TE OGH 2010/3/17 15Os9/10b

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Veröffentlicht am 17.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Stuhl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Murat Di***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Apti D***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4. November 2009, GZ 162 Hv 76/09y-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Apti D***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Murat Di***** enthält, wurde Apti D***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./ A./), mehrerer Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 (zu ergänzen: Z 1) und Abs 2 Z 1 und Z 2 StGB (I./ B./ 1./), des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 (zu ergänzen: Z 1) und Abs 2 Z 1 StGB (I./ B./ 2./) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (I./ C./) schuldig erkannt.

Danach hat er

A./ im Mai 2008 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Manuel H***** fremde bewegliche Sachen, nämlich ein Mobiltelefon und Zigaretten, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er ihm eine nicht näher definierbare Pistole gegen den Kopf hielt und die Übergabe von Wertsachen forderte, woraufhin Manuel H***** diese übergab;

B./ teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Personen gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, mit Gewalt bzw durch gefährliche Drohung nachstehende Personen zu einer Handlung, die diese am Vermögen schädigte bzw schädigen sollte, nämlich der Übergabe von Schutzgeld

1./ genötigt, und zwar zwischen Februar und Mai 2008 Erkan C***** zu etwa 18 Übergaben von jeweils zwischen 10 und 40 Euro, indem er ihn Anfang Februar 2008 am Hals packte, ihm eine Pistole in den Mund steckte und sagte, er müsse von nun an wöchentlich Schutzgeld zahlen, und die Drohung bei jeder Übergabe entweder durch die Äußerung, er werde ihn oder seine Familie umbringen, oder durch Vorzeigen einer Pistole verstärkte, wobei er die Tat gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzte,

2./ zu nötigen versucht, und zwar im Mai 2008 Manuel H*****, indem er ihm eine nicht näher definierbare Pistole gegen den Kopf hielt und sagte, die O***** sei sein Revier, jeder müsse Schutzgeld zahlen und er müsse beim nächsten Treffen 20 Euro übergeben,

C./ Anfang Februar 2008 Erkan C***** durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme einer polizeilichen Anzeige, zu nötigen versucht, indem er zu ihm sagte, er werde sicher wieder kommen und ihn und seine Familie umbringen, wenn er etwas der Polizei erzählen würde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Apti D*****; sie schlägt fehl.

Entgegen dem gegen den Schuldspruch I./B./ erhobenen Vorwurf mangelhafter Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (Z 5 vierter Fall) wurden diese (US 8 und US 10) empirisch einwandfrei (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452; RIS-Justiz RS0098671 [T4]) aus dem objektiven Tatgeschehen abgeleitet (US 14 f), wonach Apti D***** Erkan C***** am Hals packte, eine der Art nicht näher bestimmbare Pistole, allenfalls auch Attrappe, in dessen Mund steckte und sagte, er sei der Anführer der gefährlichsten Bande Wiens, der Schöpfwerkpartie, und werde Erkan C***** umbringen, wenn er nicht auf sie höre und mache was sie wollen, wobei Erkan C***** noch von einem zweiten unbekannten Jugendlichen mit einer derartigen Pistole bedroht wurde.

Mit der Behauptung unvollständiger Erörterung (Z 5 zweiter Fall) der Angaben des Zeugen C*****, wonach dieser keine Waffe gesehen habe, argumentiert die Beschwerde aktenfremd (s ON 46/S 59 f).

Um welche Waffe es sich dabei gehandelt hat, ist für den Tatbestand des Verbrechens der schweren Erpressung ebenso wenig von Bedeutung, wie die vom Erstgericht ohnedies berücksichtigte Einschätzung des Zeugen C*****, wer der „Boss“ der Bande gewesen sei (US 7; ON 46/S 61 und S 93).

Die Beschwerde vermisst weiters, ausgehend von Angaben des Zeugen C*****, beim Vorfall im Februar ein Klicken und Repetieren gehört zu haben, eine Erörterung dahingehend, ob dieses Klicken von der Waffe des Angeklagten stammte, ohne jedoch darzulegen, warum solches mit Blick auf das einverständliche Zusammenwirken des Apti D***** mit weiteren Personen einen für den Beschwerdeführer günstigeren Schluss zugelassen hätte.

