TE OGH 2010/5/5 1Ob56/10g

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Veröffentlicht am 05.05.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Der Landesgrundverkehrsreferent der Tiroler Landesregierung, Innsbruck, Heiliggeiststraße 7-9, vertreten durch Dr. Johann Lutz, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Christine Elisabeth D*****, 2.) P***** GmbH, *****, 3.) Heinrich S*****, und 4.) S*****gesellschaft mbH, *****, alle vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 15.000 EUR) und Streitanmerkung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 9. Februar 2010, GZ 2 R 11/10z-8, mit dem dem Rekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Dezember 2009, GZ 13 Cg 100/09g-2, nicht Folge gegeben und der Rekurs der zweit-, dritt- und viertbeklagten Partei zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

1.) Der Revisionsrekurs wird, soweit er von der erst-, dritt- und viertbeklagten Partei erhoben wurde, zurückgewiesen.

2.) Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben.

Der gegenüber der zweitbeklagten Partei ergangene Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die auf die zweitbeklagte Partei entfallenden Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.

Text

B e g r ü n d u n g :

Nach den übereinstimmenden Prozessbehauptungen der Parteien brachte die Erstbeklagte ihr im Erbweg zugekommenes Liegenschaftsvermögen, zu dem mehrere land- und forstwirtschaftliche Grundstücke gehören, als Sacheinlage in die Zweitbeklagte ein, deren alleinige Gesellschafterin sie zum damaligen Zeitpunkt war. Diesem Rechtsgeschäft wurde die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilt. Die Zweitbeklagte wurde als Liegenschaftseigentümerin im Grundbuch eingetragen. Mit Abtretungsvertrag vom 9. 3. 2009 trat die Erstbeklagte ihre Geschäftsanteile zum überwiegenden Teil an den Drittbeklagten, zu einem kleinen Teil an die Viertbeklagte ab.

Der Kläger beantragte nun als Amtspartei gemäß § 35 Abs 1 TGVG 1996 gegenüber den Beklagten die urteilsmäßige Nichtigerklärung des Sacheinlagevertrags sowie des Vertrags über die Abtretung der Geschäftsanteile. Weiters stellte er unter Hinweis auf § 35 Abs 2 TGVG 1996 den Antrag, gemäß § 61 GBG ob der betreffenden Liegenschaft die Anmerkung des Streits zu bewilligen.

Das Erstgericht bewilligte die beantragte Streitanmerkung, die in der Folge vom Grundbuchsgericht vollzogen wurde.

Das Rekursgericht wies den dagegen von der Zweit-, dem Dritt- und der Viertbeklagten erhobenen Rekurs als verspätet zurück und gab dem Rekurs der Erstbeklagten nicht Folge. Weiters sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine Zustellung des angefochtenen Beschlusses an die Erstbeklagte sei nicht erfolgt. Den übrigen Beklagten sei der angefochtene Beschluss jeweils am 11. 12. 2009 zugestellt worden, womit der von ihnen am 15. 1. 2010 erhobene Rekurs verspätet sei. Der Rekurs der Erstbeklagten sei hingegen inhaltlich zu behandeln, weil ein Rechtsmittel auch vor Zustellung der angefochtenen Entscheidung erhoben werden könne. Die Rekurslegitimation sei im GBG nicht eigens geregelt und richte sich nach den Vorschriften des AußStrG. Nach dem materiellen Parteibegriff seien all jene Personen Parteien im Grundbuchsverfahren, die in grundbücherlichen Rechten durch eine Entscheidung des Grundbuchsgerichts beeinträchtigt werden können. Die Rekurslegitimation der Erstbeklagten sei im Hinblick auf diesen weiten Parteibegriff zu bejahen. Dem Rekurs komme aber - aus näher dargelegten Erwägungen - keine Berechtigung zu.

Dagegen richtet sich der von den vier Beklagten gemeinsam erhobene Revisionsrekurs mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass der Antrag auf Streitanmerkung zurückgewiesen bzw abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel der Zweitbeklagten erweist sich im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags als zulässig und berechtigt, jenes der übrigen Beklagten hingegen als unzulässig.

