TE OGH 2010/3/2 10Ob81/09y

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Veröffentlicht am 02.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Norbert S*****, geboren am 13. April 1997, *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 12, 13, 23, Rößlergasse 15, 1230 Wien), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 6. Oktober 2009, GZ 48 R 266/09m-U28, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 16. Juli 2009, GZ 3 P 50/09f-U18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts zu lauten hat:

„1. Dem Kind wird vom 1. 7. 2009 bis 30. 6. 2012 gemäß § 4 Z 5 UVG ein monatlicher Unterhaltsvorschuss in der Höhe von 130,90 EUR gewährt.

2. Der Präsident des Oberlandesgerichts Wien wird um die Auszahlung der Vorschüsse an die Zahlungsempfängerin ersucht.

3. Dem Unterhaltsschuldner wird aufgetragen, die Pauschalgebühr in Höhe von 65,45 EUR innerhalb von 14 Tagen zu bezahlen.

4. Dem Unterhaltsschuldner wird weiters aufgetragen, alle Unterhaltsbeträge - sonst hätten sie keine schuldbefreiende Wirkung - an das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (als gesetzlichen Vertreter des Kindes) zu zahlen.

5. Der Jugendwohlfahrtsträger wird ersucht, die bevorschussten Unterhaltsbeträge einzutreiben und, soweit eingebracht, monatlich dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien zu überweisen.

6. Das Mehrbegehren des Kindes auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in einer weiteren Höhe von monatlich 10,91 EUR für den Zeitraum vom 1. 7. 2009 bis 30. 6. 2012 wird abgewiesen."

Text

Begründung:

Der am 13. 4. 1997 geborene Norbert S***** ist der Sohn von Mariusz S***** und Aurelia O*****. Die Obsorge steht der Tante Anna K***** zu. Über Antrag des Kindes erließ das Bezirksgericht Hietzing am 3. 6. 2009 eine einstweilige Verfügung gemäß § 382a EO, mit der der Vater ab 28. 4. 2009 zur Leistung vorläufiger Unterhaltsbeiträge von 141,81 EUR monatlich verpflichtet wurde (ON U11). Die einstweilige Verfügung wurde dem Vater am 9. 6. 2009 zugestellt und ist rechtskräftig geworden.

Entsprechend dem am 16. 7. 2009 gestellten Antrag des Kindes (ON U17) bewilligte das Erstgericht Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 5 UVG in Höhe von 141,81 EUR monatlich für den Zeitraum vom 1. 7. 2009 bis 30. 6. 2012.

Das Rekursgericht gab dem nur gegen die (über 130,90 EUR hinausgehende) Höhe des gewährten monatlichen Unterhaltsvorschusses gerichteten Rekurs des Bundes nicht Folge. Der dem Familienlastenausgleichsgesetz (FamLAG) an sich fremde Begriff des Grundbetrags der Familienbeihilfe werde in der Rechtsprechung als der Betrag verstanden, der einer Person an Familienbeihilfe für ein Kind zustehe und der sich nach dem Alter des Kindes richte; die Geschwister- oder Mehrkinderstaffel nach § 8 Abs 3 FamLAG sei ebenso wenig einzubeziehen wie die Zuschläge nach § 9 FamLAG. Mit der Änderung des FamLAG im Bundesgesetz BGBl I 2008/131 sei eine 13. Familienbeihilfe durch Verdopplung der für September zustehenden Familienbeihilfe (§ 8 Abs 8 FamLAG) eingeführt worden. Weiters werde mit 1. 1. 2010 eine Änderung des § 382a Abs 2 EO wirksam, wonach vorläufiger Unterhalt gemäß § 382a Abs 1 EO höchstens bis zum jeweiligen altersabhängig bestimmten Betrag der Familienbeihilfe nach dem FamLAG bewilligt werden könne.

