TE OGH 2010/6/1 10ObS48/10x

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Veröffentlicht am 01.06.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Dr. Gabriele Griehsel (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Waltraud R*****, vertreten durch Dr. Dietlind Hügel, Rechtsanwältin in Nüziders, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, wegen Höhe der Witwenpension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Februar 2010, GZ 23 Rs 40/09t-8, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. September 2009, GZ 34 Cgs 151/09d-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 10. 7. 1941 geborene Klägerin war seit 17. 9. 1965 mit Dr. Wolfram Eckart R***** verheiratet. Der Ehegatte der Klägerin verstarb am 19. 1. 2009. Er hatte im Jahr 2008 34.535,70 EUR an Einkünften aus einer Pension, im Jahr 2007 33.857,18 EUR aus einer Pension und 3.807,76 EUR aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit, im Jahr 2006 33.427,10 EUR aus einer Pension und 3.168 EUR aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit sowie im Jahr 2005 32.770,78 EUR aus einer Pension und 4.129,63 EUR aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit bezogen. Die Klägerin bezog im Kalenderjahr 2008 Einkünfte aus einer Pension in Höhe von 21.090,20 EUR und aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Höhe von 22.980 EUR sowie im Kalenderjahr 2007 Einkünfte aus einer Pension in Höhe von 20.621,64 EUR und aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit in Höhe von 22.280 EUR. Sie beendete im Alter von 67 Jahren mit Ende April 2009 ihre unselbständige Erwerbstätigkeit.

Mit Bescheid vom 15. 4. 2009 anerkannte die beklagte Partei den Anspruch der Klägerin auf eine Witwenpension nach ihrem verstorbenen Ehemann ab 20. 1. 2009 und sprach aus, dass die Pension ab 20. 1. 2009 808,09 EUR monatlich betrage.

Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrt die Klägerin zuletzt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr „ab dem 20. 1. 2009 eine - durch Außerachtlassung ihrer Einkünfte aus der aktiven unselbständigen Erwerbstätigkeit in den letzten zwei Jahren vor dem Stichtag - verfassungskonforme Witwenpension von zumindest 52,831 % im Betrag von 1.340,37 EUR monatlich brutto zu gewähren“. Sie brachte im Wesentlichen vor, die Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus aktiver unselbständiger Erwerbstätigkeit in den letzten beiden Kalenderjahren vor dem Tod ihres Ehegatten bei der Bemessung der Witwenpension führe zu einem äußerst unbilligen Ergebnis. Wäre sie nämlich in dieser Zeit nicht erwerbstätig gewesen, so erhöhte sich ihr Anspruch auf Witwenpension von derzeit 31,850 % (bei Berücksichtigung der Einkünfte ihres Ehegatten aus selbständiger Erwerbstätigkeit in den letzten vier Jahren vor seinem Tod) auf 52,831 %. Es könne realistischerweise nicht angenommen werden, dass Personen in einem Alter über 65 Jahren bis zu ihrem Tod aktiv weiterarbeiten. So habe auch sie ihre unselbständige Erwerbstätigkeit in der Steuer- und Wirtschaftskanzlei ihres verstorbenen Ehegatten mit 1. 5. 2009 beendet. Während diese Veränderung ihrer Einkommenssituation nicht nur bei Unterschreiten der aktuellen Untergrenze in Höhe von 1.671,20 EUR monatlich, sondern auch bei Unterschreiten der aktuellen Obergrenze von 8.040 EUR monatlich zu einer Erhöhung der Witwenpension führen würde, unterbleibe dies bei einem maßgeblichen Gesamteinkommen der Witwe von zwar mehr als 1.671,20 EUR monatlich, aber erheblich weniger als 8.040 EUR monatlich zur Gänze. Diese Rechtslage sei sachlich nicht gerechtfertigt, betreffe keineswegs bloß Einzelfälle und sei damit gleichheitswidrig.

