TE OGH 2010/2/18 6Ob4/10x

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Veröffentlicht am 18.02.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. W***** K*****, wegen 13.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. September 2009, GZ 14 R 139/09b-16 , womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Mai 2009, GZ 13 Cg 61/08y-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.161,90 EUR (darin 193,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 2.070,28 EUR (darin 139,38 EUR USt und 1.234 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt aus dem Titel des Schadenersatzes 13.000 EUR. Sie sei vom Eigentümer einer Eigentumswohnung beauftragt gewesen, einen Käufer für dieses Objekt zu finden. Die Interessenten hätten sich mit dem Eigentümer der Wohnung geeinigt, die Wohnung um 450.000 EUR zu kaufen. In weiterer Folge habe der Beklagte dem Kaufinteressenten gegenüber wahrheitswidrige Behauptungen in Bezug auf angebliche von der Klägerin verschwiegene Umstände aufgestellt. Daraufhin sei der Vertragsabschluss nicht zustande gekommen. Durch intensive Bemühungen der klagenden Partei sei letztlich ein anderer Käufer für das Objekt gefunden worden, der anstelle der vereinbarten Provision von 18.000 EUR nur eine Pauschalprovision von 5.000 EUR bezahlt habe. Die Differenz stelle den Klagsbetrag dar.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Mag. M***** L***** war Eigentümer eines Liegenschaftsanteils, mit dem Wohnungseigentum verbunden war. Er beauftragte die klagende Partei, einen Käufer für dieses Objekt zu finden. Die Ehegatten S***** gaben ein schriftliches Kaufvertragsanbot über 445.000 EUR ab und erhöhten dieses Anbot letztlich auf 450.000 EUR. Auch der Verkäufer unterfertigte das Kaufanbot und beauftragte den beklagten Rechtsanwalt mit der Errichtung des Kaufvertrags. In dem vom Beklagten erstellten Kaufvertragsentwurf war unter anderem vorgesehen, dass der Verkäufer die Kosten eines gerichtlichen Räumungsvergleichs sowie die Kosten der Vertretung der Ehegatten S***** übernehmen sollte. Der Beklagte verlangte jedoch für den Antrag auf Abschluss eines prätorischen Räumungsvergleichs 1.885,03 EUR. Daraufhin antwortete Mag. M***** L*****, dass er das Angebot, den Räumungsvergleich durchzuführen, ablehne. Er habe bereits einen anderen Anwalt damit beauftragt. Später äußerte Dr. S***** gegenüber der klagenden Partei massive Vorwürfe, dass der Geschäftsführer der klagenden Partei ihm gegenüber wesentliche Umstände verschwiegen habe, insbesondere, dass die Liegenschaft einen enormen Sanierungsaufwand mit sich bringen würde. Der Lift und die Feuermauern seien sanierungsbedürftig und er werde mit Zahlungen konfrontiert werden. Dabei berief er sich auf angebliche Informationen des Hausverwalters Dr. H*****, die er vom Beklagten in Erfahrung gebracht habe. Tatsächlich hatte der Beklagte den Hausverwalter telefonisch kontaktiert und sich nach beabsichtigten Investitionen erkundigt. Der Hausverwalter teilte dem Beklagten weder mit, dass in naher Zukunft dringende Investitionen auf die Eigentümergemeinschaft zukommen würden, noch dass die Liegenschaft einen hohen Sanierungsaufwand habe.

Von diesem Telefonat informierte der Beklagte Dr. S***** wahrheitswidrig dahin, dass die Liegenschaft sanierungsbedürftig sei und in naher Zukunft mit dringenden, beträchtlichen Investitionen zu rechnen sei. Dies veranlasste Dr. S***** seinerseits, Mag. F***** mit dem inhaltlich unrichtigen Vorwurf zu konfrontieren, er hätte ihm maßgebliche Umstände verschwiegen. Auch der weitere Kaufinteressent Univ.-Prof. Dr. R***** wurde vom Beklagten kontaktiert und gleichfalls wahrheitswidrig auf angeblich bevorstehende beträchtliche Investitionen hingewiesen. Daraufhin war weder die Familie S***** noch Univ.-Prof. Dr. R***** zum Erwerb der Wohnung bereit. Der Beklagte war sich dessen bewusst, dass seine Behauptungen gegenüber den beiden Kaufinteressenten inhaltlich unrichtig waren und dass der Hausverwalter ihm gegenüber keinerlei dringenden Sanierungsaufwand angegeben hatte.

