TE OGH 2010/4/15 6Ob11/10a

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Veröffentlicht am 15.04.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** F*****, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C***** R*****, vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen 69.996,71 EUR sA und Zahlung einer monatlichen Rente von 976,75 EUR, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. November 2009, GZ 12 R 202/08a-72, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. August 2008, GZ 20 Cg 161/04z-67, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird dahin abgeändert, dass es einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile zu lauten hat:

„1.) Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 24.275,69 EUR samt 4 % Zinsen wie folgt binnen 14 Tagen zu bezahlen,

a) aus den im Zeitraum September 2003 bis August 2006 monatlich fällig gewordenen Beträgen von jeweils 67,02 EUR (Kinderbetreuungskosten) jeweils ab dem 1. des Folgemonats (4 % aus 67,02 EUR seit 1. 10. 2003, 4 % aus weiteren 67,02 EUR seit 1. 11. 2003 usw),

b) aus dem im Zeitraum September 2006 bis März 2008 monatlich fällig gewordenen Beträgen von jeweils 164,25 EUR (Kinderbetreuungskosten) jeweils ab dem 1. des Folgemonats (4 % aus 164,25 EUR seit 1. 10. 2006, 4 % aus weiteren 164,25 EUR seit 1. 11. 2006 usw),

c) aus 1.448,94 EUR (Besuchskosten) seit 4. 12. 2002,

d) aus 454,86 EUR (Besuchskosten) seit 17. 4. 2003,

e) aus 246,24 EUR (Transportkosten im Zeitraum 16. 4. 2003 bis 1. 10. 2003) seit 2. 10. 2003,

f) aus 342 EUR (Besuchskosten im Zeitraum 1. 10. 2003 bis 21. 11. 2003) seit 22. 11. 2003,

g) aus den im Zeitraum Dezember 2003 bis März 2008 monatlich fällig gewordenen Beträgen von jeweils 28,50 EUR (Transportkosten zu Heilbehandlungen und Besuchskosten) jeweils ab dem 1. des Folgemonats (4 % aus 28,50 EUR seit 1. 1. 2004, 4 % aus weiteren 28,50 EUR seit 1. 2. 2004 usw),

h) aus 4.296,68 EUR (Kosten für Heilbehelfe, Medikamente und sonstige vorfallskausale Kosten) seit 28. 7. 2004 und

i) aus den im Zeitraum April 2005 bis März 2008 monatlich fällig gewordenen Beträgen von jeweils 300 EUR (Haushaltshilfekosten) jeweils ab dem 1. des Folgemonats (4 % Zinsen aus 300 EUR seit 1. 5. 2005, 4 % Zinsen aus weiteren 300 EUR seit 1. 6 .2005 usw).

2.) Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei ab April 2008, jeweils am Monatsersten, bei dreitägigem Respiro

- eine monatliche Rente in Höhe von 300 EUR für Haushaltshilfekosten

- eine monatliche Rente in Höhe von 164,25 EUR bis einschließlich Juni 2015 für Kinderbetreuungskosten

- eine monatliche Rente in Höhe von 22,80 EUR für Transportkosten zu Heilbehandlungen und

- eine monatliche Rente in Höhe von 5,70 EUR für Besuchskosten

zu bezahlen.

3.) Das Zahlungsmehrbegehren im Umfang von 23.671,02 EUR samt Zinsen sowie das Rentenmehrbegehren von 484 EUR/Monat und das Begehren auf Zahlung einer über Juni 2015 hinausgehenden Rente von 164,25 EUR für Kinderbetreuungskosten werden abgewiesen.

4.) Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.“

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Streitteile nahmen am 13. 9. 2002 an einem Schiffsausflug teil. Nach der Rückkehr des Schiffes zur Anlegestelle schlug der Beklagte den Kläger mit der Faust ins Gesicht, wodurch der Kläger zu Boden und mit dem Hinterkopf auf eine in den Asphalt eingelassene Steinplatte fiel. Dabei erlitt der Kläger schwere Kopfverletzungen mit schweren Dauerfolgen. Die rechte Körperhälfte ist teilgelähmt und es bestehen Halbblindheit, ein organisches Psychosyndrom und ein gestörtes Sprachverständnis und Sprechvermögen. Aufgrund der Verletzungsfolgen ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers zu 100 % gemindert; er ist in allen seinen Funktionen auf fremde Hilfe angewiesen.

