TE OGH 2010/1/19 10ObS213/09k

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Veröffentlicht am 19.01.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Tomek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Leopold K*****, vertreten durch Mag. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pensionshöhe, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. November 2009, GZ 8 Rs 114/09g-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Pensionsversicherungsanstalt sprach über Antrag des Klägers mit Bescheid vom 25. 6. 2008 aus, dass die vorzeitige Alterspension des Klägers entsprechend den anzuwendenden Bestimmungen über die Pensionsanpassung ab 1. 1. 2008 um den Fixbetrag von 36,75 EUR auf den Betrag von 2.544,45 EUR monatlich erhöht werde.

Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer um zumindest 1,7 % erhöhten vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer ab 1. 1. 2008.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab 1. 1. 2008 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer in der bescheidmäßig zuerkannten Höhe von 2.544,45 EUR brutto monatlich zu bezahlen. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren des Klägers wies es mit der Begründung ab, dass die Pensionshöhe unter richtiger Anwendung des geltenden Rechts bemessen worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, weil es die in der Berufung ausschließlich geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die geltende Gesetzeslage nicht teilte. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung nicht zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger macht in seinen Revisionsausführungen wiederum ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Erhöhung seiner Pension um einen Fixbetrag im Zuge der Pensionsanpassung 2008 geltend. Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der ASVG-Pensionserhöhung um einen gesetzlich bestimmten Fixbetrag für höhere Pensionen im Jahr 2008 und der ebenfalls gedeckelten Pensionserhöhungen für höhere Pensionen in den Jahren 2006 und 2007 fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist im Hinblick auf die zum angesprochenen Themenkreis bereits vorliegende Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in mehreren Entscheidungen zu Fragen der Verfassungsmäßigkeit von Pensionserhöhungen Stellung genommen. So wurde in der Entscheidung 10 ObS 81/02p (= SSV-NF 16/78) mit ausführlicher Begründung dargelegt, dass gegen die in der Bestimmung des § 584 Abs 3 ASVG idF des SRÄG 1999, BGBl I 2000/1, vorgesehene zusätzliche Pensionserhöhung für die Bezieher von Ausgleichszulagen und niedrigen Pensionen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. In der Entscheidung 10 ObS 92/04h (= SSV-NF 19/2) wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die damals geltende Bestimmung des § 299a ASVG über die Wertsicherung der Pension (teilweise durch Einmalzahlung) verneint. In der Entscheidung 10 ObS 34/05f (= SSV-NF 19/45) wurde schließlich bereits ausgesprochen, dass gegen die Erhöhung einer höheren Pension um einen Fixbetrag bei gleichzeitiger prozentueller Erhöhung niedrigerer Pensionen keine grundsätzlichen Bedenken bestehen. Es wurde deshalb die außerordentliche Revision des damaligen Klägers mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. In den genannten Entscheidungen wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass Zweck der Pensionsanpassung unter anderem die Inflationsabgeltung und damit die Erhaltung der Kaufkraft sei. Es gelte nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in der Sozialversicherung nicht der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung, da der Versorgungsgedanke im Vordergrund stehe, während der Versicherungsgedanke in der Ausprägung der Vertragsversicherung zurückgedrängt sei. Weiters wurde auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verwiesen, wonach der Gesetzgeber bei Kürzungen von Leistungen nach sozialen Gesichtspunkten differenzieren könne, zumal die Bezieher höherer Sozialleistungen Eingriffe in der Regel leichter verschmerzen könnten als Bezieher niedrigerer Sozialleistungen. Ähnliches müsse auch für die Frage der Erhöhung einer auch auf Beiträgen des Versicherten beruhenden Pensionsleistung gelten. Es müsse daher auch eine sozial gestaffelte Erhöhung der tatsächlichen Pensionsleistung, die um so höher ausfalle, je niedriger die Pension sei, grundsätzlich zulässig sein. In ähnlicher Weise würden auch für Beschäftigten in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst im Rahmen der Erhöhung der Löhne und Gehälter häufig vergleichbare Staffelbeträge vereinbart.

