TE OGH 2010/2/11 12Os196/09d

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Veröffentlicht am 11.02.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Februar 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Jauk als Schriftführerin in der Strafsache gegen Florence L***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. September 2009, GZ 064 Hv 42/09b-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Florence L***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) und der Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG (II./) schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie in Wien und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzig-Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 3.123,8 Gramm Heroin (brutto) mit zumindest 105 Gramm Reinsubstanz Heroin und 16,2 Gramm Reinsubstanz Monacetylmorphinbase

I./ aus den Niederlanden aus- und über Deutschland nach Österreich eingeführt, indem sie mit dem in der Rückwand eines Rucksacks eingenähten Suchtgift vom 22. bis zum 23. April 2009 von Amsterdam über Duisburg nach Wien reiste;

II./ mit dem Vorsatz besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem sie das Suchtgift nach Wien transportierte, um es dort einem Mittäter zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen dieses Urteil gestützt auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b und 10 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Mit der Behauptung des Vorliegens von Scheinkonkurrenz („stillschweigende Subsidiarität, in eventu Konsumtion") wendet sich die Beschwerdeführerin nominell unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO (der Sache nach soweit sie idealkonkurrierende Verwirklichung der in Rede stehenden Tatbestände behauptet aus Z 10) gegen die zusätzlich zum Ausspruch nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) erfolgte Subsumtion des Besitzes und der Beförderung der festgestellten Suchtgiftmenge (mit auf das Inverkehrsetzen gerichtetem Vorsatz) nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG.

Die Beschwerde verfehlt aber die an Rechts- und Subsumtionsrüge gleichermaßen gestellte prozessuale Anforderung, die begehrte Rechtsfolge auf Basis des festgestellten Sachverhalts aus dem Gesetz abzuleiten:

Die Rechtsmittelwerberin geht unter verkürzter Wiedergabe einer in der Literatur zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (vgl Fabrizy, SMG § 27 Rz 8) davon aus, dass sich eine tatbestandliche Ein- und Ausfuhr - stets - nicht nur auf die Phase der unmittelbaren Grenzüberschreitung erstreckt, sondern das ganze Geschehen von der Übergabe des Suchtgifts im Ausland bis zur Weitergabe an den Endabnehmer im Inland umfasst. Sie verschweigt jedoch, dass dies nach der Judikatur nur dann zutrifft, wenn - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - der Täter den Transport nicht selbst besorgt, sondern durch die Post oder ein anderes „blindes Werkzeug" besorgen lässt (vgl 11 Os 24/74, EvBl 1975/83).

Da die Angeklagte nach den erstgerichtlichen Feststellungen das in einem Rucksack enthaltene Suchtgift in Amsterdam übernahm, mit diesem per Pkw die niederländisch-deutsche und per Zug die deutsch-österreichische Grenze passierte und bis zum Wiener Westbahnhof weiterfuhr, wo sie nach Verlassen des Zuges festgenommen wurde (US 6), demnach das Suchtgift über die (zweimalige) Aus- und Einfuhr hinaus im Inland besaß und beförderte, ist fallbezogen den weiteren Beschwerdeüberlegungen, wonach das Befördern von Suchtgift von dessen Ein- und Ausfuhr in der Regel mitumfasst wäre, der Boden entzogen (idS auch Litzka/Matzka/Zeder SMG § 27 Rz 64 und § 28 Rz 9).

Im Übrigen gilt - weiterhin -, dass derjenige, der eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge an Suchtgift mit dem Vorsatz erwirbt, besitzt oder befördert, dass sie in Verkehr gesetzt werde, nicht nur die Aus- und Einfuhr dieser - allenfalls qualifizierten - Menge nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG, sondern auch die Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 erster, zweiter oder dritter Fall SMG zu verantworten hat. Ebenso wie der subjektiv besonders geprägte Erwerb und Besitz ist nämlich auch die vom selben Vorsatz getragene Beförderung von Suchtgift keineswegs immer mit dessen Ein- und Ausfuhr verbunden und daher damit abgegolten (vgl die Rechtsprechung zur Rechtslage vor der die Tatbegehungsform des Beförderns einführenden Suchtmittelgesetznovelle 2007, die sinngemäß nach wie vor Gültigkeit hat; dazu RIS-Justiz RS0111410, RS0118871; zur neuen Rechtslage insbesondere 15 Os 133/08k).

Aber auch die Subsumtionsrüge (Z 10), die an der erstgerichtlichen Beurteilung des Tatgeschehens zu Schuldspruch II./ als Begehung einer Mehrzahl von Verbrechen nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 StGB Anstoß nimmt, verfehlt den gesetzlichen Bezugspunkt. Entgegen der Auffassung der Nichtigkeitswerberin beruht die erstgerichtliche Annahme mehrfacher Tatbestandsverwirklichung nämlich nicht auf einer getrennten Betrachtung von jeweils das Fünfzehnfache der Grenzmenge übersteigender Suchtgiftmengen, sondern auf der - unter einem erfolgten - Tatbegehung in Form des Besitzens und Beförderns von Suchtgift (vgl US 7, 14).

Dies allerdings zu Unrecht. Denn das Befördern von Suchtgift geht in aller Regel - wenn auch nicht ausnahmslos (vgl EBRV 301 BlgNR 23. GP 9: Beförderung von Suchtgift durch Transport eines Suchtgift bei sich tragenden Mitfahrers) - mit dem Besitz desselben einher. Angesichts der Gleichwertigkeit (auch) dieser beiden Formen verbotenen Umgangs mit Suchtgift (zu den Tatmodalitäten des Erwerbs und des Besitzes vgl RIS-Justiz RS0114037, insbesondere 13 Os 168/08t), liegt (auch) insofern ein alternatives Mischdelikt vor. Im Fall des Besitzes und des Beförderns ein- und derselben, das 15-Fache der Grenzmenge - sei es auch um ein Vielfaches - übersteigenden Suchtgiftmenge verwirklicht der Täter den Tatbestand des § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG daher nur einmal.

Da die Angeklagte fallbezogen aber durch die Annahme „der" (konkret: zweier) Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel keinen effektiven Nachteil erlitten hat, ist ein amtswegiges Aufgreifen der darin gelegenen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO nicht geboten (vgl 13 Os 64/07x). Eine - im Übrigen auch vom Berufungsgericht wahrnehmbare (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29) - Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO begründender Fehler bei der Strafbemessung liegt hier nicht vor, weil die strafverschärfende Berücksichtigung des „Zusammentreffens mehrerer Verbrechen" im Hinblick auf die Verwirklichung der Tatbestände der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 SMG und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG nach wie vor Berechtigung hat.

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E93333

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120OS00196.09D.0211.000

Im RIS seit

30.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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