Der Kläger begehrt im zweiten Rechtsgang - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - unter anderem den Ersatz von drei Viertel der Haushaltshilfekosten von April 2005 bis März 2008 in Höhe von 24.300 EUR und von monatlich 675 EUR ab 1. 4. 2008.

Das Erstgericht sprach in seinem Endurteil dem Kläger unter anderem Haushaltshilfekosten von 16.200 EUR für den Zeitraum von April 2005 bis März 2008 und von monatlich 450 EUR ab 1. 4. 2008 samt Zinsen zu. Es stellte hiezu fest:

Der Kläger bewohnt mit seiner Familie ein Einfamilienhaus mit Garten. Vor dem klagsgegenständlichen Vorfall führte überwiegend der Kläger den Haushalt und wendete durchschnittlich zwei Stunden täglich für die Versorgung seiner Familie auf. Die Betreuung des Haushalts erfordert vier Stunden pro Tag an Arbeitszeit für typische Haushaltstätigkeiten. Von September 2002 bis August 2003 übernahm die Familie des Klägers dessen Anteil an den Arbeitsleistungen im Haushalt. Seit September 2003 ist eine Haushaltshilfe angestellt, die die Haushaltstätigkeiten übernimmt, die der Kläger früher besorgte. Die Haushaltshilfe erhält 10 EUR/Stunde somit 20 EUR/Tag (600 EUR/Monat).

Vor dem Vorfall erbrachte der Kläger zu einem großen Teil die Nachmittagsbetreuung seines Kindes. Bis Ende August 2003 hielt sich das Kind nur vormittags im Kindertagesheim auf. Nachmittags wurde es entweder von seiner Mutter oder von den Großeltern betreut. Von September 2003 bis September 2006 war das Kind auch nachmittags im Kindertagesheim. Seit September 2006 besucht es nachmittags den Hort der Schule.

Rechtlich führte es aus, dem Kläger seien - unter Berücksichtigung seines Mitverschuldens - drei Viertel der Haushaltshilfekosten von 600 EUR monatlich zu ersetzen.

