TE OGH 2010/5/5 7Ob39/10a

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Veröffentlicht am 05.05.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** A***** P*****, und 2. M***** M***** P*****, beide: *****, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und andere Rechtsanwälte in Schwechat, gegen die beklagten Parteien 1. M***** G*****, und 2. Mag. J***** M*****, beide vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2010, GZ 16 R 231/09x-32, womit das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. September 2009, GZ 24 Cg 215/06t-26, berichtigt mit Beschluss vom 15. Oktober 2009, GZ 24 Cg 215/06t-27, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil lautet:

Das Klagebegehren, es werde mit Wirkung zwischen den Streitteilen festgestellt, dass die beklagten Parteien mit den klagenden Parteien am ***** rechtswirksam einen Kaufvertrag über den Verkauf der beiden 1/16-Miteigentumsanteile an der Liegenschaft *****, bestehend aus dem Grundstück Nr 1282 Baufläche (Gebäude/befestigt) um einen Preis von jeweils 630.000 EUR abgeschlossen haben, wird abgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, den beklagten Parteien die mit 27.474,32 EUR (darin enthalten 2.312,63 EUR an USt und 9.960,70 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten sind Cousinen der Kläger und waren zu je 1/16-Anteil Miteigentümer der im Spruch genannten Liegenschaft. Als der Vater der Kläger, ein Rechtsanwalt, erfuhr, dass sich eine weitere Miteigentümerin der Liegenschaft für den Erwerb der Anteile der Beklagten gegen Zahlung eines Kaufpreises von je 580.000 EUR interessierte, suchte er mit den Beklagten ein Gespräch, um den Vertrag zu verhindern. Er berief sich auf ein ihm zustehendes, nicht verbüchertes Vorkaufsrecht, das ihm seine Mutter testamentarisch eingeräumt hatte. Die Beklagten waren mit einem Kaufpreis von 580.000 EUR nicht zufrieden, zumal sie aufgrund ihrer Recherchen davon ausgingen, dass ihre Liegenschaftsanteile je etwa 600.000 EUR wert waren. Es wurde von einem Kaufpreis von je 630.000 EUR gesprochen, den die Beklagten davon abhängig machten, dass der Vater der Kläger bis 11. 9. 2006 eine Bestätigung über die Finanzierung beibringen kann. Die Beklagten erhielten eine solche Bestätigung jedoch nicht. Sie setzten sich daher mit einem Immobilienmakler in Verbindung, der ihnen eine Interessentin vermittelte, die einen Kaufpreis von je 650.000 EUR bot. Am 13. 9. 2006 suchten die Beklagten, nachdem sie zuvor mit einem Vertreter der Interessentin gesprochen hatten, den Vater der Kläger auf, um ihn vom Anbot zu informieren. Der Vater der Kläger, der überdies die Kosten eines nochmaligen Eigentumsübergangs von ihm an seine beiden Kinder verhindern wollte, überraschte die Beklagten dabei mit einem von ihm vorbereiteten Kaufvertragsentwurf, in dem als Kaufpreis 580.000 EUR und die Kläger als Käufer angeführt war. Es entwickelte sich ein Streitgespräch, bei dem der Vater der Kläger gegenüber den Beklagten darauf hinwies, dass es sich um eine von ihnen geerbte Liegenschaft handle, die nicht außerhalb der Familie veräußert werden sollte. Er bot nunmehr einen Kaufpreis von je 630.000 EUR an. Die Beklagten erwähnten im Zuge der emotional geführten Verhandlungen nicht, dass sie bereits am Vormittag einen Vertrag mit der Interessentin mit einem Kaufpreis von je 650.000 EUR abgeschlossen hatten. Die Erstbeklagte setzte vielmehr einen Betrag von 630.000 EUR, der sich aus 580.000 EUR und weiteren 50.000 EUR als Kaufpreis ergab, auf einen „handschriftlichen Zettel“. Beide Beklagten bestanden darauf, dass die Zahlung des Kaufpreises durch Vorlage einer Finanzierungszusage sichergestellt sein müsse. Die Beklagten, die Zweitklägerin und deren Vater trennten sich, ohne dass die Beklagten das Anbot ablehnten. Der Vater der Kläger übermittelte an die Beklagten am darauffolgenden Tag eine Finanzierungszusage per Fax. Die Beklagten unterfertigten in der Folge ein verbindliches Anbot an die andere Interessentin und am 18. 9. 2006 den Kaufvertrag mit dieser.