Nach den Urteilsannahmen zu I./B./1./ kam es zwischen Februar und Mai 2008 zu 18 Zusammentreffen zwischen Apti D***** und Erkan C***** mit Übergaben von jeweils zwischen 10 Euro und 40 Euro, wobei das Erstgericht weder die exakte Höhe der Erpressungssumme noch präzisere Daten der einzelnen Angriffe zu bestimmen vermochte. Bei jedem dieser Treffen drohte Apti D***** nach Erhalt der Beträge entweder, dass er Erkan C***** oder seine Familie umbringen werde, wenn er nicht nächste Woche wieder Bargeld von ihm erhalte, oder führte zumindest drei Mal die nicht näher definierbare Pistole sichtbar bei sich, um C***** zu weiteren Bargeldübergaben in der Zukunft zu veranlassen (US 7 f).

Der unter Z 5 erhobene Einwand, das geforderte Tatbildmerkmal, „längere Zeit hindurch“, sei mangels Angaben des Opfers zur erpressten Summe sowie zur Anzahl der Angriffe und zum Tatzeitraum nicht „objektiviert und nicht geeignet, die Qualifikation zu begründen“, macht der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen geltend (Z 9 lit a), ohne die Beschwerdethese methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten.

Der Einwand, das Urteil gehe von 18 Erpressungsfällen aus, während das Opfer von etwa 7 Fällen unter Verwendung einer Waffe in 2 Fällen gesprochen habe, unterlässt die gebotene Auseinandersetzung mit der Aussage des Zeugen C***** in ihrer Gesamtheit und den dazu angestellten Erwägungen der Tatrichter (US 13).

Die Kritik (Z 5 zweiter Fall) am Fehlen einer Auseinandersetzung mit dem Motiv einer (nicht verfahrensgegenständlichen) auf den Beschwerdeführer verübten Messerattacke durch einen Cousin des Zeugen C***** spricht keine entscheidungsrelevante und demnach auch keine erörterungsbedürftige Tatsache an (RIS-Justiz RS0088761). Vielmehr argumentiert die Rüge, indem sie einen Vergleich mit Vorgangsweisen beim Suchtgifthandel anstellt und daraus für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse zieht, in unzulässiger Weise nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Nach den Angaben des Zeugen H***** habe sein Freund Michael Ha***** den Vorfall im Auto nicht mitbekommen (ON 46/S 53). Weshalb es in diesem Zusammenhang dennoch einer gesonderten Erörterung der Anwesenheit Ha*****s am Tatort bedurft hätte, vermag die Beschwerde nicht darzutun.

Den (im Übrigen nicht entscheidungswesentlichen) Feststellungen zufolge setzte sich der Zeuge H***** mit dem ihm persönlich bis dahin nicht bekannten Apti D***** aus Furcht in sein Auto (US 9). Die in diesem Zusammenhang behauptete unvollständige Erörterung des Motivs geht somit ins Leere.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag mit dem Verweis auf die Ausführungen zur Mängelrüge und mit eigenen Beweiswerterwägungen keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu wecken.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen ausreichender Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, verabsäumt sie darzutun, welche über die zur Vorsatzkomponente zureichend getroffenen (US 8 und US 10) hinaus konkret erforderlich gewesen wären.

Indem die Rechtsrüge (der Sache nach Z 9 lit b) unter Bezugnahme auf - von den Tatrichtern aber als unglaubwürdig verworfene - Prämissen behauptet, der Angeklagte wäre berechtigt gewesen, Geld aus dem Drogenverkauf zurück zu verlangen, sodass ein Rechtfertigungsgrund gegeben gewesen wäre, orientiert sie sich prozessordungswidrig nicht an den Urteilsfeststellungen (US 7 ff iVm 11).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) stellt „die Qualifikation der schweren Erpressung“ in Abrede, legt aber mit der Behauptung der Tatbestandsmäßigkeit bloß nach § 144 Abs 1 StGB nicht dar, warum die Feststellungen zur Drohung mit dem Tod (US 7 ff), zur gewerbsmäßigen Begehungsweise (US 8 und 10) und zur besonderen Belastungssituation des Erkan C***** (US 7) eine Subsumtion als Verbrechen nach §§ 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 erster Fall, Abs 2 Z 1 und 2 StGB bzw §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 und Abs 2 Z 1 StGB nicht tragen sollten.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Wien zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93560

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00009.10B.0317.000

Im RIS seit

11.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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