TE OGH 1992/7/7 4Ob75/92

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Veröffentlicht am 07.07.1992
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith, Dr.Egermann, Dr.Kodek und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Georg Pachernegg, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Anton B*****, vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wegen 25.000 S, Unterlassung und Widerruf (Gesamtstreitwert: 665.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 6.Februar 1992, GZ 6 R 177/91-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 10. April 1991, GZ 16 Cg 348/89-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte und seine Gattin sind als Kommanditisten der Anton B*****KG an deren Geschäftsführung durch ihren Sohn und Komplementär Wolfgang B***** nicht beteiligt. Der Beklagte ist seit 16.10.1980 allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger für das Fachgebiet "Handel mit Edelsteinen". Er hatte im Jahre 1967 eine Prüfung als Diamantenfachmann und im Jahre 1980 die Prüfung als Gemmologe mit der Befähigung zur technisch-praktischen Edelsteinbegutachtung abgelegt; nach dem 21.8.1989 ließ er sich in die Liste der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen auch für das Fachgebiet "Begutachtung von Juwelen und Pretiosen" eintragen.

Die klagende GmbH betreibt das Gewerbe des Juwelenhandels; Ing.Gert U***** hatte bei ihr (ua) ein Paar - mit der Punze der Klägerin versehene - Weißgoldohrschrauben mit je einem Diamanten zum Preis von insgesamt 60.000 S gekauft. Er suchte am 21.8.1989 das Geschäftslokal der Anton B*****-KG auf, um diese beiden Weißgoldohrschrauben schätzen zu lassen. Er wurde zu diesem Zweck an den im Geschäft anwesenden Beklagten verwiesen, welchem er in seiner Eigenschaft als allgemein beeideter gerichtlicher Sachverständiger den Auftrag erteilte, ein Gutachten über den Wiederbeschaffungswert der Schmuckstücke zu erstatten. Der Beklagte hatte - zumindest bis zum Zeitpunkt der späteren mündlichen Erörterung seines Gutachtens mit Ing.Gert U***** - keine Kenntnis davon, daß dieser die Schmuckstücke bei der Klägerin gekauft hatte; er hat auch keine Nachforschungen über die ihm unbekannte Punze der Klägerin betrieben.

Der Beklagte erstattete noch am selben Tag (21.8.1989) folgendes schriftliches Gutachten:

"1 Paar Weißgoldohrschrauben mit je einem Carre-Altschliff-Diamant von je ca. 0,40 ct. Ein Diamant weist am Rande der Tafel ein Nest von dunklen Einschlüssen sowie eine Kerbe an einer Oberteil-Facette auf. Der andere Stein hat ebenso etwas kleinere dunkle und helle Einschlüsse. Bei beiden Steinen sind die Facettenkanten leicht ausgesprungen, was darauf schließen läßt, daß die Steine aus einem alten Schmuckstück ausgebrochen wurden. Beide Steine sind in Größe und Schliff verschieden. Der Wiederbeschaffungswert der Ohrschrauben beträgt

30.000 (in Worten: dreißigtausend)."

Bei dieser Begutachtung hat der Beklagte nicht in der Absicht gehandelt, den Wettbewerb der Anton B*****-KG zu fördern. Er hatte auch die Diamanten nicht aus der Fassung genommen, sondern sie im verarbeiteten Zustand nach der Methode zur Umrechnung von Altschliffbrillanten in modernen Schliff geschätzt.

Gestützt auf dieses Gutachten des Beklagten, erhob Ing.Gert U***** gegenüber der Klägerin den Vorwurf, beim Ankauf der Schmuckstücke "gelegt" worden zu sein. Die Klägerin bestritt die Richtigkeit des Gutachtens des Beklagten und holte auf ihre Kosten auf der Grundlage von Graduierbefunden der Gemmologin Verena P***** ein Wertgutachten des Juweliers Hermann W***** über die beiden Edelsteine ein. Danach beträgt das Gewicht der Steine 0,912 ct. und 0,926 ct., ihr Wiederbeschaffungswert 50.900 S und 32.200 S.