Die beklagte Partei anerkannte im Hinblick auf die von der Klägerin nachträglich bekanntgegebenen Einkünfte ihres verstorbenen Ehegatten aufgrund selbständiger Erwerbstätigkeit für die Kalenderjahre 2005 bis 2007 einen Pensionsanspruch der Klägerin in Höhe von 867,28 EUR monatlich ab 20. 1. 2009 und beantragte unter Hinweis auf die geltende Rechtslage die Abweisung des darüber hinausgehenden Mehrbegehrens.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab 20. 1. 2009 eine Witwenpension in Höhe von 34,184 %, das entspreche 867,28 EUR monatlich, zu gewähren und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren der Klägerin ab. In rechtlicher Hinsicht verwies es darauf, dass sich die der Klägerin zugesprochene Pension unstrittig aus den Bestimmungen des § 145 GSVG errechne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es verwies in seiner Begründung - zusammengefasst - darauf, dass die Klägerin die vom Erstgericht aufgrund der geltenden Rechtslage vorgenommene Berechnung der Höhe der Witwenpension nicht bekämpfe und das Berufungsgericht die von der Klägerin in ihrer Berufung ausschließlich geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die geltende Rechtslage nicht teile. Es sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil seiner Entscheidung keine über den Anlassfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bisher noch nicht zu allen von der Klägerin in ihrer Revision gegen die geltende Rechtslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken Stellung genommen hat. Sie ist aber nicht berechtigt.

Die Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel ausschließlich verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in § 145 Abs 2 bis Abs 6a GSVG in der idgF festgelegte Berechnungsmethode für den Anspruch auf Hinterbliebenenpension (Witwen- und Witwerpension) geltend. Sie führt wiederum ausdrücklich aus, dass sie durch den in § 145 Abs 3 und 4 GSVG idF SVÄG 2006, BGBl I 2006/130, normierten zwei- bzw vierjährigen Beobachtungszeitraum für die Berechnung der Hinterbliebenenpension nicht beschwert sei und diese Regelung daher nicht bekämpfe. Sie wendet sich vielmehr gegen die Berücksichtigung ihrer Einkünfte aus unselbständiger aktiver Erwerbstätigkeit in den letzten zwei Jahren vor dem Stichtag bei der Berechnung der Höhe ihrer Hinterbliebenenpension. Die Berücksichtigung dieser Einkünfte zum Stichtag 20. 1. 2009, die infolge Beendigung ihrer unselbständigen Erwerbstätigkeit mit 1. 5. 2009 wieder weggefallen seien, führe dazu, dass ihr eine um 18,647 % niedrigere Witwenpension zuerkannt worden sei. Diese Rechtslage führe in all jenen Fällen, in welchen eine Witwe zum Todeszeitpunkt des Versicherten und in den letzten beiden Kalenderjahren zuvor neben ihrer eigenen Alterspension noch ein Erwerbseinkommen iSd § 60 Abs 1 GSVG bezogen habe, zu unbilligen und damit verfassungswidrigen Härten. So sei bei jenen hinterbliebenen Ehegatten, die - wie die am 10. 7. 1941 geborene Klägerin -bereits das Regelpensionsalter erreicht haben, jederzeit damit zu rechnen, dass sie keine Erwerbseinkünfte mehr erzielen könnten. Der Wegfall des Erwerbseinkommens des hinterbliebenen Ehegatten führe daher nicht nur zu einer unmittelbaren Reduzierung der eigenen Einkünfte, sondern wirke sich aufgrund dieser „Versteinerung“ seiner eigenen (keineswegs aber starren) finanziellen Situation zum Todeszeitpunkt des Versicherten und in den letzten beiden Kalenderjahren zuvor mit einem dadurch bedingten unkorrigierbar niedrigerem Prozentsatz an Hinterbliebenenpension doppelt nachteilig aus und vereitle damit den Zweck der Hinterbliebenenpension. Während es sowohl bei Unterschreiten der aktuellen Untergrenze in Höhe von 1.671,20 EUR monatlich als auch bei Unterschreiten (gemeint wohl: Überschreiten) der aktuellen Obergrenze von 8.040 EUR monatlich gemäß § 145 Abs 6 und Abs 6a GSVG zu einer nachträglichen Anpassung der Witwenpension aufgrund geänderter Einkommenssituation der Witwe komme, bestehe diese Möglichkeit zur flexiblen Handhabung innerhalb der betraglichen Bandbreite zwischen genannter Unter- und Obergrenze nicht, was eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung darstelle. Es werde dadurch auch der Vertrauensschutz der Klägerin, aufgrund der jahrzehntenlangen hohen Beitragsleistungen sowohl von ihr selbst als auch von ihrem verstorbenen Ehegatten mit einer im Hinblick auf den langjährigen Lebensstandard adäquaten Versorgung rechnen zu können, beeinträchtigt. Es werde dadurch auch das allgemeine Prinzip der gesetzlichen Sozialversicherung, wonach die Sozialversicherungsleistungen der Höhe nach von den erfolgten Beitragsleistungen abhängig seien, verletzt. Es sei schließlich nicht nachvollziehbar, warum für die Berechnung der Witwenpension ausschließlich die Erwerbs- und Pensionseinkünfte relevant seien, während anderweitige - weitaus weniger altersabhängige, aber ebenso der Versorgung dienende Einkünfte wie beispielsweise Mieteinnahmen - unberücksichtigt blieben. Es werde daher die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich der maßgeblichen Bestimmungen des § 145 GSVG idgF, insbesondere der Abs 4, 5, 6 und 6a, angeregt.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Zur Gesetzeslage:

