie tausende andere Anleger, die zum Teil ebenfalls bei der Beklagten rechtsschutzversichert waren, auch - geschädigt. Er beauftragte die an seinem Wohnort ansässige S***** Rechtsanwalts GmbH mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung. Seine Anwälte vertraten und vertreten seine Interessen unter anderem in den über das Vermögen der insolventen A*****-Unternehmen eröffneten Konkursverfahren und in einem gegen die Organe dieser Unternehmen geführten Strafverfahren.

Ein schriftliches Ersuchen des Klägers, für das erfolgte und künftige Einschreiten seiner Anwälte Rechtsschutzdeckung zuzusagen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 24. 5. 2006 unter Hinweis auf Art 6.7.3. ARB 1995 ab, zahlte aber aus Kulanzgründen unpräjudiziell die bis dahin in den A*****-Causen aufgelaufenen Kosten der S***** Rechtsanwalts GmbH in Höhe von 459,85 EUR.

Die Klagevertretung hat ihre Bereitschaft erklärt, ihre versicherten Hononaransprüche jeweils auf die kostengünstigeren Tarife eines ortsansässigen Rechtsanwalts zu beschränken.

Außer Streit steht, dass Musterklagen von A*****-Geschädigten gegen die Republik Österreich und die B***** GmbH (Wirtschaftsprüferin), nicht jedoch gegen die Anlegerentschädigung GmbH eingebracht wurden.

Der Kläger erhob zuletzt folgende Klagebegehren:

„a) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei in der Rechtssache A***** die künftig anfallenden Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung in den Konkursverfahren GZ 36 S 41/05z und 36 S 42/05x, je Handelsgericht Wien, sowie für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Anlegerentschädigung von W***** GmbH, die Anmeldung und Geltendmachung der Forderung im Liquidationsverfahren hinsichtlich der SICAV-Fonds in Luxemburg, für die Vertretung im Strafverfahren gegen die Funktionäre der A*****, GZ 274 Ur 363/05a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, und für ein allfälliges Vorgehen gegen den Vermittler, die Republik Österreich und die B***** GmbH durch die S***** Rechtsanwalts-GmbH zu ersetzen.

b) Festgestellt wird, dass die Bestimmung des Art 6.7.3. der ARB 1995 unwirksam ist und nicht Bestandteil des zwischen den Streitteilen geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags ist.

c) Die beklagte Partei ist bei sonstiger Exekution schuldig, der klagenden Partei zu Handen der Klagevertreterin binnen 14 Tagen bei Exekution den Betrag von 833,33 EUR samt 4 % Zinsen ab 4. 8. 2006 zu bezahlen."