Das Berufungsgericht änderte das Endurteil des Erstgerichts in ein Teilurteil ab und hob es im Übrigen auf. Es sprach dem Kläger unter anderem für den Zeitraum April 2005 bis März 2008 Haushaltshilfekosten von 8.100 EUR und von 225 EUR monatlich ab 1. 4. 2008 zu. Über das Zinsenbegehren für die Haushaltshilfekosten im Zeitraum April 2005 bis März 2008 entschied es nicht. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts. Rechtlich führte es aus, dass bei Behinderung der Haushaltsführung infolge einer Verletzung der den Haushalt führenden Person Anspruch auf Kostenersatz für eine Haushaltshilfe zustehe. Die Kosten seien als eine Entschädigung für konkreten Verdienstentgang auch zuzusprechen, wenn keine Haushaltshilfe beschäftigt werde. Habe die Haushaltstätigkeit des Verletzten nur dessen eigenen Bedürfnissen gedient, liege nicht ein Fall des Verdienstentgangs, sondern ein Fall der Vermehrung der Bedürfnisse vor. Vom Verletzten aufgrund der Verletzungsfolgen bezogenes Pflegegeld sei auch zum Anspruch auf Ersatz für Haushaltshilfe sachlich kongruent. Pflegegeld sei daher auf den Anspruch auf Ersatz für Haushaltshilfe anzurechnen, soweit der Verletzte den Haushalt (nur) für sich selbst geführt habe. Hingegen bestehe keine Kongruenz, soweit die Führung des Haushalts für andere Haushaltsangehörige beeinträchtigt sei. Der Kläger habe vor dem Vorfall überwiegend den Haushalt geführt und hiefür durchschnittlich zwei Stunden täglich aufgewendet. Hiezu sei er nunmehr nicht mehr in der Lage. Die Kosten der Haushaltshilfe betrügen im Monat 600 EUR, wovon dem Kläger unter Berücksichtigung des ihm zuzurechnenden Mitverschuldens 450 EUR/Monat zustünden. Ab dem Zeitpunkt, ab dem er Pflegegeld beziehe, müsse er sich dieses jedoch auf seinen Anspruch auf Ersatz für Haushaltshilfekosten in jenem Verhältnis anrechnen lassen, als die Haushaltsführung seinen eigenen Bedürfnissen gedient habe. Dasselbe müsse auch für die Pflegezulage nach dem VOG gelten. Bei der Beurteilung, in welchem Ausmaß der Kläger die Haushaltsführung für sich selbst vorgenommen habe, sei von einem Zwei-Personen-Haushalt (er und seine Ehefrau) auszugehen, weil er auch Hortkosten für sein mj Kind geltend mache, das zuvor von ihm betreut worden sei, weshalb von einer Halbierung des Aufwands für Haushaltsführung auszugehen sei. Ab dem Zeitpunkt, ab dem er Pflegegeld oder die Pflegezulage beziehe, stünden daher nur noch die Hälfte der Haushaltshilfekosten zu, weil er sich auf die andere Hälfte das Pflegegeld bzw die Pflegezulage anrechnen lassen müsse. Aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts habe diese Anrechnung ab April 2005 zu erfolgen. Für April 2005 bis März 2008 ergebe sich folgender Anspruch auf Ersatz für Haushaltshilfekosten: Die sich für zwei Stunden Hausarbeit täglich ergebenden Haushaltshilfekosten betrügen 600 EUR/Monat. Die Hälfte davon sei durch die vom Kläger bezogene Pflegezulage abgegolten. Damit verblieben 300 EUR/Monat, wovon dem Kläger 75 %, somit 225 EUR/Monat zustünden. Für 36 Monate ergebe dies einen Anspruch auf Zahlung von 8.100 EUR. Ab April 2008 stehe die begehrte Rente in Höhe von 225 EUR/Monat zu.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen das Teilurteil nicht zulässig sei.

Mit seiner außerordentlichen Revision bekämpft der Kläger diese Entscheidung insoweit als

a) das Begehren von 2.700 EUR für den Ersatz von Haushaltshilfekosten für April 2005 bis März 2008 und

b) das Begehren von weiteren 75 EUR an monatlicher Rente ab April 2008 abgewiesen worden seien und

c) über das Begehren von Zinsen für die Haushaltshilfekosten von April 2005 bis März 2008 nicht abgesprochen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Der Revisionswerber macht geltend, das Berufungsgericht sei von der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 150/04d insofern abgewichen, als es von einem Zwei-Personen-Haushalt ausgehe, die Haushaltsführung für das Kind aber unberücksichtigt lasse. Richtigerweise hätte das Berufungsgericht beim (damals) haushaltsführenden Kläger aber von einem Drei-Personen-Haushalt ausgehen müssen. Es wäre daher nur eine Kürzung der Haushaltshilfekosten um ein Drittel in Betracht gekommen.