1.1 Vorauszuschicken ist, dass gemäß § 113 Abs 1 Z 3 GSVG der Versicherungsfall bei Leistungen aus dem Versicherungsfall des Todes mit dem Tod des Versicherten als eingetreten gilt. Bei Anträgen auf eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Todes ist gemäß § 113 Abs 2 GSVG der Stichtag der Todestag, wenn dieser auf einen Monatsersten fällt, sonst der dem Todestag folgende Monatserste. Gemäß § 55 Abs 2 Z 1 GSVG fallen Hinterbliebenenpensionen jedoch bereits mit dem dem Eintritt des Versicherungsfalls folgenden Tag an, wenn der Antrag - wie im vorliegenden Fall - binnen 6 Monaten nach Eintritt des Versicherungsfalls gestellt wird.

1.2 Hinterbliebenenleistungen gebühren nach dem Tod einer/eines Versicherten bei Vorliegen der dafür erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen. Es handelt sich hiebei um abgeleitete Ansprüche aus der Versicherung der/des Verstorbenen. Die Hinterbliebenenpension (Witwen- und Witwerpension) soll den Unterhaltsausfall ausgleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht. Ausgangspunkt der Berechnung ist daher das zu Lebzeiten des Versicherten erzielte Haushaltseinkommen und dessen Verteilung auf die beiden Ehepartner. Je höher der Anteil des Verstorbenen am gemeinsamen Haushaltseinkommen war, desto höher ist der Unterhaltsausfall und umgekehrt. Dem hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass die Höhe der Witwen(Witwer-)pension 60 % bis 0 % der (fiktiven) Pension des verstorbenen Versicherten betragen kann (vgl Tomandl, Sozialrecht6 Rz 275). Mit diesem variablen Prozentsatz soll eine Überversorgung des überlebenden Ehegatten durch das Zusammentreffen von Eigenpension und Hinterbliebenenpension vermieden werden.