Der Kläger brachte dazu im Wesentlichen vor, Art 6.7.3. ARB 1995 schränke das in Art 4 der Richtlinie 87/344/EWG (Rechtsschutzversicherungsrichtlinie) postulierte und durch § 158k VersVG in Österreich umgesetzte Recht des Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl unzulässig ein und sei daher unbeachtlich. Die rechtsfreundliche Vertretung des Klägers in der Rechtssache A***** sei in den beiden Konkursverfahren und im Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der A***** erforderlich; notwendig sei auch die Geltendmachung der Forderungen gegenüber der W***** GmbH (im Folgenden: Anlegerentschädigung GmbH) sowie die außergerichtliche Vertretung im Rahmen der Liquidation der Anlegerfonds (SICAV-Fonds) und gegenüber der depotführenden Bank in Luxemburg. Das Erfordernis der rechtsfreundlichen Vertretung des Klägers in den Konkursverfahren habe die Beklagte durch die Kostenübernahme der Forderungsanmeldung anerkannt. Die Anlegerentschädigung GmbH hafte, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen nicht in der Lage sei, Gelder zurückzuzahlen, die einem Anleger zustünden. Für eine Entschädigung durch die Anlegerentschädigung GmbH sei die Feststellung der Forderung in den Konkursverfahren Voraussetzung. Der Masseverwalter habe die für ihn nicht überprüfbaren Forderungen aller Anleger bestritten. Mit der Begründung, dass daher keine festgestellte Forderung gegenüber A***** vorliege und diese auch gar nicht berechtigt gewesen sei, Gelder entgegenzunehmen, bestreite die Anlegerentschädigung GmbH pauschal eine Haftung. Diese Weigerung, die Anleger zu entschädigen, sei rechtswidrig. Es sei daher ein Gerichtsverfahren gegen diese GmbH notwendig, das aber nur auf der Basis einer festgestellten Forderung gegen die im Konkurs befindlichen A***** Gesellschaften geführt werden könne. Nicht alle Gegner des Klägers seien in Wien ansässig. Ein Vermittler, der aufgrund der ihm gewährten hohen Provisionen wissen habe müssen, dass mit den Mitteln des Klägers nicht vereinbarungsgemäß beziehungsweise nicht gemäß § 158 BWG verfahren werde und den deshalb eine Haftung treffe, habe seinen Wohnsitz in S*****. Schließlich würden die anteiligen Kosten eines Rechtsgutachtens des Univ.-Prof. Dr. S***** in Höhe von 833,33 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes begehrt, da sich die Beklagte zu Unrecht geweigert habe, Deckung zu gewähren und dieses Gutachten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei. Da das Gutachten für sechs Kläger in sechs verschiedenen Verfahren erstattet worden sei, werde ein Sechstel der entstandenen Kosten geltend gemacht.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Der Fall A***** sei ein klassischer Massenschadenfall. Massenschäden seien bei Einführung der Richtlinie 87/344/EWG vom 22. 6. 1987 und des die Richtlinie umsetzenden § 158k VersVG größtenteils unbekannt gewesen und nicht bedacht worden. Art 6.7.3. ARB 1995 verstoße daher nicht gegen die Richtlinie und § 158k VersVG, zumal die beanstandete Klausel wegen der Kosteneinsparung im Interesse der Versicherungsnehmer geboten sei und den Versicherungsnehmern Vorteile bringe. Gemäß Art 10.3. ARB habe der Versicherungsnehmer nur das Wahlrecht, einen ortsansässigen Anwalt auszuwählen. Im Übrigen sei das Klagebegehren Punkt a) zu unbestimmt, sodass die Beklagte keine Deckungsprüfung vornehmen könne. Eine Vertretung gegenüber der Anlegerentschädigung GmbH sei nach den ARB 1995 überhaupt nicht zu decken, da eine solche Forderung nach den Versicherungsbedingungen keinen versicherten Sachverhalt darstelle. Es handle sich um einen Anspruch sui generis. Auch die Kosten, die durch die Einholung des Rechtsgutachtens entstanden seien, seien von der Versicherungsdeckung nicht umfasst.

Das Erstgericht wies alle Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, dass die in den Konkursverfahren angemeldeten Forderungen des Klägers vom Masseverwalter bestritten worden seien. Die Klage eines A***** Sammelklage-Vereins gegen die Anlegerentschädigung GmbH sei in erster Instanz abgewiesen worden, weil die Ansprüche der Anleger noch nicht im Sinn des Wertpapieraufsichtsgesetzes gerichtlich festgestellt worden seien. Die Anlegerentschädigung GmbH habe der Klagevertretung mit Schreiben vom 10. 4. 2006 mitgeteilt, dass sie derzeit Ansprüche zurückweisen müsse, sofern nicht Unterlagen vorgelegt würden, die die Forderungen dem Grunde und der Höhe nach nachwiesen. Das Rechtsgutachten des Dr. S***** habe 5.000 EUR gekostet. Es werde in fünf weiteren Prozessen gegen verschiedene Rechtsschutzversicherer verwendet. Die Klagevertretung erwäge, Schadenersatzansprüche gegen die Republik Österreich und gegen die B***** GmbH jeweils wegen Nichterkennens der bereits 2002 eingetretenen Konkursreife der A*****-Gesellschaften sowie gegen einen in S***** wohnhaften Vermittler geltend zu machen.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, die in Art 6.7.3. ARB 1995 getroffene Regelung stehe nicht im Widerspruch zu § 158k VersVG. Das Risiko des Rechtsschutzversicherers, seine Kosten in „Kumulfällen" gedeckt zu halten, könne nur bei Einsatz solcher Massenschadenklauseln gewährleistet werden. Der Versicherungsnehmer habe nach Art 10.3. ARB 1995 lediglich das Wahlrecht, einen ortsansässigen Anwalt auszuwählen. Diese örtliche Einschränkung der freien Anwaltswahl werde in § 158k Abs 2 VersVG für zulässig erachtet, sei kostensparend und könne prämiensenkend wirken. Schon deshalb komme eine Vertretung des Klägers durch die S***** Rechtsanwälte GmbH, im Rahmen des Rechtsschutz-Versicherungsvertrags in den Konkursverfahren, im Strafverfahren und in einem Verfahren gegen die Republik Österreich nicht in Betracht. Die Vertretung des Klägers im Liquidationsverfahren hinsichtlich der SICAV-Fonds in Luxemburg sei nicht gedeckt, weil die Wahrnehmung von Interessen des Klägers außerhalb Österreichs nicht versichert sei. Für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Anlegerentschädigung GmbH bestehe schon deshalb kein Versicherungsschutz, weil diese Ansprüche nicht unter die Artikel 17 bis 25 ARB zu subsumieren seien. Mögliche Ansprüche gegen die B***** GmbH und die Republik Österreich stünden der Höhe nach noch nicht fest, sodass der Beklagten eine Beurteilung nicht möglich sei; außerdem seien Musterverfahren abzuwarten. Auch Ansprüche gegen einen allfälligen Vermittler seien noch nicht überprüfbar. Die Kosten des Rechtsgutachtens Dris. S***** seien von der Beklagten nicht verursacht und nicht verschuldet worden. Deshalb müsse diese das Gutachten auch nicht bezahlen.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil im Umfang der Klagsabweisung von 833,33 EUR samt Zinsen als nichtig auf und wies das Klagebegehren in diesem Umfang zurück. Die Kosten für das Privatgutachten Dris. S***** seien vorprozessuale Kosten, für die der Rechtsweg nicht zulässig sei.

