TE OGH 2010/2/11 12Os200/09t

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Veröffentlicht am 11.02.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jauk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Milovan L***** und eine andere Angeklagte wegen der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung dieses Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Oktober 2009, GZ 33 Hv 113/09s-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen der Angeklagten Andja T***** zu C./I./1./b./dd./ und des Angeklagten Milovan L***** zu D./I./ im Betreff der Bestimmung der Vorgenannten zur Begehung der zu C./I./1./b./dd./ des Urteilssatzes genannten strafbaren Handlung, demzufolge auch in den zu C./I./1./b./ (betreffend die Angeklagte T*****) und zu C./I./1./a./, C./I./2./, C./II./ und D./I./ (betreffend den Angeklagten L*****) gebildeten Subsumtionseinheiten sowie in den beide Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen und in den Privatbeteiligtenzusprüchen an Neil Albert R***** aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte L***** auf diese teilkassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche der Mitangeklagten Andja T***** und in Rechtskraft erwachsene (Teil-)Freisprüche der Genannten und des Nachgenannten sowie Privatbeteiligtenzusprüche enthält, wurde der Angeklagte Milovan L***** (richtig:) der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 dritter Fall und 15 StGB, des Raubes nach §§ 142 Abs 1 und 15 StGB, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 (zu ergänzen: erster Fall) und Abs 2 erster Fall StGB und des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall und 15 StGB, teils als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB, sowie der Vergehen der Nötigung nach §§ 105 Abs 1 und 15 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Soweit von der Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO umfasst, wurde Andja T***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Relevanz - in Wien

A./ Milovan L***** Nachgenannten mit Gewalt fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Gewaltanwendung eine an sich schwere Gesundheitsschädigung zur Folge hatte,

I./ weggenommen,

indem er ihnen mit Schlafmitteln versetzte Getränke verabreichte, und zwar

1./ in der Nacht vom 16. auf den 17. Februar 2009 Dr. Gabor P***** einen Bargeldbetrag in Höhe von 200 Euro, wobei dieser einen Unterkühlungszustand mit unterkühlungsbedingter Sauerstoffunterversorgung der rechten Gehirnhälfte erlitt;

2./ am 17. Februar 2009 Renate B***** einen Bargeldbetrag in Höhe von 350 Euro, diverse Kosmetikartikel in einem Gesamtwert von 50 Euro sowie ein Paar Lederhandschuhe, wobei diese einen Bewusstlosigkeitszustand erlitt;

...

C./ gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

- Milovan L***** den zu C./I./1./a./, C./I./2./ und C./II./ des Urteilsspruchs genannten Personen die dort angeführten, insgesamt 3.000 Euro übersteigenden Bargeldbeträge und sonstigen Gegenstände - zum Teil durch Bankomatabhebungen mittels entfremdeter unbarer Zahlungsmittel - weggenommen und in einem Fall wegzunehmen versucht;

- Andja T***** den zu C./I./1./b./ genannten Personen Bargeldbeträge von insgesamt über 3.000 Euro durch Bankomatabhebungen mit entfremdeten unbaren Zahlungsmitteln, unter anderem am 30. Dezember 2008 Neil R***** 400 Euro durch Behebung mit einer von Milovan L***** entfremdeten Bankomatkarte (C./I./1./b./dd./), weggenommen;

D./I./ Milovan L***** die Anja T***** durch die Aufforderung, die zu C./I./1./b./ genannten Bargeldbehebungen vorzunehmen, zu den unter diesem Punkt genannten Straftaten bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

Mit einer auf die Gründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte Milovan L***** in Ansehung der Schuldsprüche A./I./1./ und 2./ ausschließlich die Annahme der Qualifikation nach § 143 dritter Fall StGB. Diesem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.