Die Kläger begehren zunächst, die Beklagten schuldig zu erkennen, Zug um Zug gegen Bezahlung des Kaufpreises in die Einverleibung ihres Eigentumsrechts hinsichtlich der Liegenschaftsanteile zuzustimmen. Sie änderten im Verfahren das Begehren wie im Spruch ersichtlich auf Feststellung, dass der Kaufvertrag rechtswirksam abgeschlossen worden sei. Zwischen dem Vater der Kläger und den Beklagten sei am 13. 9. 2006 ein mündlicher Kaufvertrag über die Liegenschaftsanteile zustandegekommen. Die Bedingung der Übersendung der Finanzierungszusage sei eingetreten. Dennoch hätten die Beklagten die Liegenschaft an einen Dritten verkauft, was den Klägern am 26. 9. 2006 bekannt geworden sei.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Am 13. 9. 2006 hätten die Parteien keinen Kaufvertrag mündlich abgeschlossen. Die Beklagten hätten dem Vater der Kläger auch in der Folge nie bestätigt, dass ein Kaufvertrag rechtswirksam zustandegekommen sei. Vielmehr sei dem Vater der Kläger am 15. 9. 2006 mitgeteilt worden, dass die Liegenschaft endgültig an einen Dritten verkauft worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sei sowohl über den Kaufgegenstand als auch über den Kaufpreis verhandelt worden. Das Kaufpreisanbot von je 630.000 EUR sei von den Beklagten „nicht abgelehnt“ worden. Ein redlicher Käufer (oder sein Vertreter) habe dies im Hinblick darauf, dass sich die Erstbeklagte eine Notiz über 630.000 EUR als Kaufpreis gemacht habe und die Beklagten auf einer Finanzierungsbestätigung bestanden hätten, so verstehen dürfen, dass die Beklagten mit dem Kaufpreis pro Anteil einverstanden gewesen seien. Es sei dadurch eine Einigung über den Kaufgegenstand und den Kaufpreis erzielt worden. Da die Finanzierungsbestätigung beigebracht worden sei, sei auch die Bedingung für einen Verkauf erfüllt worden. Auf ein allfälliges Vorkaufsrecht des Vaters der Kläger komme es nicht an, weil durch seine Vertretungstätigkeit für seine Kinder ausreichend klargestellt worden sei, dass er dieses nicht auszuüben gedenke und einen Vertragsabschluss im eigenen Namen mit einem je 630.000 EUR übersteigendem Kaufpreis ablehne.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Der Erfüllungsanspruch bleibe aufrecht, wenn das Objekt nach Vertragsabschluss noch an eine weitere Person veräußert werde. Der Doppelveräußerer könne auf Erfüllung selbst dann belangt werden, wenn das Vertragsobjekt dem Zweiterwerber bereits übergeben worden sei. Der Erwerber habe die Wahl zwischen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen oder Bestehen auf Erfüllung. Die Kläger hätten ihre ursprüngliche Klage auf Zuhaltung des Kaufvertrags aufrechterhalten können, hätten dies jedoch aufgrund des ihnen zustehenden Wahlrechts nicht getan. In dieser Konstellation könne ihnen ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens eines Kaufvertrags nicht abgesprochen werden. Das gültige Bestehen eines Vertrags sei feststellungsfähig. Die tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre der Kläger sei jedoch vorauszusetzen. Diese könnte schon darin gelegen sein, dass die Beklagten den klägerischen Anspruch verneinten. Wegen der Geltendmachung möglicher Schadenersatzansprüche hätten daher die Kläger ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens eines Kaufvertrags. Eine Auseinandersetzung mit dem Vorkaufsrecht des Vaters der Kläger könne unterbleiben. Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts über das Zustandekommen eines mündlichen Kaufvertrags zwischen den Streitteilen am 13. 9. 2006 werde von den Berufungswerbern nicht bekämpft.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Berufungsgericht nicht von der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in der ihnen vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

Eine ausdrückliche Willenserklärung der Beklagten auf Annahme des Kaufanbots des Vaters der Kläger im Namen und auf Rechnung der Kläger steht nicht fest. Das Erstgericht und die Kläger leiten einen schlüssigen Kaufvertragsabschluss daraus ab, dass die Beklagten das Kaufanbot „nicht ablehnten“.

Nach ständiger Judikatur ist das Schweigen auf ein Vertragsanbot grundsätzlich weder eine Annahme noch eine Ablehnung, sondern überhaupt keine Willenserklärung (RIS-Justiz RS0047273).