Mit der Behauptung, daß der Beklagte bei seiner Gutachtenserstattung als Juwelier in Wettbewerbsabsicht, zumindest aber in der Absicht, den Wettbewerb der Anton B*****KG zu fördern, gehandelt und in Kenntnis der Herkunft der Schmuckstücke von der Klägerin ein objektiv unrichtiges Gutachten über den Wiederbeschaffungswert erstattet, darin aber jedenfalls das von der Klägerin gegenüber ihrem Käufer mit je knapp 1 Karat angegebene, tatsächlich 0,912 und 0,926 ct. betragende Gewicht der beiden Diamanten nur mit "je 0,40 ct." beziffert habe, begehrt die Klägerin - gestützt auf "sämtliche möglichen Rechtsgründe insbesondere der Wettbewerbsgesetze als auch der bürgerlichen Gesetze" - vom Beklagten den Ersatz ihres materiellen Schadens von 5.000 S sA (Ersatz der von Ing.Gert U***** aufgewendeten und ihm von der Klägerin erstellten Kosten des Gutachtens des Beklagten in der Höhe von 2.000 S zuzüglich der Kosten der Einholung des Gegengutachtens) sowie eines immateriellen Schadens von 20.000 S sA wegen besonders kränkender Rufschädigung; des weiteren, wolle der Beklagte schuldig erkannt werden, es zu unterlassen, ihm zur Begutachtung vorgelegte Schmuckstücke, insbesondere Schmuckstücke der Klägerin, "hinsichtlich des Gewichtes derart zu bewerten, als das tatsächliche Gewicht das im Gutachten ausgewiesene Gewicht überschreitet", sowie das Gutachten vom 21.8.1989 gegenüber Ing.Gert U***** zu widerrufen, "insbesondere dahingehend, als die Diamanten aus dem Paar Weißgoldohrschrauben tatsächlich ein Gewicht von ca. 0,9 ct. aufweisen, anstatt - wie im Gutachten vom 21.8.1989 angeführt - 0,4 ct.". Für den Fall der Abweisung des Unterlassungsbegehrens stellt die Klägerin schließlich noch das Eventualbegehren auf Feststellung, daß der Beklagte in seinem Gutachten vom 21.8.1989 das Gewicht der von ihm begutachteten Steine aus einem Paar Weißgoldohrschrauben "unrichtig mit je ca. 0,4 ct. angegeben" habe, während die begutachteten Steine "tatsächlich ein Gewicht von ca. 0,9 ct. aufgewiesen hätten". Die Klägerin wende sich damit nicht primär gegen die objektiv unrichtige Wertangabe des Gutachtens, sondern gegen die darin enthaltene unrichige, kredit- und rufschädigende Tatsachenbehauptung über das Gewicht der beiden Diamanten.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe das Gutachten nur in seiner Eigenschaft als Sachverständiger, nicht aber in Wettbewerbsabsicht oder in der Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, erstattet. Die Herkunft des Schmuckstücks von der Klägerin sei ihm dabei ebenso unbekannt gewesen wie die Angaben der Klägerin gegenüber ihrem Käufer über das Gewicht der Diamanten. Gegenstand seines Gutachtensauftrages sei nicht die Bestimmung des Gewichtes der beiden Diamanten gewesen, sondern die Bestimmung des Wiederbeschaffungswertes der Schmuckstücke; dieser sei allerdings - wegen der zu vernachlässigenden Geringfügigkeit des Gold- und Arbeitsanteils - praktisch ausschließlich von der Bewertung der beiden Edelsteine abhängig gewesen. Die Angabe des Gewichtes der beiden Diamanten in Altschliff mit "je ca. 0,4 ct."