Im Übrigen teilte das Gericht zweiter Instanz die Rechtsansicht des Erstgerichts betreffend Art 6.7.3. ARB 1995 und bestätigte daher die klagsabweisende erstinstanzliche Entscheidung hinsichtlich beider Feststellungsbegehren (Klagebegehren a) und b)). Eine Einschränkung der freien Anwaltswahl durch eine „Massenschadenklausel" wie Art 6.7.3. ARB 1995 erscheine richtlinienkonform. Eine unterschiedliche Handhabung von Individualschäden und Massenschäden sei sachgerecht und auch im Interesse der Versicherungsnehmer geboten. Da Art 6.7.3. ARB Bestandteil des zwischen den Parteien abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags sei, habe die Beklagte die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung durch die vom Kläger gewählte Klagevertretung nicht zu ersetzen. Auf die weitere Rechtsfrage, ob die Klagevertretung die in § 158k Abs 2 VersVG vorgesehene Möglichkeit der örtlichen Begrenzung des Auswahlrechts dadurch ausschließen könne, dass sie sich ausdrücklich bereit erkläre, zu den kostengünstigeren Tarifen einer ortsansässigen Rechtsanwaltskanzlei abzurechnen, sei daher nicht einzugehen. Ebenso müsse nicht mehr überprüft werden, ob für die von der Klagevertretung beabsichtigten Anspruchstellungen, etwa gegenüber der Anlegerentschädigung GmbH, Versicherungsschutz bestehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine Einschränkung des freien Anwaltswahlrechts des Versicherungsnehmers bei Massenschäden zulässig sei, liege nicht vor.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel ihres Prozessgegners keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig und teilweise berechtigt.

I. Keine Berechtigung kommt der als Rekurs zu behandelnden Revision (die unrichtige Bezeichnung schadet gemäß § 84 Abs 2 ZPO nicht) gegen den Beschluss zu, mit dem das Begehren auf Zuspruch von 833,33 EUR (samt Zinsen) zurückgewiesen wurde. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass für Kosten eines Privatgutachtens, das (allein) der Prozessvorbereitung dient, der Rechtsweg nicht zulässig ist. Es handelt sich dabei um sogenannte vorprozessuale Kosten, die als Prozesskosten im Sinn des § 41 ZPO anzusehen sind, wenn der Aufwand zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (RIS-Justiz RS0035770). Es trifft zu, dass Kosten eines Privatgutachtens auch Gegenstand eines eigenen Schadenersatzanspruchs sein können, wenn ein besonderes Interesse an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung in einem Prozess besteht. Dient etwa ein Privatgutachten (auch) der Klärung von Sachverhaltsfragen, sind diese Kosten nicht rein vorprozessuale Kosten, sondern stellen eine Hauptforderung dar (Obermeier, Das Kostenhandbuch Rz 68 mwN). Dies trifft hier nicht zu. Das Gutachten Dris. S***** ist ein „reines Rechtsgutachten" betreffend die Richtlinien- und Gesetzeskonformität des Art 6.7.3. ARB 1995, das (nur) der Prozessvorbereitung diente. Daran ändert nichts, dass das Gutachten, wie der Rekurswerber einwendet, nicht nur für den vorliegenden Prozess, sondern noch für fünf weitere eingeholt wurde, in denen die betreffende Rechtsfrage ebenfalls entscheidungswesentlich ist. Da die Zurückweisung dieses Begehrens der Sach- und Rechtslage entspricht, ist dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

