TE OGH 2010/5/26 9ObA111/09b

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Veröffentlicht am 26.05.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Rolf Gleißner und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** O*****, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in Bregenz, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde H*****, vertreten durch Summer, Schertler, Stieger, Droop, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. Juli 2009, GZ 15 Ra 48/09k-19, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Dezember 2008, GZ 55 Cga 12/08w-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei auf Durchführung einer mündlichen Revisionsverhandlung wird abgewiesen.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Dienstnehmer hat nach ständiger Rechtsprechung im Fall einer unwirksamen Auflösung des Dienstverhältnisses bei bestehendem besonderen Kündigungsschutz das Wahlrecht zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und der Forderung einer Kündigungsentschädigung bei rechtswidriger Beendigung (RIS-Justiz RS0101989 ua). Ein derartiges Wahlrecht hat die Rechtsprechung auch dem begünstigten Behinderten eingeräumt, dem daher ebenfalls im Fall einer mangels Zustimmung des Behindertenausschusses unwirksamen Kündigung (§ 8 Abs 2 BEinstG) die Möglichkeit eröffnet wird, entweder auf den Fortbestand des Dienstverhältnisses zu bestehen oder die Beendigungserklärung gegen sich gelten zu lassen und die für diesen Fall zustehende Kündigungsentschädigung zu begehren (9 ObA 82/03d; 9 ObA 97/05p ua). An die getroffene Wahl ist der Dienstnehmer in der weiteren Folge gebunden (vgl RIS-Justiz RS0116721 ua). Diese Rechtsprechung wird von der Revisionswerberin nicht angezweifelt, von ihr allerdings bestritten, dass sie im vorliegenden Fall, wie von den Vorinstanzen angenommen, das Wahlrecht zugunsten der Kündigungsentschädigung (und gegen den Fortbestand des Dienstverhältnisses) ausgeübt habe. Ihrem Klagebegehren liegt daher ein Festhalten am aufrechten Dienstverhältnis mit der Beklagten zugrunde.

Der von ihr nun in der Zulassungsbeschwerde der außerordentlichen Revision erhobene Vorwurf einer dem Berufungsgericht unterlaufenen Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) wurde vom Senat geprüft, ist aber nicht berechtigt. Diese Beurteilung bedarf gemäß § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO keiner Begründung (vgl 9 ObA 131/09v ua). Soweit sich die Revisionswerberin vor allem gegen die Annahme eines positiven Wissens um die Unwirksamkeit der Kündigung verwahrt und dabei erstgerichtliche Feststellungen bezüglich der Intervention der Arbeiterkammer Vorarlberg ins Treffen führt, ist sie darauf zu verweisen, dass sie laut weiterer, von ihr nicht berücksichtigter Feststellungen bereits vor der Intervention der Arbeiterkammer vom Bundessozialamt, Landessstelle Vorarlberg, darüber informiert wurde, dass die Dienstgeberkündigung eines zu 50 % Behinderten nichtig sei.

Auch der weitere Vorwurf der Revisionswerberin, das Berufungsgericht habe sie durch seine - ohne vorherige Erörterung - erfolgte rechtliche Beurteilung im Zusammenhang mit der Ausübung des Wahlrechts im Wege der Geltendmachung einer um zwei Monate höheren Kündigungsentschädigung durch die Arbeiterkammer Vorarlberg in unzulässiger Weise überrascht, berücksichtigt das Vorbringen der Parteien und das bisherige Verfahren nur in unvollständiger Weise. So ist die Revisionswerberin darauf zu verweisen, dass sich die Beklagte schon in erster Instanz ausdrücklich auf die Wahlrechtsausübung auch im Zusammenhang mit der Intervention der Klägerin im Wege der Arbeiterkammer berufen hat. Auch das Erstgericht hat in seinem klageabweisenden Urteil auf diesen Umstand ausdrücklich Bezug genommen. Dass sich auch das Berufungsgericht mit diesem Thema auseinandersetzt, konnte daher die Klägerin nicht ernsthaft überraschen (vgl RIS-Justiz RS0122365 ua). Einer besonderen Erörterung dieser Frage in der mündlichen Berufungsverhandlung bedurfte es nicht. Das Berufungsverfahren ist entgegen der Behauptung in der Revision weder wegen Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens nach Art 6 EMRK nichtig, noch leidet es an einer Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 iVm § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Überraschend ist lediglich die Verwunderung und angedeutete Kritik der Revisionswerberin an der nicht erfolgten Vernehmung des Zeugen Mag. B*****. Abgesehen davon, dass dieser Zeuge von keiner Partei beantragt wurde, hat die Klägerin in erster Instanz sogar noch ausdrücklich deponiert, dass sie diesen Zeugen nicht von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinde.

Das einleitend erörterte Wahlrecht des Dienstnehmers kann nicht erst im Prozess, sondern auch außergerichtlich ausgeübt werden. Wie jede andere Willenserklärung auch kann die Wahl zwischen der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Auflösung und der Forderung einer Kündigungsentschädigung - mangels gegenteiliger Regelung - ausdrücklich oder schlüssig erfolgen (§ 863 ABGB; Ernst/Haller, BEinstG6 § 8 Erl 141; Weiß in DRdA 2003/50, 554; 8 ObA 213/96 ua). Der Auslegung der in diesem Zusammenhang erfolgten Erklärungen - sei es durch die Klägerin selbst oder im Zuge der Intervention der Arbeiterkammer Vorarlberg für die Klägerin - kommt zufolge Abhängigkeit von den besonderen Umständen des Einzelfalls nicht die Bedeutung einer erheblichen Rechtsfrage zu (§ 502 Abs 1 ZPO; vgl RIS-Justiz RS0042555 ua). Die diesbezügliche rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts ist jedenfalls plausibel und vertretbar. Nach Lage der Erklärungen konnte die Beklagte, die erst nach dem Ausspruch der Dienstgeberkündigung erfuhr, dass die Klägerin den Status einer begünstigten Behinderten iSd BEinstG genießt, davon ausgehen, dass die Klägerin nicht die Unwirksamkeit der Kündigung, sondern die (um zwei Monate) erhöhte Kündigungsentschädigung wegen rechtswidriger Beendigung des Dienstverhältnisses geltend macht (vgl Weiß in DRdA 2003/50, 555; 8 ObA 82/02w ua; siehe zur erhöhten Kündigungsentschädigung von sechs Monaten RIS-Justiz RS0052572 ua).

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung der Zurückweisung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Gemäß § 509 Abs 1 ZPO entscheidet der Oberste Gerichtshof über die Revision grundsätzlich in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung. Er kann jedoch nach § 509 Abs 2 ZPO, wenn dies im Einzelfall behufs Entscheidung über die erhobene Revision erforderlich erscheint, eine mündliche Revisionsverhandlung anordnen. Dies ist hier allerdings nicht der Fall. Es bedarf im vorliegenden Fall nicht - wie von der Revisionswerberin angenommen - der ergänzenden Erörterung bzw der Sanierung gravierender Verstöße der Vorinstanzen. Der diesbezügliche Antrag der Revisionswerberin ist daher als unbegründet abzuweisen (vgl 9 ObA 67/07d ua).

Schlagworte

Arbeitsrecht,

Textnummer

E94167

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:009OBA00111.09B.0526.000

Im RIS seit

10.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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