Letztlich veräußerte Mag. L***** das Objekt an Dr. S***** K*****, wobei lediglich eine Pauschalprovision in Höhe von 5.000 EUR vereinbart war.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass der Beklagte nach § 1330 ABGB der klagenden Partei die Differenz zwischen dem ursprünglich vereinbarten Provisionsanspruch und dem letztlich lukrierten Provisionsanspruch aus dem Titel des Schadenersatzes zu ersetzen habe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. § 1330 ABGB sei nicht anwendbar, weil in der bloßen - wenn auch unrichtigen - Mitteilung über die Sanierungsbedürftigkeit eines Hauses kein Bezug zur klagenden Immobilienmaklerin liege. Der Beklagte habe auch keinen Vertragsbruch durch die Ehegatten S***** erwirkt; vielmehr sei kein Vertrag zustande gekommen. Damit bestehe auch kein Provisionsanspruch.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht abweichend von der Entscheidung 4 Ob 75/92 für die Verbreitung rufschädigender Tatsachen einen Bezug auf den Betroffenen für erforderlich erachtet habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt.

1.1. In der Entscheidung 4 Ob 75/92 bejahte der Oberste Gerichtshof die Anwendbarkeit des § 1330 Abs 2 ABGB in einem Fall, in dem ein Sachverständiger in einem Privatgutachten ohne Bezug auf irgendeine Person das Gewicht und den Wert von Diamanten unrichtig feststellte, was dazu führte, dass der Käufer dem Verkäufer vorwarf, ihn beim Ankauf „gelegt“ zu haben. In der unrichtigen Aussage im Gutachten, dass das tatsächliche Gewicht der beiden Diamanten nur ca 0,40 Karat betragen habe, liege eine unrichtige Tatsachenbehauptung, welche auch abstrakt geeignet gewesen sei, „den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen“ der klagenden Partei zu gefährden, weil diese aufgrund der Punze als Herstellerin der Schmuckstücke erkennbar gewesen sei und die Angabe ein für ihre Schmuckstücke wertbestimmendes Element betroffen habe.

1.2. Diese Entscheidung wurde von Koziol in seiner Glosse (JBl 1993, 518) kritisiert. Für das Vorliegen einer kreditschädigenden Mitteilung werde zwar nicht eine namentliche Nennung des Betroffenen verlangt, wohl aber vorausgesetzt, dass sich die Behauptungen, so wie sie im Verkehr verstanden werden, erkennbar mit der Person des Betroffenen befassen oder doch in enger Beziehung zu seinen Verhältnissen, seinem Unternehmen oder seiner gewerblichen Leistung stehen müssen. Die nur das Gewicht und den Preis eines Schmuckstücks betreffenden Feststellungen eines Gutachters erfüllten diese Voraussetzungen wohl nicht. Die ohne Bezug auf irgendeine Person erfolgte Feststellung von Eigenschaften einer Sache und von deren Preis sei für sich allein überhaupt nicht geeignet, den Kredit eines anderen zu schädigen; der Gutachter müsse also nicht mit der Gefährdung einer Person rechnen. Erscheine ein Verhalten nicht oder nur in sehr geringem Maße für die geschützten Güter eines anderen gefährlich, so bestünden in aller Regel keine Sorgfaltspflichten, ein derartiges Verhalten zu unterlassen. Das Gutachten über Gewicht und Wert des Schmuckstücks habe dem wirtschaftlichen Ruf des Verkäufers nur dadurch gefährlich werden können, dass es mit der Behauptung des Käufers verbunden wurde, der Verkäufer habe die betreffenden Schmuckstücke zu teuer oder unter Vorspiegelung nicht vorhandener Eigenschaften veräußert. Die kreditschädigende Wirkung sei daher vom selbständigen Entschluss des Käufers, das Gutachten über den Schmuck als Grundlage für einen Vorwurf gegenüber dem Verkäufer zu verwenden, abhängig gewesen. Die kreditschädigende Behauptung stamme dann aber vom Gutachtensempfänger, also dem Käufer, und könne nicht als Mitteilung des Gutachters verstanden werden. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass der Gutachter nicht einmal wusste, dass es sich um eine kürzlich gekaufte Sache handle. Er habe daher nicht mit der Verknüpfung seiner Feststellungen mit dem kreditschädigenden Vorwurf an einen Verkäufer rechnen müssen.

Zu berücksichtigen sei auch, dass ein Privatgutachter ebenso wie ein Gerichtssachverständiger in Ausübung seines Berufs tätig werde, also ein sachliches Interesse an der Mitteilung habe. Es falle daher nicht der Umstand zu ihren Lasten ins Gewicht, dass sie die nachteiligen Äußerungen über andere unnötig machten. Dieses Argument werde allerdings nur in der Regel, keineswegs aber immer gelten.

