TE Vwgh Erkenntnis 2001/1/25 95/15/0074

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Veröffentlicht am 25.01.2001
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
60/01 Arbeitsvertragsrecht;

Norm

ABGB §1151;
AngG §6;
EStG 1988 §25 Abs1 Z1 lita;
EStG 1988 §25 Abs1 Z4;
EStG 1988 §29 Z4;
EStG 1988 §47 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des A in K, vertreten durch Dr. Erwin Bajc und Dr. Peter Zach, Rechtsanwälte in 8600 Bruck/Mur, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom 10. März 1995, Zl. B 108-3a/94, betreffend Einkommensteuer 1990, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vollversammlung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für S. wählte den Beschwerdeführer mit Wirkung ab 1. Oktober 1987 zum Präsidenten. Am 20. Oktober 1987 schloss der Beschwerdeführer mit dem Vorstand der genannten Kammer einen freien Dienstvertrag und einen Pensionsvertrag ab. Der freie Dienstvertrag lautet wie folgt:

"Der Vorstand der Arbeiterkammer hat im Sinne der Geschäftsordnung der Kammer für Arbeiter und Angestellte für S. zur Kenntnis genommen, dass Sie (der Beschwerdeführer) die Geschäfte der Kammer für Arbeiter und Angestellte für S. ab 1. Oktober 1987 hauptamtlich leiten. Die aus Ihrer Tätigkeit, welche in Form eines freien Dienstvertrages erfolgt, entspringenden gegenseitigen Rechte und Pflichten werden nachstehend wie folgt festgehalten:

1. Gemäß § 14 Arbeiterkammergesetz und § 8 Geschäftsordnung sind Sie der gesetzliche Vertreter der Kammer und leiten die Geschäfte hauptamtlich. Sie verpflichten sich zu derartigen Dienstleistungen gegenüber der Kammer im Ausmaß der für alle Kammerbediensteten geltenden Arbeitszeit, deren derzeitige Verteilung von Montag bis Freitag ist, und der damit im Zusammenhang stehenden notwendigen Anwesenheit.

2. Hiefür erhalten Sie gemäß § 16 Abs. 2 der Geschäftsordnung den gleichen Bezug wie der Kammeramtsdirektor, mit dem alle wie immer gearteten Mehrleistungen abgegolten sind. Die monatlichen Bezüge werden 14 mal jährlich (einschließlich Urlaubs- und Weihnachtsremuneration) bezahlt.

3. Pro Dienstjahr gebührt Ihnen ein Urlaub von 30 Werktagen, den Sie unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Dienstbetriebes und Ihre Erholungsmöglichkeiten konsumieren können. Für die Zeit Ihrer Abwesenheit (Verhinderung) gilt § 14 Arbeiterkammergesetz bzw. § 8 Abs. 2 Geschäftsordnung.

4. Die Kammer gewährt Ihnen nach Ihrem Ausscheiden aus dem Dient eine Altersversorgung, deren Ausmaß und Regelung einem Pensionsvertrag vorbehalten ist. Zum Zeichen der Entgegennahme dieses Schreibens und Ihres Einverständnisses werden Sie ersucht, beiliegende Gleichschrift zu unterfertigen und dem Kammeramt zurückzusenden."

Dem Beschwerdeführer wurde ab 1. Mai 1990 eine Pension wegen dauernder Invalidität zuerkannt. Daraufhin schloss er mit der genannten Kammer einen "Vergleich", wonach er am 20. Juni 1990 einen Amtsverzicht mit sofortiger Wirkung abgab und andererseits die genannte Kammer ihm einen Versorgungsanspruch von monatlich S 80.000,-- brutto ab dem ersten auf den Amtsverzicht folgenden Monat zusicherte. Der Versorgungsanspruch wurde im Juli 1990 ausbezahlt, jedoch ab August 1990 von der genannten Kammer zurückgehalten.

In der Einkommensteuererklärung für 1990 erklärte der Beschwerdeführer die Bezüge als Präsident der Arbeiterkammer als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 21. Juli 1993 die Einkommensteuer für das Jahr 1990 fest. Hiebei behandelte sie die Bezüge des Beschwerdeführers als Präsident der Arbeiterkammer als sonstige Einkünfte, und zwar als Funktionsgebühren gemäß § 29 Z. 4 EStG 1988.

