TE Vwgh Erkenntnis 2000/12/20 95/08/0164

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Veröffentlicht am 20.12.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;
72/01 Hochschulorganisation;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1;
AlVG 1977 §1 Abs6 idF 1995/297;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 lith;
AlVG 1977 §46;
AlVG 1977 §7;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
KHSchOrgG §9 Abs1 Z4;
UOG 1975 §38;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 2. Mai 1995, Zl. Abt. 12/7022/7100 B, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 1. Februar 1995 Arbeitslosengeld und gab an, er sei zuletzt von November 1992 bis Februar 1995 als Lehrbeauftragter an einer Kunsthochschule beschäftigt gewesen.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1995 entschied die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste Wien über diesen Antrag wie folgt:

"Gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit den §§ 7 Z. 1 und 12 Abs. 3 lit. a Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, wird das Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit ab dem nachstehend angeführten Tag eingestellt:

BEGRÜNDUNG

Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch wegfällt. Gemäß § 7 Z. 1 AlVG ist Arbeitslosigkeit eine der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG gilt jedoch nicht als arbeitslos, wer in einem Dienstverhältnis steht.

SIE SIND LEHRBEAUFTRAGTER AN DER HOCHSCHULE UND GELTEN DAHER

NICHT ALS ARBEITSLOS

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

In seiner Berufung vom 22. Februar 1995 brachte der Beschwerdeführer vor, sein Lehrauftrag habe am 31. Jänner 1995 geendet und eine Weiterbeschäftigung sei nicht vorgesehen, weil die Übernahme des Beschwerdeführers als Vertragslehrer ohne sachliche Begründung abgelehnt worden sei. Die neu geschaffene Regelung, die für Lehrbeauftragte während der Ferien anzuwenden sei, gelte für den Fall des Beschwerdeführers nicht.

In einer Berufungsergänzung vom 6. März 1995 führte der Beschwerdeführer aus, seit 1. März 1995 stehe fest, dass er auf Grund Willkür seines Vorgesetzten keinen Lehrauftrag an der Hochschule für angewandte Kunst mehr erhalte. Er könne dies unter anderem dadurch beweisen, dass er alle Schlüssel der Werkstätte abgegeben habe. Damit habe sein Dienstverhältnis wie auf der Arbeitsbescheinigung ausgewiesen am 31. Jänner 1995 geendet. Auch der Entgeltabrechnungszeitraum ende mit Jänner 1995.

In der vom Beschwerdeführer dazu vorgelegten, von der Hochschule für angewandte Kunst in Wien ausgestellten Arbeitsbescheinigung vom 30. Jänner 1995 war die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses mit 1. November 1992 bis 31. Jänner 1995 angegeben, wobei zugleich bescheinigt wurde, die Bezüge seien bis 31. März 1995 ausbezahlt worden. Die letzte ziffernmäßig ausgewiesene Entgeltzahlung war diejenige für Jänner 1995.

In einem Schreiben vom 9. März 1995 teilte die Hochschule für angewandte Kunst in Wien dem Arbeitsmarktservice mit, der Beschwerdeführer habe "bis Ende des Wintersemesters 1994/95" einen Lehrauftrag inne gehabt, der jedoch "für das Sommersemester nicht mehr verlängert" worden sei.