1.3 Der Berechnungsvorgang für die Höhe der Witwen(Witwer-)pension ist relativ kompliziert. Um sowohl Aktiv- als auch Pensionseinkommen berücksichtigen zu können, wird für jeden der beiden Ehepartner eine sogenannte Berechnungsgrundlage ermittelt. Für beide gilt als Berechnungsgrundlage das Einkommen aus den letzten zwei Kalenderjahren (bzw aus den letzten vier Kalenderjahren, wenn sich das Einkommen des Verstorbenen aus Gesundheitsgründen oder wegen Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Kalenderjahren verringert hat) vor dem Tod des Versicherten (§ 145 Abs 3 und 4 GSVG). Dazu zählen neben dem Erwerbseinkommen auch Einkünfte aus wiederkehrenden Sozialleistungen (wie Renten, Pensionen, Ruhegenüsse von Beamten), nicht aber Einkommen aus Vermögen (§ 145 Abs 5 GSVG). War der Verstorbene bereits Pensionist und hat er nach dem Anfall der Pension weitere Erwerbseinkünfte bezogen, wird seine Berechnungsgrundlage entsprechend der Anzahl der erworbenen Versicherungsmonate erhöht. Sind beide Berechnungsgrundlagen gleich hoch, beträgt die Witwen(Witwer-)pension 40 %. Ist die Berechnungsgrundlage des hinterbliebenen Ehegatten jedoch kleiner, dann erhöht sich der Pensionsanspruch pro 1 % Unterschied um 0,3 % bis zum Maximum von 60 %. War hingegen die Berechnungsgrundlage des hinterbliebenen Ehegatten größer, dann vermindert sich die Pensionshöhe pro 1 % Unterschied um 0,3 % bis auf 0 % (Tomandl aaO Rz 275).

1.4 Für die Berechnung der Witwen(Witwer-)pension ist somit das Einkommen der beiden Ehepartner in den letzten zwei bzw vier Kalenderjahren vor dem Tod des Versicherten maßgebend. Später von der Witwe bzw dem Witwer erzieltes Einkommen hat auf die Höhe der Witwen(Witwer-)pension daher grundsätzlich ebensowenig Einfluss wie der spätere Wegfall eines im maßgebenden Beobachtungszeitraums erzielten Einkommens. Von diesem Grundsatz besteht jedoch insofern eine Ausnahme, als für Hinterbliebene mit geringem Einkommen eine untere Schutzgrenze sowie für Hinterbliebene mit hohem Einkommen eine Leistungsobergrenze festgelegt ist. So ist der Prozentsatz der Witwen(Witwer-)pension so weit zu erhöhen, dass das eigene Gesamteinkommen des Hinterbliebenen inklusive Witwen(Witwer-)pension den Schutzbetrag von 1.671,20 EUR (2009, veränderlicher Wert) monatlich erreicht, wobei die Witwen(Witwer-)pension aber maximal 60 % der Bemessungsgrundlage erreichen kann (§ 145 Abs 6 GSVG). Andererseits ist in Monaten, in denen die Summe aus dem eigenen Einkommen der Witwe bzw des Witwers und der Pension die doppelte monatliche Höchstbeitragsgrundlage überschreiten würde (also 2009: 8.040 EUR), der Pensionsprozentsatz so weit zu vermindern (gegebenenfalls auf Null), dass diese Gesamtgrenze nicht überschritten wird (§ 145 Abs 6a GSVG). Nach den Gesetzesmaterialien zum SRÄG 2000, BGBl I 2000/92 (vgl RV 181 BlgNR 21. GP 33), sollte dadurch das Ziel einer stärkeren Bedarfsorientierung der Hinterbliebenenpension verwirklicht und auch stärker an die mit dem Gedanken der Bedarfsorientierung zusammenhängende ursprüngliche Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenpension angeknüpft werden.