In der Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, seine Bezüge als Präsident der genannten Arbeiterkammer seien eindeutig als Einkünfte aus nicht-selbstständiger Arbeit einzustufen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung wurde das Verwaltungsgeschehen ausführlich wiedergegeben. Sodann führte die belangte Behörde aus, mangels Bestimmung des Begriffes Funktionär im Einkommensteuergesetz sei zur Auslegung auf jene Gesetzesstelle zu greifen, die den Rechtsgrund für den Funktionärsbezug bilde. Dies sei im vorliegenden Fall § 29 Abs. 2 AKG 1954. Die Bezüge der Funktionäre der Arbeiterkammer seien dort nur ansatzweise geregelt. Die Vergütung der den Kammerräten in Ausübung der Tätigkeit erwachsenen Barauslagen und des Verdienstentganges sei nach den vom Vorstand beschlossenen Richtlinien erfolgt und könnten diese Richtlinien in Einzelfällen auch eine Funktionsgebühr vorsehen. Da der Präsident von der Vollversammlung der Kammerräte aus ihrer Mitte gewählt werde, sei die nicht mehr als bloßer Ersatz von Barauslagen und Verdienstentgang anzusehende Vergütung des Präsidenten eine Funktionsgebühr. Der Präsident sei ein Organ der Arbeiterkammer und komme deshalb für eine Funktion im Sinne des § 29 Z. 4 EStG 1988 in Frage. Dem Funktionärsbegriff sei eine nur nebenberufliche Tätigkeit nicht immanent. Desgleichen stehe der Annahme eines Funktionärs nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer allenfalls weisungsgebunden gewesen sei, weil auch die Weisungsfreiheit dem Funktionärsbegriff nicht immanent sei. In diesem Zusammenhang werde beispielsweise auf die Weisungsgebundenheit der Staatssekretäre, der Landeshauptleute im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung und der Bürgermeister im übertragenen Wirkungsbereich der Gemeinde hingewiesen. Da unter den Begriff Funktionsgebühren alles falle, was der Funktionär für die Ausübung seiner Funktion erhalte, seien die dem Beschwerdeführer aus einem freien Dienstvertrag zugeflossenen Bezüge Einkünfte im Sinne des § 29 Z. 4 EStG. Daran könnten auch die Modalitäten der Leistungserbringung (selbstständig oder nichtselbstständig) nichts ändern, weil der Gesetzgeber nach dem Gesagten an den außersteuerlichen Funktionärsbegriff anknüpfe und diesfalls die rechtliche Betrachtungsweise der wirtschaftlichen Betrachtungsweise vorgehe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, seine Bezüge aus dem freien Dienstvertrag mit der Arbeiterkammer S. als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit und nicht als Funktionsgebühren gemäß § 29 Z. 4 EStG 1988 zu versteuern, verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 25 Abs. 1 EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) nach Z. 1 lit. a Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis, und nach Z. 4 lit. a Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge im Sinne des Bezügegesetzes und des Verfassungsgerichtshofgesetzes, sowie lit. b gleichartige Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe-(Versorgungs-)Bezüge die Mitglieder einer Landesregierung (des Wiener Stadtsenates) und Mitglieder eines Landtages sowie deren Hinterbliebene auf Grund landesgesetzlicher Regelungen erhalten, weiters Bezüge, Auslagenersätze und Ruhe- (Versorgungs-)Bezüge, die Bürgermeister, Vizebürgermeister (Bürgermeister-Stellvertreter) oder Stadträte (amtsführende Gemeinderäte), Bezirksvorsteher (Stellvertreter) der Stadt Wien sowie deren Hinterbliebene auf Grund landesgesetzlicher Regelungen erhalten (die weiteren Ziffern und literae kommen im Beschwerdefall nicht in Betracht). Sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 3 Z. 7) sind nach § 29 Z. 4 EStG 1988 Funktionsgebühren der Funktionäre von öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Als Funktionär im Sinn des § 29 Z. 4 EStG 1988 kann nur die Tätigkeit eines Organs angesehen werden, soweit der Organwalter nicht auf Grund eines Dienstverhältnisses tätig wird (vgl. Hofstätter/Reichel, EStG 1988, Tz 7 zu § 29 EStG 1988).

