TE OGH 2010/8/17 11Os54/10s

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Veröffentlicht am 17.08.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Magomed R***** und Amir M***** wegen des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Amir M***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 5. Oktober 2009, GZ 17 Hv 104/09p-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwältin Mag. Sauter, des Angeklagten M***** und dessen Verteidigers MMag. Patsch sowie der Verteidigerin Dr. Pfeifer für den Angeklagten R***** zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich beider Angeklagten in der zu Punkt II des Schuldspruchs erfolgten rechtlichen Unterstellung als Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Magomed R***** und Amir M***** haben durch die im Schuldspruch II./ beschriebenen Handlungen das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB begangen und werden hiefür - der Angeklagte R***** auch für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch I./ weiterhin zur Last liegende Vergehen des Betrugs nach § 146 StGB unter Anwendung des § 28 StGB und beim Angeklagten M***** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 24. September 2009, GZ 15 U 117/09a-20 - nach § 105 Abs 1 StGB zu Freiheitsstrafen von je sechs Monaten verurteilt, deren Vollzug gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung von dreijährigen Probezeiten bedingt nachgesehen wird.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte M***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Diesem fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Magomed R***** und Amir M***** des Verbrechens der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II./), Magomed R***** überdies des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (I./) schuldig erkannt.

Danach haben am 13. Juni 2009 in Graz

I./ Magomed R***** allein mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, David P***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, zur entgeltlichen Lieferung von Cannabiskraut fähig und willens zu sein, zu einer Handlung, nämlich der Übergabe eines Bargeldbetrags von 50 Euro an ihn verleitet, wodurch David P***** „infolge Nichtlieferung der zugesagten Ware“ in diesem Betrag am Vermögen geschädigt wurde,

II./ Magomed R***** und Amir M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter dem David P***** durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten, sohin mit Gewalt, zur Unterlassung der Rücknahme des zu 1./ erwähnten Bargeldbetrags von 50 Euro, genötigt, die ihn an seinem Vermögen schädigte, wobei sie mit dem Vorsatz handelten, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern.

Gegen den Schuldspruch II./ richtet sich die auf die Z 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Amir M*****.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB nur dann anzunehmen ist, wenn das Tatopfer mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einem Verhalten genötigt wird, das unmittelbar eine Vermögensschädigung herbeiführt (RIS-Justiz RS0121847). Diese setzt voraus, dass die gesamte Vermögenslage nach der Tat ungünstiger ist als vorher; deren Höhe besteht in der Differenz, um den sich der wirtschaftliche Wert des Gesamtvermögens (durch die Tat) verringert hat (Leukauf/Steininger Komm3 § 144 RN 8; Kienapfel/Schmoller StudB BT II § 144 RN 39; Eder-Rieder in WK2 § 144 Rz 26). Insofern liegt eine Vermögensschädigung etwa auch dann vor, wenn das Opfer genötigt wird, auf eine Forderung zu verzichten (Leukauf/Steininger aaO RN 8; Eder-Rieder aaO Rz 23).

Nach den hier wesentlichen Feststellungen des Erstgerichts hat der Erstangeklagte R***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zunächst David P***** durch die Vorspiegelung, ihm Cannabiskraut zu besorgen, zur Übergabe eines Bargeldbetrages von 50 Euro verleitet (US 5 f). Als P***** erkannte, dass er betrogen worden war, begab er sich auf die Suche nach R***** und fand ihn in Begleitung des Zweitangeklagten M***** (US 6). Da R***** auf die Frage des P*****, was mit seinem Geld oder dem „Gras“ sei, tatsachenwidrig antwortete, er hätte das Geld verloren, P***** aber bereits zuvor bemerkt hatte, dass R***** das Geld in seine linke vordere Hosentasche gesteckt hatte, griff P***** in die Hosentasche des zuvor Genannten, um die Banknoten, die er in der Hosentasche auch fühlen konnte, wieder in seinen Gewahrsam zu bringen, was ihm jedoch nicht gelang, da beide Angeklagte mit dem Vorsatz, die Wiedererlangung des Bargeldes durch den Betrogenen zu verhindern, mit Faustschlägen und Fußtritten gegen diesen vorgingen (US 6 f). P***** wurde durch die von beiden Angeklagten eingesetzte Gewalt an der Rückerlangung des ihm zuvor vom Erstangeklagten Magomed R***** betrügerisch herausgelockten Bargeldbetrags von 50 Euro gehindert und dabei auch leicht am Körper verletzt.

Die Angeklagten sicherten sich demnach den durch den Betrug erlangten Vermögensvorteil dadurch, dass sie - aufgrund eines neu gefassten Tatentschlusses - das Betrugsopfer mit Gewalt an der (eigenmächtigen) Durchsetzung seiner Forderung hinderten. Diesem wurde durch dieses Verhalten der Angeklagten somit kein zusätzlicher, nicht bereits durch das betrügerische - vom rechtskräftigen Schuldspruch I./ erfasste - Handeln des Magomed R***** verursachter Vermögensschaden zugefügt. Das bloß auf den zivilrechtlichen Rückforderungsanspruch des Betrogenen (der im Übrigen trotz der Tat bestehen blieb) gerichtete und somit keinen über den durch den zuvor begangenen Betrug hinausreichenden Vermögensschaden bewirkende Tatverhalten der Angeklagten kann ihnen daher nicht als Erpressung, sondern (lediglich) als Nötigung angelastet werden (vgl 12 Os 129/99; anders bei Diebstahl und anschließender Forderung von Lösegeld für die Sachrückgabe 11 Os 3/07m, EvBl 2007/86, 467 und JBl 2008, 198).

Diese vom Beschwerdeführer zu Recht aufgezeigte Urteilsnichtigkeit (Z 10) betrifft auch den Mitangeklagten Magomed R*****, der keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat (§ 290 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StPO).

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass die von den Angeklagten dem Tatopfer bei den Gewalthandlungen zugefügten leichten Körperverletzungen vom Erstgericht rechtsirrig nicht dem Tatbestand des § 83 Abs 1 oder Abs 2 StGB unterstellt wurden (Eder-Rieder in WK2 § 144 Rz 51 mwN, insbesondere Leukauf/Steininger Komm³ § 144 RN 23). Dieser den Angeklagten zum Vorteil gereichende Rechtsfehler ist einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO nicht zugänglich.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass war daher - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte - das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, hinsichtlich beider Angeklagten in der zu Punkt II./ des Schuldspruchs erfolgten rechtlichen Unterstellung der betreffenden Tat als Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufzuheben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Bei der dadurch notwendigen Strafneubemessung war

bei Amir M***** erschwerend die einschlägige Vorstrafe, zufolge Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 24. September 2009, GZ 15 U 117/09a-20 (für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von einem Monat für das am 3. April 2009 begangene Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB [Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht eines anderen]), das Zusammentreffen zweier Vergehen, die Nötigung mit einem Mittäter und die Verletzungen des Opfers, mildernd ein teilweises Geständnis;

bei Magomed R***** erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen, die Nötigung mit einem Mittäter und die Verletzungen des Opfers, mildernd ein teilweises Geständnis, der bisher ordentliche Wandel, das Alter unter 21 Jahren und die Gutmachung des Betrugsschadens (ON 39 S 11 f).

Die aus dem Spruch ersichtlichen Freiheitsstrafen entsprechen dem Unrechts- und Schuldgehalt der jeweiligen Delinquenz.

Die bedingte Nachsicht folgt bereits aus § 295 Abs 2 StPO.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte M***** auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E95005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00054.10S.0817.000

Im RIS seit

03.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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