TE OGH 2010/8/10 1Ob72/10k

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Veröffentlicht am 10.08.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** AG, *****, 2. S***** GmbH, *****, beide vertreten durch Prof. Dr. Walter Strigl, Dr. Gerhard Horak, Mag. Andreas Stolz, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei a***** GmbH, *****, vertreten durch Brauneis Klauser Prändl Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 112.440 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Februar 2010, GZ 2 R 200/09k-32, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision zeigt weder eine erhebliche Rechtsfrage noch eine aufzugreifende Fehlentscheidung der Vorinstanzen auf:

1. In welche mit der Lagerung von nicht weiter geschützten Kunstgegenständen in Regalen verbundene Risken der Eigentümer einwilligt, ist eine Frage der Vereinbarung. Ein Rechtsgrundsatz, wonach damit in die Beschädigung eines Kunstwerks durch einen - aus welchem Grund immer - umfallenden Regalträger eingewilligt würde, besteht nicht.

2. Ob die oberstgerichtliche Judikatur zur Haftungsbefreiung des Spediteurs für Schäden, die durch die Aufbewahrung im Freien entstehen (mit Ausnahme vorsätzlicher Beschädigung), auf die Haftung des Lagerhalters bei genehmigter Regallagerung zu übertragen sind, ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht entscheidungsrelevant, weil es hier nicht um ein für die Regallagerung typisches Risiko geht, gesteht die Revisionswerberin doch zu, dass ihr Erfüllungsgehilfe den Schaden durch einen Fahrfehler mit dem Gabelstapler herbeigeführt hat.

3. Insgesamt ist das Berufungsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die beklagte Partei den ihr als Lagerhalter gemäß § 417 Abs 1 iVm § 390 Abs 1 HGB - das UGB ist auf den vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden - obliegenden Beweis, die Beschädigung beruhe auf Umständen, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (jetzt: Unternehmers) nicht abgewendet werden konnten (RIS-Justiz RS0018994; 1 Ob 572/93; 2 Ob 287/06d), nicht erbracht hat. In der Revision wird leicht fahrlässiges Fehlverhalten eines Erfüllungsgehilfen sogar ausdrücklich zugestanden.

4. Ebenso ist die in der Revision aufgeworfene Frage, ob kraft branchenspezifischen Handelsbrauchs eine Einschränkung der Haftung auf Fälle krasser grober Fahrlässigkeit bzw Vorsatz in Betracht kommt, mangels näherer Feststellungen zu den Umständen des Umstürzens des Regalträgers, die zur Schädigung der Kunstwerke der Klagsseite geführt haben, nicht entscheidungsrelevant, weil weder grobe Fahrlässigkeit noch Vorsatz ausgeschlossen werden können.

5. Die Feststellung jemandem „sei etwas passiert“ (hier gemeint: dem Geschäftsführer der Erfüllungsgehilfin sei das Umstürzen der Regalträger passiert), lässt keinerlei Rückschlüsse auf Art und Umfang des Verschuldens zu. Insbesondere lässt sich nicht, wie die Revision meint, grobe Fahrlässigkeit ausschließen. Aus der Begründung des Erstgerichts - bloßer Hinweis auf die Aussage des nicht unmittelbar beteiligten Geschäftsführers der Beklagten zu seinen allgemeinen Informationen über den Unfallhergang - ist klar ersichtlich, dass mit der fraglichen Feststellung nur eine Aussage über die Verursachung des Schadens, nicht aber auch das Verschulden, getroffen werden sollte, zumal dafür die Kenntnis - und Darlegung - von näheren Details erforderlich wäre. Die Beklagte hat die Frage des Verschuldensgrads durch ihre Behauptung über einen von der gesetzlichen Regelung abweichenden Handelsbrauch selbst ins Spiel gebracht. Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, wäre sie daher gehalten gewesen (vgl § 1298 Satz 2 ABGB) schon im Verfahren erster Instanz einen konkreten Geschehnisablauf darzulegen, der unter dem behaupteten Handelsbrauch zur Haftungsfreiheit führte. Auf die Frage, ob ein derartiger Handelsbrauch überhaupt beachtlich wäre (vgl RIS-Justiz RS0023916, RS0062484), musste mangels geeigneter Tatsachenbehauptungen somit nicht eingegangen werden.

6. In der Berufung der Kläger im zweiten Rechtsgang wurde ausdrücklich thematisiert, dass die näheren Umstände und damit der Verschuldensgrad nach den Feststellungen des Erstgerichts unaufgeklärt blieben. Eine Vorgehensweise des Berufungsgerichts nach § 473a ZPO war daher im Hinblick auf die sich für den Berufungsgegner aus dieser Bestimmung im Zusammenhalt mit § 468 Abs 2 ZPO ergebende Verpflichtung nicht indiziert.

Dass im erstinstanzlichen Verfahren „vordergründig“ andere Fragen behandelt wurden, ändert daran nichts. Dass die Beklagte in der Tagsatzung vom 12. 3. 2009 keine Gelegenheit gehabt hätte, ihr Vorbringen zu ergänzen, behauptet sie selbst nicht.

7. Die geltend gemachten Nichtigkeiten liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E94811

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00072.10K.0810.000

Im RIS seit

18.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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