Weder aus der alten noch aus der neuen Bestimmung des § 382a Abs 2 EO ergebe sich explizit, ob die 13. Familienbeihilfe zum vorläufigen Unterhalt hinzugerechnet werden solle oder nicht. In der Literatur werde die Einbeziehung abgelehnt. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage von unselbständig Erwerbstätigen die 13. und 14. Monatsbezüge anteilig einzurechnen seien. Auch Schul- und Ausbildungskosten, die nunmehr durch die 13. Familienbeihilfe abgedeckt werden sollten, würden unter den Unterhaltsbegriff fallen. Daraus und aus der Definition des „Grundbetrags" ergebe sich schlüssig, dass die 13. Familienbeihilfe in den vorläufigen Unterhaltsbetrag einzubeziehen sei. Die Intention des Gesetzgebers hinter der Gewährung einer 13. Familienbeihilfe, Familien mit Kindern zu entlasten, müsse auch Niederschlag in der Höhe des vorläufigen Unterhalts finden. Nur die rein wörtliche, allerdings bereits aufgeweichte Interpretation des Begriffs „Grundbetrag" spreche gegen die Einbeziehung der 13. Familienbeihilfe in den vorläufigen Unterhaltsbetrag.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei der Ermittlung der Höhe des vorläufigen Unterhalts die 13. Familienbeihilfe einzurechnen sei.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes (ON U30) mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Gewährung von Unterhaltsvorschüssen gemäß § 4 Z 5 UVG in monatlicher Höhe von 130,90 EUR.

Das Kind beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die im Schrifttum geäußerte Kritik an der Entscheidung 1 Ob 216/09k zulässig; er ist auch berechtigt.

Im Revisionsrekurs macht der Bund geltend, dass der Begriff des „Grundbetrags" der Familienbeihilfe - entsprechend der bisherigen Judikatur - wörtlich auszulegen sei; durch die 13-malige Auszahlung der Familienbeihilfe werde der „Grundbetrag" nicht erhöht.

Diese Ausführungen sind berechtigt.

1. Vorschüsse nach § 4 Z 5 UVG (in der gemäß § 37 Abs 3 UVG hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75) sind zu gewähren, wenn der Unterhaltsschuldner den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO nicht rechtzeitig voll erbringt. Vorläufiger Unterhalt gemäß § 382a Abs 1 EO kann gemäß § 382a Abs 2 EO (in der gemäß § 414 EO hier noch anzuwendenden Fassung vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009) „höchstens bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden".

2. Die Höhe des Vorschusses nach § 4 Z 5 UVG wird durch die einstweilige Verfügung nach § 382a EO determiniert. Durch die Bezugnahme auf § 382a EO in § 4 Z 5 UVG wird aber auch klargestellt, dass jedenfalls keine über dem „Grundbetrag der Familienbeihilfe" liegenden Vorschüsse ausbezahlt werden können. Um die höhenmäßige Beschränkung effektiv werden zu lassen, ist sie im Vorschussverfahren von Amts wegen zu beachten, wenn die einstweilige Verfügung unrichtigerweise auf einen höheren Betrag lautet (Neumayr in Schwimann, ABGB3 I § 4 UVG Rz 103 mwN).

3. Jedenfalls bis zum Inkrafttreten der Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl I 2008/131, hat die Rechtsprechung § 382a Abs 2 EO so gesehen, dass unter dem „Grundbetrag" der Familienbeihilfe jener Betrag zu verstehen ist, der einer Person an Familienbeihilfe für ein Kind zusteht und der sich gemäß § 8 Abs 1 und 2 FLAG nach dem Alter des Kindes richtet (RIS-Justiz RS0006134). Die mit dem Budgetbegleitgesetz 1998, BGBl I 1998/79, mit Wirkung ab 1. 1. 2000 eingeführte Geschwisterstaffelung nach § 8 Abs 3 FLAG (Mehrkindzuschlag) berührte dagegen die Höhe des vorläufigen Unterhalts nicht (10 Ob 28/04x = SZ 2004/90; 7 Ob 178/07p; jeweils unter Ablehnung der gegenteiligen Entscheidung 7 Ob 200/02s = JBl 2003, 324 [krit Holzner]).