Wie bereits das Rekursgericht an sich zutreffend ausgeführt hat, kommt im Grundbuchsverfahren jenen Personen Rechtsmittellegitimation zu, die durch eine Entscheidung des Grundbuchsgerichts in ihren bücherlichen Rechten beeinträchtigt werden können (RIS-Justiz RS0006710; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 77 Rz 4 f). Warum das Rekursgericht dennoch die Rekurslegitimation der Erstbeklagten bejaht hat, ist nicht ersichtlich, kommen dieser doch - ebenso wie dem Drittbeklagten und der Viertbeklagten - (allenfalls gefährdete) grundbücherliche Rechte gar nicht zu, weil ausschließlich die Zweitbeklagte (grundbücherliche) Eigentümerin der fraglichen Liegenschaft ist und die vom Erstgericht bewilligte Streitanmerkung somit ausschließlich in deren bücherliche Rechtssphäre eingreift. Weshalb Derartiges auch auf die übrigen Beklagten zutreffen sollte, wird auch im Revisionsrekurs nicht erklärt.

Da somit lediglich der Zweitbeklagten die Rechtsmittellegitimation zukommt, ist der Revisionsrekurs, soweit er von den übrigen Beklagten erhoben wurde, zurückzuweisen.

Zutreffend weist nun die Zweitbeklagte darauf hin, dass die Zurückweisung ihres Rekurses durch das Rekursgericht auf aktenwidriger Grundlage erfolgt ist. Dieses hatte angenommen, der Beschluss sei ihr am 11. 12. 2009 zugestellt worden.

Richtigerweise ergibt sich aus dem erstgerichtlichen Akt aber, dass das Erstgericht am 7. 12. 2009 lediglich die Zustellung einer Klagsgleichschrift samt des Auftrags zur Klagebeantwortung an alle Beklagten verfügt, im Hinblick auf die gleichzeitig bewilligte Streitanmerkung allerdings das Grundbuchsgericht um Vollzug und Verständigung der Verfahrensbeteiligten ersucht und insoweit die Übermittlung von fünf Beschlussausfertigungen an das Grundbuchsgericht angeordnet hat. Wie sich aus dem im Original vorliegenden Rückschein des Erstgerichts ergibt, wurde der Zweitbeklagten vorerst auch lediglich eine Gleichschrift der Klage samt dem Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung zugestellt. Aus Ablichtungen von Rückscheinen des Grundbuchsgerichts (angeschlossen bei ON 2) ist zu sehen, dass die Zustellung des Beschlusses über die Bewilligung der Streitanmerkung erst am 23. 12. 2009 erfolgte.

Damit erweist sich aber der von der Zweitbeklagten am 15. 1. 2010 im elektronischen Rechtsverkehr eingebrachte Rekurs als rechtzeitig, sodass die Zurückweisungsentscheidung des Rekursgerichts aufzuheben und diesem aufzutragen ist, über den (rechtzeitigen) Rekurs der Zweitbeklagten meritorisch zu entscheiden.