Feststeht hier, dass der Vater der Kläger die Beklagten mit einem von ihm vorbereiteten Kaufvertragsentwurf „überraschte“, die Erstbeklagte nach einem emotionalen Gespräch einen Betrag von 630.000 EUR auf einen „handschriftlichen Zettel“ als Kaufpreis aufschrieb und die Beklagten darauf bestanden, dass die Zahlung des Kaufpreises durch Vorlage einer Finanzierungszusage gesichert sein müsse. Es steht damit kein Umstand fest, aus dem man schließen konnte, die Beklagten würden einem Kaufvertragsabschluss ausnahmsweise durch Schweigen schlüssig zustimmen. Wesentlich ist, dass die Beklagten von der Vorlage des Kaufvertragsentwurfs überrascht wurden, sie also gar nicht mit einem Gespräch rechneten, bei dem von ihnen die Abgabe einer bindenden Willenserklärung verlangt wird. Unter diesen Umständen kann dem Schweigen auf ein Anbot im Sinn der Judikatur kein Erklärungswert beigemessen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Beklagten bloß anhörten und notierten, welches Anbot die Kläger nunmehr stellten. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Beklagten nun, im Gegensatz zu den erfolglosen langen Verhandlungen und Diskussionen wegen der Veräußerung der Liegenschaftsanteile, (trotz ihrer Überraschung über das Anbot) schnell entschlossen und sofort eine Willenserklärung abgeben wollten, noch dazu ohne ihren Sinneswandel mündlich oder schriftlich irgendwie zum Ausdruck zu bringen. Daran ändert auch das Begehren der Beklagten nach einer Finanzierungszusage nichts. Der Vater der Kläger durfte dies nur dahin auffassen, dass das Anbot der Kläger jedenfalls durch die Vorlage einer Finanzierungszusage ergänzt hätte werden müssen. Er hatte keinen Grund zur Annahme, die Beklagten wollten einen auflösend bedingten Kaufvertrag abschließen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kaufvertrag nicht zustande kam.

Dies ist im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts sehr wohl aufzugreifen. Die Beklagten bestritten nämlich in der im Übrigen gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge in ihrer Berufung ausdrücklich das Zustandekommen des Kaufvertrags, weshalb das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, das Zustandekommen des Vertrags zu prüfen.

Abgesehen davon ist auch der Einwand der Revision zutreffend, dass - selbst bei Unterstellung eines wirksamen Vertragsabschlusses - dem Feststellungsbegehren das rechtliche Interesse fehlt.

Haben die Kläger schon einen Anspruch auf Leistung, ist die Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig (RIS-Justiz RS0038817). Dies gilt allerdings nur dann, wenn durch den Leistungsanspruch auch der Feststellungsanspruch ausgeschöpft wird, das heißt, dass weitere als die durch das Leistungsbegehren gezogene Rechtsfolgen aus der Feststellung des fraglichen Rechtsverhältnisses oder Anspruchs nicht in Betracht kommen (RIS-Justiz RS0039021).

Die Ansprüche des Berechtigten wegen Doppelveräußerung können bei Vorliegen der Voraussetzungen entweder auf Erfüllung oder Schadenersatz gestützt werden (vgl RIS-Justiz RS0011210, RS0011215, RS0016423). Wird Erfüllung verlangt und kann auf Ausstellung einer einverleibungsfähigen Urkunde geklagt werden, besteht nach der Judikatur kein Grund, auch noch das Zustandekommen des Vertrags mittels gesonderter Urkunde festzustellen (RIS-Justiz RS0039097). Das ursprüngliche Leistungsbegehren (auf Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechts) wurde aber von den Klägern fallen gelassen. Für die Verfolgung eines Erfüllungsanspruchs besteht, wie oben dargelegt, kein rechtliches Interesse an einer Feststellungsklage. Zur Sicherung von Schadenersatzansprüchen liegt ebenfalls kein rechtliches Interesse an einer Feststellungsklage vor, weil nicht erkennbar ist, welche zukünftigen, zur Zeit noch nicht bezifferbare Schäden den Klägern wegen Doppelverkaufs entstehen könnten. Alle anspruchsbegründenden Tatsachen sind bekannt. Es kann daher bereits Leistungsklage erhoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

Textnummer

E94137

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0070OB00039.10A.0505.000

Im RIS seit

08.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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