Dazu ist anzumerken, dass das Zusammenspiel zwischen Altersstaffelung und Geschwisterstaffelung in § 8 Abs 1 - 3 FLAG ab der Änderung des FLAG mit dem Bundesgesetz BGBl I 2001/68 so geregelt war, dass sich nach § 8 Abs 3 FLAG der „Gesamtbetrag der Familienbeihilfe" um einen bestimmten Betrag erhöht, wenn für zwei oder mehr Kinder Familienbeihilfe bezogen wird. In den Gesetzesmaterialien (RV 594 BlgNR 21. GP 4 f) wird der neu eingeführte Begriff des „Gesamtbetrags der Familienbeihilfe" zwar nicht eindeutig definiert; es ist aber erkennbar, dass der vom Alter mehrerer Kinder einer Familie abhängige Betrag an Familienbeihilfe („Gesamtbetrag") nochmals um einen Mehrkindzuschlag erhöht wird, sodass sich ein neuer „Gesamtbetrag" ergibt.

Der Begriff des „Gesamtbetrags" nimmt demnach auf die gesamtfamiliäre Situation Bezug. Daraus kann geschlossen werden, dass es jedenfalls nicht zu einer impliziten Änderung des „Grundbetrags" der Familienbeihilfe in § 382a EO gekommen ist.

4. Am 12. 9. 2008 haben mehrere Abgeordnete des Nationalrats einen Initiativantrag zur Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes eingebracht (IA 900/A 23. GP 1 f), der vom Nationalrat am 25. 9. 2008 einstimmig beschlossen wurde. Mit dem Gesetz (BGBl I 2008/131) wurde dem § 8 FLAG ein Abs 8 angefügt, wonach der „Gesamtbetrag an Familienbeihilfe für September ... verdoppelt" wird. Das Gesetz war erstmals in Bezug auf September 2008 anzuwenden.

Der Initiativantrag wurde folgendermaßen begründet: „Familien mit Kindern sind von der herrschenden Inflation und der dadurch bedingten allgemeinen Teuerung besonders betroffen. Diese verstärkte Belastung erhöht sich für Kinder ab dem Schuleintritt gerade im Monat September, in dem üblicherweise das Schul- bzw. Ausbildungsjahr beginnt, betrifft allerdings auch Kinder unter 6 Jahren, bei denen z. B. Kosten für die Betreuung anfallen. Es soll daher die Familienbeihilfe, die einen Beitrag des Staates für noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder darstellt, im Monat September zur gezielten Unterstützung bei den anfallenden Mehrausgaben ein dreizehntes Mal ausgezahlt werden. Die Verdoppelung der Familienbeihilfe für September soll für alle Kinder ausbezahlt werden, wobei die Erhöhung der Geschwisterstaffel alle Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird, umfasst."

Eine mögliche Anpassung des § 382a EO wird nicht erwähnt.

5. Schwimann/Kolmasch (Unterhaltsrecht4 [2009] 70) gehen davon aus, dass die 13. Familienbeihilfe bei der Höhe des vorläufigen Unterhalts nicht zu berücksichtigen ist: Zum einen steht der vorläufige Unterhalt nur zwölfmal jährlich zu, zum anderen kann eine aliquote Erhöhung keinesfalls vom Begriff „Grundbetrag" umfasst sein.

Demgegenüber hat Neuhauser (Die Höhe des vorläufigen Unterhalts nach Einführung der 13. Familienbeihilfe, iFamZ 2009, 81 [83]) aus der Begründung der Gesetzesinitiative (Teuerungsabgeltung, Inflationsanpassung, Kosten für die Betreuung, Schulkosten) geschlossen, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Erhöhung der Familienbeihilfe vorsehen wollte, aber den Auszahlungszeitpunkt der Erhöhung (durch eine Verdopplung der jeweils für September zustehenden Familienbeihilfe) in einer besonderen Form gewählt hat. Der Gedanke der Inflationsanpassung spricht seines Erachtens dafür, die neu geschaffene 13. Familienbeihilfe in den Begriff des „Grundbetrags der Familienbeihilfe" einzubeziehen und aliquot auf zwölfmal jährlich aufzuteilen, sodass sich - ausgehend von einer Erhöhung um 8,33 % - folgende monatlichen Maximalbeträge für den vorläufigen Unterhalt ergeben: bei einem Alter von 0 - 3 Jahren in Höhe von 114,18 EUR (statt 105,40 EUR), bei einem Alter von 3 - 10 Jahren in Höhe von 122,09 EUR (statt 112,70 EUR) und bei einem Alter ab 10 Jahren in Höhe von 141,81 EUR (statt 130,90 EUR).

6. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der Gesetzgeber mit dem am 1. 1. 2010 in Kraft getretenen, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbaren FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, in § 382a Abs 2 EO eine Klarstellung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung vorgenommen hat: Demnach kann vorläufiger Unterhalt nach § 382a Abs 1 EO „höchstens bis zum jeweiligen altersabhängig bestimmten Betrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden." Dazu wird in den Gesetzesmaterialien ausgeführt, dass „die weiteren in § 8 Abs 3 und 4 FLAG vorgesehenen Zuschläge im vorläufigen Unterhalt nicht enthalten sind" (IA 673/A 24. GP 37). Auch wenn die Gesetzesmaterialien nicht auf § 8 Abs 8 FLAG eingehen, ist aus dem Gesetzestext eindeutig zu entnehmen, dass für „Neufälle" (§ 414 EO) eine aliquote Einbeziehung der 13. Familienbeihilfe in den „Grundbetrag" der Familienbeihilfe nicht in Betracht kommt.

7. In seiner Entscheidung vom 17. 11. 2009, 1 Ob 16/09k, iFamZ 2010/49, 76 [krit Holzner] ist der Oberste Gerichtshof der unter 5. genannten Ansicht von Neuhauser gefolgt. Er wiederholt, dass Ziel der Einführung der 13. Familienbeihilfe ein Ausgleich der allgemeinen Teuerung sei. Es erscheine naheliegend, den „Bedarfsgedanken" auch auf die Ansprüche nach § 382a Abs 2 EO zu übertragen. Wenn die allgemeine Teuerung Anlass dafür gewesen sei, die staatlichen Familienleistungen zu erhöhen, müsse dies „konsequenterweise" auch auf die durch § 382a Abs 2 EO angestrebte Unterhaltssicherung übertragen werden. Angesichts der gebotenen Durchschnittsbetrachtung im Unterhaltsrecht und dem Zuspruch von gleichbleibenden monatlichen Unterhaltsbeiträgen für die Zukunft bestünden keine Bedenken dagegen, die durch § 8 Abs 8 FLAG statuierte Erhöhung der Familienbeihilfe für die Bemessung des monatlichen Unterhaltsanspruchs nach § 382a Abs 2 EO prozentuell auf ein ganzes Jahr aufzuteilen.

Dieser Meinung hat sich der 9. Senat in seiner Entscheidung 9 Ob 78/09z vom 26. 1. 2010 angeschlossen. Seines Erachtens besteht keine Veranlassung, die Anordnung einer 13. Auszahlung der Familienbeihilfe im September als Statuierung einer „Sonderzahlung" zu betrachten, die bei der Beurteilung der Höhe der Familienbeihilfe außer Acht gelassen werden könne. Vielmehr sei mit dem Gesetz vom 25. 8. 2008 (BGBl I 2008/131) die Familienbeihilfe um ein Zwölftel erhöht worden. Bei teleologischer Betrachtungsweise sei es geboten, diese Erhöhung auch als Erhöhung des „Grundbetrags der Familienbeihilfe" nach § 382a Abs 2 EO zu qualifizieren. Dafür spreche auch die am 1. 1. 2010 in Kraft getretene Änderung des § 382a Abs 2 EO durch das FamRÄG 2009, aufgrund der die Wortfolge „Grundbetrag der Familienbeihilfe" durch „jeweiligen altersabhängig bestimmten Betrag der Familienbeihilfe" ersetzt worden sei.

8. Diese Ansicht berücksichtigt allerdings die Bedeutung, die der Gesetzgeber und die Rechtsprechung bisher dem Begriff des Grundbetrags der Familienbeihilfe beigemessen haben, nicht ausreichend.