II. Das Berufungsgericht hat die Abweisung der Klagebegehren a) und b) durch das Erstgericht in allen Punkten deshalb bestätigt, weil es - wie auch schon das Erstgericht - die Rechtsansicht vertrat, die durch die „Massenschadenklausel" des Art 6.7.3. ARB 1995 vorgenommene Einschränkung des Rechts der Rechtsschutzversicherten auf freie Anwaltswahl in Gerichts- und Verwaltungsverfahren sei mit der Richtlinie 87/344/EWG vereinbar. Der Kläger hält in der Revision an seiner gegenteiligen Rechtsmeinung fest und vertritt daher weiterhin die Ansicht, die Bestimmung des Art 6.7.3. ARB 1995 sei unwirksam; er habe die Klagevertretung frei wählen dürfen, weshalb die Beklagte die Kosten deren Einschreitens in den Rechtssachen A***** zu ersetzen habe.

Der Oberste Gerichtshof hat sich veranlasst gesehen, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemäß Art 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

„Ist Art 4 Abs 1 der Richtlinie 87/344/EWG dahin auszulegen, dass ihm eine in Allgemeinen Versicherungsbedingungen eines Rechtsschutzversicherers enthaltene Klausel, die dem Versicherer in Versicherungsfällen, in denen eine größere Anzahl von Versicherungsnehmern durch dasselbe Ereignis (etwa die Insolvenz eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens) geschädigt wird, zur Auswahl eines Rechtsvertreters berechtigt und damit das Recht des einzelnen Versicherungsnehmers auf freie Anwaltswahl beschränkt (sogenannte 'Massenschadenklausel'), widerspricht?" Der EuGH hat diese Frage mit Urteil vom 10. September 2009, RS C-199/08, wie folgt beantwortet: „Art 4 Abs 1 Buchst a der Richtlinie 87/344/EWG des Rates vom 22. 6. 1987 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Rechtsschutzversicherung ist dahin auszulegen, dass der Rechtsschutzversicherer sich in dem Fall, dass eine größere Anzahl von Versicherungsnehmern durch dasselbe Ereignis geschädigt ist, nicht das Recht vorbehalten kann, selbst den Rechtsvertreter aller betroffenen Versicherungsnehmer auszuwählen."

Damit steht für den Obersten Gerichtshof bindend fest, dass Art 6.7.3. ARB 1995 das in Art 4 der Rechtsschutzversicherungs-Richtlinie postulierte und durch § 158k VersVG in Österreich umgesetzte Recht des Rechtsschutzversicherten auf freie Anwaltswahl unzulässig einschränkt und daher unbeachtlich ist. Auf die umfangreichen Ausführungen, mit denen die Revisionsgegnerin ihre gegenteilige Rechtsansicht begründet, ist daher nicht mehr einzugehen. Sie hat ihre Rechtsmeinung, sie könne dem Kläger die begehrte Rechtsschutzdeckung durch die von ihm frei gewählte Rechtsvertretung versagen, vor allem und grundsätzlich auf diese Bestimmung gestützt. Da die Vorabentscheidung des EuGH die Rechtsansicht des Klägers, diese Bestimmung sei rechtsunwirksam, bestätigt, ist das Feststellungsbegehren Punkt b) berechtigt. Das Rechtsschutzinteresse des Klägers an der Feststellung der Unwirksamkeit der in Rede stehenden Klausel wird von der Beklagten hier (anders als im Parallelverfahren 7 Ob 68/09i, über das der OGH am 28. 10. 2009 entschieden hat) ohnehin (zu Recht) nicht mehr bezweifelt.

Art 6.7.3. ARB 1995 ist insgesamt rechtsunwirksam. Eine Differenzierung zwischen außergerichtlicher Vertretung und Vertretung vor Gerichten und Verwaltungsbehörden ist nicht angezeigt, weil die gesamte Bestimmung primär auf die Vertretung vor Gerichten und Verwaltungsbehörden abzielt. Durch Art 10 ARB 1995 ist deutlich klargestellt, dass die freie Anwaltswahl nicht für die außergerichtliche Vertretung gilt.

