TE OGH 2010/4/21 15Os27/10z

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Veröffentlicht am 21.04.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 21. April 2010 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Romstorfer als Schriftführer in der Strafsache gegen Artur N***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 22. Oktober 2009, GZ 041 Hv 8/09f-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Artur N***** zu I. der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB, zu II. der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60, zu III.1. des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie zu III.2. des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in S*****

I) „außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, wobei es zu 4. und 9. beim Versuch geblieben ist, nämlich

1. zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Jahr 1978 den am 10. März 1970 geborenen Joachim E*****, sohin eine zum Tatzeitpunkt unmündige Person, indem er zumindest einmal Onanierhandlungen am Penis des Joachim E***** durchführte;

2. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1983 den am 6. Oktober 1975 geborenen Arno N*****, sohin eine zu den Tatzeitpunkten unmündige Person, indem er anlässlich von zwei Vorfällen Arno N***** dazu brachte, an seinem (Artur N*****’s) Penis Onanierhandlungen durchzuführen, während er selbst den Penis von Arno N***** in die Hand nahm und an diesem Onanierhandlungen machte;

3. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1985 bis 1987/1988 die am 29. April 1980 geborene Yvonne B*****, sohin eine zu den Tatzeitpunkten unmündige Person, indem er wiederholt mit seiner Hand an ihrer nackten Scheide rieb, sie zumindest zweimal dazu brachte, seinen Penis anzufassen und an diesem Onanierhandlungen bis zum Samenerguss durchzuführen, wobei er einmal seinen Samen auf ihren nackten Bauch abgab, und einmal seinen Penis an ihrer Scheide rieb;

4. zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum 1986/1987 die am 10. Februar 1983 geborene Nicole K*****, sohin eine zum Tatzeitpunkt unmündige Person, indem er versuchte, sie an der nackten Scheide zu streicheln, wobei das Mädchen, nachdem er ihr den Oberschenkel entlang gestreichelt und die Unterhose angehoben hatte, sich bewegte und Geräusche von sich gab, sodass es zu keiner Berührung mit ihrer Scheide gekommen ist;

5. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1988/1989 den am 23. Juli 1978 geborenen Marco B*****, sohin eine zu den Tatzeitpunkten unmündige Person, indem er ihn einmal dazu brachte, seinen (Artur N*****’s) Penis anzufassen und an diesem Onanierhandlungen durchzuführen und er ein anderes Mal Onanierhandlungen am Penis des Marco B***** machte;

6. zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum 1990/1991 den am 31. Mai 1984 geborenen Dominik N*****, sohin eine zum Tatzeitpunkt unmündige Person, indem er anlässlich eines Vorfalls diesen einerseits dazu brachte, seinen (Artur N*****’s) Penis anzufassen und an diesem Onanierhandlungen durchzuführen und er andererseits den Penis des Dominik N***** anfasste und an diesem Onanierhandlungen machte;

7. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1993-1996/1997, die am 31. Juli 1987 geborene Annette B*****, sohin eine zu den Tatzeitpunkten unmündige Person, indem er wiederholt mit seiner Hand an ihrer nackten Scheide rieb, sowie, indem er sie wiederholt durch Führen ihrer Hand dazu brachte, seinen Penis anzufassen und an diesem Onanierhandlungen durchzuführen;

8. zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum 1994 bis 1996 die am 23. Februar 1988 geborene Agnes Maria S*****, sohin eine zum Tatzeitpunkt unmündige Person, indem er sie anlässlich eines Vorfalls dazu brachte, seinen Penis anzufassen;

9. zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt im Zeitraum 1996/1997 die am 25. August 1989 geborene Veronika Maria S*****, sohin eine zum Tatzeitpunkt unmündige Person, indem er sie anlässlich eines Vorfalls aufforderte seinen Penis anzufassen, wobei sie dieser Aufforderung nicht nachkam;

10. zu nicht mehr bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1982/1983 an der am 23. Juni 1977 geborenen Marlen N*****, sohin an einer zu den Tatzeitpunkten unmündigen Person, indem er wiederholt seinen bekleideten Penis an ihren ebenfalls bekleideten Körper presste sowie mehrmals nach selbstständigem Onanieren an seinem Penis sein Ejakulat auf den nackten Bauch der Marlen N***** abgab;

II) unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, nämlich

1. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1985 bis 1987/1988 die am 29. April 1980 geborene Yvonne B*****, sohin eine zu den Tatzeitpunkten unmündige Person, indem er, nachdem er mit seiner Hand an ihrer nackten Scheide gerieben hatte in zwei Fällen einen seiner Finger ein Stück weit in die Scheide des Mädchens einführte;

2. zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum 1993-1996/1997 die am 31. Juli 1987 geborene Annette B*****, sohin eine zum Tatzeitpunkt unmündige Person, indem er, nachdem er mit seiner Hand an ihre Scheide gerieben hatte, zumindest einmal mit einem Finger ein Stück weit in die Scheide des Mädchens eingedrungen ist;

III) mit unmündigen Personen den Beischlaf unternommen, nämlich

1. (zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten; richtig: einmal [US 13]) im Zeitraum 1985 bis 1987/1988 mit der am 29. April 1980 geborenen Yvonne B*****, sohin mit einer zum Tatzeitpunkt unmündigen Person, indem er, 'nachdem er mit seinem Penis an ihrer Scheide gerieben hatte in einem Fall auch ein Stück weit mit seinem Penis in ihre Scheide eingedrungen ist';

2. (zu nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkten) im Zeitraum 1993-1996/1997, mit der am 31. Juli 1987 geborenen Annette B*****, sohin mit einer zum Tatzeitpunkt unmündigen Person, indem er, nachdem er mit seinem Penis an ihrer Scheide gerieben hatte, in einem Fall ein Stück weit mit seinem Penis in ihre Scheide eingedrungen ist, wobei die Tat eine verlängerte depressive Reaktion mit Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung, eine Störung des Essverhaltens mit Zeichen der Anorexia und Bulimia nervosa und nicht organische sexuelle Funktionsstörungen, welche nach Art und Intensität einer an sich schweren Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) gleichzusetzen sind, zur Folge hatte“.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er die Verjährung mehrerer Taten („zumindest die Fakten zu Punkt I., II.1. und III.1. des Urteilsspruchs“) geltend macht. Sie verfehlt ihr Ziel.

Soweit die Beschwerde meint, das Gericht hätte im Sinne des Günstigkeitsprinzips (gemeint: des Zweifelsgrundsatzes; vgl § 14 StPO; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 35 ff) zu Gunsten des Angeklagten davon ausgehen müssen, dass Verjährung bereits eingetreten sei, hält sie nicht an den entgegenstehenden erstgerichtlichen Annahmen fest und verfehlt so den Bezugspunkt der Rechtsrüge. Im Übrigen verkennt der Beschwerdeführer, dass der Grundsatz „in dubio pro reo“ keine negative Beweisregel darstellt, die das erkennende Gericht dazu verpflichtet, sich bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante zu entscheiden (RIS-Justiz RS0098336; der Sache nach auch Z 5 vierter Fall).

Das weitere Vorbringen, das Erstgericht hätte „bei richtiger Rechtsanwendung“ von einer Verjährung mehrerer Fakten ausgehen müssen, was „hinsichtlich Einzelner zum Freispruch geführt hätte“, behauptet das angestrebte Ergebnis - entgegen der gesetzlichen Regelung über die Ablaufhemmung wegen gleichschädlicher Tatbegehung während der Verjährungszeit (§ 58 Abs 2 StGB) und die Anlaufhemmung wegen Minderjährigkeit des Opfers von Sexualdelikten (§ 58 Abs 3 Z 3 StGB) - lediglich (vgl hiezu Fuchs in WK2 § 58 Rz 6 ff und 30 ff; RIS-Justiz RS0114745), ohne es methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten.

Zu einem amtswegigen Vorgehen (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO) bestand keine Veranlassung, weil für den Obersten Gerichtshof trotz der nicht eindeutigen zeitlichen Zuordnung der Tatzeiten hinreichend deutlich war, dass nach den Urteilsannahmen eine Verjährung einzelner Taten nicht eingetreten ist (Faktum I.1.: US 8, 10 iVm 19 f; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93797

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0150OS00027.10Z.0421.000

Im RIS seit

06.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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