Entscheidend für die Maximalhöhe des vorläufigen Unterhalts nach § 382a Abs 2 EO bleibt nach wie vor der „Grundbetrag der Familienbeihilfe" im Sinne dieser Gesetzesbestimmung. Mit anderen Worten ist maßgeblich, was der Gesetzgeber unter dem seit der EO-Novelle BGBl 1987/645 unveränderten Begriff des „Grundbetrags der Familienbeihilfe" verstanden hat. Ausgehend davon, dass der Gesetzgeber gerade diesen Begriff gewählt hat (und nicht etwa „Höhe der Familienbeihilfe"), hat die oben unter 3. genannte Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0006134) die Höhe des vorläufigen Unterhalts mit den altersabhängigen Beträgen der Familienbeihilfe ohne weitere Zuschläge festgelegt. Der Zusammenhang zwischen § 8 FLAG und § 382a EO ist demnach nur insoweit gegeben, als eine Veränderung des Basissatzes der Familienbeihilfe (oder der Alterszuschläge) auf § 382a EO durchschlägt.

Soll dem Begriff des „Grundbetrags" aber eine andere Deutung als bisher beigemessen werden, kann dies nicht durch eine Änderung des FLAG erfolgen; vielmehr müsste § 382a EO neu gestaltet werden. Dazu hat der Gesetzgeber der Änderung des FLAG BGBl I 2008/131 keinen Anlass gefunden. Der in 1 Ob 216/09k (und 9 Ob 78/09z) angenommenen Automatik, wonach eine Erhöhung staatlicher Leistungen in Form einer einmal jährlich zu erbringenden Sonderzahlung auch zu einer Erhöhung der vom Geldunterhaltsschuldner laufend zu erbringenden vorläufigen Unterhaltsleistungen nach § 382a EO führt, kann nicht gefolgt werden. Eine solche Annahme würde den Rahmen sprengen, innerhalb dessen Gerichte (ohne Zutun des Gesetzgebers) zu einem Tätigwerden legitimiert sind. Dem Gesetzgeber müsste in Bezug auf § 382a EO der Wille nach einer aliquoten Aufteilung der Erhöhung der pro Jahr zustehenden Familienbeihilfe unterstellt werden, obwohl er diesen Weg bei der Einführung des § 8 Abs 8 FLAG gerade nicht beschritten, sondern einen Anspruch auf eine alljährlich einmal (im September) gebührende Sonderzahlung der Familienbeihilfe geschaffen hat, indem der „Gesamtbetrag an Familienbeihilfe" für September verdoppelt wird. Dies setzt wiederum voraus, dass im September ein Anspruch des Kindes auf Familienbeihilfe besteht. Damit hat sich der Gesetzgeber für das Stichtags- und nicht für das Anwartschaftsprinzip entschieden. Dies entspricht beispielsweise dem Sozialversicherungsrecht, in dem beispielsweise in § 105 Abs 1 ASVG vorgesehen ist, dass zu Renten und Pensionen in den Monaten April und September jeweils eine Sonderzahlung gebührt. Diese Sonderzahlung steht nur dann zu, wenn im betreffenden Monat ein Grundanspruch besteht; eine Aliquotierung wurde vom Obersten Gerichtshof wiederholt abgelehnt (10 ObS 16/93 = SSV-NF 7/16; zuletzt 10 ObS 2/09f; RIS-Justiz RS0083651).

9. In diesem Sinn sind die Beschlüsse der Vorinstanzen abzuändern, weil die Wortfolge „bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe" in § 382a EO (in der bis 31. 12. 2009 geltenden Fassung) so zu verstehen ist, dass darunter nur die in § 8 Abs 2 FLAG genannten, altersabhängigen Beträge zu verstehen sind. Die mit dem Bundesgesetz BGBl I 2008/31 eingeführte „13. Familienbeihilfe" (§ 8 Abs 8 FLAG) ist nicht anteilig in den „Grundbetrag der Familienbeihilfe" einzubeziehen.

Textnummer

E93313

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0100OB00081.09Y.0302.000

Im RIS seit

29.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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