Der Kläger ist also mit der in der Revision vertretenen Rechtsmeinung betreffend die in den ARB 1995 enthaltene „Massenschadenklausel" durchgedrungen. Zu beachten sind allerdings die Ausführungen der Revisionsbeantwortung, mit denen die Beklagte weiterhin „das Nichtzurechtbestehen des Klagebegehrens aus anderen Gründen" behauptet:

Gegen die unter Punkt a) angeführten Begehren auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich der künftig anfallenden Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung durch die S***** Rechtsanwalts GmbH wendet die Beklagte neben Art 6.7.3 ARB 1995 auch noch die Bestimmung des Art 10.3. ARB 1995 ein. Danach beschränkt sich das Recht des Rechtsschutzversicherungsnehmers, einen Rechtsvertreter vor Gerichten und Verwaltungsbehörden frei zu wählen, auf Personen, die ihren Kanzleisitz am Ort des Gerichts oder der Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Die Beklagte meint, da die Klagevertretung ihren Sitz in S***** habe und mit Ausnahme eines Verfahrens gegen die B***** GmbH alle Verfahren außerhalb S*****s zu führen seien, seien die betreffenden Begehren auf Rechtsschutzdeckung auch aus diesem Grund nicht gerechtfertigt.

Die genannte Klausel entspricht der Bestimmung des § 158k Abs 2 VersVG, wonach im Versicherungsvertrag vereinbart werden kann, dass der Versicherungsnehmer zu seiner Vertretung in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren nur solche Personen wählen darf, die ihren Kanzleisitz am Ort der Gerichts- oder Verwaltungsbehörde haben, die für das durchzuführende Verfahren in erster Instanz zuständig ist. Diese Gestaltungsmöglichkeit einer örtlichen Begrenzung des Rechts der Auswahl des Rechtsvertreters sollte nach den Gesetzesmaterialien (RV BlgNR 18. GP 641, 6) den Vertragsparteien erhalten bleiben, da eine solche Begrenzung kostensparend (zB kein doppelter Einheitssatz im Gerichtsverfahren) und sohin auch prämiensenkend wirken kann. Zufolge dieser sachlichen Rechtfertigung bestehen gegen diese bloß örtliche Einschränkung unter dem Blickwinkel der Rechtsschutzversicherungsrichtlinie nach im österreichischen und deutschen Schrifttum herrschender Meinung (vgl Fenyves, Zur Zulässigkeit der „Massenschadenklausel" in der Rechtsschutzversicherung, VR 10/06, 22 [24] mwN) keine grundsätzlichen Bedenken. Im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des EuGH betreffend eine Einschränkung des Rechts des Rechtsschutzversicherten auf freie Anwaltswahl in Gerichts- und Verwaltungsverfahren gebietet sich allerdings eine einschränkende Auslegung des Art 10.3. ARB 1995 dahin, dass ein Versicherungsnehmer auch einen nicht ortsansässigen Rechtsvertreter wählen kann, jedenfalls wenn dieser verbindlich erklärt, seine Leistungen wie ein ortsansässiger Vertreter zu verrechnen, da damit der Sinn und Zweck dieser Klausel (kosteneinsparende und prämiensenkende Wirkung) gewahrt bleibt.

Die Beklagte hält in der Revisionsbeantwortung weiters auch noch daran fest, dass dem Klagebegehren Punkt a) aufgrund der in Art 8.1.5.3. ARB 1995 bestimmten Wartepflicht keine Berechtigung zukomme. Es seien die gegen die Republik Österreich und die B***** GmbH anhängigen Musterverfahren abzuwarten.