Ein Dienstverhältnis liegt nach § 47 Abs. 2 leg. cit. vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Der Legaldefinition dieser Bestimmung sind somit zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Hinsichtlich der Weisungsgebundenheit sind das sachliche, auf den Arbeitserfolg gerichtete Weisungsrecht, und das für die Arbeitnehmereigenschaft sprechende persönliche Weisungsrecht zu unterscheiden, wobei das Letztere einen Zustand wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit fordert. Die persönlichen Weisungen sind auf den zweckmäßigen Einsatz der Arbeitskraft gerichtet und dafür charakteristisch, dass der Arbeitnehmer nicht die Ausführung einzelner Arbeiten verspricht, sondern seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zuletzt etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. September 1999, 94/14/0023, und vom 23. Mai 2000, 97/14/0167).

Der Beschwerdeführer behauptet, seine Bezüge als Präsident der genannten Arbeiterkammer seien Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 47 EStG 1988. Nach dem dargestellten - unstrittigen - Sachverhalt wurde der Beschwerdeführer als Kammerrat der genannten Arbeiterkammer von der Vollversammlung aller Kammerräte zum Präsidenten der Kammer gewählt. Als solcher schloss er mit der Kammer, vertreten durch die ebenfalls aus dem Kreis der Kammerräte gewählten Vorstandsmitglieder den oben wiedergegebenen freien Dienstvertrag. Mit dem arbeitsrechtlichen Begriff des freien Dienstvertrages wird ein Vertrag bezeichnet, bei dem dem zur Arbeitsleistung Verpflichteten die persönliche Abhängigkeit gänzlich fehlt oder nur schwach ausgeprägte Merkmale derselben vorhanden sind (vgl. etwa Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht, 7. Auflage, Seite 146). Weder aus diesem freien Dienstvertrag, noch aus dem in diesem Vertrag Bezug genommenen Bestimmungen des Arbeiterkammergesetzes 1954 ergeben sich Anhaltspunkte für eine Weisungsgebundenheit des Beschwerdeführers als Präsident der genannten Kammer. Der Beschwerdeführer war daher in keinem abhängigen Arbeitsverhältnis bei der genannten Kammer beschäftigt (vgl. die bereits zum Gegenstand erlassenen Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 12. Juni und 4. September 1996, 9 Ob A 2096/96 t und 9 Ob A 2094/96 y). Die dargestellte Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 verlangt für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses aber die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung des Arbeitnehmers in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Wenn die belangte Behörde im gegenständlichen Fall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Hinblick auf die fehlende Weisungsgebundenheit ein Dienstverhältnis im Sinn des § 47 EStG 1988 ausgeschlossen hat, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit eines Präsidenten einer Arbeiterkammer ist auch nicht unter § 25 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988, der eine abschließende Aufzählung enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1998, 97/15/0077), genannt. Die Bezüge des Beschwerdeführers wurden daher zu Recht nicht als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 25 leg. cit. beurteilt. Die Auffassung der belangten Behörde, bei den Bezügen des Beschwerdeführers als Präsident der genannten Arbeiterkammer handelt es sich um Funktionsgebühren im Sinne des § 29 Z. 4 EStG 1988, ist daher im Ergebnis zutreffend. Der Beschwerdeführer war ein Organ der genannten Kammer und wurde als solches tätig. Eine derartige Tätigkeit wird im § 29 Z. 4 EStG 1988 als die eines Funktionärs bezeichnet. Unter dem Begriff Funktionsgebühren fällt aber alles, was der Funktionär für die Ausübung seiner Funktion erhält (vgl. Hofstätter/Reichel, Kommentar zum EStG 1988, § 29 Rz. 7).

Da das Beschwerdevorbringen somit nicht geeignet ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Jänner 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1995150074.X00

Im RIS seit

18.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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