Dass die Tatrichter die objektive und subjektive Vorhersehbarkeit des Eintritts der Unterkühlung (und der damit verbundenen Sauerstoffunterversorgung des Gehirns) bei Dr. Gabor P***** (A./I./1./) und der Bewusstlosigkeit bei Renate B***** (A./I./2./) aus dem objektiven Täterverhalten (unkontrolliertes Verabreichen von Schlafmitteln an - dem Angeklagten unbekannte - ältere Personen, Entlassen des dadurch stark beeinträchtigten Dr. Gabor P***** aus einem Taxi in einer kalten Winternacht) ableiteten (US 33), ist - dem Beschwerdestandpunkt zuwider - aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Inwiefern die - in der Mängelrüge aus dem Kontext gelösten und überdies sinnentstellend rudimentär wiedergegebenen - Details in den Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen ao Univ.-Prof. Dr. R*****, denen zufolge man bei Verabreichung des Arzneimittels „Triazolam" damit rechnen müsse, dass das Opfer einschlafe, wobei die Wirkung dieses Medikaments durch die zusätzliche Verabreichung von „Alprazolam" aufgrund des Zusammenwirkens beider Stoffe verstärkt werde (dh, dass sich die beiden angesprochenen Medikamente bei gemeinsamer Verabreichung „in der Stärke multiplizieren"; ON 64 S 24 ff), dazu in erörterungsbedürftigem Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) stehen sollten, erklärt die Beschwerde nicht. Dass der Experte in diesem Zusammenhang nicht „von einer Bewusstlosigkeit" sprach, die „Vorhersehbarkeit einer Bewusstlosigkeit" nicht ansprach und „eine Bewusstlosigkeit nicht bestätigte", stellt den in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrund nicht her (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 427).

Bei gebotener Gesamtbetrachtung der gutachterlichen Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen ao Univ.-Prof. Dr. R***** (S 11 und S 19 f, jeweils in ON 56, iVm S 41 ff [insbesondere S 45 bis 49] in ON 64) lässt sich daraus im Übrigen eindeutig ersehen, dass der Sachverständige sehr wohl davon ausging, dass für den Angeklagten der mögliche Eintritt einer Bewusstlosigkeit seiner Opfer, denen er (der Angeklagte) die in Rede stehenden Arzneimittel verabreicht hatte, vorhersehbar gewesen war, weshalb auch nicht klar wird, was eine spezielle Erörterung des (prozessordnungskonform in seiner Gesamtheit zu sehenden) gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers hätte austragen sollen. Außerdem gründet sich die Annahme einer an sich schweren Körperverletzung bei Dr. Gabor P***** nicht auf dessen Bewusstlosigkeit sondern auf den von ihm erlittenen Unterkühlungszustand mit unterkühlungsbedingter Sauerstoffunterversorgung der rechten Gehirnhälfte, nachdem er infolge der verabreichten Schlafmitteln gestürzt, bewusstlos geworden und mehrere Stunden bei kalten Außentemperaturen im Schnee gelegen war (OS 29 iVm mit S 21 in ON 56).

Gegenstand von (Rechts- und) Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt. Da die „hilfsweise" geltend gemachte Subsumtionsrüge (Z 10) einen solchen Vergleich nicht einmal ansatzweise vornimmt, verfehlt sie von vornherein die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Milovan L***** war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus ihrem Anlass war jedoch gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen wahrzunehmen, dass dem Urteil zu den Schuldsprüchen C./I./1./b./dd./ und D./I. im Betreff der Bestimmung der Andja T***** zur Begehung der zu C./I./1./b./dd./ des Urteilssatzes genannten strafbaren Handlung nicht geltend gemachte Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaften, die vom Obersten Gerichtshof nicht behoben werden können, sind dem Urteil insoweit doch keinerlei Konstatierungen (und zwar weder zum objektiven Tatgeschehen noch zur subjektiven Tatseite) zu entnehmen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil daher in dem im Spruch genannten Umfang, demzufolge auch in den zu C./I./1./b./ (betreffend die Angeklagte T*****) und zu C./I./1./a./, C./I./2./, C./II./ und D./I./ (betreffend den Angeklagten L*****) gebildeten, durch Teilrechtskraft zerschlagenen (vgl Ratz, WK-StPO § 289 Rz 10) Subsumtionseinheiten sowie in den beide Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen und den Privatbeteiligtenzusprüchen an Neil Albert R***** aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 285i StPO).

Im zweiten Rechtsgang werden die aufgelösten Subsumtionseinheiten - mit den oder ohne die in Rede stehenden Fakten - neu zu bilden sein (§ 29 StGB; RIS-Justiz RS0116734).

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Milovan L***** auf die teilkassatorische Entscheidung verwiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E93335

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00200.09T.0211.000

Im RIS seit

30.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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