sei richtig, weil ihr die Umrechnung der Steine auf das Gewicht eines nach heutigen Maßstäben geschliffenen "Feinschliffbrillanten" zugrunde liege. Unter Anwendung dieses "Umrechnungsfaktors" verbleibe von dem tatsächlichen höheren Gewicht der Steine, welches durchaus auch im Bereich der Behauptungen der Klägerin liegen könne, letztlich nur ein wesentlich geringeres, der Beurteilung unterliegendes Gewicht. Bei - wie hier - auf alte Art vierkantig (in "Carre-Form") geschliffenen Diamanten komme ein besonders hoher Umrechnungsfaktor zur Anwendung. Im übrigen könne der Beklagte nicht zum Widerruf seines gesamten Gutachtens, sondern nur zum Widerruf einer bestimmten Tatsachenbehauptung verhalten werden. Das Begehren auf immateriellen Schadenersatz lasse jeden besonderen Rechtfertigungsgrund vermissen. Das Eventualfeststellungsbegehren habe nicht die Feststellung eines Rechtes oder eines Rechtsverhältnisses, sondern einer Tatsache zum Gegenstand.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das Eventualbegehren der Klägerin zur Gänze ab. Da der Beklagte sein Gutachten nicht in Wettbewerbsabsicht erstattet habe, scheide das UWG als Anspruchsgrundlage aus. Ansprüche nach §§ 1299, 1300 ABGB seien schon deshalb ausgeschlossen, weil dem Beklagten nicht erkennbar gewesen sei, daß sein Auftraggeber auch die Interessen der Klägerin als außenstehender Dritter mitverfolgt habe. Im übrigen weise das Gutachten des Beklagten auch keinerlei Bezug zur wirtschaftlichen Wertschätzung der Klägerin auf, so daß auch § 1330 ABGB gleichermaßen nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht komme. Das gelte auch für den verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruch, zumal kein absolutes Recht der Klägerin verletzt worden sei. Mit ihrem Eventualfeststellungsbegehren strebe die Klägerin die (unzulässige) Feststellung von Tatsachen an.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes (insgesamt) 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ob der Beklagte sein Gutachten in Wettbewerbsabsicht erstattet habe, sei nach ständiger Rechtsprechung eine Tat- und keine Rechtsfrage; da sie auf Grund der übernommenen Feststellungen in negativer Hinsicht geklärt sei, scheide ein Anspruch der Klägerin nach § 1 UWG aus. Im übrigen seien Sachverständigengutachten - auch soweit sie die Feststellung von Tatsachen bezwecken - Werturteile, selbst wenn sie kreditschädigende Behauptungen enthielten. Der Beklagte habe sein Gutachten, welches keinerlei Bezug zur Klägerin aufweise, nur gegenüber dem Besteller erstattet. Die Unrichtigkeit seiner Bewertungsmethode sei nicht erwiesen. Dem Beklagten könne daher auch nicht im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB angelastet werden, daß er die allfällige Unrichtigkeit seines Gutachtens kannte oder hätte kennen müssen. Aus §§ 1299, 1300 ABGB stünden nur dem Vertragspartner, nicht aber auch Dritten Ansprüche gegen den Sachverständigen zu.

Gegen die bestätigende Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dem Klagebegehren im vollen Umfang stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Das Erstgericht hat die vom Beklagten noch vor ihrer Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstattete Revisionsbeantwortung zurückgewiesen; dieser Beschluß ist in Rechtskraft erwachsen. Damit hat aber der Beklagte sein Recht auf Rechtsmittelbeantwortung bereits verbraucht.

Die Revision ist schon deshalb zulässig, weil zur Frage der Rechtsfolgen (unwahrer) kreditschädigender Tatsachenbehauptungen in einem Privatgutachten eines allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Klägerin stützt ihr Begehren auf Unterlassung, Widerruf und Schadenersatz darauf, daß der Beklagte in dem im Auftrag ihres Kunden Ing.Gert U***** erstatteten schriftlichen Gutachten vom 21.8.1989 über den Wiederbeschaffungswert der von ihr hergestellten Weißgoldohrschrauben das Gewicht der beiden darin gefaßten Diamanten anstatt mit 0,912 ct. und 0,926 ct. unrichtig mit "je ca. 0,40 ct." angegeben habe. Diese unrichtige Tatsachenbehauptung in dem - auch in seinem Ergebnis objektiv unrichtigen - Gutachten des Beklagten sei geeignet gewesen, den Kredit und den Ruf der Klägerin zu schädigen. Als wettbewerbsrechtlicher Anspruchsgrund kommt daher nur § 7 UWG in Frage, als Anspruchsgrund nach bürgerlichem Recht nur § 1330 Abs 2 ABGB und - für das Begehren auf