In einem am 27. April 1995 erstellten Auszug aus der zentralen Datenspeicherung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger war das Ende des Beschäftigungsverhältnisses mit 31. März 1995 angegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers "gegen den Bescheid des Arbeitsamtes Versicherungsdienste vom 15.2.1995 betreffend Einstellung (richtig: Abweisung) des Arbeitslosengeldes vom 1.2.1995 mangels Arbeitslosigkeit" keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Begründend wurde dazu - nach Zitierung unter anderem des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG - ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 1. Februar 1995 einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt und dabei bekannt gegeben, zuletzt als Lehrbeauftragter tätig gewesen zu sein. Auf Grund der vorgelegten Arbeitsbescheinigung sei festzustellen gewesen, dass er aus dieser Beschäftigung Bezüge bis zum 31. März 1995 erhalten habe. Aus diesem Grunde sei der erstinstanzliche Bescheid ergangen. Dagegen habe der Beschwerdeführer Berufung eingebracht und eingewandt, dass er für das Sommersemester 1995 keinen Lehrauftrag mehr erhalten werde. Zum Zeitpunkt der Antragstellung gelte er aber nicht als arbeitslos, weshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der zunächst geltend gemacht wird, der angefochtene Bescheid lasse nicht erkennen, ob die belangte Behörde dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe für das Sommersemester 1995 keinen Lehrauftrag mehr erhalten, gefolgt sei. Ausgehend davon, dass die belangte Behörde dies getan hätte, lasse der angefochtene Bescheid nicht erkennen, ob ihm die Ansicht zu Grunde liege, der Anspruch des Beschwerdeführers sei nicht berechtigt, weil die Tatsache, dass er nicht weiterbeschäftigt werden würde, erst nach der Antragstellung hervorgekommen sei, oder ob die belangte Behörde meine, dass diese Tatsache rechtlich unerheblich sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei für das Ende des Beschäftigungsverhältnisses des Beschwerdeführers nicht der Entgeltzahlungszeitraum, sondern der Beschäftigungszeitraum, der im vorliegenden Fall am 31. Jänner 1995 geendet habe, maßgeblich. Damit sei der Beschwerdeführer am 1. Februar 1995 nicht mehr Lehrbeauftragter und somit auch nicht "Lehrbeauftragter in den Semesterferien" gewesen. Nach Ansicht des Beschwerdeführers gelte dies sogar unabhängig von einer Weiterbeschäftigung im Sommersemester 1995. Von einem "Lehrbeauftragten in den Semesterferien" könne nämlich nur gesprochen werden, wenn der Lehrauftrag auf ein ganzes Studienjahr laute. Ende der Lehrauftrag schon vor den Semesterferien, so gebe es für deren Dauer kein Beschäftigungsverhältnis. Im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde sei aber ohnedies festgestanden, dass der Beschwerdeführer im Sommersemester keinen Lehrauftrag mehr erhalten würde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die Abweisung der Beschwerde beantragt und unter anderem ausgeführt wird, die belangte Behörde habe im Rahmen des Berufungsverfahrens "nur über den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides abzusprechen". Weiters wird darauf hingewiesen, dass dem Beschwerdeführer das Arbeitslosengeld auf Grund eines am 5. April 1995 gestellten Antrages ab dem 1. April 1995 zuerkannt worden sei. Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, dass seine Beschäftigung als Lehrbeauftragter erst am 31. März 1995 geendet habe. Da der Beschwerdeführer bis zum 31. März 1995 Bezüge aus seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter erhalten habe, sei es unmaßgeblich, ob er auch für das Sommersemester 1995 einen Lehrauftrag erhalten habe oder nicht. Arbeitslosigkeit sei für die Zeit vom 1. Februar 1995 (Antragstellung) bis zum 31. März 1995 (Ende des Entgeltanspruches aus einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung) nicht gegeben gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Rechtswidrig ist zunächst die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Auffassung der belangten Behörde, es sei schon deshalb spruchgemäß zu entscheiden gewesen, weil der Beschwerdeführer "zum Zeitpunkt der Antragstellung ... nicht als arbeitslos" gegolten habe, und es sei, wie die belangte Behörde in der Gegenschrift an einer Stelle formuliert, im Rahmen des Berufungsverfahrens nur zu prüfen gewesen, "ob zum Zeitpunkt der Antragstellung (1.2.95) Arbeitslosigkeit gegeben war".

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich nämlich auch bei negativen Absprüchen über Anträge auf Zuerkennung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung um zeitraumbezogene Absprüche des Inhalts, dass dann, wenn nicht ausdrücklich im Bescheid der Endpunkt des Zeitraumes, über den abgesprochen wird, festgelegt wird, über den Anspruch bis zum Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides negativ abgesprochen wird (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 91/08/0036, unter Bezug auch auf die diesbezügliche ständige Judikatur zu Absprüchen über die Versicherungspflicht). Der Gerichtshof hält diese Auffassung mit der (gerade im vorliegenden Zusammenhang notwendigen) ergänzenden Bemerkung aufrecht, dass es - aus Rechtsschutzgründen - sowohl der erstinstanzlichen als auch der Berufungsbehörde verwehrt ist, den genannten Endzeitpunkt willkürlich festzulegen und dadurch den Anspruchswerber - vor dem Hintergrund des § 46 AlVG - entweder um ihm sonst ab einem während des Verfahrens liegenden Zeitpunkt gebührende Ansprüche zu bringen oder zu unter Umständen wiederholter Eventualantragstellung zu zwingen.