1.5 Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2003, G 300/02 ua (VfSlg 16.923), wurde unter anderem § 145 Abs 2 bis 5 GSVG idF BGBl I 2001/67 als verfassungswidrig aufgehoben, weil dem Einkommensvergleich die in § 145 Abs 3 und 4 GSVG geregelten Berechnungsgrundlagen zugrundegelegt werden, die nicht die tatsächliche „Pensionshöhe“ widerspiegelten. Hingegen könne gegebenenfalls die Verminderung, unter Umständen sogar die Nichtgewährung der Witwen(Witwer-)pension sachlich gerechtfertigt sein, wenn der/dem Hinterbliebenen wegen ihres/seines vergleichsweise hohen eigenen (Pensions-)Einkommens eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung auch im Fall einer verminderten Witwen(Witwer-)pension bzw des gänzlichen Entfalls der Hinterbliebenenpension gesichert sei. Mit dem 2. SVÄG 2004, BGBl I 2004/78, wurde als Reaktion auf dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs auf das Einkommen der letzten zwei Kalenderjahre vor dem Todeszeitpunkt abgestellt. Mit dem SVÄG 2006, BGBl I 2006/130, hat der Gesetzgeber eine Günstigkeitsregelung geschaffen und die Berechnungsgrundlage des/der Verstorbenen in Fällen einer Verminderung des Einkommens aus Gesundheitsgründen oder wegen Arbeitslosigkeit auf einen vierjährigen Beobachtungszeitraum umgestellt, sofern dies für die Witwe/den Witwer günstiger ist.

2. Zu den von der Klägerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken:

2.1 Die Witwen(Witwer-)pension hat nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs und des Obersten Gerichtshofs die Aufgabe, den Lebensunterhalt der Witwe bzw des Witwers in der Weise zu gewährleisten, dass dem Hinterbliebenen „auch nach dem Ableben des Ehepartners eine dem zuletzt erworbenen Lebensstandard nahe kommende Versorgung gesichert ist“. Daher kann die Verminderung oder Nichtgewährung der Hinterbliebenenpension sachlich gerechtfertigt sein, wenn dieser Lebensstandard auch dann noch nahezu gesichert ist (vgl VfSlg 16.923). Die Witwen(Witwer-)pension soll daher den Unterhaltsausfall ausgleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht (10 ObS 382/02b = SSV-NF 17/34 = DRdA 2004/20, 251 [B. Karl]). Der Zweck der Witwen(Witwer-)pension liegt somit darin, jenen Witwen (Witwern), die weniger als ihr Ehepartner verdient haben, nach dessen Tod einen Unterhaltsersatz zu gewähren. Stirbt der unterhaltspflichtige Ehepartner, so soll der Entfall der Unterhaltsleistung - zumindest teilweise - durch die Witwen(Witwer-)pension abgedeckt werden. Dagegen, dass die Witwen(Witwer-)pension aufgrund eines Einkommensvergleichs, der auf das tatsächliche Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder Pension abstellt, bemessen wird, bestehen daher aus Sicht des Obersten Gerichtshofs keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl 10 ObS 81/09y, 10 ObS 90/08w ua; Tomandl, Der VfGH zur Pensionsreform 2000, ZAS 2004, 24 ff [28]; B. Karl in ihrer Entscheidungsanmerkung in DRdA 2004/20, 253 [254 f]).

2.2 Wie der erkennende Senat ebenfalls bereits ausgesprochen hat, besteht - auch nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 27. 6. 2003, G 300/02 ua (VfSlg 16.923) - für den Gesetzgeber ein weiter Spielraum, was er als Einkommen bezeichnet, das für die Ermittlung der Hinterbliebenenpension relevant ist. Dem Gesetzgeber ist es daher zB unbenommen, bei der Ermittlung der Hinterbliebenenpension nur Einkommen aus unselbständiger bzw selbständiger Erwerbstätigkeit bzw alle wiederkehrende Geldleistungen der Sozialversicherung sowie öffentliche Bezüge, Pensionen und Renten, nicht aber beispielsweise Privatvorsorgen anzurechnen (vgl 10 ObS 41/06m = RIS-Justiz RS0121105). Nichts anderes kann für die Frage der Einbeziehung bestimmter Einkommensteile, die bei der Ermittlung des relevanten Einkommens im Beobachtungszeitraum zu berücksichtigen sind, gelten. Es steht daher dem Gesetzgeber des GSVG durchaus frei, innerhalb der von der Verfassung gezogenen Grenzen einen eigenständigen Entgeltbegriff zu normieren. Demgemäß bestehen dagegen, dass unter dem Begriff „Einkommen“ iSd § 145 Abs 5 GSVG das Erwerbseinkommen (Entgelt, steuerliche Einkünfte) iSd § 60 Abs 1 GSVG zu verstehen ist, keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl 10 ObS 90/08w ua). Dies müsste in gleicher Weise auch dann gelten, wenn der erreichte Lebensstandard beispielsweise allein auf nicht beitragsrechtlich relevantes Einkommen (zB Mietzinseinkünfte) zurückzuführen wäre (vgl 10 ObS 126/06m = SSV-NF 20/56).