1.3. Von dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende Fall in mehrfacher Hinsicht: Einerseits war der Beklagte nicht als Privatgutachter tätig, sondern mit der Errichtung eines Kaufvertrags beauftragt. Schwerer wiegt, dass der Beklagte nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht etwa selbständig zu einer - wenn auch unrichtigen - Einschätzung des Zustands des Kaufgegenstands gelangte, sondern die ihm vom Hausverwalter erteilten zutreffenden Informationen bewusst verfälschte und dadurch beim Kaufinteressenten Dr. S***** sowie bei einem weiteren Interessenten bewusst unzutreffende Vorstellungen über die auf sie zukommenden Sanierungskosten erweckte. Dabei war - anders als in dem der Entscheidung 4 Ob 75/92 zugrunde liegenden Fall - dem Beklagten auch bewusst, dass er seine Äußerungen während laufender Vertragsverhandlungen abgab und diese für die Willensbildung der Parteien von entscheidender Bedeutung waren.

Allerdings stellt die isolierte unrichtige Mitteilung über die Sanierungsbedürftigkeit der Liegenschaft noch keine Tatsache dar, die iSd § 1330 Abs 2 ABGB den Kredit oder das Fortkommen eines anderen zu schädigen geeignet wäre. Anderes gilt aber dann, wenn diese Äußerung im Zusammenhang mit laufenden Vertragsverhandlungen abgegeben wird. Dann impliziert eine derartige Äußerung zwangsläufig den Vorwurf, dass diese entscheidenden Tatsachen in den Vertragsverhandlungen verschwiegen wurden. Ob sich dieser Vorwurf nur gegen den Verkäufer selbst oder implizit auch gegen den nach der Lebenserfahrung vielfach eingeschalteten Makler richtet, ist hier nur von untergeordneter Bedeutung.

1.4. Gleichwohl bedarf es im vorliegenden Fall keines abschließenden Eingehens auf die Frage, ob in einem derartigen Fall ein ausreichender Personenbezug iSd § 1330 Abs 2 ABGB vorliegt:

2.1. Die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs ergibt sich nämlich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bereits aus § 1295 Abs 2 ABGB. Nach dieser Bestimmung ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise absichtlich Schaden zufügt, dafür verantwortlich. Der Beklagte hat bewusst unrichtige Informationen über den Zustand des Kaufobjekts verbreitet, um den Vertragsabschluss zu verhindern, und zwar ganz offensichtlich deshalb, weil er sich darüber ärgerte, dass er nicht mit der Durchführung des gerichtlichen Räumungsvergleichs beauftragt wurde. Dass ein derartiges Verhalten sittenwidrig ist, bedarf keiner näheren Ausführungen. Der Beklagte hat dadurch massiv den ihm obliegenden Pflichten als Vertragsverfasser zuwider gehandelt. Dabei legte er es gerade darauf an, durch Vereitelung des Vertragsabschlusses seinen Auftraggeber zu schädigen. Dass dem klagenden Immobilienmakler, dessen Beauftragung dem Beklagten bekannt war, durch Nichtzustandekommen des Kaufvertrags die sonst zustehende Provision entgehen würde, nahm der Beklagte dabei zumindest billigend in Kauf. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung reicht aber für einen Schadenersatzanspruch nach § 1295 Abs 2 ABGB bedingter Vorsatz aus (vgl SZ 65/76; Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1295 Rz 58).

2.2. Dieses Ergebnis erfährt durch Berücksichtigung der für den möglichen Ersatz reiner Vermögensschäden zu berücksichtigenden Grundsätze (dazu grundlegend Koziol, Schadenersatz für reine Vermögensschäden, JBl 2004, 273) eine Bestätigung: Demnach ist die Haftung für reine Vermögensschäden um so eher gerechtfertigt, je geringer die Gefahr einer unbegrenzten Zahl von Geschädigten ist. Im vorliegenden Fall kommen - wie die klagende Partei zutreffend hervorhebt - lediglich drei Personen, nämlich die Vertragsparteien und der Vermittler, in Betracht. Zudem ist nach Koziol (aaO) der Ersatz reiner Vermögensschäden um so eher gerechtfertigt, je intensiver das Naheverhältnis zwischen den Beteiligten ist. Im vorliegenden Fall war der Beklagte mit der Vertragserrichtung beauftragt; es handelte sich daher nicht um einen unbeteiligten Dritten. Für die Haftung des Beklagten spricht weiters, dass evident war, dass seine unrichtigen Mitteilungen in hohem Maße die Willensrichtung der Erklärungsempfänger beeinflussen würden. Darüber hinaus waren dem Beklagten die in Rede stehenden finanziellen Interessen der Beteiligten bekannt, zumindest aber offenkundig (zu diesem Kriterium Koziol aaO). Darauf, dass der Beklagte vorsätzlich handelte, wurde bereits hingewiesen. Damit besteht aber auch keinerlei schutzwürdiges Interesse an der Verbreitung derartiger Mitteilungen (vgl Koziol, JBl 1993, 518).

3.1. Daher war in Stattgebung der Revision das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

3.2. Aufgrund der Abänderung des Berufungsurteils war auch die Kostenentscheidung neu zu fassen. Diese gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E93496

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00004.10X.0218.000

Im RIS seit

05.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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