Weiters hat der erkennende Senat in den Entscheidungen 10 ObS 86/07f und 10 ObS 99/07t bereits die Auffassung vertreten, dass selbst ein Pensionsverlust durch den einmaligen Entfall einer Pensionsanpassung im Ausmaß von höchstens 2,5 % im Sinne der dort näher dargelegten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht derart intensiv sei, dass er einen sachlich nicht begründbaren Eingriff in erworbene Rechtspositionen bewirken würde (vgl in diesem Sinne auch jüngst 10 ObS 70/09f). In der Lehre wird dazu die noch weitergehende Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber auch nach österreichischem Recht im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums eine Pensionsanpassung für einzelne Jahre sistieren könne (vgl Tomandl, Gedanken zum Vertrauensschutz im Sozialrecht, ZAS 2000, 129 ff [134] unter Hinweis auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesverfassungsgerichts).

Die Ausführungen in der Revision des Klägers sind nach Ansicht des erkennenden Senats nicht geeignet, begründete Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung der Pension des Klägers um einen Fixbetrag von 36,75 EUR monatlich, was einer Erhöhung der Pension des Klägers um 1,46 % entspricht, zu erwecken. Durch die Pensionsanpassung 2008 wurden die Ausgleichszulagenrichtsätze überproportional angehoben sowie die Pensionen bis zur Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes um 1,7 %, also mit dem Anpassungsfaktor aufgrund des Verbraucherpreisindex, und die übrigen Pensionen sozial gestaffelt erhöht. Die Pensionsanpassung 2008 bildete damit auch einen wesentlichen sozialpolitischen Beitrag zur Armutsbekämpfung (vgl dazu die Gesetzesmaterialien AB 352 BlgNR XXIII. GP 4 f). Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem bereits zur Pensionsanpassung 2008 ergangenen Erkenntnis vom 24. 9. 2009, G 165/08 ua, ausgeführt hat, steht dem Gesetzgeber bei der Beurteilung sozialer Bedarfslagen und bei der Ausgestaltung der an diese Bedarfslagen anknüpfenden sozialen Maßnahmen - wie der außerordentlichen Anhebung laufender Pensionsbezüge - sowohl ein weiter Beurteilungsspielraum als auch ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu, wobei es sich beim sozialen Ausgleich um ein zulässiges Ziel des Sozialversicherungsrechts handelt. Es bestehen daher auch seitens des erkennenden Senats im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die soziale Staffelung der Maßnahmen der Pensionsanpassung 2008, wonach für Kleinpensionen von 747 EUR bis 1.050 EUR ein Zuschlag von 21 EUR (= 2,81 % bis 2 %) und für Pensionen zwischen 1.050 EUR und 1.700 EUR eine erhöhte Pensionsanpassung mit 2 % gewährt wird und dass diese Pensionserhöhung bei Pensionen von mehr als 1.700 EUR einschleifend wieder auf 1,7 % reduziert und die Erhöhung ab einer Pension von 2.161,50 EUR um einheitlich 36,75 EUR vorgenommen wird.

Weiters hat der Verfassungsgerichtshof in seinem zitierten Erkenntnis vom 24. 9. 2009, G 165/08 ua, auch die Auffassung vertreten, dass der Pensionsanspruch nach den Bestimmungen des ASVG, BSVG und GSVG (der somit auf Beiträgen der Versicherten beruht) zwar ein öffentlich-rechtlicher Anspruch sei, der grundsätzlich im Schutzbereich des Eigentumsrechts nach Art 1 1. ZP EMRK stehe. Regelungen über eine Pensionserhöhung würden aber im Allgemeinen nicht in das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums eingreifen. Die vom Kläger unter Hinweis auf die gedeckelten Pensionserhöhungen der Jahre 2006 bis 2008 auch geltend gemachte Verletzung seines Eigentumsrechts gemäß Art 5 StGG iVm Art 1 1. ZP EMRK liegt daher nach dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ebenfalls nicht vor.

Die außerordentliche Revision des Klägers war somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Textnummer

E92993

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00213.09K.0119.000

Im RIS seit

18.02.2010

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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