TE OGH 2010/2/24 1Nc3/10x

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Veröffentlicht am 24.02.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz zu AZ 16 Cg 147/09m anhängigen Rechtssache der klagenden Partei Mag. Eva R*****, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 5.000 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Delegation (§ 31 JN) an ein außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels Graz gelegenes Gericht wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei ist Ersteherin einer Liegenschaft. In ihrer beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Amtshaftungsklage bringt sie vor, im Versteigerungsverfahren hätte das Bezirksgericht Graz Ost schon vor Rechtskraft des Zuschlags - somit widerrechtlich - die Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Graz angewiesen, ein Sparbuch, auf dem das Vadium erlegt war, zur Gänze zu realisieren und fruchtbringend anzulegen. Der Beschluss sei erlassen worden, obwohl bekannt gewesen sei, dass die klagende Partei beabsichtigte, nach Rechtskraft des Zuschlags das Meistbot ohne Inanspruchnahme des Vadiums zu erlegen. Darüber hinaus sei das Verfahren verschleppt worden, weil trotz Erhebung eines Rechtsmittels kein Zweitakt angelegt und damit die Rückerstattung der Überzahlung verzögert worden sei. Auch dem Rekursgericht, das den Rekurs als unzulässig zurückgewiesen habe, sei ein Schadenersatz begründendes Fehlverhalten vorzuwerfen, weil es bei Einlangen des Rekurses einen Zweitakt anlegen hätte müssen, um weitere Verzögerungen zu verhindern. Aus dem „schuldhaften Verhalten des Bezirksgerichts Graz Ost sowie des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz" sei ein Schaden von mindestens 5.000 EUR entstanden.

„Aus Gründen der Zweckmäßigkeit" beantragte die klagende Partei, die Rechtssache in den „Oberlandesgerichtssprengel Salzburg" zu delegieren, da der Hauptwohnsitz der klagenden Partei in Salzburg gelegen sei und damit außerdem „Zweifel am Anschein der Unbefangenheit hintangehalten" würden, die bei den in dieser causa tätigen Gerichten des Oberlandesgerichtssprengels Graz nicht ausgeschlossen werden könnten.

Die beklagte Partei äußerte sich in ihrer Klagebeantwortung zum Delegierungsantrag nicht.

Der mit der Amtshaftungsklage befasste Richter legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei vom Oberlandesgericht, in dessen Sprengel das zuständige Gericht gelegen ist, an Stelle desselben ein anderes im Sprengel dieses Oberlandesgerichts gelegenes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN). Die Delegation soll zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zu einer Erleichterung der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen (Ballon in Fasching/Konecny2 § 31 JN Rz 7 mwN). Sie soll nach ständiger Rechtsprechung ein Ausnahmefall sein, weil eine allzu großzügige Anwendung des § 31 JN zu einer unvertretbaren Lockerung der Zuständigkeitsordnung führen würde (RIS-Justiz RS0046441). Dass - wie im vorliegenden Fall - der Wohnsitz einer Partei außerhalb des Gerichtssprengels gelegen ist, ist für die Annahme der erforderlichen Zweckmäßigkeit nach bisheriger Rechtsprechung (allein) jedenfalls nicht ausreichend (3 Nd 3/99).

Da die klagende Partei für die von ihr gewünschte Delegation keine stichhaltigen Zweckmäßigkeitsgründe anführt, erweist sich ihr Antrag als nicht berechtigt. Eine Aufklärung iSd § 31 Abs 3 JN ist beim gegebenen Sachverhalt entbehrlich, sodass von einer Rückstellung der Akten zwecks Abgabe entsprechender Äußerungen Abstand zu nehmen ist.

Sollte das Klagsvorbringen weiters als Anregung einer notwendigen Delegation nach § 9 Abs 4 AHG zu verstehen sein, ist der Oberste Gerichtshof nicht zuständig. Wird ein auf die Bestimmungen des AHG gestützter Ersatzanspruch unter anderem aus einem Verhalten richterlicher Organe eines unmittelbar oder im Instanzenzug zuständigen Oberlandesgerichts abgeleitet, so ist vom Obersten Gerichtshof ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen. Zweck dieser Norm ist, alle betroffenen Gerichte, aus deren Verhalten ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet wird, von der Entscheidung über den Anspruch auszuschließen, damit nicht Richter eines Gerichtshofs über das Verhalten anderer Richter desselben Gerichtshofs abzusprechen haben (1 Ob 356/97b uva; Schragel, AHG3 Rz 255).

Im vorliegenden Fall wird der Ersatzanspruch aber nicht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz abgeleitet. Die Amtshaftungsklage wird vielmehr auf angebliches Fehlverhalten von Richtern des Bezirksgerichts Graz Ost bzw des übergeordneten Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz (als Rekursgericht) gestützt. Daraus folgt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Delegation der Rechtssache an ein Landesgericht außerhalb des Sprengels des Oberlandesgerichts Graz durch den Obersten Gerichtshof schon nach den als Klagegrund behaupteten Tatsachen nicht vorliegen.

Für eine allfällige Delegierung nach § 9 Abs 4 AHG wäre das Oberlandesgericht Graz zuständig.

Textnummer

E93256

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010NC00003.10X.0224.000

Im RIS seit

27.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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