2.3 Die Klägerin räumt in ihren Revisionsausführungen ausdrücklich ein, dass sie durch den in § 145 Abs 3 und 4 GSVG idF SVÄG 2006, BGBl I 2006/130, normierten zwei- bzw vierjährigen Beobachtungszeitraum für die Berechnung der Witwenpension nicht beschwert sei und sie diese Regelung daher auch nicht bekämpfe. Es ist daher nur der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem erst jüngst ergangenen Erkenntnis vom 11. 3. 2010, G 228/09-9, einen diese Fristen in der vergleichbaren Bestimmung des § 264 Abs 3 und 4 ASVG idF BGBl I 2006/130 betreffenden Gesetzesprüfungsantrag des Obersten Gerichtshofs vom 21. 7. 2009, 10 ObS 81/09y, abgewiesen hat.

2.4 Es begegnet im Hinblick auf den bereits oben dargelegten Zweck der Witwen(Witwer-)pension, den Unterhaltsausfall auszugleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht, aber auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass dazu grundsätzlich auf die Versorgungslage zum Todeszeitpunkt des Versicherten abgestellt wird und nachfolgende Einkommensänderungen grundsätzlich unberücksichtigt bleiben. Nach der Aufhebung sämtlicher Ruhensbestimmungen durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 15. 12. 1990, G 33/89 ua = VfSlg 12.592, verzichtete der Gesetzgeber offenbar bewusst auf eine Ruhensbestimmung für den Fall eines erst späteren Bezugs an Erwerbseinkommen durch den hinterbliebenen Ehegatten. Ebenso sieht das Gesetz (von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des § 145 Abs 6 und Abs 6a GSVG abgesehen) keine Erhöhung des Hundertsatzes vor, wenn ein zum Stichtag bezogenes Erwerbseinkommen des hinterbliebenen Ehegatten zu einem späteren Zeitpunkt wegfällt. Die Witwen(Witwer-)pension soll als - vom Verstorbenen abgeleitete - Versorgungsleistung nur insoweit anfallen, als nicht ein Eigeneinkommen des hinterbliebenen Ehegatten eine weitgehende Aufrechterhaltung des bisherigen Lebensstandards sicherzustellen vermag. Durch den bereits oben näher dargestellten variablen Prozentsatz der Pensionsleistung soll eine Überversorgung des hinterbliebenen Ehegatten durch das Zusammentreffen von Eigenpension und Hinterbliebenenpension vermieden werden.