Unter Bedachtnahme darauf, dass einerseits von der belangten Behörde der erstinstanzliche Bescheid (im Hinblick auf dessen Spruch und darauf, dass dem Beschwerdeführer tatsächlich kein Arbeitslosengeld gewährt wurde) mit Recht nicht als Einstellungs-, sondern als eine den Antrag des Beschwerdeführers abweisende Entscheidung verstanden und andererseits dem Beschwerdeführer schon vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides ab dem 1. April 1995 Arbeitslosengeld gewährt wurde, hatte die belangte Behörde die Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers nicht nur für den 1. Februar 1995, sondern auch für die daran anschließende Zeit bis zum 31. März 1995 zu beurteilen und darüber zu entscheiden. Da die belangte Behörde dem nicht nachkam, ist der angefochtene Bescheid - unter Einbeziehung der folgenden Überlegungen - mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet:

Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die belangte Behörde, wie sie in der Gegenschrift betont, erkennbar von dem vom Beschwerdeführer behaupteten Sachverhalt ausgegangen, wonach der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilte Lehrauftrag am 31. Jänner 1995 geendet habe und ihm für das Sommersemester 1995 kein neuer Lehrauftrag erteilt worden sei, ihm aber - entsprechend dem § 7 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von Lehr- und Prüfungstätigkeiten an Hochschulen, BGBl. Nr. 463/1974 - die für den Lehrauftrag für das Wintersemester 1994/95 gebührenden Remunerationen noch bis 31. März 1995 bezahlt wurden.

Diesen Sachverhalt hatte die belangte Behörde (nach der in diesem Zeitraum geltenden Rechtslage: vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 96/08/0286, d.h. nach den in Betracht kommenden hochschul- und arbeitslosenversicherungsrechtlichen Bestimmungen in der Fassung noch vor dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995) darauf hin zu beurteilen, ob dem Beschwerdeführer für den gesamten Zeitraum vom 1. Februar bis zum 31. März 1995 oder doch zumindest für einen Teil dieses Zeitraumes Arbeitslosengeld gebührte. Unter Zugrundelegung der im Erkenntnis vom 14. Jänner 1997, Zl. 96/08/0035, ausführlich dargelegten Erwägungen zu Ansprüchen auf Arbeitslosengeld von Personen, denen nach § 38 UOG, BGBl. Nr. 258/1975, remunerierte Lehraufträge erteilt wurden, die - mangels diesbezüglich relevanter Unterschiede - auch für Lehraufträge gelten, die - wie im Beschwerdefall - nach § 9 Abs. 1 Z. 4 Kunsthochschul-Organisationsgesetz, BGBl. Nr. 54/1970, erteilt wurden, wäre davon auszugehen, dass - da die Bestimmung des § 1 Abs. 6 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 297/1995 erst am 1. Mai 1995 in Kraft trat - das arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers im Sinne der §§ 1 Abs. 1, 12 Abs. 1 AlVG als Lehrbeauftragter bereits mit 31. Jänner 1995 endete und der Beschwerdeführer daher - immer ausgehend vom genannten Sachverhalt - trotz der Weiterzahlung von Remunerationen im relevanten Zeitraum ab dem 1. Februar 1995 im Sinne der §§ 7 und 12 Abs. 1 AlVG an sich arbeitslos war. Unter diesem Gesichtspunkt hätte er (ungeachtet der dadurch bedingten "Doppelversorgung", die durch die Novelle BGBl. Nr. 817/1993 - freilich nur in Bezug auf Semester- und Hauptferien - beseitigt werden sollte, vgl. dazu den Ausschussbericht, 1332 BlgNR 18. GP 1) Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt, wobei er (insoweit mit dem Ergebnis der Vermeidung einer "Doppelversorgung") nur in jenem Zeitraum, auf den die Semesterferien fielen, nach § 12 Abs. 3 lit. h AlVG, wonach "ein Lehrbeauftragter in den Semester- und Sommerferien" nicht als arbeitslos gilt, nicht als arbeitslos gegolten hätte. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist die zuletzt genannte Bestimmung - einerseits unter Bedachtnahme auf ihren eben genannten Zweck und andererseits in Anbetracht des Umstandes, dass grundsätzlich Lehraufträge nur semesterweise erteilt werden und kein Anspruch auf Weiterbestellung besteht - auch dann, wenn nach einem zuletzt für ein Wintersemester erteilten Lehrauftrag kein neuer Lehrauftrag für das Sommersemester erteilt wird, in Bezug auf das Wintersemester anzuwenden. Auf welchen Teilzeitraum des maßgeblichen Zeitraumes die Semesterferien im konkreten Fall fielen (vgl. zu ihrer Festlegung § 22 Abs. 1 Kunsthochschul-Organisationsgesetz), ist der Aktenlage freilich nicht zu entnehmen.

Da die belangte Behörde somit, ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung in Bezug auf die Frage, für welchen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen seien, die erforderlichen Ermittlungen nicht vorgenommen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Dezember 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Inhalt der Berufungsentscheidung Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1995080164.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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