Diesem Einwand ist - wie schon in der Entscheidung 7 Ob 68/09i - grundsätzlich entgegenzuhalten, dass dem Kläger, für den ja ein Verjährungsverzicht eines Schädigers nicht erzwingbar ist, jedenfalls zugestanden werden muss, verjährungshindernde Handlungen vorzunehmen, um dieser Gefahr zu begegnen. Es trifft zwar zu, dass es zur Vermeidung einer „Mehrgleisigkeit", die vor allem eine unnötige Kostenbelastung bedeutet, angezeigt sein kann, ein Verfahren bis zur Beendigung eines „Musterprozesses" zu unterbrechen. Außer Streit gestellt wurde, dass Musterprozesse von A*****-Geschädigten (nur) gegen die Republik Österreich und die B***** GmbH anhängig sind. Inwiefern diese Musterverfahren im Sinn des Art 8.1.5.3. ARB 1995 tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für die vom Kläger unternommene oder beabsichtigte Rechtsverfolgung haben können, hat die für das Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung beweispflichtige Beklagte (RIS-Justiz RS0043728) nicht dargetan. Sie hat keine Umstände behauptet, geschweige denn bewiesen, die dafür sprechen könnten, dass inbesondere die Beteiligung an den Konkursverfahren und am Strafverfahren sowie die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Anlegerentschädigung GmbH unterbleiben könnten, weil bereits durch andere (konkret zu bezeichnende) Verfahren eine Klärung der Ansprüche des Klägers zu erwarten sei und die Rechtsposition des Klägers durch ein entsprechendes Zuwarten nicht verschlechtert werde. Der Einwand, das Begehren des Klägers auf Rechtsschutzdeckung sei wegen einer Warteverpflichtung im Sinn des Art 8.1.5.3. ARB nicht fällig, geht daher jedenfalls in den genannten Punkten ins Leere.

Unberechtigt ist auch der von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung wiederholte Einwand, für die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Anlegerentschädigung GmbH bestehe kein Versicherungsschutz, da diese Ansprüche nicht unter die Art 17 bis 25 ARB 1995 zu subsumieren seien. Die in das Wertpapieraufsichtsgesetz (WAG), BGBl I 753/1996, durch die Novelle BGBl I 63/1999 eingefügten Bestimmungen über die Anlegerentschädigung stellen das Pendant zur Einlagensicherung der Kreditinstitute dar und sollen der besseren Absicherung von Anlegern dienen. Das WAG wurde durch das am 1. 11. 2007 in Kraft getretene Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 (WAG 2007), BGBl I 60/2007, abgelöst, das hinsichtlich der bereits zu diesem Zeitpunkt angemeldet gewesenen Ansprüche auf Entschädigung keine Übergangsregelung enthält. Dies ist allerdings hier ohne Bedeutung, weil die Regelung der Anlegerentschädigung des WAG 2007 (§§ 75 ff leg cit) jener des WAG im Wesentlichen entspricht. Sowohl nach dem WAG als auch nun nach § 75 Abs 1 WAG 2007 haben alle österreichischen Wertpapierfirmen, die die Dienstleistung der Verwaltung von Kundenportefeuilles mit Verfügungsvollmacht im Auftrag des Kunden ausüben (§ 3 Abs 2 Z 2 und 3 WAG 2007), einer Entschädigungseinrichtung anzugehören. Dazu wurde im Jahr 1999 die Anlegerentschädigung von W***** GmbH (ursprünglich: A***** GmbH) gegründet, die per 21. 12. 2007 in A***** GmbH umbenannt wurde (FN ***** Handelsgericht Wien). Diese Gesellschaft hat bei Eintritt eines Entschädigungsfalls zu gewährleisten, dass Forderungen von Anlegern aus entsprechenden Wertpapierdienstleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 20.000 EUR pro Anleger auf dessen Verlangen und nach Legitimierung innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem Höhe und Berechtigung der Forderung festgestellt wurden, ausbezahlt werden. Gemäß § 76 Abs 2 WAG 2007 (§ 23c Abs 2 WAG) können Forderungsberechtigte aus Wertpapierdienstleistungen während eines Zeitraums von einem Jahr ab der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Wertpapierdienstleistungsunternehmens ihre Ansprüche bei der Anlegerentschädigung GmbH anmelden. Die im Schrifttum und in den Medien kontrovers diskutierte Frage, ob und inwieweit A*****-Geschädigte Ansprüche gegen die Anlegerentschädigung GmbH haben beziehungsweise durchzusetzen imstande sind, ist hier nicht näher zu untersuchen. Nach herrschender Meinung (Kalss/Linder, ÖBA 2006, 824 [828]; Oppitz in Apathy/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht2 VI Rz 2/229; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht I § 4 Rz 30 f ua; 4 R 9/07h OLG Wien) erfasst § 23b WAG (§ 75 WAG 2007) nur durch konzessionswidriges Halten von Geld oder Finanzierungsinstrumenten verursachte Nachteile. Obwohl laut Medienberichten die vorhandenen Entschädigungsmittel bei weitem nicht ausreichen sollen und auch die Frage, ob die Gesellschafter der Anlegerentschädigung GmbH eine Nachschusspflicht trifft, umstritten ist, wurde den A*****-Geschädigten von Konsumentenschutzvereinen etc empfohlen, Ansprüche mit anwaltlicher Hilfe gegenüber der Anlegerentschädigung GmbH geltend zu machen.