Da sich das eigene Einkommen des hinterbliebenen Ehegatten während des Pensionsbezugs verändern kann, hat der Gesetzgeber, um den Versorgungscharakter der Hinterbliebenenpension sicherzustellen, in § 145 Abs 6 GSVG eine laufende untere Gesamteinkommenssicherung und in § 145 Abs 6a GSVG eine laufende obere Einkommensbegrenzung vorgesehen. Gegen den Umstand, dass innerhalb dieser Bandbreite eine nachträgliche Veränderung des Einkommens des hinterbliebenen Ehegatten zu keiner Erhöhung oder Herabsetzung des Pensionsbezugs führt, bestehen nach Ansicht des erkennenden Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Dem einfachen Gesetzgeber ist es aufgrund des demokratischen Prinzips nicht verwehrt, seine jeweiligen rechtspolitischen Vorstellungen im Rahmen vertretbarer Zielsetzungen auf die ihm geeignete erscheinende Art zu verwirklichen. Innerhalb des ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraums ist der Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz (nur) insoweit an inhaltliche Schranken gebunden, als sachlich nicht begründbare gesetzliche Regelungen verfassungsrechtlich verboten sind (VfSlg 14.868 ua). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Hinterbliebenenpensionen um Leistungen handelt, die nicht aufgrund einer eigenen Beitragsleistung des Beziehers ausgezahlt werden (10 ObS 382/02b = SSV-NF 17/34) und im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs in der Sozialversicherung ganz allgemein der Grundsatz der Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung nicht gilt, da der Versorgungsgedanke im Vordergrund steht (vgl VfSlg 16.007 ua). Dies zeigt sich schon daran, dass die Mittel der Pensionsversicherungsträger nicht allein durch Beiträge, sondern wesentlich auch durch einen Beitrag (Zuschuss) des Bundes (§ 34 GSVG) aufgebracht werden. Schon aus diesem Grund kann der Gesetzgeber, ohne mit dem Gleichheitgrundsatz in Widerspruch zu geraten, bei der Gestaltung des Leistungsrechts auch sozialpolitische Ziele verwirklichen und dabei eine Durchschnittsbetrachtung anstellen. Härtefälle können ebenso unberücksichtigt bleiben wie Einzelfälle einer Begünstigung (vgl das Erkenntnis des VfGH vom 11. 3. 2010, G 228/09-9). Unter Bedachtnahme auf diesen auch mit der Hinterbliebenenpension angestrebten Versorgungszweck erscheint die dargestellte gesetzliche Regelung über die Berechnung der Hinterbliebenenpension nicht unsachlich.

2.5 Auch das weitere Argument der Klägerin, sie sei in ihrem aufgrund der sowohl von ihr selbst auch von ihrem verstorbenen Ehegatten jahrzehntelangen hohen Beitragsleistungen erworbenen Vertrauen, mit einer im Hinblick auf den langjährigen Lebensstandard adäquaten Versorgung im Todesfall ihres Ehegatten rechnen zu können, enttäuscht worden, vermag nicht zu überzeugen. Denn zum einen war der Klägerin, wie sie selbst ausführt, immer bewusst, dass sie ihre unselbständige Erwerbstätigkeit jedenfalls in absehbarer Zeit nach Überschreiten des Regelpensionsalters wird beenden müssen und damit auch ihre Einkünfte aus dieser Tätigkeit verlieren wird und zum anderen hat der Gesetzgeber dadurch möglicherweise entstehenden Härtefällen dadurch eine auch aus verfssungsrechtlicher Sicht bedeutsame Schranke gesetzt, dass er in § 145 Abs 6 GSVG für den Fall, dass die Summe aus dem eigenen Einkommen der Witwe nach § 145 Abs 5 GSVG und der Witwenpension nicht den Betrag von 1.671,20 EUR monatlich erreicht, sichergestellt hat, dass das Einkommen der Witwe oder des Witwers nicht unter diesen Schutzbetrag sinken kann (vgl das Erkenntnis des VfGH vom 11. 3. 2010, G 228/09-9).

3. Da somit das allein noch verfahrensgegenständliche Begehren der Klägerin auf der Grundlage der geltenden Rechtslage unbestritten nicht zu Recht besteht und der erkennende Senat die von der Klägerin gegen diese Rechtslage vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilt, musste die Revision erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse, welche einen ausnahmsweisen Kostenersatzanspruch der Klägerin aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und ergeben sich auch aus der Aktenlage nicht.

Schlagworte

12 Sozialrechtssachen,

Textnummer

E94257

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00048.10X.0601.000

Im RIS seit

22.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

04.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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