Schadenersatz - allenfalls noch § 1300 ABGB.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Klägerin auch noch in dritter Instanz in Anspruch genommene wettbewerbsrechtliche Schutz versagt aber schon deshalb, weil der Tatbestand des § 7 Abs 1 UWG ein Handeln "zu Zwecken des Wettbewerbs" vorausetzt, also in subjektiver Hinsicht die Absicht des Beklagten erfordert hätte, mit dem von ihm erstatteten Gutachten eigenen oder doch fremden Wettbewerb zu fördern. Hiezu hat jedoch das Berufungsgericht die Feststellung des Erstgerichtes über die bei der Erstattung des Gutachtens fehlende Wettbewerbsabsicht des Beklagten übernommen, so daß diese Tatfrage (Korn-Neumayer, Persönlichkeitsschutz im Zivil- und Wettbewerbsrecht 81 mwH) - für den Obersten Gerichtshof bindend - in negativer Hinsicht geklärt ist (zuletzt etwa ÖBl 1991, 15 und 87; 4 Ob 134/91; 4 Ob 18/92). Da nur bei einer Verletzung des § 7 Abs 1 UWG auch ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens zusteht (Korn-Neumayer aaO 74 und 85), ist damit dem Schadenersatzbegehren der Klägerin im Umfang von 20.000 S sA bereits abschließend der Boden entzogen.

Da ein Sachverständigengutachten eine Rats- oder Auskunftserteilung im Sinne des § 1300 ABGB ist, hat der Sachverständige seinem Auftraggeber für die Richtigkeit des Gutachtens nach dem strengen Haftungsmaßstab des § 1299 ABGB einzustehen (§ 1300 Satz 1 ABGB). Aus dieser Bestimmung können jedoch nur Ansprüche des Auftraggebers auf Ersatz des ihm durch ein falsches Gutachten entstandenen Schadens abgeleitet werden, nicht aber solche auf Unterlassung oder gar auf Widerruf des Gutachtens. Anders als der gerichtlich bestellte Sachverständige, der auch den Prozeßparteien für die Schädigung durch ein falsches Gutachten haftet (SZ 11/225; SZ 16/143; SZ 50/98; RZ 1978/130), hat demnach ein anderer Sachverständiger gegenüber dritten, außerhalb der schuldrechtlichen Sonderbeziehung zu seinem Auftraggeber stehenden Personen für die Richtigkeit seines Gutachtens nur dann einzustehen, wenn der Besteller des Gutachtens für ihn erkennbar gerade (auch) die Interessen dieses Dritten mitverfolgt hat; in einem solchen Fall liegt ein Vertrag zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vor (Koziol, Haftpflichtrecht2 II 190; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 9 zu § 1300; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 5 zu § 1300; JBl 1981, 319; SZ 57/122; RdW 1985, 306; BankArch 1989, 89 mwH; Der SV 1991/2, 22). Daß aber Ing.Gert U***** bei der Bestellung des Gutachtens ausschließlich eigene und nicht etwa die ihnen gerade entgegenstehenden Interessen der Klägerin verfolgen wollte, liegt auf der Hand. Gegenteiliges war für den Beklagten auch nicht erkennbar, ist ihm doch der Zweck der Gutachtenserstattung überhaupt erst frühestens bei der mündlichen Erörterung des Gutachtens bekannt geworden.

Die Vorinstanzen haben demnach zutreffend erkannt, daß auch § 1300 Satz 1 ABGB als Anspruchsgrundlage ausscheidet; § 1300 Satz 2 ABGB kommt aber als Anspruchsgrundlage schon deshalb nicht in Betracht, weil auch die Klägerin dem Beklagten kein wissentlich falsches Gutachten zum Vorwurf gemacht hat.