Zur Frage, ob einer Partei, die sich im Rechtsmittelweg erfolgreich gegen die zu ihren Lasten erfolgte Streitanmerkung zur Wehr setzt, gemäß § 78 Abs 2 AußStrG ein Kostenersatzanspruch gegenüber dem Antragsteller zusteht, sind die Auffassungen in Lehre und Rechtsprechung geteilt. Fucik/Kloiber (AußStrG § 78 Rz 33 vertreten die Auffassung, es werde im Allgemeinen in Grundbuchs- und Firmenbuchsachen an einer kontradiktorischen Situation fehlen, soweit nicht der (bisher) Berechtigte gegen die Eintragung Rekurs erhebt (oder einem Löschungsantrag widersprochen wird). Diese Autoren weisen weiters darauf hin (aaO § 78 Rz 25), dass das Verfolgen entgegengesetzter Interessen innerhalb des Verfahrens, aber auch außergerichtlich verwirklicht werden könne, weil diese Wendung im Gesetzestext vom Gesetzgeber bewusst weit gefasst worden sei und auch das außergerichtliche Verhalten erfassen solle. Der Auffassung, auch im Grundbuchs- oder Firmenbuchverfahren könne unter bestimmten Umständen eine kontradiktorische Situation iSd Abs 2 dann gegeben sein, wenn der bisher Berechtigte gegen die Eintragung etwa Rekurs erhebt, schloss sich Klicka (in Rechberger, § 78 AußStrG Rz 7) an. Hoyer (Anm zu 5 Ob 101/08a [= E AGS 724] in NZ 2009, 62) wendet sich gegen die Ablehnung eines Kostenersatzes nach § 78 Abs 2 AußStrG im Grundbuchsverfahren, weil dazu die gesetzliche Grundlage fehle. Zufolge § 75 Abs 2 Satz 2 GBG seien im Grundbuchsverfahren die Bestimmungen des Verfahrens außer Streitsachen ergänzend heranzuziehen, womit an der Anwendung des § 78 Abs 2 AußStrG auch im Grundbuchsverfahren kein Weg vorbeiführe. Freilich sei darauf zu achten, dass nur in Verfahren, in denen widerstreitende Interessen der Parteien geltend gemacht und zu entscheiden seien, die Voraussetzungen für einen Kostenersatz vorlägen. Die Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens sage allerdings nichts darüber aus, ob widerstreitende Parteiinteressen aufeinander treffen, und könne daher kein maßgebliches Kriterium sein. Kodek (in Kodek, Grundbuchsrecht, § 95 Rz 34) vertritt im Zusammenhang mit der Streitanmerkung die Auffassung, in diesem Fall sei das Verfolgen gegenläufiger Interessen besonders augenfällig, was für einen Kostenersatz spreche. Dabei sei auch die in der Lehre zutreffend betonte Nähe der Streitanmerkung zur einstweiligen Verfügung zu beachten. Ein sofortiger Kostenzuspruch habe zu erfolgen, wenn im Rekursverfahren die Abweisung des Antrags erreicht werde. Demgegenüber ist Obermaier (Das Kostenhandbuch Rz 698) der Auffassung, im Rechtsmittelverfahren könnte sich zwar ein Verfolgen entgegengesetzter Interessen iSd § 78 Abs 2 AußStrG ergeben, wenn eine vom erstinstanzlichen Antragsteller verschiedene Person gegen eine antragsgemäße Entscheidung rekurriert und dadurch diese entgegengesetzte Interessensituation auslöst. Das Grundbuchsverfahren kenne jedoch - abgesehen von wenigen Sonderfällen - keine „zivilprozessähnliche Situation“ und sei in der Regel ein einseitiges Antragsverfahren, weil es von vornherein an einem Antragsgegner fehle, der bestreiten könnte. Im einseitigen Grundbuchsverfahren und im weiterhin einseitigen Rechtsmittelverfahren finde daher weiterhin kein Kostenersatz statt, und zwar auch dann nicht, wenn eine rechtsmittellegitimierte Partei gegen eine sie beschwerende Eintragung ein Rechtsmittel ergreift. Nicht ersatzfähig seien die „Sowieso-Kosten“ des erstinstanzlichen Antrags, sondern - wenn überhaupt - nur die durch das Entgegentreten verursachten Mehrkosten (Rz 699).

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wird auch nach dem Inkrafttreten des neuen AußStrG in der erörterten Konstellation ein Kostenersatzanspruch des im Rechtsmittelweg erfolgreichen Antragsgegners überwiegend verneint (vgl etwa RIS-Justiz RS0060516). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass das Grundbuchsverfahren nicht für die Durchsetzung oder Abwehr widerstreitender Parteiinteressen konzipiert sei, was sich schon aus der Einseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens ergäbe; damit fehle die in § 78 AußStrG vorausgesetzte Basis einer Kostenersatzpflicht, weshalb es trotz der allgemeinen Verweisung des § 75 Abs 2 GBG auf die Vorschriften des AußStrG dabei zu bleiben habe, dass im Grundbuchsverfahren ein Kostenersatz nicht stattfinde (5 Ob 135/05x). Über den Antrag auf Bewilligung einer Streitanmerkung sei auch dann, wenn er im Zuge eines Rechtsstreits beim Prozessgericht gestellt wird, im Grundbuchsverfahren nach den Vorschriften des GBG zu entscheiden, weshalb für den Revisionsrekurs kein Kostenersatz zustehe (5 Ob 141/07g).