Hierzu wurde erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird im Fall der Verletzung eines haushaltsführenden Ehepartners diesem ein Ersatzanspruch für die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit zuerkannt. Dabei handelt es sich um eine Entschädigung für konkreten Verdienstentgang, die unabhängig von der Einstellung einer Ersatzkraft gebührt (2 Ob 100/07f mwN; RIS-Justiz RS0030606, RS0030922). Soweit die Haushaltstätigkeit der Befriedigung eigener Bedürfnisse des (der) Verletzten dient, steht ihm (ihr) die Entschädigung aus dem Titel der vermehrten Bedürfnisse zu (2 Ob 100/07f mwN; RIS-Justiz RS0087380, RS0087381). Maßgebend für die Höhe dieses Ersatzanspruchs des Ehepartners sind die Art und das Ausmaß der von ihm im Haushalt erbrachten Leistungen und die Kosten einer hiefür erlangbaren Ersatzkraft (2 Ob 100/07f mwN). Ferner hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Anspruch auf Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe, wenn er auf eine Vermehrung der Bedürfnisse des (der) Verletzten zurückzuführen ist, dem Anspruch auf Ersatz von Pflegekosten, der ebenfalls auf eine Vermehrung der Bedürfnisse zurückzuführen ist, gleichzuhalten ist (2 Ob 150/04d mwN). Deshalb ist das Pflegegeld nicht nur zum Anspruch auf Ersatz von Pflegeaufwendungen, sondern auch zum Anspruch auf Ersatz der Haushaltshilfekosten wegen unfallbedingter Unfähigkeit zur Führung des eigenen Haushalts sachlich kongruent; nur soweit die Führung des Haushalts für andere Haushaltsangehörige (Ehegatte, Kinder) beeinträchtigt ist, besteht keine Kongruenz (2 Ob 150/04d; Neumayr in Schwimann, ABGB2 Band 7 § 332 ASVG Rz 49). Bei einem Zwei-Personen-Haushalt ist in der Regel eine Halbierung des Aufwands vorzunehmen (2 Ob 150/04d mwN).

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist demnach die Aufteilung der Haushaltsdienstleistungen, die allen Familienmitgliedern zugutekommen, in der Regel nach Kopfteilen vorzunehmen. Zu einem Abweichen von dieser Regel besteht im vorliegenden Fall nach den Feststellungen der Vorinstanzen kein Anlass. Das Argument des Berufungsgerichts, es sei deshalb von einem Zwei-Personen-Haushalt (Kläger und seine Ehefrau) auszugehen, weil der Kläger auch die Hortkosten für sein Kind geltend mache, das zuvor von ihm betreut worden sei, ist nicht stichhältig. Nach den Feststellungen hat der Kläger vor seiner Verletzung durch den Beklagten für die „Betreuung des Haushalts“ durch Erbringung „typischer Haushaltstätigkeiten“ bzw „für die Versorgung seiner Familie“ täglich zwei Stunden aufgewendet. Zunächst hat die Familie den Anteil an den Arbeitsleistungen des Klägers im Haushalt übernommen. Später wurde eine Haushaltshilfe eingestellt, die die Haushaltstätigkeiten übernimmt, die der Kläger früher besorgte. Daraus lässt sich entnehmen, dass in dem festgestellten Umfang der vom Kläger für die Führung des Haushalts erbrachten Arbeitsleistungen die Betreuung seines Kindes am Nachmittag nicht enthalten ist. Wenn nämlich die angestellte Haushaltshilfe die vom Kläger früher besorgte Haushaltstätigkeit erbringt, das Kind aber (nachmittags) nicht betreuen kann, weil es im Hort ist, so bedeutet das, dass Kinderbetreuung am Nachmittag nicht vom festgestellten Aufwand des Klägers für die Haushaltsführung umfasst ist.

Ist demnach von einer Aufteilung der Haushaltsdienstleistungen nach Kopfteilen auszugehen, so hat der Kläger beim vorliegenden Drei-Personen-Haushalt ein Drittel der Haushaltsführung zur Befriedigung der eigenen Bedürfnisse erbracht. Auf diesen Anteil ist die Pflegezulage, die der Kläger nach dem VOG erhält, auch nach Ansicht des Revisionswerbers wegen sachlicher Kongruenz anzurechnen. Demnach ist der Aufwand für die Haushaltshilfe von 600 EUR monatlich um ein Drittel zu kürzen. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers von einem Viertel ergibt sich ein monatlicher Betrag von 300 EUR, den der Beklagte - soweit Gegenstand des Revisionsverfahrens - ab April 2005 zu ersetzen hat. Für den Zeitraum von April 2005 bis März 2008 und ab 1. 4. 2008 sind dem Kläger demnach - wie begehrt - weitere 75 EUR an monatlichen Haushaltshilfekosten sowie gestaffelte Zinsen auf die von April 2005 bis März 2008 fällig gewordenen monatlichen Haushaltshilfekosten zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E93879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00011.10A.0415.000

Im RIS seit

16.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.09.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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