Diese Ansprüche richten sich zwar nicht gegen den Schädiger, sondern gegen die im WAG (und nun im WAG 2007) dafür vorgesehene Haftungsgesellschaft. Dies ändert aber entgegen der Ansicht der Beklagten nichts daran, dass die Durchsetzung dieser Ansprüche, weil sie Schadenersatzansprüche voraussetzen, zumindest im Zweifel (§ 915 ABGB) „die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts wegen eines erlittenen Vermögensschadens" im Sinn des - wie alle AVB - nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 f ABGB) entsprechend dem Verständnis eines durchschnittlich versierten Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0050063) zu interpretierenden Art 19 ARB 1995 darstellt. Diese Ansprüche fallen demnach in den Schadenersatz-Rechtsschutz für den Privat-, Berufs- und Betriebsbereich, weshalb der Einwand der Beklagten, sie seien nicht vom Versicherungsschutz umfasst, unberechtigt ist.

Damit erweisen sich die unter Punkt a) des Klagebegehrens angeführten Begehren auf Rechtsschutzdeckung hinsichtlich der künftig anfallenden Kosten der Vertretung in den Konkursverfahren und im Strafverfahren sowie in einem allfälligen Gerichtsverfahren gegen die Anlegerentschädigung GmbH mit der Einschränkung als berechtigt, dass dieser Deckungsanspruch auf die einem ortsansässigen Rechtsvertreter gebührenden (geringeren) Tarife beschränkt ist. Insofern ist das Klagebegehren zu weit gefasst und daher teilweise abzuweisen. Die eine Klagsabweisung in diesen Punkten bestätigende Entscheidung des Berufungsgerichts ist nur mit dieser Einschränkung in ein klagsstattgebendes Teilurteil abzuändern.

Vom Kläger wird nicht nur die Kostendeckung für die gerichtliche, sondern auch für die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Anlegerentschädigung GmbH begehrt. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sich die freie Anwaltswahl nach § 158k VersVG richtlinienkonform allerdings auf die Vertretung in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren beschränkt. Die Abweisung des betreffenden Begehrens auf Deckung auch der Kosten eines außergerichtlichen Vorgehens der Klagevertretung gegen die Anlegerentschädigung GmbH ist daher zu bestätigen.

Gegen das Begehren auf Kostendeckung der Anmeldung und Geltendmachung der Forderung im Liquidationsverfahren hinsichtlich der „SICAV-Fonds in Luxemburg" wendet die Beklagte weiterhin ein, auch wenn es sich dabei um ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren handelte, genieße der Kläger für die Wahrnehmung seiner Interessen außerhalb von Österreich im Baustein Vertragsrechtsschutz keinen Versicherungsschutz. Auch dieser Einwand ist berechtigt: Die in Rede stehende, vom Kläger nicht einmal näher bezeichnete, Société d´Investissement á Capital Variable (SICAV) ist nach zahlreichen (etwa im Internet abrufbaren) Veröffentlichungen eine Investmentgesellschaft, die nach Luxemburger Recht in der Form einer Société Anonyme (Aktiengesellschaft) gegründet wurde. Zuständige Aufsichtsbehörde ist die CSSF (Commission dé Surveillance du Secteur Financier) in Luxemburg. Da die betreffende SICAV ihren Sitz unstrittig in Luxemburg hat, kann kein Zweifel darüber bestehen, dass ein Liquidationsverfahren in Luxemburg (jedenfalls nicht in Österreich) abzuwickeln ist. Zuzustimmen ist der Revisionsgegnerin auch darin, dass die (vom Kläger nicht näher erläuterte) „Anmeldung und Geltendmachung einer Forderung im Liquidationsverfahren der SICAV" allenfalls nur dem Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz (Art 23 ARB 1995), der insbesondere die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers umfasst, unterliegen kann. Nach Art 4.2. ARB 1995 besteht Versicherungsschutz in Fällen des Allgemeinen Vertrags-Rechtsschutzes nur dann, wenn der Versicherungsfall im Geltungsbereich des Art 4.1. ARB 1995 (im Wesentlichen in Europa) eintritt, die Wahrnehmung rechtlicher Interessen jedoch in Österreich erfolgt und dafür die Zuständigkeit eines staatlichen österreichischen Gerichts oder einer österreichischen Verwaltungsbehörde gegeben ist. Da dies für die Anmeldung und Geltendmachung im Liquidationsverfahren hinsichtlich der „SICAV-Fonds in Luxemburg" jedenfalls nicht zutrifft, haben die Vorinstanzen das Klagebegehren auch in diesem Punkt im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Auch insoweit ist die angefochtene Entscheidung des Berufungsgerichts also als Teilurteil zu bestätigen.