Damit verbleibt aber nur noch die Prüfung der Frage, ob das restliche Schadenersatzbegehren der Klägerin ebenso wie ihr Begehren auf Unterlassung und Widerruf mit Erfolg auf § 1330 Abs 2 ABGB gestützt werden können:

Diese Bestimmung greift Platz, wenn jemand Tatsachen verbreitet, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen gefährden; sie soll den wirtschaftlichen Ruf einer Person als absolutes Recht (SZ 56/124) schützen (SZ 60/255). Dem Verletzten steht daher zur Wahrung seines wirtschaftlichen Rufes bei Vorliegen einer Widerholungsgefahr auch ohne die besonderen Voraussetzungen des § 1330 Abs 2 ABGB für den Widerruf und dessen Veröffentlichung ein - verschuldensunabhängiger (Korn-Neumayer aaO 73 mwN) - Unterlassungsanspruch zu (SZ 56/124; SZ 61/193; MR 1988, 159; MR 1989, 15; MR 1991, 235 ua). "Tatsachen" im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sind - im Gegensatz zu objektiv nicht überprüfbaren Werturteilen, welche erst auf Grund einer Denktätigkeit gewonnen werden und eine rein subjektive Meinung des Erklärenden wiedergeben, - Umstände, die ihrer allgemeinen Natur nach objektiv überprüfbar sind (Korn-Neumayer aaO 26 ff; SZ 60/255; ÖBl 1990, 256 ua). Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, den die beanstandeten Äußerungen hinterlassen; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder -hörers, nicht aber der subjektive Wille des Äußernden ist maßgeblich (Korn-Neumayer aaO 27 und 39; EvBl 1992/65 mwH).

Im vorliegenden Fall ist Gegenstand der Klage nicht die - von der Klägerin freilich auch als "objektiv unrichtig"

bezeichnete - gutachtliche Aussage des Beklagten über den Wiederverkaufswert der beiden Weißgoldohrschrauben, sondern dessen im Befund des Gutachtens enthaltene Angabe über das Gewicht der beiden in den Schmuckstücken gefaßten Diamanten. Ob die vom Berufungsgericht auf Lehre und Rechtsprechung zu § 824 dBGB (Hefermehl, Wettbewerbsrecht16, 222 Rz 317 EinlUWG und 1149 Rz 9a vor §§ 14, 15 dUWG; BGH in GRUR 1978, 258) gestützte und von der Entscheidung SZ 56/75 übernommene Auffassung, daß ein Gutachten als solches stets ein Werturteil und keine Tatsachenbehauptung sei, in dieser allgemeinen Form aufrecht erhalten werden könnte, braucht daher diesmal nicht näher geprüft zu werden. Angaben im Befund eines Sachverständigengutachtens können jedenfalls Tatsachenbehauptungen im Sinne des § 1330 Abs 2 ABGB sein (SZ 56/74). Zwar mag im allgemeinen bei Schmuckstücken mit Steinbesatz nur eine ungenaue Qualitäts- und Gewichtsbestimmung der Steine möglich sein (Mican, Sachverständigen-Gutachten in der Schmuckbranche, Der SV 1990/4, 2 ff (3)), weil die Steine zur exakten Untersuchung vorübergehend aus der Fassung genommen werden müßten, wofür allerdings das Einverständnis des Auftraggebers einzuholen wäre (Mican, Die Nachvollziehbarkeit von Pretiosengutachten, Der SV 1991/4, 8); das Karatgewicht von Diamanten kann aber mit sehr genauen Waagen ermittelt werden (Mican, Probleme bei der Diamantgraduierung, Der SV 1990/1, 6). Es ist auch allgemein bekannt, daß das in Karat ausgedrückte Gewicht eines Diamanten ein bedeutsames - wenngleich nicht das einzige - Kriterium für die Qualitätsbewertung ist (Brockhaus-Enzyklopädie19, Bd 5, 449; Mican in Der SV 1991/4, 8). Wenn daher - wie hier - im Befund eines Gutachtens über den Wiederbeschaffungswert zweier Weißgoldohrschrauben mit Diamantenbesatz das Gewicht der beiden Steine mit "je ca. 0,40 ct."

angegeben wird, so liegt darin nicht nur für den Auftraggeber, sondern auch für jeden anderen Leser des Gutachtens eine Bestimmung des Gewichtes der Edelsteine. Daß es sich hier nicht um das tatsächliche Gewicht der Diamanten handelte, sondern jenes künftige Gewicht gemeint ("geschätzt") war, das die Steine erst nach einem - mit erheblichem Materialverlust verbundenen (s Brockhaus-Enzyklopädie19 aaO 450) - Umschliff haben würden, hat im Gutachten des Beklagten nicht den geringsten Niederschlag gefunden. Da er aber zugestanden hat, daß das tatsächliche Gewicht der beiden Diamanten jedenfalls mehr als "je ca. 0,40 ct." betragen hat, liegt eine unrichtige Tatsachenbehauptung vor, welche auch abstrakt geeignet war, "den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen" der Klägerin zu gefährden, weil sie auf Grund der Punze als Herstellerin der Schmuckstücke erkennbar war und die Angabe ein für ihre Schmuckstücke wertbestimmendes Element betroffen hatte.