Demgegenüber vertritt das Landesgericht St. Pölten die Auffassung, im Rechtsmittelverfahren über den Antrag auf Streitanmerkung bestehe seit Inkrafttreten des neuen AußStrG ein Kostenersatzanspruch. Das Verfahren über den Antrag auf Streitanmerkung sei zwar ein Grundbuchsverfahren, aber auch ein Annex des kontradiktorischen Streitverfahrens, weshalb das Erfolgsprinzip des § 78 AußStrG angewendet werden könne (21 R 177/05w = Zak 2005/12).

Für das - ebenfalls einseitige - Firmenbuchverfahren wurde jüngst judiziert (6 Ob 243/08s), dass der Antragsteller gemäß § 78 AußStrG (iVm § 15 Abs 1 FBG) kostenersatzpflichtig werde, wenn eine antragsgemäß bewilligte Eintragung im Rekursweg beseitigt wird.

Der erkennende Senat schließt sich jedenfalls für die Fälle der Streitanmerkung jener Auffassung an, die eine Verfolgung „entgegengesetzter Interessen“ auch in Konstellationen annimmt, in denen diese erst im Rechtsmittelverfahren zutage treten, weil der durch eine Bewilligung des Antrags belastete Antragsgegner am (einseitigen) Verfahren erster Instanz nicht beteiligt war. Dies entspricht auch den erkennbaren Zielen des § 78 Abs 2 AußStrG, der grundsätzlich Kostenersatz - bzw den Ersatz der durch den Widerstand verursachten Zusatzkosten - im Falle des Aufeinandertreffens von Verfahrensbeteiligten mit gegenläufigen Interessen entsprechend dem letztlich feststellbaren Erfolg der einen bzw der anderen Partei statuieren will. In den Gesetzesmaterialien (abgedruckt etwa bei Fucik/Kloiber, AußStrG, 265 f) wird zudem betont, dass die widerstreitenden Interessen nicht einmal in Verfahrenshandlungen ihren Niederschlag finden müssen: Durch die Formulierung „entgegengesetzte Interessen verfolgt haben“ sei die Regelung nicht nur brauchbar, wenn die Gegenseite verfahrensintern entgegengesetzte Anträge gestellt habe, sondern auch dann, wenn sie außergerichtlich den Anspruch gefährdete, und sei es auch durch bloße Nichterfüllung. Im Ergebnis sei Kostenersatz in nahezu allen Verfahren möglich, soweit er dort nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werde. Können sich nun nach den Vorstellungen des Gesetzgebers „entgegengesetzte Interessen“ sogar durch bloß außerprozessuales Verhalten manifestieren, muss dies umso mehr für eine Verfahrenskonstellation gelten, in der eine Verfahrenspartei durch einen (vom Gericht bewilligten) Antrag in die Rechtssphäre der anderen eingegriffen und letztere sich dagegen im Rechtsmittelweg zur Wehr gesetzt hat. Ist sie mit dieser Rechtsverteidigungsmaßnahme erfolgreich, soll ihr der Verfahrensgegner, der die Rechtsmittelkosten durch seine ungerechtfertigte Antragstellung verursacht hat, diese auch ersetzen.

Sollte die Zweitbeklagte mit ihrem - vom Rekursgericht nunmehr meritorisch zu behandelnden - Rekurs durchdringen, wäre ihr somit gemäß den §§ 75 Abs 2 GBG, 78 Abs 2 AußStrG der Ersatz ihrer Rechtsmittelkosten zuzuerkennen. Nachdem ein Rechtsmittelerfolg derzeit noch nicht feststeht, ist ein Kostenvorbehalt auszusprechen.

Textnummer

E94064

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00056.10G.0505.000

Im RIS seit

04.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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