Der Kostenvorbehalt hinsichtlich des Teilurteils beruht auf § 52 Abs 2 ZPO. Das Erstgericht wird auch die von den Parteien verzeichneten Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens, deren Bestimmung durch den Obersten Gerichtshof (mit am 6. und 7. 10. 2009 eingebrachten Kostenbestimmungsanträgen) jeweils beantragt wurde, zu berücksichtigen haben.

III. Hinsichtlich der verbleibenden Klagepunkte der Kostendeckung „für ein allfälliges Vorgehen gegen den Vermittler, die Republik Österreich und die B***** GmbH" macht die Revisionsgegnerin geltend, das Urteilsbegehren gegen „den Vermittler" sei völlig unsubstantiiert geblieben und entbehre der erforderlichen Individualisierbarkeit. In diesem Punkt sei es ihr mangels Erteilung der für die Vornahme einer Deckungsprüfung erforderlichen Information im Sinn des Art 8 ARB 1995 nicht möglich gewesen, eine Erklärung zum Deckungsschutz abzugeben.

Dieser Einwand ist zutreffend. Ohne dass der Kläger den betreffenden Vermittler zumindest namentlich bezeichnet und näher ausführt, worauf sich seine Haftung konkret gründen soll, ist dieses Begehren weder ausreichend substantiiert noch kann beurteilt werden, ob der Beklagten eine Stellungnahme im Sinn des Art 9 ARB 1995 und allenfalls eine Prüfung, ob eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, möglich ist. Dies hat auch schon das Erstgericht erkannt. Es hat aber - offenbar im Hinblick auf seine nicht zu teilende Rechtsansicht hinsichtlich der Gesetz- und Richtlinienkonformität der Massenschadenklausel - eine entsprechende Erörterung mit den Parteien unterlassen. Dies wird im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen und dem Kläger Gelegenheit zu geben sein, ein ergänzendes Vorbringen zu erstatten, sein Begehren ausreichend zu substantiieren und zu individualisieren und der Beklagten allenfalls eine Erfolgsaussichtsprüfung zu ermöglichen.

Hinsichtlich der Kostendeckungsbegehren betreffend allfällige Verfahren (vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden) gegen die Republik Österreich und die B***** GmbH weist die Revisionsgegnerin auf den außer Streit stehenden Umstand hin, dass gegen die Genannten Musterverfahren von A*****-Geschädigten anhängig sind. Der Ausgang dieser Musterverfahren sei abzuwarten und der Einwand der Warteverpflichtung nach Art 8.1.5.3. ARB 1995 in Ansehung der Musterverfahren gegen die Republik Österreich und die B***** GmbH daher berechtigt. Anknüpfend an die oben bereits zur Warteverpflichtung nach dieser Bestimmung angestellten Erwägungen ist festzustellen, dass in den vorinstanzlichen Verfahren unerörtert und ungeklärt blieb, ob und inwieweit gesichert ist, dass ein Abwarten des Ausgangs der auch vom Kläger ausdrücklich als „Musterverfahren" anerkannten Prozesse dessen Interessen nicht unbillig, insbesondere durch drohende Verjährung, beeinträchtigen könnte. Auch dies wird im fortzusetzenden Verfahren zu erörtern sein. Den Parteien wird Gelegenheit zu geben sein, diesbezüglich ergänzendes Vorbringen und Beweisanbote zu erstatten, um eine verlässliche Beurteilung einer - bei Vorliegen entsprechender, von der Beklagten initiierter, die Interessen des Klägers sichernder Maßnahmen an sich naheliegenden - Warteverpflichtung vornehmen zu können.

Da sich das Verfahren demnach im aufgezeigten Umfang noch als ergänzungsbedürftig erweist, ist spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt im Aufhebungsbeschluss gründet sich auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO; auch insoweit werden die von den Parteien verzeichneten Kosten des Vorabentscheidungsverfahrens zu berücksichtigen sein.

Textnummer

E92921

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00194.09V.1216.000

Im RIS seit

15.01.2010

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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