Auf den in § 1330 Abs 2 ABGB vorgesehenen Rechtfertigungsgrund hat sich der Beklagte nicht berufen; davon abgesehen, liegen dessen Voraussetzungen auch nicht vor: Der Empfänger der Mitteilung (der Auftraggeber des Privatgutachters) wird zwar regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran haben; ein Privatgutachten kann aber ohne besondere Abrede über die Vertraulichkeit jedenfalls schon deshalb keine "nicht öffentlich vorgebrachte Mitteilung" sein, weil der Sachverständige stets damit rechnen muß, daß der Auftraggeber dieses Gutachten Dritten gegenüber (hier zB gegenüber potentiellen Käufern der Schmuckstücke, Versicherungen, aber auch gegenüber der Verkäuferin) verwenden wird.

Damit ist jedoch für die Klägerin noch nichts gewonnen, weil aus der Beeinträchtigung eines absoluten Rechtes allein noch nicht zwingend auf die Rechtswidrigkeit einer Handlung geschlossen werden kann, mag auch in der Handlung selbst ein gewisses Indiz für das Vorliegen ihrer Rechtswidrigkeit liegen. Die Rechtswidrigkeit kann vielmehr immer nur auf Grund einer umfassenden Interessenabwägung beurteilt werden; dem Interesse an dem gefährdeten Gut müssen stets auch die Interessen des Handelnden und jene der Allgemeinheit gegenübergestellt werden (Korn-Neumayer aaO 59 ff; ÖBl 1991, 161 mwN). Hier erweist sich aber die Berufung auf die Entscheidung SZ 56/74 im Ergebnis als zutreffend, war doch deren tragende Begründung gewesen, daß das Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege die Ausnehmung der Tätigkeit eines (gerichtlich bestellten) Sachverständigen von jenen Bestimmungen (hier: § 1330 Abs 2 ABGB) gebiete, die allenfalls einen Unterlassungs- oder Widerrufsanspruch begründen könnten. Das muß auch für einen Privatgutachter gelten (BGH GRUR 1978, 258), nimmt doch ein solcher regelmäßig auf Grund seiner besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten zu Fragen Stellung, zu deren Beantwortung der Auftraggeber infolge mangelhafter oder ganz fehlener Sachkunde nicht imstande ist. Sachverständige Untersuchung und Wertung von Sachverhalten verschiedenster Art ist ein unverzichtbares Element der Meinungsbildung. Auch Privatgutachten dienen in der Regel zur Wahrung der Rechts- und/oder der Vermögensposition ihres Auftraggebers; sie werden zum Schutz von - im Verhältnis zu den Interessen vom Inhalt des Gutachtens betroffener

Dritter - zumindest gleich starken Rechten des Auftraggebers erstattet. Auch die Erstattung eines Privatgutachtens wäre demnach nur dann nicht gerechtfertigt, wenn der Sachverständige wissentlich ein falsches Gutachten abgegeben hätte, also wider besseres Wissen von einem falschen Befund ausgegangen wäre oder aus einem richtigen Befund falsche Schlüsse gezogen hätte (vgl SZ 63/110). Derartiges hat aber die Klägerin dem Beklagten in erster Instanz weder vorgeworfen, noch kann es den Feststellungen der Vorinstanzen entnommen werden.

Mangels Rechtswidrigkeit des Verhaltens des Beklagten scheidet demnach auch § 1330 Abs 2 ABGB als Anspruchsgrundlage aus, so daß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 40, 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E29479

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1992:0040OB00075.92.0707.000

Dokumentnummer

JJT_19920707_OGH0002_0040OB00075_9200000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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